Paradiesapfel-Schwindel - Franz Hafermeyer - E-Book

Paradiesapfel-Schwindel E-Book

Franz Hafermeyer

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  • Herausgeber: beTHRILLED
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2025
Beschreibung

Kommissarin Elsa Dorn hat einen Vorsatz: Sie will es im Kommissariat für Betrugsangelegenheiten ruhig angehen lassen. Von Mord will sie nichts mehr wissen, seit sie im Einsatz beinahe von einem Mafia-Killer umgebracht worden wäre. Stattdessen ermittelt sie gegen einen Liebesbetrüger, der einige Frauen in Augsburg um ihr Vermögen gebracht hat.

Eine von ihnen, Pia Lotter, heuert Privatdetektiv Sven Schäfer an, um den Betrüger zu finden. Doch dann wird ein Hacker ermordet, der Schäfer Infos über den Mann beschaffen sollte. Ein klarer Fall für die Polizei - und Elsa ist schon wieder in einen Mordfall verwickelt!

Der siebte Augsburg-Krimi mit Schäfer und Dorn - für alle Fans von Regionalkrimis und coolen Ermittlerduos. Geschrieben von einem echten Kommissar!

Ebenfalls in der Reihe "Schäfer und Dorn" erschienen:

Tote lächeln nicht (Band 1)

Das Spätzle-Syndikat (Band 2)

Der Brezen-Trick (Kurzkrimi, Band 3)

Das Extrawurscht-Manöver (Band 4)

Die Schampus-Verschwörung (Band 5)

Die Datschi-Connection (Band 6)

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.



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Seitenzahl: 319

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INHALT

CoverGrußwort des VerlagsÜber dieses BuchTitelKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Kapitel 25Kapitel 26Kapitel 27Kapitel 28Kapitel 29Kapitel 30Kapitel 31Kapitel 32Kapitel 33Kapitel 34Kapitel 35Kapitel 36Kapitel 37Kapitel 38Kapitel 39Am Schluss ein herzliches Dankeschön …Lektüre zur RechercheÜber den AutorWeitere Titel des AutorsImpressum

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Über dieses Buch

Kommissarin Elsa Dorn hat einen Vorsatz: Sie will es im Kommissariat für Betrugsangelegenheiten ruhig angehen lassen. Von Mord will sie nichts mehr wissen, seit sich ihr Ex-Freund Angelo als Mafia-Killer entpuppt hat. Stattdessen ermittelt sie gegen einen Liebesbetrüger, der einige Frauen in Augsburg um ihr Vermögen gebracht hat.

Eine von ihnen, Pia Lotter, heuert Privatdetektiv Sven Schäfer an, um den Betrüger zu finden. Doch dann wird ein Hacker ermordet, der Schäfer Infos über den Mann beschaffen sollte. Ein klarer Fall für die Polizei - und Elsa ist schon wieder in einen Mordfall verwickelt!

FRANZ HAFERMEYER

Paradiesapfel-Schwindel

Schwabenkrimi

Kapitel 1

Dienstag, 17. Juni

Drei gegen eins!

Kein Verhältnis, das Schäfer Sorgen bereitete. Langsam bewegte er sich rückwärts und tat gleichzeitig einen Schritt zur Seite, während er seine Gegner nicht aus den Augen ließ.

Wie hungrige Hyänen näherten sie sich ihm, fächerten auseinander, um ihn von mehreren Seiten gleichzeitig anzugreifen. Halbstarke, in deren Blick die Lust auf eine Schlägerei flackerte. Ein Blonder, ein Rothaariger mit Sommersprossen und ein Schwarzhaariger. Was für eine Mischung!

Der ehemalige Polizist in ihm riet zur Deeskalation. Doch was hatte ihm diese Strategie in der Vergangenheit gebracht? Die Entlassung vor einigen Jahren, als man ihn aufgrund des Komplotts eines korrupten Bullen rausgeschmissen hatte! Wäre er damals offensiver vorgegangen, wäre er vielleicht immer noch Polizist.

Scheiß drauf, Deeskalation ist Mist! Das sagte ihm sein Instinkt als erfahrener Straßenschläger. Schäfer machte deshalb einen Satz nach vorne und rammte in einer wahren Kraftexplosion mit seiner rechten Schulter den Blonden.

Das Leichtgewicht riss vor Überraschung die Augen weit auf, wurde nach hinten katapultiert und überschlug sich auf dem Boden, wo er benommen liegen blieb. Der Schwarzhaarige stürzte sich sogleich mit gefletschten Zähnen auf Schäfer. Eine Drehung nach rechts, und der Angreifer lief ins Leere. Schäfer packte ihn von hinten mit einem Ringergriff, hob ihn problemlos hoch und schleuderte ihn wie einen Kartoffelsack durch die Luft. Der Kerl landete genau neben seinem blonden Partner. Schäfer beachtete sie nicht weiter, ihr keuchender und pfeifender Atem verriet ihm, dass von dieser Seite keine Gefahr mehr drohte.

Der Rothaarige schien für einen Moment geschockt, doch er fing sich erstaunlich schnell wieder und kam mit erhobenen Fäusten auf Schäfer zu. Der parierte die Schläge und konterte mit einer rechten Geraden gegen das Kinn des Angreifers, dessen Sommersprossen ordentlich durchgeschüttelt wurden. Mit einem Leberhaken setzte Schäfer nach und hieb seinem Gegner zum krönenden Abschluss die Faust in den Nacken, als der Rothaarige sich vor Schmerzen nach vorne beugte. Nun lagen alle drei Möchtegernschläger nebeneinander und japsten.

»Schäääfer!«, schrie jemand. Die Stimme näherte sich der Tonlage, bei der normalerweise Gläser zersprangen. »Schäääfer!«, wiederholte die penetrante Stimme. »Was habe ich gesagt? Nicht hart zuschlagen, nur ein bisschen Training. Das Ganze sollte eher eine Art Rollenspiel werden, du solltest Vorbild sein und deeskalierend wirken.«

Da war es wieder, das Zauberwort Deeskalation. Schäfer hob entschuldigend die Schultern. »Das war Training! Hätte ich richtig zugeschlagen, bräuchten die drei jetzt einen Notarzt. So sieht eben meine Art von Deeskalation aus. Nenn es Deeskalation mittels Schmerzen.« Das Wortspiel gefiel ihm, er grinste, während er die Boxhandschuhe auszog und in die Ringecke warf.

