Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Peer Gynt ist ein 1867 von Henrik Ibsen geschriebenes dramatisches Gedicht und Bühnenstück. Peer Gynt entstand auf der Vorlage norwegischer Feenmärchen von Peter Christen Asbjørnsen. Sie waren zwischen 1845 und 1848 unter dem Titel Norske Huldre-Eventyr og Folkesagn erschienen. In seinem Werk setzte sich Ibsen kritisch mit dem romantischen Nationalismus im Norwegen seiner Zeit auseinander. Er schuf es während seines freiwilligen Exils in Italien, vor allem auf Ischia und in Sorrent. (aus wikipedia.de)
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 197
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Peer Gynt
Henrik Ibsen
Inhalt:
Henrik Ibsen – Biografie und Bibliografie
Peer Gynt
Erster Akt
Zweiter Akt
Dritter Akt
Vierter Akt
Fünfter Akt
Peer Gynt, Henrik Ibsen
Jazzybee Verlag Jürgen Beck
Loschberg 9
86450 Altenmünster
ISBN: 9783849626174
www.jazzybee-verlag.de
Henrik Ibsen, der größte Dramatiker Norwegens und einer der gewaltigsten Geister der neuern Zeit, geb. 20. März 1828 zu Skien in Norwegen, war der älteste Sohn eines erst wohlhabenden Kaufmanns dänischer Abstammung. Nach dem Konkurs seines Vaters verfloß seine früheste Jugend in beschränkten Verhältnissen. In Skien erhielt er eine notdürftige Schulbildung und kam, 15 Jahre alt, als Apothekerlehrling nach Grimstad. Hier entstanden seine ersten dichterischen Versuche, Spottverse, die den Schrecken der Stadtbewohner bildeten, mondscheintrunkene Lyrik, die von den Damen des Ortes fleißig gelesen und gesammelt wurde, und vor allem der »Catilina« (1850, neue Ausg. 1875), ein Drama, in dem sich der Sturm der Zeit und der brausenden Jugendkraft des Dichters entlädt. 1850 siedelte I. nach Christiania über, ging in Heltbergs »Presse« und bestand bereits nach fünf Monaten das medizinische Vorexamen. Dabei fand er Zeit, das kleine, unselbständige Drama »Das Hünengrab« (»Kjœmpehøien«) zu schreiben. Außerdem gab er damals zusammen mit Botten-Hansen und Vinje ein politisch-satirisches Wochenblatt (»Manden«, gewöhnlich »Audhrimer« genannt) heraus, das indessen schon nach neun Monaten wieder einging. Aber man war auf den jungen I. aufmerksam geworden: im November 1851 berief ihn Ole Bull an das norwegische Nationaltheater in Bergen, wo er nun bis 1857 als Regisseur und Theaterdichter wirkte. Alljährlich zum 2. Januar, dem Gründungstag des Hauses, lieferte er ein Stück, und entrichtete in diesen Werken der nationalen Romantik seinen Tribut. Es entstanden: »Die Johannisnacht« (1853; ungedruckt), »Die Herrin von Östrot« (»Fru Inger ti! Östraat«, 1854; gedruckt 1857, neue Ausg. 1874), »Das Fest auf Solhaug« (»Gildet paa Solhaug«, 1855) und »Olaf Liljekrans« (1856; erstmalig gedruckt in Ibsens »Sämtlichen Werken«, Bd. 2, Berl. 1898). Im I. 1857 siedelte I. als artistischer Direktor an das Norwegische Theater in Christiania über, im folgenden Jahr vermählte er sich mit Susanna Daae Thoresen aus Bergen. Sein Aufenthalt in Christiania dauerte bis 1864, und es entstanden in dieser Zeit: »Die Helden auf Helgoland « (»Nordische Heerfahrt«, »Hærmændene paa Helgeland«, 1858), unter dem Eindruck der isländischen Familiengeschichten, besonders der »Völsungasaga«, bei aller Gewalt der darin ausgedrückten Stimmungen ein Meisterwerk klarer dramatischer Technik; »Die Komödie der Liebe« (»Kjælighedens Komedie«, 1862), eine scharfe