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<p><strong style="background-color: rgb(255, 255, 255);">Praktische Hilfe bei Parkinson</strong><br></p><p>Nach der Diagnose Morbus Parkinson ist nichts mehr so wie vorher. Verlangsamte Bewegungen, Tremor und nicht-körperliche Symptome wie Depression und Schlafstörungen können auftreten. Viele Handgriffe und Aufgaben in Haushalt und Alltag fallen Betroffenen schwer oder sind gar nicht mehr möglich. Für die Angehörigen bedeutet die Begleitung und Pflege eine zunehmende körperliche und psychische Belastung. Durch eine Veränderung der Persönlichkeit und Kommunikationsprobleme können Konflikte entstehen.<br></p><p>Die Ergotherapeutin Amy Orellana gibt Angehörigen<br></p><ul><li>konkrete Tipps für die Betreuung von Parkinson-Betroffenen, um den Alltag spürbar zu erleichtern und effizienter zu gestalten - vom Drehen im Bett bis zur Sturzprophylaxe,<br></li><li>Anregungen für mehr Selbständigkeit und Teilhabe des Erkrankten, um trotz Symptomen wie kognitiven Einschränkungen und Schmerzen die Lebensqualität zu erhalten,<br></li><li>einfühlsame Unterstützung im Umgang mit der herausfordernden Situation, um gut für sich selbst und die eigenen Bedürfnisse zu sorgen,<br></li><li>Mut und Zuversicht, achtsam miteinander umzugehen und das Leben aktiv zu gestalten.<br></li></ul><p>Das erste Buch für Angehörige.<br></p>
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 204
Veröffentlichungsjahr: 2024
Amy Orellana
1. Auflage 2024
15 Abbildungen
Sie lesen dieses Buch, weil Sie einen Menschen kennen, der an Parkinson erkrankt ist. Vielleicht sind Sie der/die Partner*in oder das Kind des Betroffenen, vielleicht auch ein*e weiter entfernte*r Verwandte*r, ein*e Freund*in, ein*e Nachbar*in oder sonstige*r Bekannte*r. Auf jeden Fall liegt Ihnen die betroffene Person am Herzen.
Die Parkinson-Erkrankung ist komplex mit einer großen Bandbreite von Schwierigkeiten, die aus motorischen und nicht-motorischen Symptomen, Medikamentennebenwirkungen und zahlreichen Einschränkungen im Alltag bestehen. Die Zusammenstellung der Symptome variiert von Mensch zu Mensch und auch der Verlauf der Krankheit ist nicht immer gleich. Diese Ungewissheit erschwert den Umgang für die direkt Betroffenen und die indirekt Betroffenen (zu denen Sie zählen).
Wahrscheinlich haben Sie viele Fragen. Vielleicht suchen Sie hier Tipps für den Umgang mit der oder dem Erkrankten. Oder Sie wollen sich informieren und gut vorbereitet sein.
Jedenfalls setzen Sie sich aktiv mit Ihrer komplizierten Situation auseinander. Das ist ideal, denn diese Eigeninitiative wird Sie stärken. Sie werden in diesem Buch eine Stütze finden und viele Tipps für eine Erleichterung Ihres Alltags.
Was dieses Buch nicht bietet, sind medizinische Informationen zum Krankheitsbild, zum Verlauf oder zu Medikamenten. Dazu gibt es schon andere gut recherchierte Ratgeber. Vielmehr möchte ich Sie in diesem Buch auf Ihrem Weg begleiten. Ich möchte Rat geben und anregen und durch kleine Eigenübungen bekommen Sie die Gelegenheit, sich mit sich selbst und Ihrer Rolle als Angehörige*r auseinanderzusetzen. Denn meist dreht sich im Alltag alles um den Menschen mit Parkinson. Diesen Fokus verschieben wir. Jetzt geht es um Sie!
Nicht alle Abschnitte des Buches werden für Sie relevant sein. Teilweise werden Symptome behandelt, die die erkrankte Person nicht zeigt. Auch die Medikamentenwirkungen, Persönlichkeitsveränderungen, sozialen Umstände und andere Gegebenheiten des Alltags variieren. Einige Abschnitte werden noch nicht, oder nicht mehr, auf Sie zutreffen. Andere Abschnitte des Ratgebers enthalten für alle Leser wichtige Informationen. Und dann wird es Kapitel geben, die Ihnen aus der Seele sprechen, bei denen Sie denken: »Woher kennt sie meine Situation so genau?« Suchen Sie sich am besten das heraus, was Sie im Moment beschäftigt. Und nehmen Sie das Buch immer dann zur Hand, wenn Sie eine Orientierungshilfe suchen.