Der Geruch von Schweiß lag in der Luft. Obwohl alle Fenster der Trainingshalle offen standen, herrschte brütende Hitze im Inneren. Kein Wunder, ächzte Augsburg doch bereits den ganzen Juni unter einer sengenden Sonne. Nicht einmal jetzt, am Abend nach acht Uhr, gab es eine Abkühlung. Schäfer schnappte sich ein Handtuch und wischte sein nasses Gesicht trocken.

Dragomir Ilić, der Inhaber des Boxstudios, sah zu ihnen herüber. Er übte gerade mit einem seiner Mitglieder Schattenboxen. Dragomir war dick wie eine Tonne, knapp fünfzig Jahre alt und hatte rabenschwarzes Haar. Früher ein klasse Boxer, war er jetzt ein hervorragender Trainer. Schäfer trainierte gerne in seinem Boxstudio, das in einem Industriegebiet von Lechhausen lag. Es wirkte von außen leicht gammelig mit dem abbröckelnden Putz und der verblassten Fassadenfarbe. Drinnen sah es auch nicht gerade modern und einladend aus. Schäfer erinnerte es ein bisschen an die Rocky-Filme, in denen die Hauptfigur Rocky Balboa in einem ähnlichen Schuppen trainierte.

Außer Dragomir und dessen Boxpartner war nur noch eine Frau anwesend, die gerade einen Sandsack bearbeitete und sich wortstark selbst anfeuerte. Normalerweise war mehr los, aber die auch jetzt noch annähernd dreißig Grad machten die Beine von Dragomirs Mitgliedern offensichtlich zu müde fürs Training. Ein Biergarten war da bestimmt verlockender. Die Frau, eine Brünette Anfang dreißig, stöhnte während der Schläge wie einst Tennisspielerin Monica Seles beim Aufschlag. Angeblich dreiundneunzig Dezibel hatte man damals gemessen. Immerhin machte die Sandsackschlägerin Lärm für ein halbes Dutzend Leute.

Schäfers Freundin Tanja stieg hoch zum Boxring, bückte sich unter den Ringseilen durch und sah nach den drei Jugendlichen.

»Felix, Robin, Enrico, braucht ihr einen Krankenwagen?«, säuselte sie.

»Brauchen sie nicht«, brauste Schäfer auf.

Manchmal übertrieb Tanja es mit ihrem Job. Sie arbeitete im Jugendamt und kümmerte sich mehr um ihre Schützlinge, als ihm lieb war. Bei seinem letzten Fall als Privatdetektiv, als er zusammen mit Elsa Dorn von der Augsburger Kripo vor einem halben Jahr die Datschi-Connection zerschlagen hatte, war er Tanja nähergekommen. Sie war neununddreißig Jahre alt und damit nur fünf Jahre jünger als er selbst.

Besonders auffällig an ihr waren die raspelkurzen roten Haare und die zahlreichen Tattoos. Die Fingerknöchel beider Hände waren mit den römischen Zahlen von eins bis zehn tätowiert. Die Handgelenke und beide Arme waren von unten bis oben mit Tierköpfen und allerlei antikem Kram wie dem Kolosseum, Amphoren und Gladiatoren in Kampfstellung verziert. Außerdem schlängelte sich ein Tattoo in Form eines Feuersymbols aus dem T-Shirt nach oben quer über den Hals und verschwand im Nacken. Schäfer, der Tanja natürlich bereits nackt gesehen hatte, wusste, dass das Feuer den Atem eines Drachen darstellte, der auf dem Rücken Tanjas abgebildet war. Im schwülwarmen Boxstudio trug sie kurze Hosen, sodass man auch die Tattoos von den Oberschenkeln bis hinab zu den Knöcheln sehen konnte. Links gab es einen Rosenstrauch, der auf der Vorderseite begann und seitlich nach unten führte. Rechts ein Efeugewächs.

»Abgemacht war ein bisschen Sparring, aber nicht, dass du sie zu Boden schlägst«, warf Tanja ihm vor. »Sie sind viel schwächer als du. Sie zu verkloppen war übertrieben.«

»Das kannst du wohl kaum verkloppen nennen. Ich vermöble doch keine Schwächeren, das ist nicht meine Art.«

»Hahaha.«

»Was?« Er verschränkte die Arme vor der Brust.

»Schäfer, schau dich an. Eins neunzig groß, über einhundert Kilo schwer und eine Statur wie Dwayne Johnson. Es gibt wahrscheinlich in ganz Augsburg keinen Mann, der stärker ist als du. Somit gehört jeder, mit dem du dich anlegst, zu den Schwächeren.«

»Du weißt, wie ich es meine.«

Tanja legte den Kopf schief. »Nein, erklär es mir genauer.«

»Das da sind Kriminelle!«

»Schwer erziehbare Jugendliche«, konterte sie.

»Läuft für mich aufs selbe raus. Und ich habe mich nicht mit ihnen angelegt. Du wolltest doch, dass ich sie etwas ins Schwitzen bringe.«

»Genau, ins Schwitzen bringen, aber nicht mehr. Du solltest ihnen nur ein paar Grundlagen des Boxens beibringen, damit sie ihre Aggressionen abbauen können. Außerdem sollten sie von dir Deeskalation lernen.«

»Davon halte ich nichts.«

»Von was hältst du nichts? Von Deeskalation oder vom Training, um Aggressionen zu vertreiben?« Tanja wollte es wirklich ganz genau wissen.

Jetzt war es Schäfer, der den Kopf schief legte. »Von beidem eigentlich, aber hauptsächlich von deiner Theorie, dass diese Krawallbrüder beim Boxtraining Aggressionen verringern oder so was wie Respekt lernen. Die können danach höchstens besser zuschlagen. Meine Herangehensweise finde ich sinnvoller.«

»Ihnen die Köpfe einzuschlagen?«, brauste Tanja auf.