Satire gegen die landesüblichen Auffassungen von Ehe und Liebe, das einen Sturm der Entrüstung entfesselte-die Spießbürger fühlten sich in ihren heiligsten Gefühlen verletzt- und »Die Kronprätendenten« (»Kongsæmnerne«, eigentlich: »das Holz, aus dem Könige geschnitzt werden«, 1863), Ibsens erste große Dichtertat, durch die er verkündet, »daß stets der. Königsgedanke' einer neuen Zeit siegt, und daß da keine Hoffnung ist für die, die nur das Vergangene, schon Dagewesene wiederholen können« (Woerner, »Henrik I.«). Gekränkt durch den Unverstand des Publikums und der Kritik und aufs höchste erbittert über das Verhalten Norwegens in dem dänisch-preußischen Konflikt, verließ I. im April 1864 Christiania und reiste über Berlin nach Rom. Er wurde heimatfrei. Die Weltgeschichte berührte ihn. Die Keime zu einem Drama über das untergehende römische Kaiserreich fallen in seine Brust. Zunächst aber befreit er sich von den Lebenseindrücken, die er aus Skandinavien mitbrachte, durch zwei gewaltige, im höchsten Sinne kritische Versdramen: »Brand« (1866) und dessen Gegenstück »Peer Gynt« (1867). In beiden Werken werden die Gebresten des norwegischen Volkes gegeißelt, nur wird, wie Brandes sagt, im »Brand« norwegische Schlaffheit wenigstens von einer norwegischen Idealgestalt abgeurteilt, während im »Peer Gynt« der Held als der typische Vertreter norwegischer Willensschwäche und Phantasterei angelegt und gestaltet ist. Auch ein unausgesprochener Protest gegen die Idealisierung norwegischer Bauerngestalten, wie sie um diese Zeit Björnson vornahm, läßt sich in beiden Dichtungen nicht verkennen. 1868 verließ I. Rom und ging nach Dresden, wo er zunächst das Lustspiel »Der Bund der Jugend« (»DeUnges Forbund«, gedruckt 1869), in mancher Beziehung ein Hinweis auf die Gesellschaftskritik seiner spätern Werke, ausführte. Erst unter dem Einfluß der großen Zeit, die das Deutsche Reich entstehen sah, konnte er das welthistorische Schauspiel in zwei Teilen, »Kaiser und Galiläer« (»Keiser og Galilæer«) im Frühling 1873 abschließen; es schildert den Kampf der Antike mit dem Christentum, den Untergang Julians des Apostaten, und ist »das Fundament dessen, was I später geschaffen hat, wodurch er eigentlich erst er selbst geworden ist« (Schlenther), ein historisches Schauspiel, das vieles von dem Ideengehalt seiner Gegenwartswerke einschließt, deutet und ergänzt. Erst jetzt läßt I. die Scholle tief unter sich. Er wird trotz des Heimatsduftes, den seine Werke nie abstreifen, und ohne den sie in ihren letzten Gründen unverständlich bleiben, der Bahnbrecher einer neuen dramatischen Kunst, einer neuen Zeit. Der Dichter schlug sein Hauptquartier seit 1875 abwechselnd in München und in Rom auf, besuchte aber auch Skandinavien, wo man ihn wie einen Triumphator empfing. Seit 1892 wohnt er in Christiania. Es erschienen: »Die Stützen der Gesellschaft« (»Samfundets Stotter«, 1877), »Ein Puppenheim« (»Et Dukkehjem«, 1879), »Gespenster« (»Gjengangere«, 1881), »Ein Volksfeind« (»En Folkefiende«, 1882), »Die Wildente« (»Vildanden«, 1884), »Rosmersholm« (1886), »Die Frau vom Meer« (»Fruen fra Havet«, 1888), »Hedda Gabler« (1890), »Baumeister Solneß« (»Bygmester Solness«, 1892), »Klein Eyolf« (»Lille Eyolf«, 1894), »John Gabriel Borkmann« (1896) und der dramatische Epilog »Wenn wir Toten erwachen« (»Når vi Døde vågner«, 1899). Gemeinsam ist diesen Werken, daß sie soziale