Perlen im Getriebe – Hochsensibel im Beruf - Cordula Roemer - E-Book

Perlen im Getriebe – Hochsensibel im Beruf E-Book

Cordula Roemer

2,0

  • Herausgeber: Humboldt
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2018
Beschreibung

So bereichern Sie Ihr Berufsleben auf Ihre spezielle Weise: Hochsensible Menschen sind oftmals gewissenhaft, verantwortungsbewusst und auf die Bedürfnisse von anderen Menschen bedacht. Dieser Ratgeber begleitet hochsensible Menschen auf ihrem Weg, jenen Kompetenzen, über die sie Kraft ihrer Veranlagung verfügen, zu vertrauen. Eine wesentliche Rolle spielen dabei Soft Skills, mit denen sie ihr Berufsleben auf ihre spezielle Weise bereichern können. Sie sind damit wertvolle Perlen, und nicht Sand, im Getriebe des beruflichen Alltags, die durch besondere Gaben und Wesenszüge das Klima oder die Qualität der Arbeit prägen.

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Seitenzahl: 211

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INHALT

Ein Arbeitstag der Jana S., Teil 1

Der Tag beginnt

Der Weg zur Arbeit

Im Büro

Der Wecker

Der Abend

Der nächste Morgen

Wege zu einem erfüllten Berufsleben

Hochsensible Stärken gezielt entwickeln

Berufliche Probleme aktiv lösen

Innere Blockaden und Zweifel überwinden

Hochsensibilität – Talent und Herausforderung

Finden Sie heraus, ob Sie hochsensibel sind

Typisch hochsensible Verhaltensweisen

Merkmale im Beruf

Die fünf sensorischen Typen

Teilen Sie sich den richtigen Kollegen mit

Bilder zum Erklären

Außerfachliche Kompetenzen zählen

Die wichtigsten Soft Skills

Fertigkeit, Fähigkeit und Persönlichkeitseigenschaft

Berufsrelevante Softskills

Wer über Soft Skills verfügt, ist im Vorteil

Hochsensibilität und Arbeitsstil

Den eigenen Arbeitsstil herausfinden

Die unterschiedlichen Arbeitsstile

Hochsensibilität und Soft Skills

Typische Soft Skills

Wenn Soft Skills nicht passen

Nein sagen, wenn es nicht anders geht

Weltanschauungen ändern sich – Paradigmenwechsel in der Berufswelt

Soft Skills erlernen

Besser mit Druck umgehen

Bedürfnisse und Anforderungen im Einklang

Motivationen im Einklang

Der Hochsensibilitätsbonus

Kompetenzgewinn durch Abwehrmechanismen

Kompetenzen mit hochsensiblem Ursprung

Wenn die eigenen Soft Skills blockiert sind

Belastungen machen verletzlich

Aus Verletzungen stark hervorgehen

Wenn Anderssein auf Ablehnung stößt

Wenn ein falsches Selbstbild entstanden ist

Wenn der Erwartungsdruck zu groß ist

Wenn die Arbeit im Team schwerfällt

Wenn das Bauchgefühl verschüttet ist

Wenn Geld einen belastenden Stellenwert einnimmt

Soft Skills sind die Qualifikationen der Zukunft

Soft Skills für die Berufswelt von morgen

Die emotionale Intelligenz

Was ist der EQ?

Hochsensible und der EQ

EQ im Arbeitsalltag – ja oder nein?

Gelassenheit

Was ist Gelassenheit?

Hochsensible und Gelassenheit

Gelassenheit im Arbeitsalltag – effizient oder nicht?

Resilienz

Was ist Resilienz?

Hochsensible und die Resilienz

Resilienz im Arbeitsalltag – welchen Vorteil bietet sie?

So stärken Sie Ihre Resilienz!

Achtsamkeit

Was ist Achtsamkeit?

Hochsensible und Achtsamkeit

Achtsamkeit im Arbeitsalltag – wofür brauchen wir sie?

Authentizität

Was ist Authentizität?

Hochsensible und Authentizität

Authentizität im Arbeitsalltag – Bremsklotz oder Gaspedal?

Der WeQ

Was ist der WeQ?

Hochsensible und der WeQ

WeQ im Arbeitsalltag – einer für alle, alle für einen?

