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Aktion: Zwei Short-Thriller aus Hamburg in einem Band! In Endstation Brook wirf ein erschlagener Mann im Duvenstedter Brook viele Fragen auf. Auch die Neugier des tief gefallenen Journalisten Lothar Bergmann ist geweckt. Als Bergmann sich auf die Suche nach Antworten macht, ahnt er nicht, dass er sich in höchste Gefahr begibt In Patricias Geheimnis verschwindet ein kleines Mädchen wie von Geisterhand während einer Karussellfahrt. Als sie sechs Jahre später wieder auftaucht, scheint sie keinen Tag älter geworden zu sein. Lothar Bergmann will wissen, wie das möglich ist - und stößt auf einen verstörenden Abgrund.
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Seitenzahl: 130
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Andreas Richter
Patricias Geheimnis
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
Andreas Richter
Liebe Leser*innen,
Endstation Brook
Patricias Geheimnis
Außerdem von Andreas Richter als E-Book und Taschenbuch:
Impressum neobooks
Endstation Brook
Patricias Geheimnis
Hamburg Short-Thriller
Endstation Brook
Copyright © Andreas Richter, Ahrensburg.
Erstveröffentlichung 2014.
Überarbeitete Ausgabe 2019.
Alle Rechte liegen beim Autor.
Das Werk darf – auch teilweise – nur
mit schriftlicher Genehmigung des
Autors wiedergegeben werden.
Umschlaggestaltung: edition.noack, Hemmoor
Patricias Geheimnis
Copyright © Andreas Richter, Ahrensburg.
Erstveröffentlichung 2019.
Alle Rechte liegen beim Autor.
Das Werk darf – auch teilweise – nur
mit schriftlicher Genehmigung des
Autors wiedergegeben werden.
Umschlaggestaltung: Werbekontor Herrmann, Bargteheide
Der Autor
Andreas Richter wurde 1966 in Hamburg geboren. Heute lebt und arbeitet er als freier Autor und Texter in Ahrensburg vor den Toren Hamburgs. Mehr über Andreas Richters auf www.andreasrichter.info
bevor Sie mit dem Lesen der in den Walddörfern spielenden Kurzgeschichten starten, möchte ich Sie kurz abholen. Was sind die Walddörfer und wie kam es zu den beiden Kurzgeschichten?
Als Walddörfer werden einige aneinandergrenzende Stadtteile im Nordosten Hamburgs bezeichnet. Diese Stadtteile befinden sich bereits seit dem späten Mittelalter in Hamburger Besitz, lagen jedoch bis zum Groß-Hamburg-Gesetz im Jahre 1937 als Exklaven auf preußischem Gebiet. Heute zählen die Walddörfer mit dem vielen Grün und dem vielerorts erhaltenem dörflichen Charme zu den bevorzugten Wohngegenden Hamburgs. Einer der Walddörfer Stadtteile ist Duvenstedt.
Im Jahre 2003 schrieb ich den Roman Friede ihren Seelen, der im Verlag Droemer Knaur erschien. Die Handlung der Geschichte legte ich nach Duvenstedt. Zehn Jahre später erschienen der Roman unter dem Titel Ruhet.Sanft. als überarbeitete digitale Ausgabe. Die in den Walddörfern erscheinende Zeitschrift Duvenstedter Kreisel berichtete darüber und deren Herausgeber fragte mich, ob ich für die in 2014 fünf erscheinenden Ausgaben des Duvenstedter Kreisel eine kurze Fortsetzungsgeschichte schreiben wolle. Und ob ich wollte.
Ich machte mich ans Schreiben und gab der Geschichte den Titel Endstation Brook in Anlehnung an den Duvenstedter Brook, dem 785 Hektar großen Naturschutzgebiet, welches Sie, sofern Sie es noch nicht kennen, bei sich bietender Gelegenheit unbedingt erkunden sollten.
Ende 2018 fragte der Duvenstedter Kreisel für eine weitere fünfteilige Fortsetzungsgeschichte an, die in den 2019er Ausgaben erscheinen sollte. Ich hatte große Lust, eine weitere in den Walddörfern spielende Kurzgeschichte zu schreiben, und es bot sich an, dafür zwei Protagonisten aus Endstation Brook wieder aufleben zu lassen. So kam es zu Patricias Geheimnis, dessen Grundidee bereits seit Jahren in meinem Kopf gespukt hatte, ohne dass ich weiter daran arbeitete.