und menschliche Verhältnisse der Gegenwart behandeln. Problem- oder gar Tendenzdichtungen sind sie nicht. Der Ausgangspunkt liegt immer in der Anschauung menschlicher Charaktere, bedeutender Geschicke. Aber die Liebe und der Haß, die den Dichter erfüllen, veranlassen Auseinandersetzungen, die Kritik alter Anschauungen, die Prägung neuer Werte. Die Grundstimmung ist ein großartiger Optimismus, ein unerschütterlicher Glaube an »das dritte Reich«, in dem »der Geist der Wahrheit und der Geist der Freiheit« herrschen werden. Als Techniker des Dramas greift I. auf die Tradition der Griechen zurück. Er gibt fünfte Akte, in denen sich mit unvergleichlicher Folgerichtigkeit lange Lebensschicksale entschleiern und lösen. Zu erwähnen sind noch Ibsens »Gedichte« (zuerst 1871, dann in vermehrter Auflage 1875). Ibsens »Sämtliche Werke« erschienen in einer kritischen deutschen Ausgabe mit guten Einleitungen von Brandes und Schlenther (Berl. 1898–1903, 9 Bde.), dazu als Bd. 10 eine Auswahl aus Ibsens Briefen, hrsg. von I. Elias und H. Koht (das. 1904). Vgl. G. Brandes, Björnson und I. (Kopenh. 1881) und Henrik I. (das. 1898); H. Jäger, Henrik I. 1828–1888 (1888; deutsch von Zschalig, 2. Aufl., Dresd. 1898); R. Woerner, Henrik I. (Münch. 1900, Bd. 1); Lothar, Henrik I. (2. Aufl., Leipz. 1902); E. Reich, H. Ibsens Dramen. 20 Vorlesungen, gehalten an der Universität Wien (4. Aufl., Dresd. 1902); B. Litzmann, Ibsens Dramen (Hamb. 1901.
Aase, eine Bauerswitwe
Peer Gynt, ihr Sohn
Zwei alte Weiber mit Kornsäcken
Aslak, ein Schmied
Hochzeitsgäste. Küchenmeister. Spielleute usw.
Ein zugewandertes Bauernpaar
Solvejg und Klein Helga, dessen Töchter
Der Haegstadbauer
Ingrid, seine Tochter
Der Bräutigam und seine Eltern
Drei Säterdirnen
Ein grüngekleidetes Weib
Der Dovre-Alte
Ein Hoftroll. Mehrere andere Trolle. Trolljugend beiderlei Geschlechts
Ein paar Hexen, Erdgeister, Zwerge, Kobolde usw.
Ein hässlicher Junge. Eine Stimme im Dunkel. Vogelschreie
Kari, eine Häuslersfrau
Master Cotton
Monsieur Ballon
Die Herren von Eberkopf und Trumpeter Straale, Reisende. Ein Dieb und ein Hehler
Anitra, die Tochter eines Beduinenhäuptlings
Araber, Sklavinnen, tanzende Mädchen usw.
Die Memnons-Säule (singend)
Die Sphinx von Gizeh (stumme Person)
Begriffenfeldt, Professor, Dr. phil., Vorsteher des Tollhauses zu Kairo
Huhu, ein Sprachreformer von der malebarischen Küste
Hussein, ein morgenländischer Minister. Ein Fellah mit einer Königsmumie
Mehrere Tollhäusler nebst ihren Wärtern
Ein Norwegischer Schiffskapitän und seine Mannschaft
Ein fremder Passagier
Ein Geistlicher
Ein Leichengefolge. Ein Amtmann. Ein Knopfgiesser
Eine magere Person
Das Stück, dessen Handlung im Anfang des 19. Jahrhunderts beginnt und gegen die sechziger Jahre hin endigt, spielt teils im Gudbrandstal und seinen Bergen, teils an der Küste von Marokko, in der Wüste Sahara, im Tollhaus zu Kairo, auf See usw.
(Sprich: Ohse, Pehr Günt, Solweig, Dowre, Kohre, Bohre, Trumpeterstrohle. – Säter heißt die Sennhütte der norwegischen Gebirge.)
Abhang mit Laubholz bei Aases Hof. Ein Bach schäumt hernieder. Auf der andern Seite eine alte Mühle. Heißer Sommertag.
Peer Gynt, ein kräftig gebauter Mensch von zwanzig Jahren, kommt den Steig herab. Aase, seine Mutter, klein und fein, folgt ihm zornig scheltend auf dem Fuße.
AASE.
Peer, Du lügst!
PEER GYNT ohne sich aufzuhalten.
Nein, nein, ich lüg' nicht!
