Paul Watzlawick – die Biografie - Andrea Köhler-Ludescher - E-Book

Paul Watzlawick – die Biografie E-Book

Andrea Köhler-Ludescher

4,8
26,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

In der weltweit ersten Biografie über Paul Watzlawick zeichnet Andrea Köhler-Ludescher detailliert den gesamten Lebensweg des Philosophen, Therapeuten und Bestsellerautors nach. Das abenteuerliche Leben des Sprachentalents führt von seiner Kindheit in Villach – über das Studium in Venedig nach der Kriegszeit, die Analytikerausbildung bei C.G. Jung in Zürich, den Versuch, in Indien und dann in El Salvador als Therapeut Fuß zu fassen – bis in die USA, an das Mental Research Institute (MRI) von Don D. Jackson, einem hochverehrten Wissenschaftskollegen. Dort beginnt der zweite Teil seines Lebens, seine erstaunliche Karriere als Kommunikationsforscher, Wegbereiter der systemischen Therapie, radikaler Konstruktivist und großer Denker über die Grenzen zwischen Ost und West hinweg. Andrea Köhler-Ludescher lässt Paul Watzlawick in vielen Briefen, Vorträgen, Interviews, Aussagen von Zeitzeugen und Familienangehörigen zum ersten Mal als Mensch und als überragenden Denker des 20. Jahrhunderts mit spiritueller Prägung greifbar werden. Sie ist promovierte Juristin mit systemischer Ausbildung, die Großnichte von Paul Watzlawick und arbeitet als Kommunikationsexpertin und freie Journalistin in Wien. Das Buch ist glänzend geschrieben, umfasst eine Vielzahl unveröffentlichten Materials von Watzlawick – und gibt erstmals ein umfassendes und mitreißendes Bild des Wissenschaftlers und Kosmopoliten Paul Watzlawick.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 577

Bewertungen
4,8 (18 Bewertungen)
15
3
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Köhler-Ludescher

Paul Watzlawick – die Biografie

Verlag Hans Huber

Psychologie Sachbuch

Wissenschaftlicher Beirat:

Prof. Dr. Guy Bodenmann, Zürich

Prof. Dr. Dieter Frey, München

Prof. Dr. Lutz Jäncke, Zürich

Prof. Dr. Franz Petermann, Bremen

Prof. Dr. Hans Spada, Freiburg i. Brsg.

Prof. Dr. Markus Wirtz, Freiburg i. Brsg.

Andrea Köhler-Ludescher

Paul Watzlawick – die Biografie

Die Entdeckung des gegenwärtigen Augenblicks

Mit einem Nachwort von Fritz B. Simon

Verlag Hans Huber

Programmleitung: Tino Heeg

Herstellung: Jörg Kleine Büning

Umschlaggestaltung: Anzinger | Wüschner | Rasp, München

Druckvorstufe: punktgenau gmbh, Bühl

Druck und buchbinderische Verarbeitung: Finidr, Český Těšín

Printed in Czech Republic

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

1. korr. Nachdruck der 1. Auflage 2014

© 2014 by Hogrefe Verlag, Bern

ISBN: 978-3-456-85412-0

E-Book ISBN [PDF]: 978-3-456-95412-7

E-Book ISBN [E-Pub]: 978-3-456-75412-3

Das Glück unseres Lebens hängt von der Beschaffenheit unserer Gedanken ab.

Marc Aurel

Inhalt

Prolog

1. Familienwurzeln in Böhmen und Italien: Aus K.-u.-k.-Holz geschnitzt

2. Kindheit und Jugend in Wien und Kärnten: Professor Tänzer, der Deutschlehrer, und die Hohlwelttheorie

3. Kriegszeit in Europa: Angst vorm Totgeschlagenwerden

4. Studium in Italien und der Schweiz: Psychotherapeut als Resultat eines Platzregens

5. Indien und El Salvador: Herzensbrecher mit spirituellem Tiefgang

6. Karriere in Kalifornien: Auf den Schultern von Giganten

7. Internationales Wirken: (K)Eine Anleitung zum Unglücklichsein

8. Alter und Tod: Wer im gegenwärtigen Augenblick lebt

Epilog

Dank

Genogramm der Familien Watzlawick/Casari

Quellen

Bildnachweise

Register

Prolog

«Was Peter über Paul sagt, sagt viel über Peter und manches über Paul.»

Nach Aristoteles

Paul Watzlawick. Wirklichkeitsforscher, Lehrer, Pop-Bestseller unter den Philosophen, Analytiker, Humanist, Gentleman, Visionär, Vielschreiber, Forscher, Säulenheiliger, Realist, Aufklärer, Weltbürger und Weltkärntner mit Ruhm. Wer war der Mensch, der über Jahrzehnte Leser mit seinen Büchern und Vorträgen faszinierte? Der die Geschichte vom Hammer des Nachbarn erzählte und die verscheuchten Elefanten populär machte? «Vorsätzlich vergessen» oder «absichtlich tiefer schlafen» geht nicht, zeigt er die banalen und doch raffinierten «Sei spontan»- wie Double-Bind-Paradoxien im Alltag auf, die uns das Leben schwer machen können. Der uns die fünf Axiome der Kommunikation formulierte? Der das Nullsummenspiel in frustrierten Paarbeziehungen und eingefahrenen internationalen Beziehungen analysierte und self-fulfilling prophecies als eigenkonstruierte Zukunftsorakel entlarvte?