»Eher den Kerlen beizubringen, was Schmerzen sind, die sie üblicherweise anderen zufügen.«

»Man kann es auch übertreiben.«

»Ach komm«, wehrte er ab und schnaufte genervt. »Deine Schwächlinge tragen Kopf- und Mundschutz. Die haben kaum was abbekommen.«

Tanja deutete auf die drei Jugendlichen, die völlig fertig auf dem Boden des Boxrings umherkrochen. »Sieht mir nicht danach aus.«

»Weil sie es eben gewohnt sind, auf der anderen Seite zu stehen. Glaub mir, denen tut es zur Abwechslung ganz gut, mal am eigenen Leib zu spüren, wie es ist, eins auf die Fresse zu kriegen.«

»Das haben sie doch schon.«

»Wenn du darauf anspielst, dass diese drei Arschgeigen vor ein paar Wochen in der Altstadt einen harmlosen Passanten verdroschen und nur deswegen aufgehört haben, weil ich dazwischengefunkt habe, dann hast du verdammt recht. Drei Kinnhaken von mir, und alle drei krabbelten im Dreck.« Schäfers Puls hämmerte an seinen Schläfen. »Wo sie auch hingehört haben.« Langsam wurde er sauer. »Und dann verlangst du ausgerechnet von mir, dass ich diesen Vollidioten das Boxen beibringe! Bin ich da nicht irgendwie voreingenommen?« Verärgert schlug er die rechte Faust in die linke Handfläche. »In den Jugendknast gehören die Ärsche.« Schäfer schüttelte den Kopf. »Ich kann einfach nicht verstehen, dass du so einem Gschwerl hilfst. Du siehst deine Arbeit als Streetworkerin falsch.«

»Deiner Meinung nach«, gab Tanja zurück.

»Richtig, meiner Meinung nach.«

»Die ich nicht teile. Außerdem bekamen sie vom Jugendgericht die Auflage, an einem Antiaggressionsseminar teilzunehmen.«

»Und die Antiaggression habe ich ihnen gerade beigebracht, Job erledigt.« Er klatschte in die Hände.

»Jeder hat eine zweite Chance verdient«, beharrte Tanja und funkelte ihn an.

Schäfer lachte auf. »Diese drei da …« Er deutete mit dem Zeigefinger auf die sich langsam gegenseitig aufrichtenden Burschen. »… haben bestimmt schon mehr als eine Chance verstreichen lassen.«

»Und das weißt du woher?«

»Weil ich diese Art Typen kenne.«

»Aha!«

»Nichts Aha! Nicht umsonst war ich über zwanzig Jahre Polizist. Da kriegt man ein Gespür dafür.«

»Dein Gespür ist natürlich so viel besser als meines«, spottete Tanja. »Wieso vertraust du nicht meinem Gefühl, das mir sagt, dass diese drei jungen Menschen eben nicht einfach bloß Krawallmacher sind. Ich bin mir sicher, mit etwas Hilfe schaffen sie es, der Gesellschaft wieder was zurückzugeben.«

»Oh Mann, wie du dich jetzt anhörst.«

»Ich will ihnen helfen, nicht erneut rückfällig zu werden.«

»Das Boxen soll dabei helfen?« Er warf sich mit dem Rücken gegen die Ringseile, sein massiger Körper federte zurück.

Tanja starrte ihn an. »Hast du mir nicht mal gesagt, beim Boxen würde man etwas über Kontrolle und Selbstdisziplin lernen? Immerhin bist du mehrmaliger bayrischer Polizeimeister gewesen. Deine Meinung zählt nicht nur bei mir.« Sie nickte in Richtung Jugendliche. »Auch bei ihnen, da bin ich mir sicher.«

»Ja, ich habe von diesen Programmen gehört. Straftäter sollen durch Boxen resozialisiert werden. Aber wenn du mich fragst, ist das völliger Nonsens. Durch das Boxen lernen sie höchstens, wie sie jemanden effizienter verletzen können.« Er stieß sich von den Seilen ab. »Dafür musst du dir einen anderen suchen. Ich erteile denen da höchstens eine weitere Lektion.«

»Also, ich hätte schon Lust auf eine weitere Boxstunde mit dem Greis. Dann bin ich auch besser vorbereitet. Du hattest nämlich Glück, pures Glück. Nächstes Mal liegst du am Boden.«

Schäfer schaute von Tanja zu dem Rothaarigen, der mittlerweile vor ihm stand und ihn angrinste. Dabei offenbarte er eine Lücke in der unteren Zahnreihe. »Wenn du noch einen Zahn verlieren willst, dann gerne«, antwortete er.

»Oh, die Lücke hab ich schon immer, da wurde mir kein Zahn ausgeschlagen.«

»Kann ja noch kommen«, murmelte Schäfer.

»Sven!«, maßregelte Tanja ihn. Und an den Rothaarigen gewandt: »Felix, da bin ich aber froh, dass es dir mit Sven gefallen hat.«

»Der alte Knabe ist auf Zack, muss man ihm lassen.«

»Alter Knabe?« Schäfer verzog seine Augen zu Schlitzen und musterte Felix scharf.

Tanja boxte Schäfer in die Seite und flüsterte: »Ruhig bleiben.«

Der vorlaute Felix ging zu seinen Kumpanen Robin und Enrico, half ihnen auf, und zusammen verließen sie den Boxring. Während Felix Schäfer zuwinkte, warfen ihm die anderen beiden böse Blicke zu. Offenbar nahmen sie ihm die Trainingsrunde übel. Blieb nur zu hoffen, dass Robin und Enrico im Gegensatz zu Felix keine weitere Einheit mit ihm wollten.

»Sven, wir müssen wirklich über deine Einstellung gegenüber meiner Jugendarbeit reden«, sagte Tanja.

Glücklicherweise klingelte in diesem Moment sein Handy, das er in seiner Sporttasche verstaut hatte, die auf einem Stuhl neben dem Ring stand.

»Könnte wichtig sein«, entschuldigte er sich, schlüpfte zwischen den Seilen hindurch und sprang auf den Hallenboden. »Schäfer, Privatermittlungen aller Art«, meldete er sich, nachdem er sein Smartphone aus der Tasche gekramt hatte. Dann ging er ein paar Schritte zur Seite, um ungestört sprechen zu können.

»Grüß Gott, Herr Schäfer. Hier spricht Pia Lotter. Ich möchte Sie engagieren. Störe ich Sie bei irgendetwas?«

Schäfer runzelte die Stirn, dann wusste er, was seine Gesprächspartnerin meinte. Der Monica-Seles-Verschnitt war gerade in Höchstform und stöhnte, was das Zeug hielt.

»Ich bin im Boxstudio.«

»Ach ja? Hört sich an, wie …«

»Das ist es garantiert nicht«, widersprach er. »Um was geht’s denn?«, fragte er zwischen zwei lautstarken Stöhnern der Boxerin.