Nun gibt es beide Kurzgeschichten in einem Band und ich wünsche Ihnen eine ähnlich große Freude am Lesen wie ich am Schreiben hatte.
Andreas Richter, im November 2019
Für A., T. und L.
Alle Personen, Begebenheiten und Orte dieser Geschichte könnten frei erfunden sein – doch wer weiß das schon mit Sicherheit.
Duvenstedt, 12. März
Na, das ist ja traumhaft«, murmelt Polizeiobermeister Jörg Krull und verzieht das Gesicht. Er steht alleine am Einsatzwagen. Sein junger Kollege ist erst vor wenigen Sekunden in der Bäckerei unweit des Kreisels im Herzen des Hamburger Stadtteils Duvenstedt verschwunden, um sich etwas gegen den plötzlichen Hunger zu kaufen.
Lothar Bergmann kommt geradewegs auf Krull zu, die Hände in den Taschen des Kurzmantels. Die strähnigen grauen Haare, die für gewöhnlich zurückgekämmt die kahle Stelle auf dem Hinterkopf bedecken, tanzen im Wind. In Bergmanns müdem Gesicht sprießen die Bartstoppeln und in seinem Mundwinkel hängt die unverzichtbare Zigarette.
»Moin Krull«, murmelt er und reicht dem Beamten die Hand. Dann blickt er kurz in den wolkenverhangenen Himmel und sagt: »Verdammt ungemütliches Wetter, heute. Es wird Zeit, dass der Frühling endlich kommt. Meine alten Knochen vertragen diese nasse Kälte nicht mehr. Neunundsechzig ist ein Mistalter, das einst leichte Ziehen und Ziepen der vergangenen Jahre nimmt jetzt so richtig Fahrt auf. Muss so eine Art Übergangsphase sein von alt zu steinalt. Fühlt sich nicht gerade gut an, Krull, das sage ich Ihnen.«
Krull drückt Bergmanns Hand. »Haben Sie mich gerochen oder gesucht? Kommen Sie mir bloß nicht damit, dass Sie mir zufällig über den Weg laufen. An Zufälle glaube ich bei Ihnen nämlich nicht.«
Bergmann zieht an der Zigarette. »Ich hörte was von einem Leichnam. Lag am Rande des Brooks und wurde gestern Nachmittag von zwei spielenden Jungen gefunden. Erzählen Sie mir davon, Krull!«
»Woher wissen Sie davon?«, fragt Krull. »Wir haben es geheim gehalten.«
»Geheim gehalten …« Bergmann schmunzelt und streicht sich die Haare aus dem Gesicht. »Hören Sie, Krull: Ich frage Sie oder ich frage andere Leute. Das eine geht schneller und das andere dauert etwas länger, doch am Ende erhalte ich so oder so meine Informationen. Ersparen Sie uns beiden den Stress, mein Junge. Also: ich höre?«
Krull überlegt nicht lange. Er kennt Bergmann gut genug um zu wissen, dass dieser keine Hemmungen haben wird, den Leichenfund umgehend an die große Glocke zu hängen und somit die Ermittlungen gezielt zu stören. Bekommt Bergmann seinen Willen nicht, reagiert er häufig wie ein trotziges Kind.
Krull seufzt, dann sagt er mit gedämpfter Stimme: »Männlich. Identität noch ungeklärt. Anfang bis Mitte Zwanzig. Erschlagen. Seit wann er tot ist, untersucht die Rechtsmedizin noch. Mehr habe ich aktuell nicht. Die Kollegen von der Kripo haben übernommen und heute früh die Fundstelle untersucht. Ich habe keine frischeren Informationen als diese. Das ist mein Kenntnisstand, glauben Sie es oder glauben es nicht.«
Mit einem langen Zug raucht Bergmann die Zigarette bis auf den Filter runter. Dann lässt er sie den Fußweg fallen und tritt sie mit der Hacke seiner abgewetzten schwarzen Schnürschuhe aus.