Ich empfehle Ihnen, sich beim Lesen ein schönes Notizbuch zur Ergänzung dazuzunehmen. Es sind einige Reflexionsfragen und Eigenübungen enthalten. Wenn Sie sich Ihre Gedanken aufschreiben, können Sie tiefer einsteigen und werden mehr Aha-Erlebnisse haben.
Ich wünsche mir, dass Sie in diesem Ratgeber Unterstützung für Ihre große Aufgabe finden, für die Sie sich einsetzen, dass er Sie stärkt und Ihnen Zuversicht gibt.
Lassen Sie uns gemeinsam beginnen!
Titelei
Liebe Leserin, lieber Leser,
Ihr Umgang mit Parkinson
Krankheitsverarbeitung
Umgang mit der Diagnose
Machen Sie sich Notizen zu Ihrem Umgang mit der Diagnose
Die drei Ebenen der Krankheitsverarbeitung
Miteinander in Kontakt bleiben
Zuhören
Fragen stellen
Kleine Gesten
Eigenes Befinden kommunizieren
Gemeinsam Zeit verbringen
Informierung
Fachpersonen
Fachkliniken
Gleichgesinnte suchen
Zeit lassen
Zuversicht finden
Akzeptanz
Abstand gewinnen
Angehörige im Mittelpunkt
Wenn die Be-lastung zur Über-lastung wird
Die Belastung wahrnehmen
Machen Sie sich Notizen, was Sie be- und überlastet
Vorschläge für Lösungsansätze
Helfen und helfen lassen
Wie andere helfen und unterstützen können
Schuldgedanken entkräften
Machen Sie sich Notizen zu Schuldgedanken und möglichen Alternativen
Körperliche Belastung
Belastung spüren
Schonung
Kräftigung und Ausgleich
Sicherheit
Arbeitsleben
Finanzielle Auswirkungen
Identifizierung und Selbstwert
Sozialer Aspekt
Sinnvolle Beschäftigung
Lösungsansätze
Alternativen suchen
Eigene Lebensqualität steigern
Einem Burnout vorbeugen
Ihr körperliches Wohlbefinden
Materielles Wohlbefinden: Ihre Finanzen
Wie schätzen Sie Ihr soziales Wohlbefinden ein?
Emotionales Wohlbefinden: Wie zufrieden sind Sie?
Weiterentwicklung und bedeutungsvolle Aktivität
Durchatmen
Achtsamkeit hilft
Achtsamkeit im Alltag
Veränderung der Beziehung
Veränderte Rollen
Machen Sie sich Notizen zur Veränderung der Rollen
Aktive Gestaltung der Beziehung
Zusammenhalten
Ein gutes Miteinander finden
Trennung/Abstand nehmen
Hilfreiche Fragen, wenn eine Trennung im Raum steht
Kommunikation
Mimik
Gestik
Stimme
Schnelligkeit
Deutlichkeit
Persönlichkeitsveränderung
Demenz
Andere nicht-motorische Symptome
Den Alltag mit Parkinson erleichtern
Sturzprävention
Warum das Sturzrisiko zunimmt
Punkt 1 und 2: Alter und Erkrankungsschwere
Punkt 3: Medikamenteneinnahme
Zeitpunkt
Eiweiß
Verdauung
Punkt 4: Gangstabilität und Gleichgewicht
Posturale Instabilität
Bewegung und Therapie
Aufmerksamkeit
Punkt 5: Freezing
Cueing
Punkt 6: Aktivitätsniveau
Punkt 7: geistige Leistungsfähigkeit
Demenz
Punkt 8: Kraft
Punkt 9: Selbstsicherheit
Punkt 10: Bewegungsabläufe
Hinsetzen
Aufstehen
Treppen steigen
Punkt 11: Wohnumgebung
Läufer
Engstellen
Herumstehende Gegenstände (Unordnung oder Dekoration)
Hausschuhe
Unterschiedliche Bodenbeläge, Schwellen
Beleuchtung
Möbel
Rutschige Stellen
Punkt 12: Hilfsmittel
Aufstehen nach einem Sturz
Schritt 1: sich selbst beruhigen
Schritt 2: die gestürzte Person beruhigen
Schritt 3: die Lage einschätzen und bei Bedarf Hilfe holen
Schritt 4: ist der Betroffene unverletzt, helfen Sie ihm auf
Lagewechsel
Drehen im Bett
Beim Drehen unterstützen
Vom Liegen zum Sitzen kommen
Vom Sitzen zum Stehen kommen
Höhe der Sitzfläche
Feste/weiche Sitzfläche
Armlehnen
Fußstellung und Körperhaltung
Medikamentenwirkung
Schmerzen
Zeitdruck
Stress/Entspannung
Ablenkung
Hilfsmittel
Vom Stehen zum Sitzen
Bad und Toilette
Hygiene am Waschbecken
Hocker
Zeitfaktor
Zähneputzen
Eincremen
Schminken, Rasieren, Haare bürsten und föhnen
Duschen
Baden
Toilettengang
Nächtlicher Toilettengang
Essen und Trinken
Umgang mit Tremor
Schluckstörungen
Medikamenteneinnahmen
Getränke
Soziale Situationen
Schlafen
Gemeinsames Bett
Schlafrhythmus
Drehen im Bett
Toilettengang
Lagerung
Restless Legs
Bewegung am Tag
An- und Auskleiden
Warum das An- und Auskleiden Schwierigkeiten macht
Dosierte Unterstützung
Die Tätigkeiten benötigen mehr Zeit
Adaptiere Kleidung
Schwitzen
Knöpfe, Reißverschluss und Co.