»Am Telefon möchte ich ungern darüber reden. Wenn Sie Zeit für mich freischaufeln könnten, wäre ich Ihnen sehr dankbar.«

»Wann?«, rief Schäfer, um das Stöhnen zu übertönen.

»Wie wäre es morgen um zwölf Uhr mittags im Hofgarten?«

»Morgen schon und ausgerechnet an High Noon«, zitierte er den Titel eines alten Westernklassikers. »Das hört sich dringend an.«

»Für mich ist es dringend.«

»Okay, dann bin ich da.«

»Wie erkenne ich Sie?«

»Wenn Sie einen großen und breiten Kerl sehen, sprechen Sie ihn an.«

Kapitel 2

Mittwoch, 18. Juni

Elsa Dorn saß in ihrem Büro im Polizeipräsidium an der Gögginger Straße und grübelte über ihren neuen Fall nach. Sie ermittelte gegen einen Love-Scammer. Anders als zuletzt handelte es sich dabei nicht um Mord und Totschlag, sondern um stinknormalen Betrug. Was daran lag, dass sie das Kommissariat gewechselt hatte und nicht mehr in der Mordkommission arbeitete.

Seit sich ihr Freund, der Restaurantbesitzer Angelo, als Killer der italienischen Mafia entpuppt und beinahe sogar sie selbst umgebracht hatte, war Elsas Selbstbewusstsein rasant auf Talfahrt gegangen. Nicht nur, dass sie fürs Erste genug von Beziehungen hatte, auch die Arbeit in der Mordkommission war unter diesen Umständen für sie nicht mehr möglich.

Immer wieder waren ihr dieselben Gedanken durch den Kopf geschossen: Wie soll ich Morde aufklären, wenn ich selbst fast ein ganzes Jahr auf einen Mörder reingefallen bin, sogar mit ihm zusammengewohnt habe? Im selben Bett habe ich mit ihm geschlafen, wir sind gemeinsam nach Italien in den Urlaub gefahren. Wenn ich nicht einmal einen Mörder in meinem engsten Umfeld erkenne, wie soll ich dann künftig in Mordfällen ermitteln? Da traue ich mir selbst nicht mehr über den Weg. Dafür bin ich nicht mehr geschaffen.

Die Grübeleien waren immer unerträglicher geworden, weshalb sie den Leitenden Kriminaldirektor Karl-Heinz Jansenbrink gebeten hatte, sie ins Kommissariat für Betrugsdelikte zu versetzen. Der Kripochef hatte nur widerwillig nachgegeben. Gut ein halbes Jahr arbeitete sie bereits hier, hatte nicht mal ihr Büro wechseln müssen, denn beide Kommissariate lagen auf demselben Stockwerk. Auf dem Gang traf sie zwar die ehemaligen Kollegen hin und wieder, aber die Arbeit an Todesermittlungsverfahren blieb ihr wenigstens erspart.

»Denkst du noch, oder schläfst du schon?«, schnitten die spöttischen Worte ihres Arbeitskollegen durch Elsas Gedanken.

Am Tisch gegenüber fläzte sich Valentin Häusler in seinem Bürostuhl. Blonde Haare klebten nass geschwitzt auf seiner Stirn. Bis vor Kurzem hatte Elsa ihr Büro für sich allein gehabt, allerdings hatte sich das mit dem Einzug des Kollegen geändert. Häusler war davor beim Kommissariat für Einbruchsdelikte gewesen. Doch seit drei Wochen war er ebenfalls für Betrugsfälle zuständig und ausgerechnet bei ihr einquartiert worden. Bei ihr sei Platz, hatte es geheißen, und wo sie sowieso im selben Kommissariat arbeiteten, würde sich das quasi anbieten. Bei einem ihrer früheren Fälle war Elsa mit dem Kriminaloberkommissar wegen seiner sexistischen Sprüche aneinandergeraten, weshalb sie nur ungern der neuen Arbeitssituation zustimmte.

Als sie nicht antwortete, fuhr Häusler fort: »Schon komisch, dass wir zwei jetzt in einem Team sind.«

»Hm«, machte sie, ohne aufzusehen. Stattdessen betrachtete sie ihre Kakteensammlung auf dem Fensterbrett. Sie hatte die Angewohnheit, den stachligen Freunden Namen zu geben und dann mit ihnen Diskussionen zu führen. Der Kaktus in der Mitte war ein Mammillaria, ein Warzenkaktus, und hörte auf den Namen Jansenbrink. Es wurde Zeit, einen weiteren Kaktus nach Häusler zu benennen. Vielleicht den besonders stachligen Goldkugelkaktus direkt neben dem Mammillaria.

»Ich lese mir gerade die Akte deines aktuellen Falls durch. Jetzt, da wir zwei zusammenarbeiten …«

»… müssen«, unterbrach sie ihn.

»Was?«

»Zusammenarbeiten müssen.«

»Ach komm, Elsa. Bei der G’schicht um den toten Bärenbruno und sein Spätzle-Syndikat war ich ebenfalls vorübergehend im Team Mord, genau wie du. Ich war zu der Zeit beim Einbruch und du bei der Sitte. So schlecht lief es damals nicht mit uns beiden. Jetzt sind wir wiedervereint. Das ist bestimmt ein Zeichen.«

»Zeichen wofür?«

»Geklärte Fälle«, sagte er mit einem Schmunzeln. »Geklärte Fälle sind gute Fälle. Also lass uns den Fall klären. Sag mal, bei Einbrüchen haben wir ja selten mit Betrügern zu tun, deshalb ist mein Wissen darüber logischerweise etwas eingeschränkt. Was ist ein Love-Scammer?«

»Jemand, der in sozialen Netzwerken unter einem Fake-Profil Kontakt zu einsamen oder liebesuchenden Menschen knüpft, mit dem einzigen Ziel, die Opfer finanziell auszunehmen. Der Scammer schafft es, sich im Leben seines Opfers unersetzlich zu machen.«

»Wenn ich jemanden sehe, merke ich doch, ob er es ernst meint oder nicht«, widersprach Häusler.

»Diese Leute gehen äußerst geschickt vor. Oft haben sich Täter und Opfer vorher kein einziges Mal getroffen.«

»Im Ernst?«

Elsa nickte.