Den richtigen Beruf finden

Vom Beruf zur Berufung

Richtiger Beruf – falscher Rahmen

Falscher Beruf – Richtung Berufung

Geht nicht gibt’s nicht

Selbstständigkeit als Weg

Disziplin und Motivation – jeden Tag

Selbstvermarktung – unabdingbar

Neugier – Bereitschaft für Veränderung

Ausdauer – die Kunst der Geduld

Sicherheitsbedürfnis – dem Leben vertrauen

Flexibilität – in gesunden Grenzen

Selbstreflexion – für ein optimales Berufsleben

Ein Arbeitstag der Jana S., Teil 2

Guten Morgen!

Der Arbeitstag

Der Abend

Sich die Welt zu eigen machen – ein Ausblick

Danksagung

Quellen und Inspirationen

Literatur

Links

EIN ARBEITSTAG DER JANA S., TEIL 1

Der Tag beginnt

Der Wecker klingelt. Nein, er klingelt nicht. Er krakeelt, er schreit und bohrt sich schließlich mit aller Macht mit seinem elektronischen Gedudel gnadenlos in mein noch im Tiefschlaf befindliches Hirn. Schlaftrunken taste ich nach dem Knopf, um diese frühmorgendliche Tortur zu beenden. Auf dem Weg zur Erlösung landet meine Hand im Wasserglas, und die daneben liegenden Kopfschmerztabletten purzeln auf den Fußboden. Endlich Stille! Ich atme durch, genieße die Ruhe, durchsetzt von tiefen Atemzügen neben mir.

5:55 Uhr. Fünf Minuten noch. Die gebe ich mir immer, sozusagen als Bonus für dieses viel zu frühe Aufstehen. Damit habe ich das Gefühl, ich hätte ja noch Zeit. Zeit, mein System in Gang zu bringen und mich innerlich auf den Tag vorzubereiten. Sören neben mir kann noch liegen bleiben. Er ist Lehrer und muss heute erst zur dritten Stunde in die Schule. Glückspilz! Ich schließe die Augen, atme ruhig und tief und … Jäh wird mir klar, dass dieser Wecker, ein Geschenk meiner Schwiegereltern, ein Folterinstrument ist. Und er hat genau jetzt ausgedient! Aus! Vorbei! Seine Zeit ist abgelaufen! Wieso habe ich mich eigentlich von diesem Monstrum an so vielen Morgen foltern lassen? Mir wird bewusst, dass ich doch selbst entscheiden kann, wie und von wem – oder besser gesagt wovon – ich geweckt werden möchte. Bei diesen Gedanken schiele ich das Ding aus den Augenwinkeln an, gerade so, als ob ich mich auf einen weiteren Angriff von ihm wappnen müsste. Aber es schweigt. Besser so.

Die fünf Minuten sind um und ich schäle mich missmutig aus dem warmen Bett. Im Zimmer ist es kalt. Sören schläft gerne bei offenem Fenster. „Ist gesünder!“, sagt er immer, obwohl die Nächte gerade sehr frostig sind. Auf dem Weg ins Bad greife ich mir den Wecker, dieses Prunkstück in quietschgelb, poppig pink und froschgrün. Was haben sich seine Eltern nur dabei gedacht? Nur weil wir keine Kinder haben, brauchen wir doch als Ersatz kein Kinderspielzeug! Ich lasse den Wecker ohne Sentimentalitäten im Mülleimer des Badezimmers verschwinden. Vorbei ist vorbei!

Während die Dusche warmläuft, sinniere ich auf der Toilette weiter über eine Weckalternative. Sanft sollte sie sein. Meine Lust aufs Aufstehen wecken. Mich liebevoll und genüsslich aus dem Schlaf kitzeln. Mein empfindliches Gehör nicht schon am frühen Morgen in den totalen Reizgau katapultieren. Ich beschließe, noch gleich heute nach einem eierlegenden Wollmilchwecker zu suchen. Noch immer von Schlaf und der falschen Stunde zerknautscht steige ich in die Dusche, die zumindest mit ihrer wohligen Wärme für etwas Entspannung und eine leichten Verbesserung meiner Laune sorgt.