Schwierigkeiten bei spezifischen Kleidungsstücken
Hosen und Röcke
Oberteile
Jacke
Socken und Schuhe
In der Küche
Sortierung von Gegenständen
Ablenkung
Vereinfachung von Tätigkeiten
Zeitstress
Teamarbeit
Hilfsmittel in der Küche
Sport
Sportart
Häufigkeit und Motivation
Ihre Rolle als Angehörige*r
Draußen unterwegs
Einkaufen
Straße überqueren
Umgang mit einem Rollator
Kommunikation mit fremden Menschen
Tremor oder andere auffällige Symptome
Vorbereitungen zum Rausgehen
Inkontinenz
Fatigue/Müdigkeit/Off-Phasen
Reduzierte Motivation
Selbstständigkeit und Teilhabe
Selbstständigkeit ermöglichen
Selbstständiges Anziehen und Körperhygiene
Selbstständigkeit im Haushalt
Arztbesuche
Vor dem Termin
Dokumentation
Während und nach dem Arzttermin
Tagesstruktur
Zeitplanung
Pausen
Erschöpfungssyndrom (Fatigue)
Ausmisten
Antrieb
Für Kinder und entferntere Angehörige
Mit Kindern über Parkinson sprechen
Für entferntere Angehörige
Soziale Unterstützung bieten
Emotionale Unterstützung geben
Instrumental unterstützen: praktisch helfen
Informativ unterstützen
Bewertungsunterstützung
Reflexion: Wie wollen/können Sie helfen?
Service
Quellenangaben
Autorenvorstellung
Sachverzeichnis
Impressum
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Die Parkinson-Erkrankung wirkt sich auf alle Lebensbereiche des Betroffenen aus, aber genauso auf das Leben der nahen Angehörigen. Wir schauen, was das bedeutet.
Mit der Diagnose »Parkinson« bricht für viele Betroffene, aber auch für ihre Angehörigen, eine Zeit der Verunsicherung an, darum widmen wir uns zunächst der Krankheitsverarbeitung.
Stellen Sie sich vor, Sie und die betroffene Person machen sich für eine lange, lange Wanderung bereit. Vielleicht gehen auch andere Menschen den Weg streckenweise mit. Die Wanderung wird den ganzen Tag dauern. Sie sind diesen Weg noch nie gelaufen und kennen die genaue Beschaffenheit des Weges nicht. Doch Sie möchten gut vorbereitet starten, damit Sie die Wanderung gut überstehen. Und nicht nur das, Sie wollen die Zeit auch genießen und bewusst erleben.
Obwohl es nicht Ihre Krankheit ist, sind Sie als Angehörige*r doch mitbetroffen. Deshalb gilt es auch für Sie, die Krankheit zu verarbeiten. Die Auswirkungen auf Sie und Ihr Leben sind anders als die Auswirkungen auf den oder die Erkrankte. Deshalb lohnt es sich, sich mit Ihrer Situation genauer auseinanderzusetzen.