»Kaum zu glauben.«

»Aber wahr. Es wird ausschließlich übers Internet kommuniziert. Und es geht auch nicht sofort um Geld.«

»Sondern?«

»Die Opfer werden umgarnt. Nach dem ersten Kontakt im Web folgt eine romantische E-Mail, danach vielleicht ein harmloses Telefonat. WhatsApp-Nachrichten werden ausgetauscht. Alles ganz easy und auf den ersten Blick ohne jeden Hintergedanken. Man schreibt oder spricht über Familie, Beruf und Hobbys. Irgendwann geht es um Liebe und vielleicht eine gemeinsame Zukunft. Meistens wohnen die Scammer im Ausland, und ich meine nicht in Europa, sondern die USA, Kanada oder irgendwo in Westafrika. Südamerika auch ab und zu, da geben sich die Scammer gerne als Farmbesitzer aus.«

»Echt jetzt? Das glaubt doch kein Mensch.«

»Doch!«, widersprach Elsa. »Die Betrüger versprechen ihrer neuen Liebe, sie möglichst bald zu besuchen.«

»Ah, ich ahne, jetzt kommt der Haken.«

»Ganz genau! Es gibt plötzlich Schwierigkeiten mit der Anreise. Ein gestohlener Pass, nicht funktionierende Kreditkarten oder ein Aufenthalt in einer Klinik. So was eben. Der Scammer verlangt einen Bargeldtransfer, um die Probleme zu lösen und so schneller bei der Liebsten zu sein.«

»Das klappt?«

»Leider sehr oft.«

»Wahnsinn!«

»Stimmt. Da werden im Laufe der Zeit Summen überwiesen, das ist unglaublich. Ich kenne einen Fall aus Rheinland-Pfalz, da hat sich der Scammer als Sohn von Michael Douglas ausgegeben.«

»Wo doch jeder weiß, dass der Filmstar ein Millionär ist.«

»Genau mit dieser Vorstellung hat der Drecksack gearbeitet. Angeblich wäre er gerade nicht in den USA und käme nicht ans Geld seiner Konten. Aber er bräuchte dringend eine hohe Summe für die Operation seines kleinen Sohnes. Von diesem Sohn dürfte sein berühmter Vater Michael allerdings nichts wissen, denn die Beziehung zur Mutter des Kindes stehe unter keinem guten Stern. Zudem wäre die Mutter an Krebs erkrankt und würde bald sterben. Deshalb hat er sich an seine neue Liebe gewandt. Er könne doch schlecht seinen Vater fragen, der wäre stinksauer. Das würde sie doch sicher verstehen. Aber hey, er sei ja der Sohn von Michael Douglas. Also bekomme sie ihr Geld hundertprozentig wieder zurück.«

»Hinterhältig!«

»So sieht’s aus.«

»Trotzdem: Wer glaubt so ’nen Scheiß?«

»Wer ein gutes Herz hat, ist zumindest anfälliger. Und die Scammer finden sehr bald heraus, ob sie einen dicken Fisch an der Angel haben. Bei diesem falschen Douglas waren es am Ende zweihundertfünfzigtausend Euro, die den Besitzer gewechselt haben.«

Es war so still, man hätte eine Nadel auf den Boden fallen hören.

»Nein!«, kam es endlich von Häusler.

»Es gibt zahlreiche weitere Fälle, da geht es sogar um noch höhere Summen. Google mal, du wirst fündig werden. Es wird im Internet eindeutig davor gewarnt. Trotzdem fallen immer wieder Menschen drauf rein.«

»Liebe macht blind, hm?«

»Das ist die Masche, die zudem überaus erfolgreich ist. Natürlich wird nicht jeder zum Opfer, aber wenn bei einhundert Versuchen auch nur eine Person dabei ist, hat es sich schon gelohnt.«

»Es geht also um emotionale Abhängigkeit, die die Verbrecher ausnutzen?«

Elsa nickte. »Die Opfer werden mit Liebesbekundungen überschüttet. Nicht immer geht es um horrende Summen. Aber mehrere Zehntausend Euro sind mindestens drin. Eine Masche ist auch, sich als US-Soldat im Kriegseinsatz auszugeben. Da ist es glaubhaft, dass man nicht an sein Konto kommt.«

»Funktioniert das auch andersrum?«

»Du meinst, ob auch Männer zu den Geschädigten zählen?«

Er nickte.

»Natürlich, oder glaubst du, ihr wärt davor gefeit?«

»Ich dachte nur …«

»… dass ihr klüger seid?«

Er sah zur Seite.

Erwischt! Natürlich glaubte der Sexist das. »Von wegen. Frauen sind statistisch gesehen zwar häufiger Opfer. Aber nur, weil sie meiner Meinung nach öfter von euch Männern sitzen gelassen werden. Wer kennt das nicht? Eine ältere Frau wird gegen ein jüngeres Exemplar ausgetauscht. Logisch, dass man dann Komplimenten gegenüber leichter zugänglich wird, weil man hofft, dass man immer noch attraktiv ist.«

»Schon gut, ich habe verstanden. Love-Scamming ist nichts anderes als der gute alte Heiratsschwindel.«

»So ist es. Ich selbst habe übrigens grad bei Facebook eine Followeranfrage bekommen von einem Kerl namens John Denver aus Texas. Auf seinem Profil posiert er mit Welpen im Arm vor einem Sportwagen.«

»Aus Texas?«, fragte der Oberkommissar. »Der hat sicher jede Menge Ölquellen«, spottete er.

»Den Gedanken wollte er bestimmt bei mir auslösen. Ich habe ihn sofort geblockt.«

»Elsa, du kannst dich bestimmt gut einfühlen in die Opfer.«

»Wie meinst du das?«

»Na, wenn ich an deinen Hintergrund denke. Du wurdest auch hintergangen, das ist kein Geheimnis.«

Elsa schnappte nach Luft wie eine Ertrinkende. Häuslers Worte trafen sie wie die Ladung eines Schrotgewehrs. Sofort waren ihre Gedanken bei Angelo und dessen Verrat. Wie empathielos von Häusler, sie darauf anzusprechen.

Ach, wäre doch noch Michael Lanzl ihr Partner. Mit ihm hatte sie bei der Mordkommission öfters im Zweierteam ermittelt. Ein Augsburger durch und durch, dem man ansah, dass er bayrische Hausmannskost liebte. Doch Lanzl war Anfang des Jahres in Pension gegangen.

Kurz erinnerte sich Elsa an ihre Anfangszeit bei der Augsburger Kripo. Zuerst bei der Sitte und schließlich bei der Mordkommission. In dieser Zeit hatte sie an einer Reihe von spektakulären Fällen mitgewirkt.