AASE.
Na, so schwör' drauf: Ist es wahr?
PEER GYNT.
Warum schwören?
AASE.
Pfui! Der früg' nicht.
Dessen Schuld nicht klipp und klar!
PEER GYNT steht still.
Doch,'s ist wahr, – ich schwör' es Dir.
AASE vor ihm.
Und Du schämst Dich nicht vor mir?
Bleibt man ganze Wochen aus,
Läuft man, just wann Gras zu schlagen,
Auf den Ferner, Renwild jagen,
Kommt zerrissen dann nach Haus,
Ohne Stutzen, ohne Bock, –
Um zum Schluß am hellerlichten
Mittag Mutter flugs ein Schock
Jägerlügen vorzudichten?
Also, wo hast Du 'n getroffen?
PEER GYNT.
Links vom Gendin.
AASE lacht spöttisch.
Hm! Aha!
PEER GYNT.
Kräftig blies der Wind von da;
Und so stand der Weg mir offen,
Mich durchs Holz hindurchzubirschen,
Hinter dem er grub –
AASE wie vorher.
Ja, ja!
PEER GYNT.
Lautlos horchend, hör' ich seinen
Huf im harten Firnschnee knirschen,
Seh' vom einen Horn die Zacken,
Wind' mich durch Geröll und Wacken
Vorwärts, und, verdeckt von Steinen,
Seh' ich einen Prachtbock, – einen,
Wie man ihn seit Jahrer zehn,
Sag' ich Dir, hier nicht gesehn!
AASE.
Gott bewahre, nein!
PEER GYNT.
Ein Knall!
Und den Bock zusammenbrennen!
Aber knapp, daß er zu Fall,
Sitz' ich auch schon rittlings droben,
Greif' ihm in sein linkes Ohr,
Reiß' mein Messer schon hervor,
Ihm's gerecht ins Blatt zu rennen; –
Hui! da hebt er an zu toben,
Springt, pardauz, auf alle Viere,
Wirft zurück sein Horngeäst,
Daß ich Dolch und Scheid' verliere,
Schraubt mich um die Lenden fest,
Stemmt 's Gestäng' mir an die Waden,
Klemmt mich ein wie mit 'ner Zang', –
Und so stürmt er, wutgeladen,
Just den Gendingrat entlang!
AASE unwillkürlich.
Jesus –!
PEER GYNT.
Mutter, hast Du den
Gendingrat einmal gesehn?
Wohl 'ne Meile läuft er drang
Hin, in Sensenrückenbreite.
Unter Firneis, Schuttmoränen,
Schnee, Geröll, Sand, kunterbunter,
Sieht Dein Aug' auf jeder Seite
Stumme, schwarze Wasser gähnen,
An die fünf-, die siebenzehn-
hundert Ellen rank hinunter.
Dort lang stoben pfeilgeschwind
Er und ich durch Wetter und Wind!
Nie ritt ich solch Rößlein, traun!
Unsrer wilden Fahrt entgegen
Schnob's wie Sonnenfunkenregen.
Adlerrücken schwammen braun
In dem schwindeltiefen Graun
Zwischen Grat und Wasserrande, –
Trieben dann davon wie Daun.
Treibeis brach und barst am Strande;
Doch sein Lärm ging ganz verloren;
Nur der Brandung Geister sprangen
Wie im Tanze, – sangen, schwangen
Sich im Reihn vor Aug' und Ohren!
AASE schwindlig.
O, Gott steh' mir bei!
PEER GYNT.
Da stößt
Plötzlich, wie ein Stein sich löst,
Dicht vor uns ein Schneehuhn auf,
Flattert gackernd, aufgeschreckt,
Aus dem Spalt, der es versteckt,
Meinem Bock, bums! vor die Lichter.
Der verändert jach den Lauf –
Und mit einem Riesensatze
Nieder in den Höllentrichter!
Aase wankt und greift nach einem Baumstamm. Peer Gynt fährt fort.
Ob uns schwarzer Bergwand Fratze,
Nid uns bodenloser Dust! –
Durch zersplissne Nebelschichten
Erst, sodann durch einen dichten
Schwarm von Möwen, die, durchschnitten,
Kreischend auseinanderstritten, –
Nieder, nieder, nieder sauste es.