Wieder zurück im Schlafzimmer hebe ich die abgestürzten Kopfschmerztabletten auf und lege sie in die Schublade des Nachttischs. Es ärgert mich immer wieder, aber nach den stressigen Arbeitstagen in der Firma habe ich in letzter Zeit häufiger Kopfschmerzen. Sören meint, ich solle mich mal ordentlich durchchecken lassen, aber mir ist klar, dass es an dem ständig gestiegenen Druck in der Arbeit liegt. Die Speditionsfirma, bei der ich beschäftigt bin, hat im letzten Jahr stetig expandiert und mit ihr auch meine Arbeit. Für Werbung und weitere Fahrer reicht das Geld, nicht aber für eine weitere Sekretärin. Meine Laune sinkt bei diesen Gedanken prompt wieder, und mein Kopf beginnt zu schmerzen. Ich konzentriere mich auf meine Kleiderwahl: BH, Bluse – geblümt, gestreift, uni? –, Jeans – die graue oder besser die blaue? –, Pullover, nein besser den Blazer, heute steht eine Sitzung mit dem Chef an, Schaltuch und Schuhe. Ach herrje, welche Schuhe? Ich verschiebe die Wahl auf nach dem Frühstück.

In der Küche werfe ich die Kaffeemaschine an, peinlichst darauf achtend, dass die Türen zum Schlafzimmer und der Küche fest verschlossen sind. Sören ist immer sehr ungnädig, wenn er so früh durch mein Geklapper geweckt wird. Auch eine Art von Wecker, denke ich zynisch. Brot und Apfel aufgeschnitten, Butter und Aufschnitt großzügig verteilt. Eine Schnitte gibt es jetzt, die anderen beiden und den Apfel zur Frühstückspause um halb elf. Kauend schnell noch einen Schluck vom viel zu heißen Kaffee genommen, autsch!, alle Brote und die Apfelstückchen in der Dose in meiner Tasche verstaut, Handy gesucht, Mantel übergeworfen, Schlüssel gegriffen und die Wohnungstür leise geschlossen. Mist! Ich habe noch meine Hausschuhe an. Wieder zurück, die erstbesten Schuhe gegriffen, angezogen und wieder raus. Jetzt ist mir nicht vom Duschen warm.

Der Weg zur Arbeit

Ich haste die Treppen herunter und eile im Laufschritt zur Bahn. Sie kommt nur einmal in der Stunde. Wenn ich spät komme, ergattere ich keinen Sitzplatz mehr, aber wenn ich zu spät komme, bekomme ich ein ernstes Problem im Büro. Ich bin diejenige, die ab acht Uhr mit freundlich-professioneller Säuselstimme alle Kunden willkommen heißt und sämtliche Aufträge und Fragen mit der Gelassenheit eines buddhistischen Mönchs beantwortet. Eigentlich mache ich das wirklich gerne, aber die Anspannung und der Druck der letzten Monate vergällt mir dies immer mehr.

Keuchend und trotz der Kälte mit kleinen Schweißperlen auf der Stirn versehen, komme ich auf dem Bahndamm an, als die letzten Fahrgäste einsteigen. Das bedeutet fünfunddreißig Minuten stehen. Ich ärgere mich über mich selbst und steige gottergeben in den übervollen Zug ein.

Im Büro

Allein die Zugfahrt hat mich schon geschafft. Zu eng, zu viele Menschen und diese Gerüche! Wie können Menschen bereits so früh am Morgen schon so schlecht riechen? Mit flacher Atmung quetsche ich mich den Großteil der Fahrt an die Waggontür, um bei jedem Halt befreit nach Frischluft zu schnappen. Aber noch schlimmer sind die Menschen, die ihre natürlichen Ausdünstungen mit künstlichen Düften übertünchen, meist so stark, dass sich selbst noch Minuten nach ihrem Aussteigen der Geruch ihres Parfüms oder Rasierwassers in meine Nase heftet.

Ich suche den Büroschlüssel. Ich suche ihn jeden Arbeitstag, jedes Mal mit der Angst im Nacken, ich könnte ihn unbemerkt verloren haben. Allerdings habe ich noch nie in meinem Leben einen Schlüssel verloren. Es ist mein Perfektionismus, der mich da täglich foppt. Das Bürogebäude ist mit einem Sicherheitsschließsystem ausgestattet, und diese Verantwortung trage ich ständig als schwere Last mit mir. Meine Tasche hat so ihre Nischen, ich nenne sie liebevoll meine Schatzeckchen. Immer wenn ich es nicht brauche, finde ich Interessantes oder lang Verschollenes wieder, nur wenn ich suche, finde ich nichts.

Endlich entdecke ich den Schlüssel schön ordentlich in der inneren Seitentasche, um beim Öffnen der Tür festzustellen, dass sie bereits entriegelt ist. Schnaubend stopfe ich meinen Schlüssel wieder in die Tasche und betrete das Haus. Hinauf in den dritten Stock, den Gang mit den flackernden Neonröhren und dem muffigen Teppichboden entlang bis zur vorletzten Tür. Sie steht offen, ich trete ein.