Zugegeben, ein gewisser Privatdetektiv namens Sven Schäfer hatte seinen Teil dazu beigetragen. Elsa und er waren sogar ein richtig gutes Team geworden, was sie nach ihrer ersten Begegnung gar nicht für möglich gehalten hätte. Selbst ihren allerersten Fall in der Mordkommission konnte sie mit tatkräftiger Hilfe des Schnüfflers lösen. Die Aufklärung der Bazi-Morde, wie es in der Presse hieß, ging auf ihre Kappe. Schäfer hatte den Fall lapidar Die Schampus-Verschwörung getauft. Elsas Ruf war im gesamten Polizeiapparat gestiegen, sogar Schäfer war danach nicht mehr das schwarze Schaf von einst. Leider blieb ihm ein Wiedereinstieg bei der Polizei dennoch verwehrt. Aber dafür machte er seinen Job als Detektiv verdammt gut. Dann kam der vermaledeite Fall mit der Datschi-Connection, den Elsa beinahe mit dem Leben bezahlt hatte.

Der Oberkommissar hüstelte, um Elsas Aufmerksamkeit wieder zu bekommen. »Also, eine Ilona Aigner aus Haunstetten ist der aktuellste Fall. Der Täter ist ein gewisser Maverick. Wieso kommt mir der Name bekannt vor?«

»Da gibt es den Film Top Gun: Maverick mit Tom Cruise, der einen Kampfpiloten spielt. Hast du bestimmt gesehen.«

Häusler schlug sich auf die Stirn. »Ah, jetzt.«

»Der Scammer nennt sich Tom Maverick und hofft, dass die Kombination beider Namen einen positiven Effekt auslöst. Hört sich komisch an, ist aber so.«

»Also, der Film war klasse!«, meinte Häusler und kramte in der Schublade auf seiner Seite des Tisches herum, bis er schließlich triumphierend einen kleinen Ventilator in die Höhe reckte. »Ich weiß ja nicht, wie es dir geht, aber bei dieser Hitze arbeiten meine Gehirnzellen äußerst langsam.«

Elsa verbiss sich den Kommentar, dass Häuslers Gehirnaktivitäten auch bei jeder anderen Temperatur nicht besonders toll funktionierten. Immerhin bemühte er sich um eine gute Zusammenarbeit, das musste sie ihm lassen. Sie sollte ihm eine Chance geben und ihn nicht mit Angelo in einen Topf werfen.

»Wie viele Geschädigte dieses Maverick haben wir bisher eigentlich?«

Elsa blätterte in ihrer Akte. »Abgesehen von dieser Frau Aigner gibt es allein aus Augsburg fünf Opfer. Weitere vier aus dem restlichen Bayern. Und vom Bundeskriminalamt habe ich erfahren, dass er bundesweit auf weitere drei Fälle kommt.«

»Aber Bayern ist der Schwerpunkt«, stellte Häusler fest.

»Und Augsburg mit sechs Fällen der Hotspot«, fügte sie hinzu.

»Sind die Augsburger Frauen dümmer als die anderen, oder wie erklärst du dir die hohe Zahl?«

Elsa musterte ihren Kollegen und versuchte an seinem Gesichtsausdruck abzulesen, ob er mal wieder eine sexistische Bemerkung gemacht hatte. Sie registrierte keine verräterische Regung. »Was heißt dümmer?«, stellte sie eine Gegenfrage, ohne eine Antwort zu erwarten.

Häusler sah auf seine Armbanduhr. »Zeit fürs Mittagessen, machen wir später weiter«, wechselte er abrupt das Thema. »Kommst du mit in die Kantine?«

Sie schüttelte den Kopf, da sie wenig bis keinen Appetit verspürte. Immerhin eines hatte ihr die Erfahrung mit Angelo gebracht. Eine überaus effektive Diät, denn langsam näherte sie sich ihrer Wunschgröße 42. Davor hatte sie 44 gehabt mit der Tendenz zu 46.

»Soll ich was mitbringen?«, wollte Häusler wissen und wischte sich die verschwitzten Haare aus der Stirn.

»Nein danke. Ich hab was dabei.« Elsa sah dem Kollegen nach, als er das Büro verließ.

Kapitel 3

Schäfer kurbelte am Steuer seines alten Käfers. Der Oldtimer gehörte seiner Nachbarin Frau Kümmel. Mit ihr hatte er einen Deal. Für ein paar Handwerkerarbeiten in ihrer Wohnung durfte er die Karre fahren. Nachdem Schäfers vorheriges Auto bei einem Auftrag einen Totalschaden erlitten hatte, kam ihm dieses Arrangement gerade recht. Als Privatschnüffler war er ständig knapp bei Kasse, einen fahrbaren Untersatz benötigte er dennoch dringend. Der Käfer war ihm ans Herz gewachsen. Mittlerweile bezeichnete er ihn als sein Eigen, weshalb er ihm selbstverständlich einen Namen gegeben hatte. Und so hörte der VW auf den Namen Klaus.

Um Schäfers kahl rasierten Schädel strich durch die offenen Seitenscheiben der Fahrtwind, der die Mittagshitze einigermaßen erträglich machte. Als er am Treffpunkt mit Pia Lotter angekommen war, fand er einen Parkplatz unmittelbar vor dem Staatlichen Vermessungsamt und damit direkt vor dem Eingang zum Hofgarten. Schäfer wischte zahlreiche Salzkörner von seinem Schoß, die dort gelandet waren, als er während des Lenkens zwei Brezen gegessen hatte. Er rutschte vom Fahrersitz.

Dann machte er sich auf die Suche nach seiner Auftraggeberin Pia Lotter. Es war kurz vor zwölf. Mal sehen, ob sie schon da war. Er betrat den Hofgarten, eine kleine Grünanlage in der Altstadt, direkt hinter dem Dom. Das Plätschern von Wasser kam aus dem Hofgartenbrunnen, einer kreisrunden Betonschale, die auf vier Sockelfüßen ruhte. Mehrere Wasserfontänen schossen aus dem Brunnen in die Luft. Auf einer Grasfläche hatten sich mehrere Frauen zu einer Yogagruppe zusammengefunden. Sie lagen auf Matten im Schatten einiger Bäume und vollführten ihre Entspannungsübungen, was Schäfer bei diesen Temperaturen einen gehörigen Respekt abnötigte. Auf einem Seerosenteich schwammen zwei Enten. Libellen flogen im Zickzack übers Wasser. Einige Bänke und Stühle waren besetzt mit Leuten, die wahrscheinlich Mittagspause hatten. Es gab sogar einen Bücherschrank, aus dem man sich bedienen konnte. Während er wartete, las er ein paar der Buchtitel.