Er verkörpere Originalität und Traditionalität, Kosmopolitismus und Heimattreue, sprachliche Polyglottie und sprachliche Färbung des Altösterreichers in einer Person, heißt es in der Laudatio an ihn, als er 1987 den Villacher Paracelsus-Ring verliehen bekommt. Er war eine öffentliche Person, aber sehr öffentlichkeitsscheu, mit seinen Büchern wurde er populär, und dennoch war er nicht volkstümlich. Er brach mit Denkkonventionen und war stets bereit, heilige Kühe der Orthodoxie zu schlachten, und doch gleichzeitig sehr auf Konventionen bedacht, meint der deutsche Psychotherapeut und Organisationsberater Fritz B. Simon, der Paul Watzlawick lange kannte und ihn einen für ihn wichtigen Mentor nennt.

Paul Watzlawick wird sehr widersprüchlich gesehen. Er über sich? [1] «Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst.» Sein Lebensmotto? «Was die Welt nicht enthält, kann sie einem auch nicht vorenthalten.» Er bezeichnet sich einmal als «optimistischen Nihilisten» [2]. Sein Liebstes war ihm die intellektuelle Herausforderung, die er in seinen sehr breiten interdisziplinären Themengebieten pflegte. Intellectual Fusion nenne ich seine kreativen Wissenscollagen, mit einem ordentlichen Schuss Storytelling und Gedankenästhetik. «Und zweitens: Reisen» [1] – so der Stanford-Professor, der – aus Hongkong angereist – immer gerne in seiner Geburtsstadt Villach vorträgt. Einiges, was im Laufe der Jahrzehnte über ihn geschrieben wurde, entsprach nicht den Tatsachen. Sehr vieles, was in den Medien über ihn geschrieben wurde, wiederholte sich und begrenzte damit das Bekanntwerden des breiten Spektrums, das er abgedeckt hatte und das vielfach erst heute dem Massenzeitgeist entspricht.

Im Sinne des eingangs genannten Zitates ist dieses Buch über meinen Großonkel Paul Watzlawick, den Bruder meiner Villacher Großmutter, ein Porträt. «Die sorgfältige Untersuchung einer Beobachtung enthüllt die Eigenschaften des Beobachters», pflegte Onkel Paul den Biologen, Philosophen und Neurowissenschaftler Francisco Varela zu zitieren. Ich habe die «Stilrichtung» dieses Porträts gewählt, die Perspektiven- und Hintergrundwahl getroffen, Farben und Pinselstriche auf meine Weise gesetzt. Das Buch ist meine aktuell subjektive Konstruktion, es reflektiert meine persönlichen Haltungen. Kein Zweiter würde über Paul Watzlawick so ein Buch verfassen – diese Erlebnisse auswählen, diese Zusammenhänge konstruieren, diese Interpretationen vornehmen und Schlüsse ziehen. Wie gut ich ihn kannte? Ich habe ein Bild von ihm. Über unsere Familie und vor allem über sein Werk habe ich ihn kennengelernt, für das er gelebt hat. So vieles habe ich daraus mitgenommen – vor allem: Alles ist möglich! Alles ist möglich für mich, im positivsten Sinne, im Sinne einer ressourcenreichen Leichtigkeit, die der Konstruktivismus ermöglicht.

Sein Werk – wofür steht es? Er war Gelehrter, ein Weiser. Nicht genialer Schöpfer, sondern Spurenleser mit Sinn für Relevanz und logische Konsistenz, Synthesizer und Integrator. Als alltagstauglicher Pop-Philosoph ein «Übersetzer» der großen Fragen des Menschen. Seine kreative Leistung bestand darin, «Muster, die verbinden» quer zu Grenzen traditioneller Disziplinen zu konstruieren und weltweit bekannt zu machen – so die Meinungen zu ihm. Ein Psychotherapeut, der seine Büchertitel, die Werbeslogan-Qualität hatten, in der Regel selbst fand. Er wiederhole sich, vermarkte fremde Ideen, manipuliere die Patienten. Ein Nihilist. Auch Anfeindungen blieben ihm nicht erspart.

Wenn ich heute Paul Watzlawick google, erhalte ich ungefähr 554000 Ergebnisse zu ihm. Unter seinem Namen gibt es mehrere Facebook-Seiten und einen Twitter-Account – rein digitale Kommunikationsformen, die er selbst wohl abgelehnt hätte. Sein Bestseller «Anleitung zum Unglücklichsein» kam als Film ins deutschsprachige Kino. Dirk Baecker, der deutsche Soziologe, nennt es «das einzige Buch aus dem weiten Feld der Selbsthilfe, das man wirklich einmal gelesen haben sollte». Warum noch immer diese Popularität? Ich meine, er war eine Person mit Charisma, weil er professionelle Authentizität lebte und selbst erlebt hatte, worüber er schrieb und sprach. Den Großteil der alten und neuen, östlichen und westlichen Welt hatte er bereist und zum Teil erlebt, Krieg und Frieden am eigenen Leib gespürt, Genügsamkeit und Wohlstand erfahren. Fesch und gscheit war er, so eine Cousine über ihn. Er war ein Einzelgänger, höre ich. Knausrig und altmodisch, so ein Verwandter über ihn. Ein Frauenschwarm mit Filmstarqualität. Er hatte einen ganz eigenen Humor, den manche liebten, andere hassten. Blaue Augen, die Distanz und Güte zum Ausdruck bringen. Einen Mund, der sarkastische Selbstsicherheit, Ungeduld und Milde signalisieren konnte. Er selbst hätte gerne einen Löwenschweif gehabt, um ihn sich über den Arm zu legen, um ihn zu streicheln. Und er witzelte über seinen Ödipuskomplex und wünschte sich einen sibirischen Tiger als Gefährten. Liebte die Augen von Katzen, schöne Frauenbeine und Herbstfarben, Klavierkonzerte von Rachmaninow sowie die «Durchschnittsitalienerin in Extremsituationen».