Sie werden den Weg gemeinsam mit der betroffenen Person gehen und wahrscheinlich kommen noch andere Menschen mit. Es ist klar – dieser Marsch wird schwer. Sie sind verunsichert und machen sich viele Gedanken, wie Sie es am besten bewerkstelligen, was Sie brauchen werden, welche Hindernisse auf Sie zukommen, ob Ihre Kraft ausreichen wird und so weiter. Die betroffene Person reagiert vielleicht ganz anders, macht Witze, nimmt es auf die leichte Schulter oder möchte sich zunächst nicht mit der bevorstehenden Wanderung auseinandersetzen. Sie nehmen wahr, wie unterschiedliche Menschen unterschiedlich mit Herausforderungen umgehen. Und doch werden Sie den Weg zusammen gehen.
Die Ärztin oder der Arzt hat es ausgesprochen: »Es ist Parkinson.« Danach ist nichts mehr, wie es vorher war. Das ganze Leben verändert sich. Die Sicht auf alles ist anders. Zukunftspläne wirken plötzlich utopisch. Große Fragen werden aufgeworfen. Betroffene und Angehörige durchleben viele Emotionen.
Schon vor der Diagnose »Parkinson« haben die meisten Menschen einen belastenden Diagnostik-Marathon hinter sich. Viele Arzttermine, verunsichernde Vermutungen, nagende Ungewissheit, nervenaufreibende Wartezeiten und eine unterschwellige Angst vor der Zukunft.
Die Zeit nach der Diagnosestellung ist eine Zeit der tiefen Verunsicherung und kann viele unterschiedliche Gefühle hervorrufen; von Trauer und Hoffnungslosigkeit, über Gleichmut und Indifferenz bis hin zu Wut und Frustration. Es kann auch sein, dass einen eine große Müdigkeit überkommt. Der Umgang mit der Verunsicherung ist von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich. Viele ziehen sich zunächst zurück. Sie wollen allein sein, es mit sich selbst ausmachen und nicht darüber reden. Manche reden, so viel es geht, darüber. Sie suchen Gleichgesinnte oder Menschen, die Ähnliches erlebt haben. Andere machen weiter wie immer, arbeiten, gehen ihren Hobbys nach und vermeiden jeden Gedanken an »die Krankheit«. Wieder andere lesen jeden Schnipsel, den sie über Parkinson finden können: Websites, Bücher, Broschüren, Foren und Ratgeber.
Diese unterschiedliche Gefühlswelt und Umgangsweise sollte zunächst wertfrei wahrgenommen werden. In dieser ersten Phase darf man sich und dem Umfeld Zeit lassen und die Erlaubnis geben, dass jeder auf seine eigene Weise damit umgeht.
Machen Sie sich bewusst, wie Ihre persönliche Art ist, mit der Diagnose Ihres bzw. Ihrer Angehörigen umzugehen. Schreiben Sie es wertfrei in Stichpunkten auf!
Nun schreiben Sie stichpunktartig auf, wie die Person zurzeit damit umgeht, die die Diagnose erhalten hat. Bitte wieder, ohne zu werten.
Wenn sich die beiden notierten Umgangsweisen sehr unterscheiden, kann es zu Konflikten führen. Wenn Sie dies wahrnehmen, machen Sie sich bewusst, dass unterschiedliche Menschen unterschiedlich reagieren, und versuchen Sie, es so anzunehmen.
Hilfreiche Sätze können sein:
Ich akzeptiere, dass mein*e Partner*in/Schwester/Vater … anders als ich mit der Diagnose umgeht. Ich bin ihr/ihm gegenüber wohlwollend.
Auch wenn wir unterschiedliche Umgangsweisen haben, sind wir trotzdem liebevoll verbunden.
Auch wenn wir mit der Diagnose unterschiedlich umgehen, werden wir es gemeinsam schaffen.
Ich gebe mir und meinem bzw. meiner Partner*in/Freund*in/Mutter die Zeit, die Diagnose auf unterschiedliche Art und Weise zu verarbeiten.
Spricht einer dieser Sätze Sie besonders an? Dann schreiben Sie ihn gerne unter die Stichpunkte in Ihr Notizbuch. Oder formulieren Sie Ihren eigenen Satz, der Sie stärkt.
Auch im weiteren Verlauf findet immer wieder eine Anpassung der Krankheitsverarbeitung statt, denn die Parkinsonsymptome nehmen zu und der Alltag verändert sich Stück für Stück.
Man unterscheidet bei der Krankheitsverarbeitung drei Ebenen: die kognitive, die emotionale und die handlungsbezogene Ebene. So wird der Verarbeitungsprozess eingeteilt und hilft uns auch bei der Selbstreflexion.
Kognitive Ebene: Die Krankheitsverarbeitung auf der kognitiven Ebene sind die Gedanken, die Sie sich über die Krankheit machen, welche Sorgen Sie sich machen und Ihr Umgang mit Informationen über die Krankheit und die daraus resultierende Situation.