»Es wird nicht oft gemordet im feinen Duvenstedt«, sagt er dann. »Der Leichenfund dürfte in der Gegend für reichlich Unruhe sorgen. Und soll ich Ihnen was verraten, Krull? Je vornehmer das Getue der Menschen in ihrer Gegend, desto düsterer ihre Geheimnisse. Seien wir also gespannt, welch' tiefe Abgründe sich hier bei uns auftun. Rufen Sie mich an, wenn Bewegung in die Sache kommt.«
Krull verzieht missmutig das Gesicht. »Haben Sie mir nicht zugehört? Die Kripo hat die Ermittlungen übernommen. Halten Sie sich raus und hören Sie endlich auf, überall Ihre Nase rein zu stecken, das bringt nur Ärger. Weshalb gehen Sie nicht nach Hause und kümmern sich um Ihre Katzen?«
In aller Ruhe zündet Bergmann sich die nächste Zigarette an und sagt dann: »Ihr Vater, Krull – Gott hab' ihm selig –, war nicht nur ein verflucht netter Kerl, sondern auch ein verdammt guter Polizist gewesen. Wissen Sie, weshalb er so gut war? Weil er stets das Gegenteil von dem getan hat, was Sie gerade von mir gefordert haben. Er hat sich nämlich nicht rausgehalten, sondern seine Nase umso tiefer in die Dinge reingesteckt, desto mehr es zum Himmel stank. Er hat sich nicht hinter Dienstvorschriften versteckt, sondern sich auf sein Bauchgefühl verlassen. Anstatt in Akten zu blättern, hat er in den Gesichtern von Menschen gelesen. Ihr Alter hat sich nichts vormachen lassen und ließ sich nicht einschüchtern. Zu schade, dass Sie so anderes sind.«
Mit diesen Worten dreht Bergmann sich um und geht in die Richtung davon, aus der er gekommen war.
»Was ist denn das für ein Vogel?«, fragt der andere Polizist und beißt in ein Rosinenbrötchen. Krull erschrickt leicht. Er hatte nicht mitbekommen, dass sein Kollege bereits wieder neben ihm steht.
»Man merkt, dass du noch nicht lange bei uns hier oben bist«, grummelt Krull. »Fast jeder in Duvenstedt und Umgebung kennt den spleenigen Bergmann.«
»Hm, für mich sieht er aus wie ein gewöhnlicher älterer Herr. Etwas ungepflegt, vielleicht, aber ansonsten macht er auf mich einen ziemlich normalen Eindruck.«
»Früher war er vielleicht normal, doch das ist lange her. Heute ist Bergmann einsam, verbittert und geht allen auf den Geist.«
Der junge Polizeimeisteranwärter schiebt sich den Rest des Rosinenbrötchens in den Mund. »Wieso, was ist denn mit ihm geschehen?«
»Bergmann hat als freier Journalist für verschiedene Zeitungen gearbeitet. Er war in der halben Welt unterwegs. Vor etwa acht Jahren erhielt er für eine von ihm aufgedeckte Machenschaft einen renommierten Reporterpreis. Plötzlich war Bergmann eine Art Starjournalist. Doch dann kam heraus, dass er sich die Geschichte von A bis Z ausgedacht hatte. Alles eine einzige Lüge. Das war natürlich ziemlich peinlich, vor allem für die Fachjury und erst recht für Bergmann selbst. Es brachte ihm eine saftige Anzeige ein, und als Journalist war er erledigt. Bergmann hat nie darüber gesprochen, weshalb er sich auf diese Dummheit eingelassen hat. Zu allem Unglück erwischte es kurz darauf seine Frau. Sie stürzte zu Hause die Kellertreppe herunter und erlag wenig später ihren Kopfverletzungen. Bergmann behauptete, es sei Mord gewesen, doch es gab keine Anzeichen von Fremdverschulden, und außerdem nahm ihn nach der aufgeflogenen Schummelei sowieso niemand mehr ernst. Seit dem Tod seiner Frau wittert der alte Narr hinter jedem vom Tierarzt eingeschläferten Hund eine Weltverschwörung. Bergmann ist durch und durch misstrauisch.«
»Tja, das ist bitter für ihn«, sagt der junge Polizist emotionslos. »Arbeitet er denn noch?«
»Gelegentlich berichtet er für eines dieser Anzeigen-blätter, die kostenlos an die regionalen Haushalte verteilt werden. Das ist mit seinen früheren Jobs natürlich überhaupt nicht zu vergleichen. Miniartikel über Adventssingen im Seniorenheim um die Ecke anstelle der großen Weltpolitik Vielleicht steckt Bergmann auch deshalb seine Nase überall rein, weil er auf diese eine besondere Geschichte hofft, mit der er seine Journalistenehre wieder-herstellen kann.«
Die beiden Polizisten sehen Bergmann hinterher, der gelegentlich mit erhobener Hand Passanten grüßt, ohne jedoch stehen zu bleiben oder einige Worte zu wechseln.