Das Büro unserer Spedition ist eine Raumflucht. Raum an Raum, nur der erste und der letzte Raum sind keine Durchgangszimmer. Das eine Ende ist der Rechenstelle vorbehalten, das andere dem Chef. Ich sitze, ganz meiner Funktion entsprechend, in der Mitte, in dem Raum mit der Eingangstür, die so einladend offen steht. Warum steht sie um diese Zeit eigentlich offen?

Wie gewohnt lege ich die Tasche auf meinen Schreibtisch und hänge meinen Mantel an die Garderobe. Wer ist eigentlich schon hier? Wer hat die Tür aufgeschlossen? Ein kurzer Blick zum Schloss bestätigt mir, dass es wohl keine Einbrecher gewesen sind. Ich werde gleich nachsehen, aber zuerst höre ich den Anrufbeantworter ab, um zu sehen, ob es irgendwelche Notfälle gibt.

Aufgeschreckt durch das Geräusch der gequetschten Stimmen vom Band steckt plötzlich Frau Platzek, die Frau des Firmenleiters, den Kopf um die Ecke. „Guten Morgen, Frau S., ich hoffe, ich habe Sie nicht erschreckt. Ich wollte nur schnell ein paar Sachen aus dem Büro holen, weil Wolfgang, Herr Platzek meine ich, leider erkrankt ist. Nur, dass Sie Bescheid wissen. Ach ja, und die Sitzung heute Nachmittag ist auf kommenden Montag verschoben.“

Ich danke ihr und während ich mich, nun etwas entspannter, für mein Tagwerk an meinem Arbeitsplatz einrichte, überkommt mich ein Anflug von Unmut und Langeweile: immer dieselben Fragen, immer dieselben Beanstandungen, immer dieselben Abläufe. Und gleichzeitig diese permanente Unruhe im Büro. Ich habe keinen abgeschlossenen Raum, in dem ich mal für einige Stunden, ach, was sage ich, für ein paar Minuten konzentriert meinen Aufgaben nachgehen kann. Im Gegenteil, ich bin die ständige Ansprechperson in der Firma. „Sie haben eine Frage? Gehen Sie mal rüber zu Frau S. Die kann Ihnen sicher weiterhelfen!“ Nicht nur die Kopfschmerzen mehren sich in den letzten Monaten, nein, auch die Unmutsanfälle. Aber glücklicherweise gehen sie meist deutlich schneller als die Kopfschmerzen wieder vorbei.

Während des Arbeitstages gibt es nicht viel Zeit zum Grübeln. Die ersten Fahrer trudeln ein, wir regeln ihre Aufträge, Papiere und Routen. Nun geht es Schlag auf Schlag: Telefonate, Mails und Briefe beantworten, Fahrer betreuen, Kaffee kochen, Kostenvoranschläge erstellen und übersetzen. Es ist unruhig im Zimmer, da immer entweder jemand hereinkommt oder herausgeht, das Telefon klingelt oder sich Kollegen lautstark in den Nachbarräumen unterhalten. Und die Mittagspause entfällt inzwischen auch meistens.

Um 17 Uhr ist Feierabend. Da bin ich pünktlich und konsequent. Nach 16:55 Uhr nehme ich kein Telefonat mehr entgegen. Das habe ich inzwischen gelernt, und die Kollegen haben sich zähneknirschend daran gewöhnt. Ich schalte den Rechner aus, packe meine Tasche, ziehe meinen Mantel an und schließe die Tür ab. Heute bin ich die Letzte.

Der Wecker

Unten auf der Straße fällt mir wieder der Wecker ein. Ach nö, ich will nicht. Ich bin so erschöpft, habe gar nicht die Kraft und den Nerv, mich jetzt durch ein Kaufhaus mit all seinen Gerüchen, Geräuschen, Lichtern und Menschen zu quälen. Ich überlege, den Weckerkauf aufzuschieben, als mir einfällt, dass ich den alten, das gute Stück, ja bereits in den Müll befördert habe. Und Sören ist schnell mit dem Ausleeren der Eimer. Das Handy als Wecker kommt auch nicht in Frage. Die Strahlung macht mir zunehmend zu schaffen, daher schalte ich es nachts aus und verbanne es – sicherheitshalber – ganz aus dem Schlafzimmer. Kein Funken Strahlung soll meinen kostbaren Schlaf stören. Schweren Herzens biege ich also in Richtung Shoppingcenter ab.