Reflektieren Sie gern für sich:
Machen Sie sich eher viele oder eher wenige Gedanken?
Sind Ihre Gedanken eher sorgen- oder hoffnungsvoll?
Denken Sie eher über die Vergangenheit oder die Zukunft nach?
Informieren Sie sich viel oder lassen Sie die Dinge eher auf sich zukommen?
Möchten Sie daran etwas verändern?
Emotionale Ebene: Die emotionale Ebene zeigt, wie sich Gefühle durch eine Erkrankung (des*der Angehörigen) verändern können.
Wie ist es bei Ihnen?
Sind Sie eher ängstlich, bedrückt oder traurig? Oder haben Sie in sich neue Kräfte und positive Aspekte entdeckt?
Sind Sie von Ihren Emotionen manchmal überwältigt oder ruhen Sie in sich und fühlen sich stabil?
Handlungsbezogene Ebene: Die Parkinson-Erkrankung Ihres*r Angehörigen wirkt sich auch automatisch auf Ihr Verhalten und Ihre Betätigungen im Alltag aus.
Beobachten Sie bewusst!
Was tun Sie jetzt, was Sie früher nicht getan haben?
Und was tun Sie nicht mehr, was Sie früher getan haben?
Wie sehr hat sich Ihr Verhalten im Alltag verändert? Sind es nur einzelne, punktuelle Veränderungen oder hat sich fast alles geändert? Wie hilfreich oder hindernd sind diese Verhaltensweisen?
Ist es für Sie so in Ordnung oder wünschen Sie sich etwas anderes?
Am Anfang Ihrer Wanderung sind Sie und die*der Erkrankte noch etwas unsicher, deshalb lassen Sie sich Zeit. Sie machen sich keinen Zeitdruck. Sie gehen mit den Reisebegleitern und mit sich selbst sanft um. Sie fragen sich gegenseitig, wie Sie die Reise wahrnehmen, was eher leicht und eher schwerfällt. Ihnen fällt auf, dass, obwohl alle den Weg anders wahrnehmen und jede*r anders auf diese Reise vorbereitet ist, das gemeinsame Laufen etwas Tröstliches und Verbindendes hat.
Wohlwollend zu sein, ist wichtig, damit die Verbindung zwischen Ihnen und dem*der Betroffenen bestehen bleibt. Zusammenhalt ist zum Durchstehen dieser schwierigen Zeit besonders wichtig. Zusammenhalt bedeutet nicht, dass Sie genau gleich handeln und denken müssen, sondern, dass Sie dem Handeln und Denken der anderen respektvoll gegenübertreten und sich gegenseitig stützen.
Signalisieren Sie der*dem Betroffenen Ihr Wohlwollen und Ihre Offenheit ohne Druck. Hier folgen einige Ideen dafür, wie Sie dies umsetzen können.
Nehmen Sie die erkrankte Person mit Neugierde und Interesse wahr, als wäre er oder sie Ihnen unbekannt. Geben Sie sich Mühe sie*ihn zu verstehen. Hören Sie zu, ohne mit Ihrer Meinung oder Ratschlägen zu antworten.
Fragen Sie nach, ohne zu werten. Zum Beispiel:
Möchtest du gerade über die Krankheit sprechen? Oder lieber über etwas anderes?
Wie geht es dir?
Machst du dir Sorgen? Worüber?
Kann ich dich irgendwie unterstützen?
Was würde dir gerade guttun?
Manchmal sind kleine Gesten eine Hilfe, wenn etwas mit Worten (noch) nicht fassbar ist. Es sollten persönliche, wirklich kleine Handlungen sein. Überlegen Sie, was der*dem Betroffenen wichtig ist, was sie oder er gern mag, was ihr oder ihm guttut. Da dies individuell und persönlich ist, sind folgende Beispiele nur als Gedankenanstoß gedacht:
eine Tasse Tee zubereiten
eine Hand auf die Schulter legen
eigenes Smartphone weglegen
Wärmeflasche zubereiten
eine kleine Notiz schreiben
Anruf oder Nachricht per Smartphone
ein aufmunterndes Lächeln
sich Zeit nehmen (auch wenn gerade Stress ist)
Besonders in der ersten Zeit nach der Diagnosestellung dreht sich meist alles um die*den Erkrankte*n, denn natürlich erlebt sie oder er die Symptome und die Ungewissheit über den Verlauf des Parkinson. Das ist vollkommen nachvollziehbar, ein immenser Schock und eine große Erschütterung für die betroffene Person.