Aber aus der Tiefe grauste es
Weiß wie eine Renntierbrust. –
Mutter, das war unser eigen
Bild, das aus des Bergsees Schweigen
Tief vom Grund zum Spiegel eilte,
Umgekehrt, wie unser Sturz
Lotrecht auf ihn nieder pfeilte.
AASE schnappt nach Luft.
Peer! Gott helf' mir –! Mach' es kurz –! –
PEER GYNT.
Bock vom Berge, Bock vom Grunde
Stieß zur selbigen Sekunde!
Das Gespritz' und das Geklatsche!
Na, da lag man in der Patsche. –
Nicht gar lang' dann, und wir fanden
Irgendwo 'nen Fleck, zu landen;
Er, er schwamm, und ich umschlang ihn, –
Und hier bin ich nun –
AASE.
Und er?
PEER GYNT.
Hm, der springt wohl noch umher; –
Schnalzt mit den Fingern, wippt sich auf den Hacken und fügt hinzu.
Wenn Du 'n laufen siehst, so fang ihn!
AASE.
Daß Du nicht den Hals geknickt hast!
Und die Beine gleich dazu!
Ist Dein Rückgrat denn noch ganz?
Herrgott, – Lob und Dank, daß Du
Mir ihn wieder heim geschickt hast! –
Zwar die Hose hat ein Loch;
Doch davon ist nicht zu reden,
Denkt man, was weit Schlimmres noch
Sich bei so 'nem tollen Tanz –
Besinnt sich plötzlich, sieht ihn mit offenem Mund und großen Augen an und kann lange keine Worte finden. Endlich stößt sie hervor.
O, Du Teufelslügenschmied!
Kreuz noch 'n Mal! Solch ein Geflunker!
Was Du mir da singst – das Lied –
Als das aufkam – zu der Frist
Lief Dein Vater noch als Junker!
Gudbrand Glesne – dem – dem ist
Das geschehn, nicht Dir –!
PEER GYNT.
Mir auch.
Solcherlei kann oft geschehen.
AASE giftig.
Ja, und Lügen kann man drehen,
Wenden und mit Putz benähen,
Bis von ihrem magren Bauch
Nichts vor Flicken mehr zu sehen.
Das hast Du zu Weg gebracht,
Alles wild und groß gemacht,
Ausstaffiert mit Adlerrücken
Und mit all den andern Nücken,
Abgestutzt und zugesetzt
Und mir so den Sinn verstört,
Daß man nicht mehr kennt zuletzt,
Was man hundertmal gehört.
PEER GYNT.
Spräch' ein andrer solchen Quark,
Wollt' ich heillos grob ihm kommen!
AASE weinend.
Läg' ich doch im schwarzen Sarg!
Wär' ich, Gott, doch nie geboren!
Bitten, Tränen, nichts will frommen, –
Peer, Du bist und bleibst verloren!
PEER GYNT.
Liebes, süßes Muttchen mein,
Hast ja recht mit jedem Wort;
Sei nur wieder –
AASE.
Scher' Dich fort!
Ist mir's möglich, froh zu sein,
Hab' ich solch ein Schwein zum Sohn?
Muß es mich nicht bitter schmerzen,
Wird mir armem Witwenherzen
Ewig Schande nur zum Lohn?
Fängt wieder an zu weinen.
Was verblieb uns, muß ich fragen,
Seit Großvaters Wohlstandstagen?
Wie hat sich der Wein verdünnt
Seit dem alten Rasmus Gynt!
Vater brachte 's Gold ins Rutschen,
Warf's hinaus wie Scheffel Sand,
Kaufte Grund im ganzen Land,
Karrte mit vergüldten Kutschen –.
Alles weg. Wo sind die Reste
Von dem großen Winterfeste,
Da sein Trinkglas männiglich
An die Wand warf hinter sich!
PEER GYNT.
Hm, wo blieb der letzte Schnee?
AASE.
Willst Du jetzt wohl schweigen, he!
Sieh den Hof an! Jedes zweite
Fenster ist verstopft mit Flicken,
Heck' und Zaun liegt auf der Seite,
Keiner will das Feld beschicken.
's Vieh steht da in Mansch und Matsch,
Jeden Monat wird gepfändet –
PEER GYNT.
Schweig doch, Alte, mit dem Quatsch!