Und seine Inhalte? Ich meine, zeitlose Faszination prägt seine Themen. Er verfasst kurz nach seinem Beginn am Mental Research Institute (MRI) im kalifornischen Palo Alto in den 1960er-Jahren eines der Bücher über Kommunikation. «Man kann nicht nicht kommunizieren … Kommunikation äußert sich in menschlichem Verhalten … Verhalten ist Kommunikation. Man kann sich nicht nicht verhalten.» TV-Serien wie «The Mentalist» und «Lie to Me» führen uns die anhaltende Faszination des Kommunikationthemas im weitesten Sinne in den 2010er-Jahren vor Augen. Zu den digitalen Medien hatte er, der im Silicon Valley beheimatet war und praktizierte, früh eine ablehnende Meinung.

Kommunikation lernt man wie eine Fremdsprache, ohne dass man sich dessen bewusst ist, schreibt Paul. Und lässt es als Sprachwissenschaftler an einer Grammatik nicht fehlen. Den Philosophen Paul Watzlawick wiederum beschäftigen die philosophischen Grundfragen des Menschen. Was ist Glück? Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Was ist der Sinn und Unsinn des Lebens? Er hat früh ein mystisches Durchbruchserlebnis, wie er selbst es nennt, und lebt in den 1950ern in Indien, wo er den indischen Philosophen und spirituellen Lehrer Jiddu Krishnamurti kennenlernt. Er beschäftigt sich ein Leben lang mit dem Buddhismus, Zen und der Mystik. Als Psychotherapeut – erst in jungscher analytischer Ausbildung, dann «um 180 Grad gedreht» als systemischer Familientherapeut – befasst er sich mit vielen vor allem problemerzeugenden Spielformen des «Wandels»: Wandel in privaten Beziehungen, in den beruflichen Beziehungen in Unternehmen und in internationalen Beziehungen. Und entwickelt mit Kollegen ein Modell der Lösungen dazu. Damals neu, heute im «Change Management», als einem Ausdruck der Bedürfnisse der aktuellen Zeit, ein Klassiker. Die Besonderheit von Paul Watzlawick: Er bietet schlichte Werkzeuge und Antworten für komplexe Probleme und große Fragen. Mit vielen humorvollen Beispielen beschreibt er, wie ein tragisch anmutendes Alltagsleben mit einem Augenzwinkern auch einfach zu meistern ist. Und verzichtet dabei nicht darauf, so nebenbei auf die großartige kreative Eigenverantwortung der Menschen hinzuweisen, die alle Möglichkeiten des Andersseins erlaubt. Genial-schlicht schlug er alltäglich-fatal-banale Double-Bind-Beziehungen mit den eigenen Waffen, oft ohne dass die Beteiligten begriffen, wie er sie von ihrem Leiden befreite. Die Lösung des Problems erkennt man am Verschwinden des Problems, zitiert er lapidar-hellsichtig Ludwig Wittgenstein.

Viele seiner Fälle lesen sich für mich wie Detektivgeschichten: Wie wird er das Problem der Frau, der nächtlich ein Gespenst erscheint, lösen? Was macht er mit dem Phobiker, der Angst hat, sich in Menschenmassen zu bewegen? Er arbeitet mit höchst unkonventionellen Methoden, die er unter anderem beim genialen Milton Erickson lernt, und mit der Als-ob-Methode, die er beim Philosophen Hans Vaihinger findet. Er überlegt sich kreative paradoxe Interventionen, von denen er schon bei Viktor Frankl in Wien erfährt. Auf den Schultern von Giganten stehe er: jenen des Anthropologen Gregory Bateson, seines Mentors in theoretischer Hinsicht, und jenen des Psychotherapeuten Don D. Jackson sowie des Hypnosespezialisten Milton Erickson; geniale Praktiker, wie Onkel Paul sie beschreibt. Auch der Wiener Biophysiker Heinz von Förster hat mit der Entwicklung der Kybernetik zweiter Ordnung seinen wichtigen Beitrag geleistet. Aus den Interaktionen all dieser klugen Köpfe entstehen Erkenntnisse und Methoden, die in so viele Disziplinen Eingang finden, die heute klassische Werkzeuge geworden sind, unter anderem Beratung, Coaching, diverse Therapien, aber auch das Innovationsmanagement und Design Thinking.