»Für die eine besondere Geschichte ist dies definitiv die verkehrte Gegend«, sagt der junge Polizist vor sich hin, öffnet die Fahrertür des Einsatzwagens und steigt ein.
»Da bin ich mir leider nicht so sicher«, murmelt Krull, doch das hört sein Kollege nicht.
Duvenstedt 13. März
Robert Schwarz wurde sechsundzwanzig Jahre alt und stammte aus einem kleinen Ort in Brandenburg. Ledig, keine Kinder, technischer Mitarbeiter eines mittleren Unternehmens in der Spezialdiagnostik. Weshalb sein Leichnam ausgerechnet im Duvenstedter Brook gefunden worden war und ob er einen Bezugspunkt zu den Walddörfern gehabt hatte, wissen die Ermittler bislang noch nicht.
Die gerichtsmedizinische Obduktion hatte ergeben, dass Schwarz von hinten durch einen Schlag mit einem Spaten getötet worden war, dessen Kante einen tiefen Spalt in die Schädeldecke getrieben hatte. Brüche von ZungenbeinundKehlkopfsowie Male am Hals verrieten, dass Schwarz nach dem Hieb gewürgt worden war; aller Wahrscheinlichkeit nach um sicherzustellen, dass er auch tatsächlich tot war. Die Spurensicherung hatte festgestellt, dass Schwarz' Leichnam von nur einer Person von der Straße zu der rund fünfzig Meter entfernt gelegenen Fundstelle getragen worden war – eine stolze Leistung, denn Schwarz hatte bei einer Körperlänge von knapp einen Meter neunzig stolze fünfundneunzig Kilogramm gewogen. Auf dem Weg zurück zur Straße, wo vermutlich ein PKW abgestellt worden war, waren die auf dem Hinweg hinterlassenen Fußabdrücke weitestgehend unkenntlich gemacht worden. Offen blieb die Frage, wann all dies geschehen war. Während der Dunkelheit ist es kaum möglich, denn dann kann man im Duvenstedter Brook nicht die Hand vor Augen sehen. Ebenso ist es nahezu unmöglich, am helllichten Tag einen Toten tief ins offene Feld hinein zu tragen, ohne dass es jemand mitbekommt.
»Schreckliche Sache«, murmelt Klaus Anger. Er setzt die Lesebrille ab, faltet das Boulevardblatt zusammen und schiebt es eine Tasche seiner Jacke, die über der Rückenlehne des Stuhls hängt, auf dem er sitzt. Anger ist ein Jahr älter als Bergmann. Die beiden Männer sind seit Jahrzehnten befreundet.
Bergmann leert in einem Zug das Glas Bier, auf das Anger ihn in die ganztägig geöffnete Gaststätte eingeladen hatte. Es ist kurz nach elf Uhr am Vormittag.
»Noch eins?«, fragt Anger.
Bergmann schüttelt den Kopf. Seitdem er Blutverdünnungstabletten einnehmen muss, trinkt er gezwungenermaßen nur noch wenig Alkohol. Bergmann bestellt sich einen Kaffee.
»Was ist los?«, fragt Anger. »Du bist gedankenversunken.«
»Nein, eher grübelnd. Ein paar Dinge passen nicht zusammen, es ergibt sich kein klares Bild. Laut Kriminalaktennachweis wurde über den Toten keine Polizeiakte geführt. Der Junge war so sauber wie ein frisch gebadetes Baby. Dennoch hält die Polizei Informationen über ihn zurück, etwa das versteifte Bein. Ich frage mich, weshalb.«
»Er hatte ein versteiftes Bein?«
»Motorradunfall. Das linke Knie war vollkommen im Eimer. Nach mehreren erfolglosen Eingriffen wurde es operativ versteift. Der Kerl muss einen Gang gehabt haben wie Kapitän Ahab in Moby Dick.«
»Woher weißt du davon?«
Bergmann nippt am Kaffee. »Ich bin zwar für viele Leute eine Persona non grata, doch einige gute Kontakte sind mir schon noch geblieben.«
Anger knetet seine Unterlippe und denkt angestrengt nach. Dann schüttelt er den Kopf, um die letzten Zweifel zu vertreiben.