Weil mal 's Glück den Rücken wendet,
Heißt's drum gleich: Und niemand sah's mehr?
AASE.
Nein; auf dem Fleck wächst kein Gras mehr.
Und Du bist doch was, Du Strick, –
Immer noch so keck und quick,
Schmuck und klug, wie, da der Pfaff, –
Der aus Kopenhagen, weißt Du, –
Dazumal Dich frug: Wie heißt Du?
Und, ob Deiner Antwort baff,
Sich verschwor, die schiene wert ihm
Eines Prinzen, – daß zum Dank
Vater Schlitten gleich samt Pferd ihm
Übern Tisch zu eigen trank.
Hei, da ging es lustig her!
Propst, Kap'tän, was drum und dran war,
Hing hier taglang, soff und fraß,
Bis kein Knopf am Wanst mehr saß.
Aber als dann Not an Mann war,
Ward's hier öde, still und leer.
"Scheffel-Jon", anjetzt Hausierer,
War nicht mehr ihr Pokulierer.
Trocknet die Augen mit der Schürze.
Ach, Du bist doch stark und groß, –
Solltest bessern Deiner alten
Armen Mutter elend Los,
Solltest Haus und Hof verwalten,
Daß Dein Erb' nicht ganz zerfällt –
Weint von neuem.
Statt daß ich mich an Dir halten
Könnt', verlumpst Du Zeit und Geld!
Hier verträumst Du und verdreckst Du
Dich mit in der Herdglut Wühlen;
Trittst Du in die Tanzsäl', schreckst Du
Alle Mädels von den Stühlen, –
Machst mir üb'rall Schand und Tränen,
Raufst Dich mit den ärgsten Hähnen –
PEER GYNT geht von ihr.
Laß mich sein.
AASE folgt ihm.
Du bist am Ende
Nicht gewesen bei der letzten
Großen Schlägerei zu Lunde,
Wo sie sich wie tolle Hunde
Überfielen und zerfetzten?
Hast Du nicht Aslak, dem Schmied
Der Dir damals in die Hände
Fiel, verrenkt die halbe Lende, –
Oder war's ein Fingerglied?
PEER GYNT.
Dämliches Gefabulier'!
AASE hitzig.
Häuslers Kari hörte 's Heulen!
PEER GYNT reibt sich den Ellenbogen.
Ja, doch das, das kam von mir.
AASE.
– Dir?
PEER GYNT.
Denn ich – bekam die Beulen.
AASE.
Was –?
PEER GYNT.
Der haut Dir, sag' ich Dir!
AASE.
Wer –?
PEER GYNT.
Na, wer! Den Aslak mein' ich.
AASE.
Pfui, o pfui! daß ich nicht spucke!
So 'ne alte Wirtshaushucke,
So ein Tagdieb, so ein dreister
Lügenschmied wird Deiner Meister?
Weint wieder.
Auch noch so was! Längst schon wein' ich
Mir die Augen aus; doch das,
Das geht wahrlich übern Spaß.
Haut er Dich, so frag' ich: haust
Du nicht auch 'ne gute Faust?
PEER GYNT.
Ob ich Amboß oder Hammer,
's bleibt dasselbichte Gejammer.
Lacht.
Tröst' Dich, Mutter –
AASE.
Hätt'st Du wieder
Mal gelogen?
PEER GYNT.
Diesmal, ja.
Schluck' die Tränen fröhlich nieder; –
Ballt die linke Hand.
Schau, – mit dieser Kneifzang' da
Hielt ich ihn, den ganzen Schmied, –
Ballt die Rechte.
Während die mein Hammer war –
AASE.
Raufbold, Du! Du gibst nicht Fried',
Bis ich nicht zur Grube fahr'!
PEER GYNT.
Nein, doch, Du bist Bessres wert,
Tausend Male Bessres, Du,
Kleine, böse, süße Mu,
Trau mir nur und wart' nur zu,
Bis Dich 's ganze Dorf noch ehrt,
Wart nur, bis ich was gemacht, –
Recht was Großes, gib nur acht!
AASE spöttisch.
Du!
PEER GYNT.
Was kommen kann, weiß keiner!
AASE.
Würd' Dir doch nur eins bewußt:
Daß Du mal den Riß in Deiner
Eignen Hose stopfen mußt.
PEER GYNT hitzig.