Und dennoch – das Erkennen der großen Chancen für ein zufrieden-glückliches Leben auf Basis dreier seiner zentralen Anliegen liegt für so viele Menschen aus meiner Sicht immer noch weitgehend brach: Die «Beziehung» als Drittes, Überpersönliches zu denken – zu erkennen, dass eine Beziehung mehr und anders geartet ist als die Summe der Eigenschaften der beiden Beziehungspartner –, ist das erste Anliegen. Dass die Zirkularität als Prinzip beispielsweise der Kommunikation im Gegensatz zum gängigen linear-kausalen Denkmodell steht, ist das zweite Anliegen. Und dass der Konstruktivismus als philosophische Grundhaltung es ermöglicht, tolerant, verantwortlich und frei zu werden, ist das dritte. Was das im Alltag konkret bedeuten kann, will das Buch anreißen. Diese «Chancen» werden daher zum Hintergrund des Porträts eines Mannes, dessen Leben aus meiner Sicht von Wandel geprägt war und zugleich von der Erkenntnis, dass die Entdeckung des gegenwärtigen Augenblicks das «vollkommene irdische Glück darstellt», das er anstrebt [1]. Auf seinem Weg erfahrungsreiste er von der Kommunikation über den Konstruktivismus zum Werkzeug des Koan – um zu erkennen, dass die Suche es ist, die das Finden verhindert. Ich meine, Onkel Pauls Leben war ein buntes und ungewöhnliches Abenteuer: Er lebte in so konträren Kulturen, musste mit zahlreichen Schicksalsschlägen umgehen, traf oftmals spontan weitreichende Entscheidungen und wagte dabei viel Unbekanntes. Er erfuhr mystische Durchbruchserlebnisse und konventionellen Erfolg, was er nicht geplant hatte – und kämpfte dennoch auch mit Sinnlosigkeit, Stress und Leere in seinem Alltagsleben. Mögen Sie intellektuelle Vintage-Abenteuer? Dann tauchen Sie einfach ein.

Kanzelhöhe und Wien, Frühjahr 2014

Andrea Köhler-Ludescher

1. Familienwurzeln in Böhmen und Italien: Aus K.-u.-k.-Holz geschnitzt

Verflucht seien die Österreicher, die uns gelehrt haben,

dreimal täglich zu essen.

Venezianischer Hafenarbeiter nach Abzug der Habsburger aus Venezien [5]

Großvater Ettore Casari, Italiener – Holzhandel im Kanaltal – Ein wahrer Sprachkünstler – Um ihrer Ballkreationen willen gelobt – Mutter Emilie wird in Villach geboren – Vorzugsschülerin in Graz – Internierung im Ersten Weltkrieg – Franz Watzlawick, Bürgermeister im Böhmerwald – Erste Österreichisch-Ungarische Kinderwagenräderfabrik – Vater Paul, Tscheche – Tête-à-tête im Parkcafé

Es war der Augenblick, in dem die Vögel noch schliefen, als ich aus dem Fenster sah und den Fönwind roch, die weißen Wolken über den Mond und den dunkelblauen Himmel zogen, der das erste Licht erahnte. Und mich ein Gefühl des Friedens überkam.

Emilie Casari, Emy gerufen – sie war die Jüngste der vier Kinder –, sitzt zu Knien ihrer Mutter Maria Aloisia Veritti und schaut ins Narrenkastl. Der einzige Sohn der Familie, Anton – kurz Toni –, mit ovaler Nasenbrille und Bürstenhaarschnitt, hat genauso wie seine Schwester Itala Teresa, das «schöne Resele», den Blick direkt in die Kamera des Fotografen gerichtet. Resele trägt für das Familienfoto ein besonders schön genähtes Kleid. Maria, die Mizzi, sitzt vor dem Familienoberhaupt, dem Vater Ettore Casari, der mit verschränkten Armen, grau melierter Halbglatze und elegantem Vollbart zur rechten Seite der Mutter steht.

Die Familie wohnt in Villach, wo sich Ettore, 1863 im italienischen Ferrara geboren, als erfolgreicher italienischer Holzhändler angesiedelt und eine Familie gegründet hat. Der Holzhandel ist ein Wirtschaftszweig, der in dieser Zeit besonders floriert. Ettore ist tüchtig, und er war nach Norden gegangen, wo sich in der Stadt an der Drau ein Holzhandelszentrum gebildet hatte. So ist er Buchhalter der Firma Enrico Forni in Villach geworden. Im Jahr 1889 heiratet er dann Maria Aloisia Veritti, die aus dem Kanaltal des Herzogtums Kärnten stammt, aus dem Ort Pontafel beziehungsweise Pontebba, der zu dieser Zeit an der Grenze der K.-u.-k.-Monarchie und dem Königreich Italien liegt.

Ettore ist der spätere Großvater von Paul Watzlawick junior. Und Ettore, von den Villachern Hektor gerufen, ist ein wahrer Sprachkünstler, so die Familie. Er dichtet in italienischer, aber auch in deutscher Sprache. «La Partita del Tresette. Elucubrazioni di un poeta da strapazzo che soffre d´insonnia – Tüfteleien eines überangestrengten Poeten, der an Schlaflosigkeit leidet» publiziert Ettore im Dezember 1914, ein halbes Jahr nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Die Gabe der Sprache sollte zuerst einmal Tochter Emy, die Mutter von Paul (junior), erben. Viele Jahrzehnte später beginnt sie im Alter zu dichten, als ihre beiden Pauls sie verlassen hatten.