Gewohnter Trubel begrüßt mich in den Hallen des Konsums. Ich überlege, wo ich am ehesten einen Wecker meiner Wahl bekommen könnte, und entscheide mich für das zentrale Kaufhaus mit seinen vielen Abteilungen. „Uhren und Schmuck“ – ich folge den Wegweisern, immer wieder von kleinen Remplern aus meinem Rhythmus gebracht und von den starken Gerüchen der Parfüm- und Süßwarenabteilungen überschwemmt. Bei den Uhren angekommen halte ich Ausschau nach interessanten Objekten. Ich verschaffe mir stets gern selbst einen Eindruck, um dann in den Verkaufsgesprächen mitreden zu können und nicht nur: „Aha! Sehr schön! Hm! Was kostet das?“ zu sagen.

In einer Vitrine stehen die Wecker, von klein bis groß, von altmodisch bis modern, von rund bis quadratisch. Ich sammle mich und meine Wünsche innerlich, um ein möglichst zügiges und effektives Gespräch mit der noch beschäftigten Verkäuferin zu führen. Ich warte und schaue mir derweil die Armbanduhren an. Ich warte und bestaune jetzt die bunte Vielfalt der ausgestellten Kinderuhren. Sie ähneln unserem verflossenen Weckerungetüm sehr. Ich warte weiter. Mein Kopf beginnt zu brummen, meine Beine und meine Atmung werden schwer und ich bekomme Hunger. Ich warte noch immer. Meine Stimmung wird flattrig, ich überlege zu gehen. Aber ohne Wecker? So früh werde ich morgens niemals von alleine wach. „Guten Tag, die Dame. Wie kann ich Ihnen helfen?“ Die frische Stimme der jungen Verkäuferin rüttelt mich aus meinen trüben Gedanken und meiner Erschöpfung. „Ich brauche einen Wecker!“ herrsche ich sie ungewollt unhöflich an. Was doch so ein bisschen Warten und Hungrigsein mit einem Menschen macht! Ich räuspere mich und ergänze: „Bitte, ich suche einen Wecker, der einen möglichst sanft weckt.“ – „An was haben Sie da gedacht? Vielleicht einen Radiowecker oder ein klassisches Model? Radiowecker hätten wir in der Hi-Fi-Abteilung.“ Verwirrt starre ich die Verkäuferin an, unschlüssig, was ich will. „Äh, ja, also einen Wecker, der nicht so einen Lärm macht. Haben Sie so etwas?“

Die junge Frau dreht sich zur Vitrine um, holt ihren Schlüssel aus der Hosentasche, schließt den Glasschrank auf und greift sich einige Wecker, die sie vor mir aufbaut. Sie erläutert mir die Unterschiede, die mir nichts sagen, wenn ich sie nicht hören kann. Ich frage, ob sie die Wecker auch anstellen könnte. Mit säuerlichem Gesicht meint sie, sie müsse dazu aus einer Nachbarabteilung erst Batterien holen, und verschwindet, aber erst, nachdem sie die Wecker wieder fein säuberlich in die Vitrine zurückgelegt hat. Ich warte wieder.

Die Verkäuferin kommt zurück, schließt die Vitrine auf, holt die Wecker wieder hervor und bestückt den ersten mit einer Batterie. Der Wecker piepst selbst im trubeligen Lärm des Kaufhauses ohrenbetäubend. Entschuldigend schüttle ich den Kopf. Der nächste Wecker wird bestückt, nein, der nächste, nein, der nächste. „Warten Sie bitte. Können Sie den noch mal anstellen?“ Eine leise Melodie erklingt, ähnlich dem Klang einer kleinen Spieluhr. Bei seinem Klang beginne ich in Sekundenschnelle zu träumen und bekomme nicht mit, dass die Verkäuferin schon dabei ist, die Batterie wieder herauszunehmen. „Nein, nein, warten Sie. Können Sie diesen Wecker bitte noch einmal anstellen?“ Wieder erklingt die zarte Melodie, wieder bin ich ganz fasziniert. Und sage schnell: „Den nehme ich!“ Die Batterie lassen wir gleich drin.

Endlich begebe ich mich, müde, hungrig, aber zufrieden, mit meinem kleinen Schatz in der Tasche zur Bahn.

