Perlentauchen - Isabel Losada - E-Book

Perlentauchen E-Book

Isabel Losada

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Beschreibung

Lass uns über Sex reden! Nein, nicht über Christian-Grey-Sex, sondern über genussvollen, Körper und Seele nährenden Sex. Sex, der wirklich intim ist. Den können wir haben, sobald wir Ehrlichkeit im Bett zulassen. Isabel Losada erzählt auf offene, humorvolle und gleichzeitig respektvolle Art von ihren Erfahrungen bei der ersten internationalen Konferenz des Klitoris Streichelns, von elf verschiedenen Orgasmusarten (von denen sie zehn bisher selbst noch nicht erlebt hat) und mystischen Erfahrungen mit Tantrameistern. Die Autorin nimmt uns mit auf diese oft verrückte, wunderbare und sehr persönliche Reise, die zu einem erfüllteren, entspannteren Sexleben führt.

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ISABEL LOSADA

Perlentauchen

Liebe, Lachen und richtig guter Sex

Aus dem Englischen von Ute Weber

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Die englische Originalausgabe erschien 2017 in Großbritannien und den USA unter dem Titel Sensation: Adventures in Sex, Love and Laughter bei Watkins, an imprint of Watkins Media Ltd., www.watkinspublishing.com.Textcopyright © Isabel Losada 2017

LEO Verlag ist ein Imprint der Scorpio Verlag GmbH & Co. KG

1. eBook-Ausgabe 2019© der deutschen Ausgabe 2019 bei LEO Verlagin der Scorpio GmbH & Co. KG, MünchenUmschlaggestaltung: Guter Punkt, MünchenRedaktion im Verlag: Désirée SchoenLayout und Satz: Danai Afrati & Robert Gigler, München

Konvertierung: BookwireePub-ISBN: 978-3-95736-140-0

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzesist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das giltinsbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungenund die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. DerNutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Alle Rechte vorbehalten.www.leoverlag.de

Inhaltsverzeichnis

Vorspiel

Ein überraschend kurzer Frühling

Reden wir über Sex

Der Stand der Dinge

Tantra nur für Frauen?

Tantra-Seminar für Paare

Ein langer, heißer Sommer

Die Klitoris streicheln

Interview mit der Klitorisflüsterin Nicole Daedone

Privatstunde: Streicheln und streicheln lassen

Trainingstag zur Orgasmischen Meditation – mit Live-Demo

Abenteuer im Spätsommer

Die erste internationale Konferenz für Klitoris-Streicheln

In einer Klitoris-Streichel-Gemeinschaft in San Francisco

Warum Angst vor der Lust haben?

Herbst in Rottönen

Yoni-Heilung gefällig?

Tantrische Massage und Farbenvielfalt

Auf der Wochenendmesse für Liebe, Sexualität und Intimität

Deine »Sexmuskeln« – Kegel und Co.

Und was ist mit Liebe?

Winter am Kamin

Tief durchatmen

Beckenboden II und offene Fragen

Ekstase in der East 30th Street

Komm – und dann geh

Happy End

Zum Weiterlesen und -forschen

Danksagung

Über die Autorin

Vorspiel

Mein Lieblingswitz: »Was ist der Unterschied zwischen einem Golfball und einer Klitoris?«

[Pause. Der perplexe Zuhörer fragt sich, was er auf diese Frage antworten soll.]

»Einen Golfball sucht ein Mann so lange, bis er ihn findet.«

Diesen Witz erzähle ich gerne, wenn ich im Taxi sitze, und er kommt immer gut an. Nur einmal jedoch reagierte ein Taxifahrer auf die Pointe mit beklommenem Schweigen. Dann fragte er mich: »Was ist eine Klitoris?«

Er nahm mich doch bestimmt auf den Arm. Nein, schlimmer noch … er tat es nicht. Er wusste es wirklich nicht.