Emy ist italienische Staatsbürgerin und wächst zweisprachig auf. Ihre Mutter Maria, Mary genannt, war als Kanaltalerin sogar dreisprachig aufgewachsen: zu Italienisch und Deutsch kommt noch Slowenisch dazu; kurz: windisch-walisch-deitsch-kanalisch. Mary Casari ist eine begeisterte Schneiderin, eine Handwerklichkeit, die auch ihre Töchter lernen sollten und die gerade Emy in schweren Zeiten und schicken Gesellschaften gute Dienste leisten wird. Das schöne Kleid, das Resele beim Fotografen trägt, ist ein Werk ihrer Mutter. Noch lange nach ihrem Tod wird Mary Casari um ihrer Ballkreationen willen gelobt werden.

Die Berufstätigkeit von Mary wird unterstützt durch eine ältere Verwandte, die bei der Familie lebt. Den Kindern kann so eine gute Ausbildung ermöglicht werden. Oftmals ist die Familie in Italien, und so kommt es, dass die Älteste, das Resele, jung Enrico Scarpa, den Sohn einer großen italienischen Holzhandelsfirma, heiratet und nach Venedig zieht. Ihr Mann Enrico macht sich später als akademischer Maler und Restaurator in seiner Region einen großen Namen. Aber Ettores Älteste stirbt in jungen Jahren an Diphterie und hinterlässt eine einjährige Tochter, auch ein Resele. Jahrzehnte später wird Paul Watzlawick (junior) nach dem Zweiten Weltkrieg in Venedig zu studieren beginnen und dort Aufnahme bei seinem Onkel Enrico und seiner Cousine Resele finden. Die Verbundenheit zu Italien wird ihn ein Leben lang begleiten – er wird sich als Halbitaliener [6] bezeichnen, und seine zweite Frau wird aus Italien stammen.

Ettores Sohn Toni, Pauls späterer Patenonkel, verschlägt es in den Norden. Toni studiert in Wien, macht das Doktorat und wird später Professor für Französisch und Turnen werden. Seine ganze Liebe gehört der Natur. Er erkennt im Wald jeden Vogel an seinem Gesang oder Ruf, benennt alle Pflanzen und Bäume. Als Oberstleutnant erhält er im Ersten Weltkrieg für seine Verdienste am Krn dreimal die Tapferkeitsmedaille. Auch im Zweiten Weltkrieg muss er wieder einrücken und in den letzten Kriegsjahren einen Arm verlieren. Während dieses Weltkrieges wird er dann Österreicher. Er wird in Wien eine Familie gründen und zwei Söhne bekommen – Erich und Kurt Casari, zwei Cousins von Paul, mit denen Paul Teile seiner Jugend verbringen wird, in Wien wie in Kärnten. Paul wird auch während seines kurzen Studiums an der Universität Wien – nach der Rückkehr aus Indien und bevor er nach München geht – bei seinem Patenonkel wohnen und zum Dachboden des Hauses eine enge „Beziehung“ aufbauen.

Pauls Mutter Emilie (Emy) Casari mit ihren Geschwistern und den aus Italien stammenden Eltern in Villach um 1905 (von links nach rechts): der Bruder Anton (Toni) sitzend, Schwester Itala Teresa (das schöne Resele), Schwester Maria (Mizzi), Vater Ettore (Hektor), Emy und Mutter Maria (Mary) Casari.

Mizzi, die zweite Tochter von Ettore, erlernt zuerst das Schneidergewerbe, wird aber infolge kriegsbedingt Krankenschwester und im Villacher Lazarett arbeiten. Dort pflegt sie ihren späteren Mann, Friedrich von Sochor, der verwundet wurde. Aufgrund seiner Schmerzen gewöhnt er sich an Morphium und bleibt ein Leben lang süchtig. Emy, die Jüngste schließlich, hat von Kind an ein Asthmaleiden. Sie besucht zwischen 1899 und 1904 die Mädchen-Volks- und Bürgerschule zu Villach, danach die dreijährige öffentliche Mädchen-Bürgerschule zu Villach und schließlich bis 1910 eine zweiklassige Handelsschule in Graz. Ihre Zeugnisse zeigen ausnahmslos vorzügliche Noten. Sie erhält eine Ausbildung in Mailand, wo sie für die Società Italiana Ernesto De-Angeli arbeitet, bevor sie nach Villach zurückkehrt und im Juli 1911 eine Stelle im Parkhotel Villach annimmt, die sie 1914 wieder aufgibt. Anschließend besucht sie die K.-u.-k.-Bau- und Kunsthandwerkerschule, wo sie in weißer Schürze und mit weißem Kopftuch Reindling backen lernt.

Dann bricht der Erste Weltkrieg aus, und nach der Kriegserklärung Italiens an Österreich-Ungarn wird die Familie mit italienischer Staatsbürgerschaft auseinandergerissen. Ettore flüchtet über Chiasso nach Italien, seine Frau Mary mit der Tochter Emy wird kurzfristig in Straßburg in Kärnten interniert. Sehr zum Unwillen des – zu dieser Zeit bereits – Verlobten der Tochter, Paul Watzlawick senior, der deshalb 1915 einen Beschwerdebrief verfasst. Im September 1915 beantragt Mary für sich und Emy die österreichische Staatsbürgerschaft und erhält die Erlaubnis, nach Villach zurückzukehren. Sohn Anton, Toni, ist Hörer der Philosophie und Leutnant in der Reserve des Landwehr-Infanterieregiments. Tochter Maria ist Rotkreuzschwester in Villach. Im Mai 1916 legt Mary in Villach den österreichischen Staatsbürgereid ab, Toni weilt an der Front.