Der Abend

Der Abend ist recht kurz. Sören hat noch einen Elternabend zu bestreiten und ist danach mit seinem besten Kumpel zum Dartspielen verabredet. Runterkommen nennt er das. Ich komme auf dem Sofa runter, eine Tüte Chips neben mir, einen schlechten Film vor mir und viel Erschöpfung in mir. Diese sorgt auch für eine angenehme Ruhe während des Films. Als mich der Werbeblock nach dem Film weckt, schalte ich den Fernseher aus, wieder frustriert, dass ich mich nicht zu etwas anderem und wirklich Schönem aufraffen konnte.

Ich liege bereits im Bett, als mir der neue Wecker einfällt. Also ächzend wieder raus, durch den Flur zur Tasche geschlurft, das Ding von seiner Hülle befreit und mich damit wieder ins Bett gekuschelt. Meine Befürchtung wird nicht bestätigt, ich muss keinen Fremdsprachenkurs zum Lesen der sehr kurzen Gebrauchsanweisung belegen. Ein paar simple Bilder geleiten mich zu meinem zukünftigen Weckgenuss. Die Nacht sinkt leise und schnell auf mich hernieder. Der spät heimkehrende Sören stört meinen Traum in schwarz-weiß nur am Rande.

Der nächste Morgen

Ich weiß nicht, warum, aber ich öffne die Augen. Draußen ist es noch dunkel, aber das ist es zu dieser unchristlichen Stunde ja immer in dieser Jahreszeit. Und dann vernehme ich sie: die leise, sanfte Melodie. Ach ja, der neue Wecker. Ich drehe meinen Kopf zur Seite und betrachte ihn, als wäre er ein sachte herniedergeschwebtes Engelein. Ein Lächeln huscht über mein Gesicht. Ich lasse ihn weiter tönen, schließe meine Augen für meine obligatorischen fünf Minuten und atme beim Klang meines neuen Weckers tief durch. Für Sören wäre dieser Wecker nichts.

WEGE ZU EINEM ERFÜLLTEN BERUFSLEBEN

Hochsensible Stärken gezielt entwickeln

Was empfinden Sie, wenn Sie lesen, wie es Jana S. täglich ergeht? Fühlen Sie sich ähnlich? Hadern auch Sie möglicherweise schon seit Längerem mit Ihrem Arbeitsplatz, Ihrem Beruf? Fühlen Sie sich ausgelaugt, gelangweilt oder einfach fehl am Platz? Empfinden Sie sich eher wie der sprichwörtliche Sand im Getriebe – störend statt akzeptiert und fähig? Viel schöner wäre es doch, stattdessen eine Perle im Getriebe zu sein: Eine Perle ist einzigartig, vielseitig – und wertvoll. Eigenschaften, die auf Sie zutreffen, wenn Sie in Ihrem Arbeitsumfeld Ihren Finger auf Schwachstellen in Abläufen, Strukturen oder Ergebnisse legen, durch besondere Gaben und Wesenszüge das Klima und die Qualität der Arbeit in besonderer Weise verbessern, weiterentwickeln und prägen!

In der Regel ist es vor allem ein bunter Strauß sozialer und persönlicher Kompetenzen, die das Betriebsklima und den professionellen Umgang miteinander wohlwollend gestalten – die sogenannten SoftSkills.

Soft Skills sind im Zusammenhang mit beruflichen Qualitäten seit vielen Jahren in aller Munde. Da soll die neue Mitarbeiterin über hervorragende Kommunikations- und Teamfähigkeiten sowie ein großes Organisationstalent verfügen, der neue Mitarbeiter zuverlässig und kritikfähig sein und ein hohes Maß an Eigeninitiative zeigen. Es scheint, dass die Soft Skills den fachlichen Kompetenzen, den sogenannten Hard Skills, langsam den Rang ablaufen. Unzählige Bücher und Webseiten klären über die Wichtigkeit und Erforderlichkeit dieser Kompetenzen auf und bieten vielfältige Wege an, sie zu erlernen, falls sie nicht im gewünschten Umfang zur Verfügung stehen sollten.

Soft Skills sind im Zusammenhang mit beruflichen Qualitäten seit vielen Jahren in aller Munde.

Vielleicht keimt in Ihnen der Gedanke oder gar die Sorge auf, wie viele und vor allem welche dieser wertvollen Kompetenzen Sie in sich vereinen und welche Folgen es für Sie haben könnte, sollten Sie über manche nicht oder nur begrenzt verfügen. Sorgen Sie sich nicht!