Plötzlich trat eine Frau neben ihn. Er schätzte sie auf Ende fünfzig, war sich aber nicht wirklich sicher. Die silbergraue Kurzhaarfrisur konnte täuschen. Leuchtend rote Lippen bildeten einen interessanten Kontrast zur Haarfarbe. Die braunen Augen blickten ihn ernst an. Sie war dem Wetter angepasst gekleidet. Eine mintgrüne Bluse, dazu ein beiger Rock, der knapp über die Knie reichte. Die nackten Füße steckten in Riemchensandalen, die Fußnägel waren violett lackiert, genau wie die Fingernägel.

»Sven Schäfer?«, fragte sie ihn.

Er nickte und reichte ihr die Hand. Die kleinen Finger verschwanden in seiner Pranke. Sanft drückte er zu, er wollte ihr nicht die Knöchel brechen.

»Pia Lotter«, stellte sie sich vor, löste ihre Hand aus seiner, trat einen Schritt zurück und legte den Kopf in den Nacken, um zu ihm hochzuschauen. »Als groß und breit haben Sie sich beschrieben. Das stimmt.« Pia Lotter lachte. »Wie recht Sie hatten. Man kann Sie wahrlich nicht übersehen.«

Schäfer führte sie zu einer Bank mit Blick auf den Teich. Ein Kastanienbaum spendete willkommenen Schatten. Ein blühender Lavendelstrauch vor ihnen verströmte einen angenehmen Duft.

»Was kann ich für Sie tun?«, fragte er, als sie nebeneinandersaßen. Er wandte ihr den Kopf zu.

Pia Lotter strich ihren Rock glatt. »Ich bin Opfer einer ganz miesen Sache geworden. Haben Sie schon mal was von Romance- oder Love-Scamming gehört?«, fragte sie.

»Ich hatte mal so einen Fall, also ja, ich habe davon gehört. Allerdings konnte ich der Klientin seinerzeit leider nicht helfen. Den Täter konnte ich nicht ermitteln, dazu fehlten mir die nötigen Ressourcen. Ich hatte keine Möglichkeit, den Love-Scammer zurückzuverfolgen, da meine Computerkenntnisse mehr als mangelhaft sind. Wahrscheinlich kam er aus dem Ausland. Und preisgeben wollte er seinen Aufenthaltsort gegenüber seinem Opfer logischerweise nicht. Es gab kein einziges Treffen, alles lief online ab.« Schäfer zeigte ihr entschuldigend die Handflächen. »Sie sollten zur Polizei gehen, ich fürchte, mich aufzusuchen war vergebliche Liebesmüh.«

»Das ist vollkommen unmöglich!«, blaffte sie, fuhr aber mit gesenkter Stimme fort: »Geh ich zur Polizei, dann erfährt das die Öffentlichkeit.«

»Nicht unbedingt«, widersprach er, während er eine Hummel beobachtete, die sich auf dem Lavendel niedergelassen hatte.

»Zu den Behörden habe ich kein Vertrauen.«

»Kann ich verstehen«, murmelte er. Immerhin war er auch ein gebranntes Kind, da er wegen einer falschen Verdächtigung in die Mühlen der Justiz geraten war.

»Wie bitte?«

»Ach, nichts«, sagte er schnell. »Ich weiß nur nicht, wie ich Ihnen helfen kann.«

»Gibt es einen anderen Detektiv, der erfolgreicher ist als Sie?«, bemerkte sie schnippisch.

»Wohl kaum«, gab er zurück.

»Bestätigen meine Kontakte auch, deshalb müssen Sie mir helfen! Es heißt, es gibt keinen Besseren. Deshalb will ich Ihnen mal vertrauen.«

Ein alter Mann mit Gehwägelchen lief an ihnen vorbei.

Ungeduldig verfolgte Pia Lotter ihn mit den Augen. Als er außer Hörweite war, wandte sie sich wieder Schäfer zu. »Etwas mehr als dreihunderttausend Euro habe ich verloren«, flüsterte sie.

Schäfer verschlug es die Sprache. Er musste mehrmals schlucken, bevor er wieder Worte fand. »Das … ist … eine Menge Geld.«

»Geld ist die eine Sache«, erwiderte Pia Lotter. »Sie können sich nicht vorstellen, wie schwierig es ist, nach einem … solchen Betrug … wieder Vertrauen zu jemandem … einem Mann … zu fassen.« Sie griff sich an die Augen. »Nicht nur das. Auch das Vertrauen in meine Urteilsfähigkeit ist weg.«

Schäfer sah Tränen in ihren Augenwinkeln glitzern. »Es ist verständlich, dass man Schuldgefühle hat, wenn man auf diese miese Art hintergangen worden ist«, sagte er einfühlsam.

»Wurden Sie jemals so betrogen, Herr Schäfer?«

Er dachte an Marie, seine ehemalige Nachbarin, die ihm Gefühle vorgetäuscht hatte, bloß um an Informationen zu einer Mordermittlung von Elsa Dorn zu gelangen. Am Ende hätte ihn das gemeine Stück fast noch ermordet. »Oh ja!«, flüsterte er. »Ich wurde ebenfalls hinterlistig hereingelegt. Von einer Frau, der ich meine Gefühle offenbart hatte. Aber das war kein Fall von Love-Scamming und ist auch nicht übers Internet gelaufen. Wir standen uns quasi Auge in Auge gegenüber«, erklärte er etwas nebulös und ohne Näheres zu verraten. Das war zu persönlich und hatte hier nichts verloren.

Pia Lotter nickte und warf ihm einen warmherzigen Blick zu. Mitfühlend glitt ihre Hand über seinen Unterarm.

Schäfer räusperte sich. »Aber ich wurde immerhin nicht um Geld erleichtert. Was sie mir angetan hat, war eher so … auf die psychische Art.« Dass es um sein Leben gegangen war, verschwieg er lieber. »Ich kenne diese Typen, die gehen äußerst geschickt vor, sind richtige Profis im Hintergehen von Menschen. Derartige Manipulationen zu erkennen ist nicht einfach.«

»Besonders, wenn man emotional labil ist, weil man einsam ist und ein geliebter Mensch fehlt.«

»So schaut’s aus.«

»Mein Mann ist letzten Sommer ums Leben gekommen. Er ist beim Segeln über Bord gegangen und ertrunken.«

»Das tut mir leid«, bekundete Schäfer sein Beileid.