In der neuen Welt, jenseits des Atlantik, erkrankt der 17-jährige Milton Hyland Erickson 1919 – die Mitschüler nennen ihn «Dictionary», da er das Wörterbuch immer von Anfang zu lesen beginnt, wenn er einen Begriff sucht [7] – an Kinderlähmung und fällt ins Koma. Sein Überleben ist ungewiss. Als er nach drei Tagen wieder aufwacht, ist er vollkommen gelähmt. Er weiß nicht, an welcher Stelle im Bett sich sein Arm oder Bein befindet. Wochenlang sitzt er bewegungsunfähig im Schaukelstuhl, bis sich eines Tages der Stuhl leicht bewegt – infolge seines intensiven Wunsches, aus dem Fenster zu sehen. Erickson übt weiter und schafft es mithilfe seiner suggestiv-imaginativen Willensanstrengungen nach einem Jahr auf Krücken zu gehen und die Universität von Wisconsin zu besuchen [8]. Viele Jahre später, als Paul Watzlawick junior von diesem beeindruckenden Schicksal hört, lebt Erickson in Phoenix/Arizona, nicht weit von der Wirkungsstätte der Palo-Alto-Gruppe entfernt, der Paul angehört, und gilt als Meister der Hypnose und Trance. Der unkonventionelle Psychiater und Psychotherapeut wird – entgegen den Konventionen seiner Zeit – eine strategische Hypnose und Kurzzeitbehandlungen in der Psychotherapie einführen, seine Arbeit Thema bei den Macy-Konferenzen gewesen sein, und er hat einen ganz entscheidenden Einfluss auf Pauls Arbeit ausgeübt.

Auch für Ettores Familie sind es bewegte Zeiten – anderer Art allerdings – in dieser südlichen Region Restösterreichs, an der Grenze zu Italien. Emy muss in ihrem Leben vier Mal die Staatszugehörigkeit wechseln und dabei fünf Staatsformen anerkennen: zuerst italienisch, dann tschechoslowakisch durch ihre Ehe, dann deutsch zwischen 1938 und 1945, und schließlich, nach dem Zweiten Weltkrieg, entscheidet sie sich gemeinsam mit Sohn Paul, Österreicherin zu werden. Nach dem Ersten Weltkrieg war das vierhundertjährige Habsburger Vielvölkerreich durch die Siegermächte im Sinne von Wilsons «Selbstbestimmungsrecht der Völker» zerschlagen worden, das Herzogtum Kärnten verlor das Kanaltal an Italien.

Die Generation Ettores bleibt dem alten, großen Österreich verhaftet, einem Milieu, das auch Paul in seinem Geschichtsbewusstsein sehr prägen wird. Trotzdem spricht Ettore zu Hause sein Leben lang Italienisch. Er stirbt 1922 mit 59 Jahren, seine Frau Mary überlebt ihn anderthalb Jahrzehnte, bevor sie 1937 ebenfalls stirbt. Beide sind mit ihrer Tochter Mizzi im Villacher Familiengrab beigesetzt. Für Paul (junior) wird die Familie immer ein wichtiger Eckpunkt seines Lebens sein – er wird im Laufe seiner zahlreichen Lebensstationen bei ihr immer Aufnahme und Unterstützung finden und den Kontakt bewusst pflegen, soweit er es sich neben seiner Arbeit erlaubt. Das gilt für die italienische wie für die böhmische Seite.

Im Gegensatz zur Familie mütterlicherseits kommt seine Familie väterlicherseits aus dem Norden der seit 1867 bestehenden Doppelmonarchie Österreich-Ungarn – und zwar aus dem Böhmerwald. Der Name Watzlawick stellt im Tschechischen die erste Verkleinerungsform von Watzlaw (zu Deutsch Wenzel) dar – der heilige Wenzel christianisierte im 10. Jahrhundert Böhmen. 1526 begründete Ferdinand I. dort die Habsburger-Dynastie, in der Doppelmonarchie blieb den Tschechen dann die Autonomie versagt, bis 1918 die 1. Tschechoslowakische Republik gegründet wurde. Und auch dieser Teil von Pauls Familie hat es mit dem Holz.

Pauls Vater, Paul Watzlawick senior, wird 1884 als sechstes von zwölf Kindern geboren. Er entstammt einer kleinen böhmischen Stadt – Bergreichenstein/Kašperské Hory, einer deutschen Sprachinsel im Böhmerwald (Sumava). Sein Vater, der Großvater von Paul (junior), Franz Watzlawick, hat elf Geschwister und heiratet 1876 die wohlhabende Maria Nausch. Franz wird erfolgreicher Fabrikdirektor im größten Industriebetrieb der Stadt, der «Ersten Österreichisch-Ungarischen Kinderwagenräderfabrik». Außer Kinderwagen werden hier auch Spielzeuge, Schlitten, Skier und Kindermöbel erzeugt. Franz Watzlawick bringt es bis zum Bürgermeister der Stadt, die geschichtlich geprägt war von der Goldgewinnung aus den Flüssen Otava, Losenice und Zlatý Potok sowie vom Handel am Goldenen Steig, einem bedeutenden Handelsweg – vor allem für Salz –, der aus Passau in die Stadt führte. Zur Zeit von Franz Watzlawick dominieren die Glasindustrie, das Forstwesen («Waldler»), die Holzbearbeitung sowie Handel und Viehzucht die Region.