Dieses Buch begleitet Sie auf Ihrem Weg zur Entfaltung Ihres ureigenen bunten Straußes. Sie benötigen nicht zwingend weitere Soft Skills, es sei denn, Sie wünschen sich in Ihrem Leben weitere Kompetenzen. Gerade hochsensible Menschen vereinen in sich, quasi von Haus aus, eine interessante Vielzahl sozialer und persönlicher Kompetenzen, über die Normalsensible oft nicht in dem Umfang verfügen. Als Beispiele seien hier nur genannt: Weitblick und hohes Verantwortungsbewusstsein, Detailgenauigkeit und großes Harmonieempfinden, viel Kreativität oder eine hohe Empathiefähigkeit.

Für Sie als hochsensibler Mensch mag es von größerem Interesse sein herauszufinden, welches die Kompetenzen sind, die Ihnen bereits in die Wiege gelegt wurden, und diese Gaben dort, wo sie zur Geltung kommen und Früchte tragen können, erblühen zu lassen.

Ein kleines Beispiel mag dies verdeutlichen: Stellen Sie sich vor, Sie sind Verkäuferin in einem größeren Kaufhaus. Sie lieben es, die Ware der Kundschaft liebevoll einzupacken und mit netten kleinen Verpackungstricks zu verschönern. Die meisten Ihrer Kunden schätzen dies sehr an Ihnen, aber aus der Chefetage bekommen Sie einen Rüffel, da Sie durch diesen Zusatzaufwand mehr Zeit und Material benötigen. Ihnen wird untersagt, weiterhin so viel Einsatz dafür zu bringen. Anfangs sind Sie frustriert, dann ärgern Sie sich, und selbst wenn Sie es irgendwann als gegeben zu Seite schieben, beginnen Sie allmählich still und leise zu leiden, ganz unbemerkt und vielleicht auch ganz ohne zu wissen, dass die Ursache Ihres Kummers diese berufliche Einschränkung ist. Sie fühlen sich zunehmend unwohl an Ihrem Arbeitsplatz, der Wunsch nach einer anderen Arbeitsstelle entsteht, und Sie beginnen zu suchen.

Sie werden in einem kleinen Geschäft für Geschenkartikel fündig. Hier freut sich nicht nur die Kundschaft über Ihre kunstfertigen Verpackungen, sondern es gehört nun auch zu Ihren Aufgaben, die Verkaufstische und -regale zu arrangieren. Sie erfreuen sich wieder an Ihrem Beruf.

Es genügt völlig, Ihre vorhandenen sozialen und persönlichen Fähigkeiten einzusetzen.

Sie sehen, Sie brauchen nicht die sprichwörtliche eierlegende Wollmilchsau in Sachen Soft Skills zu werden. Es genügt völlig, Ihre bereits vorhandenen sozialen und persönlichen Fähigkeiten dort einzusetzen, wo sie für eine optimale Gestaltung Ihrer Arbeit sorgen können.

Allerdings ist dies zuweilen leichter gesagt als getan. Hochsensible Menschen kämpfen häufig bereits von klein auf damit, von ihrer Umwelt nicht so gesehen zu werden, wie sie sind. Die Folgen sind mangelndes Selbstwertempfinden und verdrängte Talente. Wenn Sie oft genug zu hören bekamen, Sie sollen nicht immer so empfindlich sein und das, was Sie alles sehen, hören, riechen oder fühlen, könne ja gar nicht stimmen, dann werden Sie als Kind Ihre Empfindungen und Fähigkeiten für sich behalten und versteckt haben.

Nun ist es an der Zeit, diese wieder ins Licht zu bringen. Dieses Buch begleitet Sie auf Ihrem Weg, denjenigen Kompetenzen, über die Sie kraft Ihrer Disposition der Hochsensibilität verfügen, wieder zu vertrauen und sie für Ihr berufliches Wirken einzusetzen. Entwickeln Sie ein Gefühl für Ihren eigenen hochsensiblen Soft-Skills-Strauß, mit dem Sie Ihr Berufsleben und Ihr Umfeld auf Ihre spezielle Weise bereichern.

Berufliche Probleme aktiv lösen

Es kann viele Gründe geben, warum Sie sich beruflich nicht wohlfühlen, große und kleine, geringfügige oder aber auch tiefgreifende Gründe. Aber ganz gleich, wie umfassend Ihre Probleme sind: Damit Sie zufriedenstellende Lösungen für Ihr berufliches Problem finden und nutzen können, braucht es zu allererst – Sie!