Und auch das Leben der Angehörigen wird verändert. Je nachdem, wie nah Sie der*dem Betroffenen sind, hat es auch immer einen Einfluss auf Ihr Leben. Leben Sie mit der*dem Betroffenen zusammen, hat es wohl eine sehr große Auswirkung, kommen Sie dagegen nur hin und wieder zu Besuch, wahrscheinlich eher eine kleine Auswirkung.
Es ist sinnvoll, sich vor der Kommunikation mit der*dem Betroffenen Gedanken darüber zu machen, inwieweit der Raum für die eigenen Gefühle im Moment gegeben ist.
Dazu können Sie sich folgende Fragen stellen:
Wie lange ist die Diagnosestellung her? Hatte die*der Betroffene genug Raum und Zeit, die eigenen Gefühle und Sorgen wahrzunehmen?
Habe ich dem*der Betroffenen genug die Möglichkeit gegeben, über ihre Gefühle und Sorgen zu sprechen?
Wie nah bin ich der*dem Betroffenen?
Ist jetzt der richtige Moment, über meine Gefühle zu sprechen?
Wenn die Antworten darauf hindeuten, dass ein solches Gespräch passend ist, sollten Sie es unbedingt führen. Denn Ihre Gefühle und Sorgen sind genauso wichtig, wie die des*der Betroffenen. Unterdrücken Sie Ihre Emotionen über längere Zeit, weil »die ja nicht so wichtig sind«, führt das zu Stress, Unzufriedenheit und manchmal auch Depressionen. Außerdem entsteht dadurch eine Distanz zwischen Ihnen und dem*der Erkrankten. Kommunikation schafft Nähe.
Versuchen Sie, Ihre Gedanken und Gefühle in »Ich-Sätzen« zu formulieren, z. B.:
Ich mache mir Sorgen über …
Ich fühle mich zurzeit …
Ich wünsche mir …
Mir fehlt …
Planen Sie bewusst, gemeinsame Zeit zu verbringen. Dabei sollte die Diagnose nicht im Vordergrund stehen. Bestimmt gibt es Lebensbereiche und Situationen, die nicht direkt von der Diagnose betroffen sind und die es erlauben, eine kleine »Auszeit« zu nehmen. Diese geben Ihnen die Möglichkeit, sich miteinander und nicht mit der Diagnose zu beschäftigen. Das heißt nicht, dass Sie etwas verdrängen. Der Verarbeitungsprozess kostet Sie und der*die Betroffenen Kraft, Sie dürfen sich gezielt überlegen, wo diese Ressourcen wieder aufgefüllt werden können. Oft wirkt gemeinsam verbrachte Zeit wie ein Aufladen des Akkus.
Machen Sie sich Gedanken, was Ihnen beiden Spaß macht oder was Sie früher verbunden hat. Das können Ausflüge sein, gemeinsame Hobbys oder Aktivitäten, regelmäßige Gespräche (auch per Telefon) oder eine kleine Reise. Machen Sie es so einfach wie möglich, sodass es komplikationslos wiederholt werden kann. Solche positiven gemeinsamen Erlebnisse stärken die Beziehung, sodass Sie in schwierigen Situationen zusammenstehen können.
Zu Beginn der Wanderung kennen Sie sich noch gut aus, schließlich sind Sie noch in der Nähe Ihres Wohnortes. Doch Sie wissen, dass der Weg schon bald unbekannt sein wird. Sie bereiten sich darauf vor, indem Sie eine Karte besorgen, in der die Wege und Steigungen eingezeichnet sind. Auch Rastplätze und Aussichtspunkte sind markiert. Zur Sicherheit notieren Sie sich ein paar Websites und Telefonnummern, um auf dem Weg Unterstützung bekommen zu können. Dazu gehören der Wetterdienst, der örtliche Wanderverein und ein Online-Experte mit Tipps für lange Wanderungen. So sind Sie nicht auf sich allein gestellt, sondern haben immer schnell Expertenrat zur Hand.
Nach dem Erhalt der Diagnose häufen sich die Fragen: Was ist Parkinson überhaupt? Stirbt man daran? Welche Symptome können auftreten? Wie ist der Verlauf? Wie lange haben wir noch Zeit, bis die Symptome stärker werden? Ist Sport gut? Und welcher? Wann sollte mit Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie begonnen werden? Welcher Arzt ist der beste? Kann man mit Parkinson noch Fahrrad fahren, schwimmen, Sex haben? Wie wird unser Leben sich verändern? Gibt es noch andere Menschen in einer ähnlichen Situation? Können wir hier wohnen bleiben …?