Der Großvater Franz Watzlawick ist Fabriksdirektor und Bürgermeister in Bergreichenstein/Böhmerwald. Sein Betrieb am Wasser verarbeitet Holz und produziert u.a. Kinderwagenräder, Spielzeuge und Schlitten.

Pauls ältester Onkel, Franz junior, schlägt die Militärlaufbahn ein, kommt nach Wien und nimmt als Offizier am Ersten Weltkrieg teil. Nach dem Tod der Eltern erwarten Franz’ Geschwister, dass er als Ältester die Familie mit Rat und Tat unterstützt. In Wien heiratet er Luise Wagner, eine Tochter von Otto Wagner, dem bedeutenden Architekten und Stadtplaner Wiens. Die Tochter aus dieser Ehe, Oda, wird Pauls Lieblingscousine werden. Viele Sommer verbringen die beiden – Paul und Oda – gemeinsam mit ihren Cousinen und Cousins in «Berg», wie man sagt, wo sie gerne am Bach des Sägewerkes spielen. Später wird Franz mit seiner Familie nach Kärnten übersiedeln und von Klagenfurt aus eine Autobuslinie entlang des Wörtersees bis Villach betreiben.

Vier weitere Onkel und Tanten von Paul – Kinder von Franz und Maria – Otto, Anna, Ernest und Friedrich – sterben bereits im Kindsalter. Maria, die zweitgeborene, ist gehbehindert, sie hilft im Haushalt der Familie, unterstützt tatkräftig die Mutter und übernimmt nach deren Tod ihre Rolle. Sie bleibt als einziges der Watzlawick-Kinder nach der Vertreibung im Jahre 1946 in Bergreichenstein bzw. in einem Krankenlager, Baracke 4 in Teplice-Sanov, bis sie schließlich im Jahr 1950 ausreisen darf. Ihr Bruder Rudolf schlägt wie Franz die Militärlaufbahn ein und muss ebenfalls im Ersten Weltkrieg an die Front. Aufgrund seiner militärischen Leistungen wird er für den Maria-Theresien-Orden vorgeschlagen. Die militärische Welt seiner Onkel sollte auf Paul einen bleibenden Eindruck hinterlassen: «Das Vertrauen in das Ehrenwort des feindlichen Generals» zitierte er oftmals in seinen Büchern und nannte er auf die FAZ-Frage: «Welche militärischen Leistungen bewundern Sie am meisten?»

Paul Watzlawick senior wächst als sechstes von ursprünglich zwölf Kindern in einer deutschen Sprachinsel im Böhmerwald (heute: Tschechien) auf. Sein Vater stirbt, als er zwanzig Jahre alt ist.

Rudolf führt eine der zwei Sägen im Böhmerwald, Bruder Leo die zweite. Leo Watzlawick wird vom Vater, der 1904 starb, mit der Fortführung der «Franz Watzlawick Holzwarenfabrik» betraut. Die Söhne Ludwig, Josef, genannt Pepsch, und Alfred werden später ebenfalls in verschiedenen Funktionen in der Watzlawick-Fabrik mitarbeiten. Nach weiteren Erweiterungen erfolgt die Umbenennung der Fabrik in «Bohemia-Werke» und der Aufstieg zum größten Industriebetrieb der Stadt Bergreichenstein. Im Jahr 1930 leben in der Stadt 2289 Einwohner, davon 186 Tschechen. Im Oktober 1938 wird Bergreichenstein aufgrund des Münchener Abkommens dem Großdeutschen Reich angeschlossen.

Pauls jüngster Onkel, Alfred Watzlawick, genannt Fredl, muss an beiden Weltkriegen teilnehmen. Er studiert zunächst technische Chemie in Prag und gründet dann in Wien mit Gattin Emma Kreuss eine Verkaufsniederlassung des Familienbetriebes im 4. Bezirk. Er wird beim Rückzug 1944 in Polen fallen, und Emma muss 1945 mit den Söhnen über München nach Wien flüchten. Anfang Mai 1945 fällt Bergreichenstein wieder zu Tschechien. Bis in das Jahr 1946 finden Deportationen der deutschen Bevölkerung statt. Das bedeutet auch für die Geschwister Watzlawick den Verlust des Elternhauses, des Vermögens, der Sägewerke und der Holzfabrik und damit der Arbeit. Dem letzten Firmeninhaber, Leo, wird es gelingen, in Brückl/Kärnten mit dem Mann seiner Nichte Oda Dobringer, Pauls Cousine, einen Betrieb unter dem Firmennamen «DOWA – Sägewerk und Holzindustrie» aufzubauen. Aber auch dieser muss später schließen.