Sie sind der Mittelpunkt Ihrer Realität! Das heißt: Alles, was Sie denken oder tun, hat eine Auswirkung in Ihrem Leben. Ob Sie über jemanden schlecht denken, jemandem am Straßenrand behilflich sind, Ihre Aufgaben in der Firma schludrig oder mit Akribie erfüllen – alles hat eine Auswirkung auf Ihr eigenes Leben. Manche Folgen können Sie selbst nachvollziehen, wie beispielsweise den Ärger im Betrieb als Folge einer nachlässig erledigten Aufgabe. Aber viele andere Dinge entziehen sich häufig unserem Erkenntnisvermögen, und so neigen wir Menschen oft dazu, davon auszugehen, unser Denken und Handeln hätte keine Auswirkung auf uns selbst. Dieser Gedanke ist nicht in unserem Alltagsbewusstsein verankert, vor allem nicht, wann und wie wir selbst für unsere Realität sorgen können. Das lässt viel Spielraum für Unsicherheiten, Missverständnisse oder Vermutungen.

An einem Beispiel aus meiner Seminartätigkeit mit Erwachsenen möchte ich Ihnen das Phänomen der eigenen Realität gerne verdeutlichen:

Die Aufgabe bestand darin, eine Minute lang aus dem Fenster zu schauen und anschließend niederzuschreiben, was jede und jeder gesehen hatte. Das Fenster ging zu einer Geschäftsstraße hinaus, daher gab es eine Menge zu beobachten. Nachdem alle ihre Wahrnehmungen aufgeschrieben hatten, wurden sie vorgelesen und an der Tafel notiert. Gleiche Wahrnehmungen wurden mit Zählstrichen versehen. Das Ergebnis war verblüffend: Selten wurde dieselbe Sache oder Situation mehr als fünf oder sechs Mal erwähnt, obwohl die Gruppe etwa zwanzig und mehr Teilnehmer umfasste. Selbst markante Gegenstände wie blinkende Werbung oder auffällige Situationen wurden nur von wenigen in gleicher Weise beobachtet. Immer waren es unterschiedliche Details oder völlig andere Schwerpunkte in der Gesamtbetrachtung. So gab es Teilnehmer, die ihren Fokus auf die Beobachtung der vorbeigehenden Menschen legten, die Wahrnehmung anderer war wesentlich stärker auf Gegenstände wie Fenster, Dächer, Straßenbeschaffenheit oder Autos fokussiert. Wiederum andere beobachteten vorrangig zwischenmenschliche Interaktionen.

Was sagt uns dieses Ergebnis? Jeder Mensch hat einen völlig eigenen Blick auf die Dinge. Der individuelle Blick ist geprägt von den eigenen Erfahrungen, ist gefüllt mit den eigenen Bedürfnissen und richtet sich an den eigenen Motivationen aus.

Wenn Sie sich nun vorstellen, Sie müssten sich mit den anderen Seminarteilnehmern über die beobachteten Dinge und Situationen verständigen, könnte es leicht zu Missverständnissen und Komplikationen kommen. Der eine hat nicht gesehen, was Sie beobachteten, soll aber seine Meinung dazu abgeben. Oder die Kollegin hat die wahrgenommene Situation völlig anders als Sie bewertet. Dies macht deutlich, warum es häufig so schwierig ist, anderen Menschen den eigenen Standpunkt oder Blickwinkel korrekt zu vermitteln. Das bedeutet, was Sie als Tatsache sehen und empfinden, mag sich für Ihre Kollegen völlig anders darstellen.

Ist Ihre Wahrnehmung nun falsch? Mitnichten! Es ist Ihre Wahrnehmung der Dinge, und als solche sollten Sie sie ernst nehmen. Sie sehen die Welt, wie Sie sie sehen, andere Menschen haben ein anderes Bild von den Gegebenheiten.

Wenn sich also in Ihrer Realität ein Hindernis auftut, ist es sinnvoll, genau hinzuschauen, was genau das Problem ist, worin die mögliche Hilfe anderer bestehen könnte und welchen Teil nur Sie letztlich ändern können oder sollten, um ein für Sie befriedigendes Ergebnis zu erhalten. Würden Sie zu viel an Einflussnahme abgeben, könnte es passieren, dass die andere Person ein anderes Problem als das Ihre behebt oder Ihr Problem gar verschlimmert. Häufig verhalten wir uns im Alltag aber genau so. Ein Beispiel aus meinem Berufsleben:

Nehmen Sie Ihre eigene Wahrnehmung ernst.