Dieser Schwall an Fragen kann überfordernd wirken. Studien haben gezeigt, dass eine Aufklärung in der Anfangszeit der Erkrankung Betroffenen und Angehörigen das Gefühl der Selbstwirksamkeit gibt. Man fühlt sich nicht mehr so ausgeliefert, sondern selbstbestimmt und damit stärker. Durch die aktive Auseinandersetzung mit dem Krankheitsbild »Parkinson«, können Sie informierte Entscheidungen treffen und sich auf das fokussieren, was im Moment wichtig ist.
Schriftliche Quellen: Dieser Ratgeber gibt bewusst keine Auskunft über Symptome und Krankheitsverlauf, denn dazu gibt es genug andere gute Ressourcen. Konkrete Empfehlungen zu Büchern, Links und Adressen finden Sie am Ende des Buches. Es gibt Erfahrungsberichte von Angehörigen und Betroffenen und allgemeine Ratgeber über Parkinson. Über folgende Wege können Sie weitere Informationen erhalten:
Vereine wie den Bundesverband Parkinson Youngster, die deutsche Parkinson Hilfe e. V., die Hilde-Ulrichs-Stiftung, den Parkinson Verbund e. V., die Deutsche Parkinson Vereinigung oder JUP – Jung und Parkinson
Zum Hören gibt es Podcasts, die gleichzeitig unterhalten und informieren.
Gruppen
Facebookgruppe für Angehörige von Menschen mit Parkinson
Onlinekurse für Angehörige
Kurse für pflegende Angehörige
Selbsthilfegruppen für Betroffene und Angehörige
Selbsthilfegruppen für Angehörige
Die oben genannten Ressourcen sind zur allgemeinen Informierung. Bei konkreten Fragen zu Ihrer persönlichen Situation können Ihnen Fachpersonen spezifisch weiterhelfen.
Ihre Rolle als Angehörige*r verändert sich meist mit dem Verlauf der Erkrankung. Bei Diagnosestellung und in der direkt anschließenden Zeit sind Sie eher unterstützend und begleitend bei Arztgesprächen und Therapiesituationen dabei. Später werden Sie oftmals das Sprachrohr für die*den an Parkinson Erkrankte*n. Vor Allem wenn eine eingeschränkte Kommunikation oder beginnende Demenz besteht. So kommt Ihnen, vor allem im späteren Verlauf, oftmals eine Schlüsselrolle bei der Interaktion zwischen Betroffener*m und Fachpersonen zu.
Gewöhnen Sie sich daran, von Anfang an Fragen zu stellen. Insistieren Sie auf Transparenz. Wenn Sie nachfragen und auf eine freundliche Art auf Antworten bestehen, werden Sie von Ärzt*innen und Therapeut*innen als interessiert, wach und engagiert wahrgenommen. So werden Fachpersonen angehalten, ihr Handeln zu reflektieren und zu begründen. Ausschlaggebend für eine gute Zusammenarbeit ist natürlich ein freundlicher Umgang mit dem Fachpersonal; schließlich ist eine gute Atmosphäre vor allem für die*den Betroffene*n förderlich.
Welche Fachpersonen wann? Am Anfang kann es unklar sein, welche Berufsgruppe wofür zuständig ist. In dieser ▶ Tabelle finden Sie einen Überblick.
Zuständigkeiten rund um Parkinson
Fachperson
Wann
Worauf achten?
Ihre Rolle als Angehörige*r
Tipps
Neurolog*in
von Beginn an
Es ist wichtig, eine Neurologin zu finden, der Sie und die Betroffene vertrauen. Ein Allgemeinarzt ist nicht spezifisch für Parkinson ausgebildet.
Sie sollte sowohl auf die Parkinson-Krankheit spezialisiert sein als auch einfühlsam auf die Gesamtsituation eingehen und gut zuhören. Sodass auch Sie sich als Angehörige*r mit Ihren Anliegen ernst genommen fühlen.
Im Anfangsstadium Begleitung und Unterstützung. Im Verlauf der Erkrankung immer mehr als Sprachrohr.
Die Alltagsbeobachtungen von Angehörigen sind sehr hilfreich für die Arztperson, um Symptome zu erfassen, die evtl. in der Untersuchungssituation nicht beobachtbar sind.
Machen Sie mit der Betroffenen vor dem Arzttermin eine Liste. Nutzen Sie die Vorlage (Seite 129).