»Sie veräppeln mich doch, oder?«

»Nein. Dieses Wort habe ich noch nie gehört.«

»Ist Englisch Ihre Muttersprache?«

»Ja.«

»Sind Sie verheiratet?«

»Ja.«

»Und Sie sind wie alt?«

»53.«

»Wie ist der Sex mit Ihrer Frau?«

»Wir haben keinen. Und wenn wir mal welchen haben, ist er furchtbar, wenn Sie es genau wissen wollen. Warum erzähle ich Ihnen das überhaupt? Solche Unterhaltungen führe ich im Taxi normalerweise nicht.«

»Ich werde Ihnen jetzt ein Wort aufschreiben.«

Ich schrieb das Wort KLITORIS in gut lesbaren Druckbuchstaben auf einen Zettel, den ich ihm beim Aussteigen zusammen mit dem Geld für die Fahrt gab.

»Fragen Sie Ihre Frau, ob sie dieses Wort kennt. Und wenn nicht, dann schauen Sie nach und finden Sie heraus, was eine Klitoris ist. Und wozu sie gut ist.«

Genau so hat es sich abgespielt. In London im 21. Jahrhundert.

Ein überraschend kurzer Frühling

Ich bin mit hemmungsloser Neugierde gesegnet. Mein Lieblingsthema ist das Glück. Ich bin leidenschaftlich interessiert daran. Es fasziniert mich herauszufinden, wie es Menschen gelingt, ihr Leben in vollen Zügen zu genießen – wie es kommt, dass sie einen Beruf haben, den sie lieben, einer guten Sache dienen oder sogar (ja, doch) eine gelungene Paarbeziehung haben. Wie viele Menschen kennst du, die eine wirklich tolle Beziehung führen? Zähle sie zusammen. Du musst sie gut kennen, um sie mitzählen zu dürfen. Ich hoffe sehr, dass du die Finger beider Hände brauchen wirst. Die meisten Menschen kommen auf maximal zweieinhalb. Und warum? Nun, einer der Gründe scheint zu sein, dass im Zentrum einer jeden Beziehung ein Schlafzimmer steht, in dem Hoffnungen und Libido häufig nicht zusammenpassen.

Reden wir über Sex

Ich schreibe schon seit zehn Jahren über das Glück, hatte aber nie den Mut, über Sexualität zu schreiben. Das ist doch wohl ein ziemlich eklatantes Versäumnis, findest du nicht? Bei vielen Singles beschränkt sich die Beziehung, die sie zu ihrem eigenen Körper haben, im Wesentlichen auf gutes Essen und Fitness. Viele Paare sind einander in sexueller Hinsicht vollkommen entfremdet. Wenn man sich dagegen vor Augen hält, wie viel Freude und Lust uns potenziell zur Verfügung stehen und bis zu welchem Maß Glück, einfache menschliche Wärme und Verbundenheit möglich sind, dann ist das eine Tragödie epischen Ausmaßes. Manchmal schaffen wir es nicht einmal, den Genuss einer Berührung als Ausdruck von Zuneigung auch nur in Betracht zu ziehen.

Für dieses Jahr habe ich mir deshalb vorgenommen, jedes kleinste Detail über Sexualität und darüber, was man tun kann, damit sie besser funktioniert, in Erfahrung zu bringen, und du kannst dich einfach zurücklehnen, dieses Buch lesen und hoffentlich viele glorreiche Ideen mitnehmen. Und bevor du jetzt meinst, dass ich den besten Job der Welt habe … ich bin mir nicht sicher, dass es leicht sein wird. Jedenfalls nicht für mich.

Ich war einer jener Singles, die vergessen hatten, dass der Körper eine Quelle von Lust und Freude ist. Fünf Jahre lang habe ich enthaltsam gelebt, mal abgesehen von ein paar gelegentlichen Dummheiten, die ich absolut nicht bedauert habe. Ein Mann hatte mir das Herz gebrochen und es war mir einfach nicht möglich, einen anderen zu finden, mit dem ich mich in die Horizontale begeben wollte. Es gibt da diesen Spruch – »Wer mit einem Buch ins Bett geht, schläft nie allein« –, und das ist wahr. Ich bin mit Haruki Murakami, Kazuo Ishiguro und Italo Calvino in schräge Welten gereist, habe mit Bill Bryson gelacht, mich von Oliver Sacks erziehen lassen und mich in Rumi und Hafiz verliebt. Der Sex hat mir gefehlt, aber irgendwie haben diese Männer meinen Geist und meine Seele so bereichert, dass es mir egal war, ob ich meinen Körper vernachlässige. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung wurde aus mir trotzdem keine runzlige Dörrpflaume. Mein Schlaf war tief und meine Tage waren erfüllt von anderen Freuden.