»Er fehlt mir noch immer, aber … verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Aber ich wollte wieder jemanden an meiner Seite wissen. Es tat so gut, Verständnis zu bekommen. Auch wenn es nur über Telefon und Internet gelaufen ist.« Pia Lotters Blick glitt in die Ferne. »Wie sind Sie darüber hinweggekommen, Herr Schäfer?«

»Ich habe das Miststück in den Knast gebracht.«

Sie schnaubte. »Das möchte ich auch. Den Kerl ins Gefängnis bringen, der mir das angetan hat.«

»Dann gehen Sie zur Polizei«, beharrte er.

»Das kann ich nicht«, wiederholte sie ebenso widerspenstig.

»Erklären Sie mir das bitte genauer.«

»Ich kann und will nicht zur Polizei. Mein Mann stand in der Öffentlichkeit. Seine Firma leite nun ich. Außerdem hatte er einflussreiche Freunde in Wirtschaft und Politik. Alles Männer«, sagte sie verächtlich. »Was glauben Sie, was diese Kerle von mir halten werden, wenn an die Öffentlichkeit gelangt, wie naiv ich war? Dass ich Hunderttausende Euro einem Mann überwiesen habe, den ich nicht ein einziges Mal zu Gesicht bekommen habe. Und das, weil er mir ewige Liebe und Treue geschworen hat. Das kann ich mir nicht leisten, das kann sich meine Firma nicht leisten. Wie stünde ich da? Es geht nicht nur um meine Scham und Schuldgefühle. Die Gesellschaft da draußen und vor allem die Männer werden mich doch verurteilen. Es wird heißen: Die dumme Kuh hat es nicht anders verdient, wenn sie so bescheuert ist, auf so was reinzufallen. Ich bin doch nicht verrückt und stelle mich selbst an den Pranger. Nein, die Polizei geht gar nicht. Spätestens, wenn es zu einer Verhandlung kommt, steht mein Name in der Presse. Das Schlimme ist, ich selbst halte mich für absolut bekloppt, weil ich auf diesen Blödsinn reingefallen bin. Wie gesagt, es heißt, es gebe keinen besseren Detektiv als Sven Schäfer. Daher will ich, dass Sie den Love-Scammer für mich finden.«

»Um was zu tun?«

»Ich will ihm von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen, ihm sagen, was für ein Schwein er ist. Das will ich.«

»Und das Geld?«

»Was ist schon Geld, davon habe ich genug.«

»Sie wollen es nicht zurück?«

»Meinen Sie, er gibt es mir freiwillig wieder?«

»Wohl kaum.«

»Soll er es behalten.«

»Von wie viel reden wir da eigentlich? Sie sprachen von ungefähr dreihunderttausend.«

»Das wollen Sie nicht wissen.«

»Doch, will ich.«

»Dreihundertvierzigtausend Euro!«

»Respekt!«

»Es ist nur Geld.«

»Sehr viel Geld.«

»Mir geht es um meine Ehre. Also ich will dem Kerl ins Gesicht sagen, dass ich ihn bloßstellen werde. Und dafür sorgen, dass er in die Medien kommt.«

»Ich dachte, Sie wollten nicht in Erscheinung treten.«

»Werde ich auch nicht. Aber ich habe ebenfalls gute Kontakte, um gegen ihn einen Shitstorm loszutreten. Das wäre mir Befriedigung genug. Eine gute Freundin von mir arbeitet bei einer großen deutschen Tageszeitung. Die sorgt dafür, dass ich anonym bleibe, aber der Kerl in die Schlagzeilen kommt.«

»Sie wollen ihn nicht strafrechtlich belangen?«

»Pffft! Vom deutschen Rechtssystem halte ich wahrlich nicht viel. Die Richter lassen so einen Typen doch davonkommen. Das Einzige, was passiert, ist, dass die Opfer in der Verhandlung leiden müssen und dass der Täter lachend aus dem Gerichtssaal spaziert. Ich bekomme schon eine Panikattacke, wenn ich nur daran denke, bei einer polizeilichen Vernehmung mein Innerstes ausbreiten zu müssen.«

Trotz der Hitze schlang sie fröstelnd die Arme um sich.

»Hm. Vielleicht sollten Sie psychologische Hilfe in Anspruch nehmen.«

»Das habe ich längst getan.«

»Und?«

»Es hilft, aber nicht genug. Panikattacken, Herzrasen und Schlafstörungen beeinträchtigen mein Leben ungemein.«

Da hatte Schäfer einen Einfall. Er wusste plötzlich, wie er seiner Klientin helfen konnte.

»Möglicherweise habe ich eine Idee«, sagte er. »Mir fällt gerade jemand ein, der mich unterstützen könnte.« Schäfer dachte an seinen Kontakt bei der Kripo. Außerdem kannte er einen fähigen Hacker, der ihm womöglich bei seinen Nachforschungen behilflich sein konnte. Der Computerexperte war der Kerl gewesen, den Tanjas Schützlinge vermöbelt hatten. Schäfer hatte dessen Dienste bereits für seine Ermittlungen in Anspruch genommen, quasi als Gegenleistung für seine eigene Hilfe. Deshalb wusste er, dass der Mann etwas auf dem Kasten hatte.

»Dann sind Sie engagiert.«

»Sie kennen meinen Preis doch noch gar nicht.«

»Ich zahle, was Sie verlangen. Und obendrauf ein Erfolgshonorar von fünfundzwanzigtausend Euro, wenn Sie mir den Namen dieses Mannes bringen.«

Schäfer schluckte. Das war eine Menge Asche. Er konnte das Geld gut brauchen, die Auftragslage war in letzter Zeit eher mau gewesen. Dennoch warnte er Frau Lotter. »Trotzdem will ich Ihnen nicht verschweigen, dass Ihnen selbst die wahre Identität des Täters vielleicht nicht weiterhelfen wird.«

Pia Lotter hob fragend die Augenbrauen.

»Meiner Erfahrung nach sitzen diese Leute im Ausland, Ihrem Peiniger werden Sie wohl kaum in die Augen schauen können.«

»Maverick! Er heißt Tom Maverick. Jedenfalls hat er sich so vorgestellt.« Pia drückte ihm ein Foto in die Hand. »Das habe ich ausgedruckt.«