Sie können jederzeit eine Zweitmeinung bei einer*m anderen Neurolog*in einholen, wenn Sie unsicher sind.
Ein häufiger Wechsel ist nicht sinnvoll. Wenn Sie eine*n Neurolog*in gefunden haben, dem*der Sie vertrauen, bleiben Sie dort!
Pflegefachkraft
Ab einem Pflegegrad 2 hat man Anspruch auf Pflegegeld (D), damit kann eine stundenweise Unterstützung finanziert werden.
Ein mobiler Pflegedienst kommt anfangs oft einmal täglich, um z. B. Stützstrümpfe anzuziehen oder Medikamente zu geben. Später können sie beim An- und Ausziehen, Transfer aus dem und ins Bett, Hygiene, Toilettengang usw. unterstützen.
Vielen Angehörigen fällt es schwer, die Aufgabe des Pflegens abzugeben. Zum einen ist es sehr persönlich, zum anderen muss man den Tagesablauf an die Termine des Pflegedienstes anpassen. Es ist jedoch eine große Entlastung für Angehörige, von einer Pflegefachkraft Unterstützung zu bekommen. Nehmen Sie sie an!
Nehmen Sie frühzeitig Unterstützung einer Pflegekraft in Anspruch, nicht erst, wenn Sie überfordert sind.
Fragen Sie im Bekanntenkreis nach guten Erfahrungen mit einem Pflegedienst.
Kommunizieren Sie klar und freundlich mit den Pflegekräften.
Wechseln Sie den Pflegedienst, wenn Sie unzufrieden sind.
Ergotherapie
Sobald die Erkrankung sich im Alltag bemerkbar macht und Betroffene Betätigungen nicht mehr so gut ausführen können, die ihnen wichtig sind.
Suchen Sie eine Ergotherapeutin, die sich auf Neurologie oder spezifisch auf Parkinson spezialisiert hat. Sie sollte sich gut mit der Krankheit auskennen und natürlich sollte die Chemie stimmen.
Ergotherapie wird ärztlich verordnet und kann bei Bedarf als Hausbesuch erfolgen.
Da Ergotherapeut*innen immer die Gesamtsituation der Klienten in die Therapie miteinbeziehen und in der Angehörigenberatung ausgebildet sind, gibt es hier immer Raum für Fragen und Anliegen der Angehörigen. Dies kann im Rahmen eines Gesprächs oder mit praktischen Tipps und Handhabung, z. B. bei Transfer aus dem Bett, erfolgen.
Langzeitverordnungen sind bei Parkinson möglich und auch üblich. In der Ergotherapie kann eine Therapiepause nach erreichtem Ziel Sinn machen, um die Therapie wieder aufzunehmen, wenn es wieder ein spezifisches Anliegen gibt. So bleibt die Motivation erhalten.
Physiotherapie
Es wird dazu geraten, frühzeitig Sport und Fitnesstraining aufzunehmen.
Bei der physiotherapeutischen Intervention ist eine aktive Therapie besonders wichtig. Wenn der*die Parkinson-Klient*in meist auf der Liege liegt, suchen Sie besser eine*n Therapeut*in, die mit der*dem Betroffenen am oberen Leistungslimit trainiert und mit ihr ein wöchentliches Fitnesstraining erarbeitet.
Physiotherapie kann bei Bedarf als Hausbesuch verordnet werden.
Fragen Sie die betroffene Person und die Physiotherapeut*in, inwieweit Sie bei der Therapie anwesend sein können/sollen.
Für ein evidenzbasiertes und intensives Training können Sie nach einem*r BIG-Therapeut*in suchen. Bei der BIG-Physiotherapie werden gezielt Übungen mit großem Bewegungsumfang ausgeführt, um der parkinsontypischen Verlangsamung und Verkleinerung der Bewegungen entgegenzuwirken.
Logopädie
Wenn Sprechschwierigkeiten oder Schluckbeschwerden auftreten.
Suchen Sie eine Logopäd*in, die sich auf Neurologie oder spezifisch auf Parkinson spezialisiert hat. Sie sollte sich gut mit der Krankheit auskennen und natürlich sollte die Chemie stimmen.
Logopädie wird ärztlich verordnet und kann bei Bedarf als Hausbesuch erfolgen.
Fragen Sie die Betroffene und die Logopäd*in, inwieweit Sie bei der Therapie anwesend sein können/sollen.
Für einen erfolgreichen Übertrag des Gelernten in den Alltag ist der Miteinbezug von Angehörigen wichtig.