König, Kaiser will ich werden!
AASE.
Jetzt kutschiert ihm mit vier Pferden
Noch sein letzter Witzrest fort!
PEER GYNT.
Laß mir Zeit nur, – und ich bin's!
AASE.
Laß mir Zeit, so werd' ich Prinz,
Geht im Volk ein altes Wort!
PEER GYNT.
Wirst schon sehen!
AASE.
Halt den Rand!
Bist ja völlig von Verstand. –
Übrigens, es hätt' wohl schon
Etwas aus uns werden mögen,
Wenn wir nur nicht, mein Herr Sohn,
Allzeit Schnacks und Schnurren pflögen!
Die von Haegstad war Dir gut.
Hättest leicht die Dirn' gewonnen,
Hätt'st Du's recht nur angesponnen –
PEER GYNT.
So?
AASE.
Der Alte, schwachgemut,
Ist der Tochter wohl gesonnen.
Zwar er ist ein arger Bocker,
Doch die Ingrid läßt nicht locker,
Und, wo sie geht, Schritt für Schritt,
Stapft er endlich knurrend mit.
Fängt wieder an zu weinen.
Ach, mein Peer, ein steinreich Mädel, –
Eingesessner Bauernstamm!
Hättest Du mehr Witz im Schädel,
Gingst Du jetzt als Bräutigam –
Statt auf abgetretnen Sohlen!
PEER GYNT rasch.
Komm, ich will mir's Jawort holen!
AASE.
Wo?
PEER GYNT.
Zu Haegstad!
AASE.
Armer Peer,
Deine Freite hilft nichts mehr.
PEER GYNT.
Und warum?
AASE.
Verdienst den Stock,
Wie Du Dir Dein Glück verdorben!
PEER GYNT.
Na?
AASE schluchzend.
Derweil Du dort vom Himmel
Niederkamst auf Deinem Bock,
Hat Matz Moen um sie geworben!
PEER GYNT.
Was? Die Weiberscheuch'! Wie kann –!
AASE.
Ja, die nimmt sie nun zum Mann.
PEER GYNT.
Wart' so lang, bis ich den Schimmel
Angespannt –
Wendet sich zum Gehen.
AASE.
Spar' solch Gered'.
Wenn sie morgen Hochzeit feiern –
PEER GYNT.
Ist's heut nacht noch nicht zu spät!
AASE.
Schäm' Dich! Willst Du, daß sie Dir
Auch noch ihren Spott nachleiern?
PEER GYNT.
Pah! Man wird mir 's Feld schon räumen.
Juchzt und lacht.
Heißa, Du! Der Gaul bleibt hier;
's nimmt nur Zeit, ihn aufzuzäumen –
Schwingt sie hoch empor.
AASE.
Laß mich!
PEER GYNT.
Nein, auf diesen Armen
Trag' ich Dich zum Hochzeitshaus!
Watet in den Bach.
AASE.
Hilfe! Lieber Gott, Erbarmen!
Wir ertrinken –
PEER GYNT.
Nein, der Schmaus
Lockt den Teufel noch nicht –
AASE.
Stimmt!
Weil er Dich gehängt erst nimmt.
Rauft ihn an den Haaren.
Untier, Du!
PEER GYNT.
Na, gib jetzt Ruh';
Hier der Grund ist glitschrig.
AASE.
Junge!
Esel!
PEER GYNT.
Brauch' Du nur die Zunge;
Wer ein Mann ist, lacht dazu.
So, das war die ärgste Müh' –
AASE.
Halt mich feste!
PEER GYNT.
Hottehü!
Peer kommt auf dem Bock geritten; –
Galoppierend.
Ich bin Bock, und Du bist Peer!
AASE.
Ach, ich kenne mich nicht mehr!
PEER GYNT.
So, da wär' der Bach durchschritten; –
Watet ans Land.
Gib dem Bock jetzt einen Schmatz
Für den trocknen Fährenplatz –
AASE gibt ihm eine Ohrfeige.
Da! Da hast Du 's Fährgeld!
PEER GYNT.
Au!
Das war lumpig, schöne Frau!
AASE.
Laß mich –
PEER GYNT.
Erst vorm Hochzeitshause.
Stell' den alten Wiedehopf,
Gib dem Kerl 'ne kalte Brause,
Sag', Matz Moen ist ein Tropf –
AASE.