Paul senior, Pauls Vater, Sohn von Franz, später Ehemann von Emy Casari, besucht wie seine Geschwister in Budweis die Grundschule und maturiert 1901 an der Handelsakademie in Linz. Er bekommt eine Stelle bei der Zentralsparkasse in Wien und wird bald zum Leiter einer Bankfiliale nach Villach bestellt. Zwei Brüder von Paul senior, Franz und Rudolf, beide hohe Offiziere, haben anlässlich der Aufnahme in den Militärdienst den Namen Watzlawick in Wick geändert. Paul senior lehnt es immer ab, seine Staatsbürgerschaft zu ändern oder seinen Namen in Wick verkürzen zu lassen. Einrücken muss er wegen eines Augenleidens nicht. In Villach lernt er im Parkhotel die um neun Jahre jüngere Emy Casari kennen, die im vornehmsten Hotel der Stadt in der Rezeption beschäftigt ist. 1915 wird Paul senior Prokurist der Filiale Centralbank der deutschen Sparkassen in Villach, 1918 heiratet er Emy, und sie ziehen an die Richard-Wagner-Straße 3, wo Paul Watzlawick junior als zweites Kind geboren werden wird. Die Hochzeitsreise des jungen Paares führt über die Alpen nach Salzburg und über den Wörthersee in die Draustadt mit Blick auf Mittagskogel und Dobratsch zurück. Die nächste Generation entsteht, die vorangegangene vergeht. 1922 stirbt Paul seniors Mutter Maria und wird neben ihrem Mann Franz Watzlawick in der Familiengruft Watzlawick am Friedhof der Kirche St. Anna bei Bergreichenstein beigesetzt.

1918 heiratet Paul Watzlawick senior in Villach Emy Casari, die er im schicken Parkhotel der Draustadt kennengelernt hat.

2. Kindheit und Jugend in Wien und Kärnten: Professor Tänzer, der Deutschlehrer, und die Hohlwelttheorie

Nein, ich bin nicht abergläubisch, zu meinen, dass Hufeisen über dem Hauseingang Glück bringen. Aber mir ist gesagt worden, dass es auch jenen hilft, die nicht daran glauben.

Niels Bohr, dänischer Physiker und Nobelpreisträger

Pauli wird 1921 in Villach geboren – Gestillt, bis er reden konnte – Wer billig kauft, kauft teuer! – Hausmusik mit italienischen Opern – Immer ein Garten – Unendlich eifersüchtig – Klagenfurt: Kati schmiert Fettbrot – Die beste Ehe der Welt – Waschlappenschlachten mit Emy – Kleiner Fiat, großer Gräf – Was macht er nur da oben, im Dachbodenkammerl? – Schau nur, der Herzog von Windsor, ziemlich derangiert – Schrecklich, aber du gehst! – Berufswunsch: Elektroingenieur – Nazi-Akte durch Dummheit

Es war der Augenblick, in dem es mir über den Rücken schauerte, als die vierjährige Luise sagte: «Dann machen wir den bösen Piraten zu unserem Freund.» Ich hatte sie gefragt: «Oweh, was machen wir denn nur mit dem bösen Piraten, der dich im Albtraum geplagt hat?» Und dachte an einsperren oder luftisieren. Und war sprachlos vor so viel kindlicher Klugheit.

Paul junior, genannt Pauli, wird am 25. Juli 1921 in Villach geboren. Das niedliche «i» – er bekommt es von Mutter Emy angehängt – wird ihn in der Familie künftig vom Vater Paul Watzlawick senior unterscheiden. Der zweite Vorname Anton signalisiert die Verbundenheit zu Onkel Toni, dem Bruder der Mutter Emy. Denn Anton Casari, Professor, ist Taufpate, als der kleine neue Erdenbürger im Stadthauptpfarramt Villach-St. Jakob vom hochwerten Herrn Probst Hermann Atzlhuber nach römisch-katholischem Ritus getauft wird, wie durch beigedrücktes Amtssiegel im Werte von 2000 Kronen amtlich beurkundet wird. Schon Mutter Emy war hier getauft worden.

Pauli startet seine Schulzeit in Wien Hietzing, wohin Vater Paul senior als Bankdirektor berufen wird. Emy lädt oft in den Garten der schönen Villa, wo die Marillenbäume, Tochter Mädi, Sohn Pauli auf seinem geliebten Hoch-Dreirad und Schäferhund Krimschi gut gedeihen.

Pauli ist das zweite Kind von Paul und Emy. Schwester Maria, auch Mädi genannt, war zwei Jahre zuvor geboren worden und die ersten Jahre unendlich eifersüchtig auf den jüngeren Bruder, der ein sehr enges Verhältnis zur Mutter entwickeln wird. Emy stillt Pauli, bis er reden kann. Hier entsteht zwischen Mutter und Sohn eine tiefe, liebevolle Bindung, die beide verbinden wird. Paul wird mit seiner Mutter ihr Leben lang in engem Briefkontakt stehen und ihr gewisse Einblicke geben wie sonst niemandem. Einen Ödipuskomplex habe er, wird er öfter witzeln. Emy ist eine fröhliche, lebhafte Frau, sie war in der Schule sehr gut gewesen, was zu dieser Zeit der Männerdominanz nicht gewöhnlich war. Sie liebt den Witz und Wortwitz – und wird von den Kindern geliebt für ihren Humor, zu sehen, wo etwas lustig ist, genau den Kern zu treffen und auch zu wissen, was man daraus machen kann.

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!