Doch dann trat ein neuer Mann in mein Leben. Er half mir, einen Strich unter die Vergangenheit zu ziehen, und brachte sogar meine Sätze in die Gegenwart. Das ist ein echter Schock. Er ist freundlich und geduldig, wartet den richtigen Augenblick ab, bringt mich zum Lachen und hat einen Penis. Plötzlich steht wieder Sex auf dem Plan. Wieder einen Mann mit einem gesunden Geschlechtstrieb in meinem Bett zu haben ist durchaus eine Herausforderung, denn natürlich möchte ich – wie jeder Mensch, den ich kenne –, dass mein Sexualleben wunderbar ist, und habe ehrlich gesagt das Gefühl, dass ich auf diesem Gebiet noch viel zu lernen habe. Ich frage meine Freunde und meine Leser nach ihren Erfahrungen und stelle fest, dass es anscheinend jedem so geht. Und darum geht es in diesem Buch nicht um Beziehungen, sondern – schamloser- und erfreulicherweise – um Sex.

Ich werde mich nicht groß mit den »alternativen« sexuellen Präferenzen beschäftigen, von denen ich weiß, dass sie da draußen praktiziert werden. Ich habe kein Interesse daran, Sex mit Tieren, Plastikobjekten oder Gruppen von Menschen zu haben. Oder mich mittels einer Reihe komplizierter japanischer Knoten fesseln zu lassen, stundenlang kopfüber von der Decke zu hängen oder Männer auszupeitschen, die »Bitte bestrafe mich!« schreien. Ich weiß, dass es Frauen gibt, die es anmacht, wenn sie Schnüre an Piercings befestigen, die sich an eindrucksvollen Stellen befinden. Ich wünsche allen Erwachsenen, die dies im gegenseitigen Einvernehmen tun, viel Freude dabei, aber ich werde nichts von alledem tun. Du darfst mich ruhig altmodisch nennen.

Ich bin begeistert von der Idee, viele verschiedene Möglichkeiten zu finden, um Sexualität zu etwas Wunderbarem zu machen. Ich hoffe, dass das meiste von dem, was ich lerne, auch nützlich für dich sein wird, egal in welcher Situation du dich gerade befindest. Ich schreibe über die Sexualität zwischen einem Mann und einer Frau, weil das die Konstellation ist, in der ich selbst lebe. Diese Art von »altmodischem« Sex ist in der Welt der Sexualität als Blümchensex bekannt. Nach all der »spirituellen Arbeit«, die ich getan habe, kann ich mich unmöglich mit einem schlechten Sexualleben abfinden. Der neue Mann an meiner Seite bietet mir die Möglichkeit für ein gutes Liebesleben, aber ich stelle fest, dass fünf Jahre ohne Partner und viel schlechter Sex in früheren Jahren dazu geführt haben, dass ich mich genauso verloren und verwirrt fühle wie die meisten Frauen, mit denen ich über dieses Thema rede.

In meinem spirituellen Leben und in Beziehung zu anderen weiß ich, wie ich mich verhalten sollte – Freundlichkeit und Mitgefühl als Philosophie leisten mir gute Dienste. Jetzt muss sich die Spiritualität auf eine ganz neue Weise mit der Sexualität verbinden. Sie dürfen nicht in unterschiedlichen Teilen meines Körpers und meiner Seele zu Hause sein. Jeder, der ein Sexualleben hat, will auch, dass es gut ist, also … Ich werde der Lust den Vorrang geben und dich ermutigen, es mir gleichzutun. Es wird auf den folgenden Seiten Ideen geben, über die du – voller Freude, hoffe ich – in deinem eigenen Schlafzimmer nachsinnen, sie bebrüten und beackern kannst.