Laß mich los!
PEER GYNT.
Und hinterher
Sag', was für ein Kerl Dein Peer!
AASE.
Ja, des kannst Du sicher sein!
Dir brock' ich 'ne Suppe ein;
Male Dich von vorn und hinten;
Alle Deine Schlich' und Finten
Sei'n den Leuten vorgesetzt –
PEER GYNT.
So?
AASE strampelt wütend mit den Beinen.
Solang' sperr' ich den Mund auf,
Bis der Bau'r zuletzt den Hund auf
Dich wie auf 'nen Stromer hetzt!
PEER GYNT.
Hm; so geh' ich halt alleine.
AASE.
Ja, doch ich hab auch zwei Beine!
PEER GYNT.
Aber nicht die Kraft dazu!
AASE.
Nicht? Ich bin so wilde, Du, –
Steine könnt' ich knacken, Steine!
Kiesel könnt' ich fressen, hu!
Laß mich los!
PEER GYNT.
Du mußt geloben –
AASE.
Nichts! Du wirst schon sehen droben;
Wissen soll'n sie, wer Du bist!
PEER GYNT.
Nimm Dir Überlegungsfrist!
AASE.
Seine Hunde soll er hetzen –
PEER GYNT.
Darfst nicht mit.
AASE.
Was willst Du tun?
PEER GYNT.
Dich aufs Mühlendach hier setzen.
Setzt sie hinauf. Aase schreit.
AASE.
Heb' mich 'nunter!
PEER GYNT.
Willst Du ruhn –?
AASE.
Schnickschnack!
PEER GYNT.
Muttchen, wüt' nicht mehr! –
AASE wirft ein Rasenstück nach ihm.
Heb mich stracks hinunter, Peer!
PEER GYNT.
's war ja so Dein eigner Wille.
Näher.
Sei nun klug und sitz fein stille!
Stoß' und stampf' nicht mit den Beinen,
Rück' und reiß' nicht an den Steinen,
Sonst, das singt Dir jede Grille,
Stürzt Du ab.
AASE.
Du Gernegroß!
PEER GYNT.
Nicht so zappeln!
AASE.
Daß Du bloß
Wärst als Wechselbalg verschollen!
PEER GYNT.
Schäm' Dich!
AASE.
Pfui!
PEER GYNT.
Du hättst mir lieber
Deinen Segen geben sollen.
Willst Du nicht?
AASE.
Ich werd' Dich walken;
Du machst mir noch lang' nicht bang!
PEER GYNT.
Leb' denn wohl! Ich bleib' nicht lang'.
Halt Dich brav auf Deinem Balken!
Geht, wendet sich jedoch noch einmal um, hebt mahnend den Finger und sagt.
Also, bloß kein Zappelfieber!
Ab.
AASE.
Peer! – Gott steh' mir bei, da rennt er!
Böckereiter! Lügenprinz!
Willst Du hören! – Nein, da brennt er
Durch –!
Schreiend.
Zu Hilf'! Ich krieg' das Drehn!
Zwei alte Weiber mit Säcken auf dem Rücken kommen den Weg herab nach der Mühle.
ERSTES ALTES WEIB.
Kreuz; wer schreit da?
AASE.
Ich, ich bin's!
ZWEITES ALTES WEIB.
Aase! Schau', – so hoch gestiegen?
AASE.
Pah; hier ist nicht viel zu sehn; –
Bald werd' ich gen Himmel fliegen!
ERSTES ALTES WEIB.
Glück zur Reise!
AASE.
Holt 'ne Leiter
Ich will 'runter! Dieser Peer –!
ZWEITES ALTES WEIB.
Euer Sohn?
AASE.
Jetzt mögt Ihr weiter
Sagen, was der anstellt, der – –
ERSTES ALTES WEIB.
Gerne.
AASE.
Helft mir bloß hinunter;
Denn ich muß nach Haegstad machen.
ZWEITES ALTES WEIB.
Ist er dort?
ERSTES ALTES WEIB.
So könnt Ihr lachen;
Denn da duckt der Schmied ihn unter.
AASE ringt die Hände.
Gott, o Gott, was soll geschehn,
Wenn sie ihm ans Leben gehn!
ERSTES ALTES WEIB.
Ja, der Tod hat lange Beine.