»Lass' uns rüber gehen zu Ingo«, sagt er.
Bergmann sieht Anger fragend an. »Ingo Reimers vom Getränkemarkt?«
Anger nickt und gibt dem Wirt das Zeichen, dass er zahlen möchte.
»Und was gibt´s für uns bei Ingo? Außer Getränke, natürlich.«
»Ich hoffe, dass er es noch hat.«
»Dass er was noch hat? Verdammt, Klaus, wovon sprichst du?«
Anger beugt sich nach vorne und sagt mit gedämpfter Stimme: »Wenn ich nicht völlig falsch liege, war der erschlagene Kerl bereits zuvor in unserer Gegend gewesen. Niemand hier scheint ihn zu kennen – und dennoch musste er ausgerechnet hier sterben. Ziemlich seltsam, wenn du mich fragst.«
♦
»Was soll der Blödsinn?«, blafft Reimers Anger an. Dann wirft er Bergmann einen giftigen Blick zu, der keinen Zweifel daran lässt, dass er ihn nicht ausstehen kann.
»Ingo, sei' vernünftig«, sagt Anger mit ruhiger Stimme. »Wenn du die Aufnahme noch hast, musst du sie der Polizei geben. Jetzt erst recht. Die Aufnahme könnte wichtig sein.«
»Was denkst du dir eigentlich?«, zischt Reimers. »Du kommst hier rein mit diesem … diesem ... mit ihm da, diesem Aufschneider und Lügner, und sprichst in seiner Gegenwart über Dinge, die ich dir im Vertrauen erzählt habe? Scheiße, dass hier geht niemanden etwas an. Das ist allein meine Angelegenheit, nur mein Kram – verstanden?«
»Wenn der Kerl auf der Aufnahme der Tote ist, ist das nicht mehr allein dein Kram«, sagt Bergmann.
»Wer hat dich nach deiner Meinung gefragt, du Verlierer?«, blafft Reimers. »Du weißt gar nichts, nicht das Geringste.«
Bergmann verzieht keine Miene. Er sagt: »Vor sechs Wochen ist in deinen Laden eingebrochen worden. Offensichtlich wussten die Einbrecher nicht, dass während der Nacht eine Überwachungskamera läuft, zumal du kein Hinweisschild angebracht hast. Es waren zwei Männer, und einer hatte ein versteiftes Bein. War es der Tote aus dem Brook? Und wenn ja, wer war der andere?«
»Keine Ahnung, ich kenne beide nicht.«
»Und die Polizei?«, fragt Anger. »Was sagt sie dazu?«
»Die Bullen? Nichts sagen sie.«
»Er hat es nicht gemeldet«, sagt Bergmann an Anger gewandt. »Ingo hat dir von dem Einbruch erzählt und hatte zu dem Zeitpunkt vielleicht auch noch vor, die Polizei zu informieren, hat es dann aber doch nicht getan. Man kann sagen, er hat die Sache unter den Teppich gekehrt.«
Anger versteht nicht. »Ehrlich, Ingo? Weshalb?«
Bergmann übernimmt das Antworten: »Weil ihn jemand darum gebeten hat. Und um der Bitte Nachdruck zu verleihen, gab es vermutlich Bargeld. Ein Betrag, der um einiges höher gewesen sein dürfte als der tatsächliche entstandene Schaden in Ingos Laden. Und garantiert gab es die Kohle auf die Hand und somit am Finanzamt vorbei – also so, wie uns allen die Kohle am liebsten ist.«
»Raus hier«, zischt Reimers.
»Wer hat ein Interesse daran, dass der Einbruch nicht publik wird?«, fragt Bergmann ruhig. »Nun sag' schon: An wen hast du dein Schweigen verkauft?«
»Raus!«, brüllt Reimers und deutet mit dem Zeigefinger nacheinander auf Bergmann und Anger. »Und zwar Beide! Und damit ihr es wisst: Es gab keinen Einbruch und es gibt kein Band, auf dem etwas zu sehen ist. Alles nur ausgedacht, versteht ihr? Genauso wie damals bei dir, Bergmann, als du mit deiner erlogenen Geschichte um die Ecke gekommen bist, du blöder Wichtigtuer!«