Und natürlich werden wir Spaß haben. Sexualität ist kein Thema, das man allzu ernst nehmen sollte. Wir haben eine sehr große Fähigkeit, Lust zu empfinden, zu lieben und geliebt zu werden und Babys zu machen. Lies dieses Buch also bitte mit einem Bleistift in der Hand: Unterstreiche, was für dich wichtig ist, und streiche Unwichtiges durch. Du kannst mir auch auf Facebook folgen – und mir schreiben, denn ich bin sicher, dass ich auch weiterhin viel über unser Thema lernen werde.

Wir werden meinen Freund »T.« nennen. Nicht, weil es nicht vollkommen in Ordnung für ihn gewesen wäre, seinen richtigen Namen zu benutzen, sondern weil wir nicht möchten, dass sich irgendjemand aufregt. Es gibt praktisch nichts Schockierenderes – so scheint es –, als Sex mit einem verantwortungsbewussten Erwachsenen zu haben, mit dem du eine Beziehung hast. Lass uns einfach die Schlafzimmertür öffnen und einen Blick hineinwerfen.

Der Stand der Dinge

Margot Anand berichtet in ihrem 1989 veröffentlichten Werk Tantra oder Die Kunst der sexuellen Ekstase von einer Umfrage, bei der 90 000 Frauen zu ihrem Sexualleben befragt wurden. Unter anderem sollten sie angeben, ob sie lieber »liebkost und zärtlich gehalten« würden oder lieber Geschlechtsverkehr hätten. 64 000 Frauen sagten damals, ihnen wäre es lieber, »liebkost und zärtlich gehalten« zu werden und keinen Geschlechtsverkehr zu haben. Glaubst du, diese Zahl wäre heute höher oder niedriger?

Nach wie vor wird aus irgendwelchen Gründen kaum über das Thema »weibliche Lust« gesprochen. Die Klitoris zum Beispiel … Als ich den Begriff auf Wikipedia nachsah, erfuhr ich, dass die Klitoris »die vorrangige anatomische Quelle weiblicher Lust« sei (das werden wir später noch erforschen), und bekam verschiedene wissenschaftliche Artikel angeboten, die diese Aussage untermauern. Als ich auf den Link zu dem neuesten Artikel ging, wurde mir mitgeteilt, dass »die Eichel der Klitoris (lat. glans clitoridis) sehr schwer zu finden« sei. Der Artikel informierte mich außerdem darüber, dass »mehr Aufklärung über die Klitoris« unbedingt notwendig sei und dass dies das »soziale Stigma« abmildern würde, welches das Thema »weibliche Lust« immer noch umgibt. Weibliche Lust wird also noch immer stigmatisiert? Nun, dann werden wir uns eben darauf konzentrieren, dass sich das ändert.

Die rasanten Entwicklungen in der Welt der Kommunikation und der Medien haben viele Dinge eher verschlechtert als verbessert, da sich Falschinformationen heutzutage blitzschnell verbreiten, besonders wenn jemand ein Produkt verkaufen will. Männer sind aufgrund des Unsinns, der ihnen im Internet aufgetischt wird, inzwischen davon überzeugt, dass ihr Penis nie lang, breit oder hart genug ist. Und den Briefen, die ich bekomme, entnehme ich, dass Frauen sich anscheinend IMMER NOCH Sorgen machen, dass sie irgendwie versagen, wenn sie keine multiplen Orgasmen bekommen oder vor Lust schreien. Gnade Gott den jungen Mädchen im Teenageralter oder den Frauen um die zwanzig, wenn sich ihr neuer Freund Pornofilme im Internet ansieht und erwartet, dass Frauen so reagieren, wie es die Pornodarstellerinnen tun. Und uns sollten all die Jungen schrecklich leidtun, die das Gefühl haben, eine tolle Darbietung hinlegen zu müssen – ohne dass ihnen jemals bewusst wird, dass das, was sie im Internet sehen, völlig überzogen ist.

Dreizehn Staaten in den USA fordern jetzt explizit, dass die Sexualerziehung in der Schule medizinisch korrekt zu sein hat. (Was um alles in der Welt wird denn dann bislang dort unterrichtet?) Peggy Orensteins Buch Girls & Sex (2016) zufolge hat eine aktuelle US-amerikanische Studie herausgefunden, dass nach einem »sexuellen Abenteuer« (das als One-Night-Stand definiert wird, zu dem genitaler und/oder oraler bzw. analer Sex gehören kann, was aber normalerweise nur bedeutet, dass die Frau dem Mann einen bläst und nicht umgekehrt) 82 Prozent der Männer froh sind, sich darauf eingelassen zu haben, während dies nur für 57 Prozent der Frauen gilt. Wenn Mütter mit ihren Kindern über Sexualität sprechen, dann scheint es, dass sie sich ganz auf die Risiken und Gefahren konzentrieren, während viele Väter bloß Witze darüber reißen oder das Thema komplett meiden. Tatsache ist: Mädchen und jungen Frauen mangelt es im Bereich Sexualität an den einfachsten Selbstbehauptungsfähigkeiten.

Selbst ältere und erfahrenere Frauen fühlen sich unzulänglich, wenn sie während der Penetration keinen Orgasmus bekommen, und so spielen viele Mädchen und Frauen dem Mann immer noch etwas vor. Irgendwie scheint die Info, dass nur sehr wenige Frauen allein durch Penetration leicht einen Orgasmus bekommen, im Kleingedruckten versteckt zu sein. So tönt der Ausruf »Mit mir stimmt irgendwas nicht« immer noch durch die Kummerspalten der Zeitungen – einem der wenigen Orte, wohin sich Frauen auf der Suche nach sexuellen Ratschlägen wenden, und das, obwohl der »Kummerkastentante« möglicherweise nicht einmal 400 Zeichen für eine befriedigende Antwort zur Verfügung stehen. Ich habe selbst schon einmal eine Sexratgeberkolumne geschrieben und kann dir sagen, dass es da nicht viel Raum für Feinheiten gibt. Der Erfolg von Fifty Shades of Grey macht deutlich, wie groß das Bedürfnis nach Sexualität und das Interesse daran wirklich ist, auch wenn diese Buchreihe die Situation eher verschlimmbessert hat. Es soll also alles nur vom Mann abhängen? Auch die Lust der Frau? Das glaube ich nicht.

Bei Männern hat der absurde Leistungsdruck, den die Pornoindustrie herbeigeführt hat, mehr Impotenz zur Folge. Penisse bleiben unten, während die Scheidungskurven weiter nach oben gehen. Und während die Männer Viagra verschrieben bekommen (was auch nicht alles besser macht), wird das mangelnde sexuelle Interesse einer Frau oftmals als normal angesehen. Für einige Paare mag das Schlafzimmer der glücklichste Ort in ihrem Leben sein, aber ich glaube, man sollte fairerweise sagen, dass sie wahrscheinlich nicht die Mehrheit der Bevölkerung darstellen. Man könnte meinen, dass wir einfach nur mehr Hippies bräuchten, doch in Alternativkulturen sieht die Situation kaum besser aus. Die berühmte Trennung von Spiritualität und Sexualität durchdringt jeden Aspekt unserer Gesellschaft, und Sexualität wird häufig entweder als Obsession betrachtet oder als Feind wahrgenommen und gefürchtet.

Man könnte den Standpunkt vertreten, dass es im Christentum keine Trennung zwischen Spiritualität und Sexualität gab, bis der heilige Augustinus daherkam und alles ruinierte. Der monotheistische Gott der jüdisch-christlichen Tradition hatte im Grunde die Sexualität erschaffen, und wie alles in Seiner/Ihrer Schöpfung erschuf Er/Sie die Lust vermutlich um der – nun – der Lust willen. Genauso wie wir das Essen und Trinken genießen können, können wir auch Sex genießen. Doch die beiden verkrachten sich und flüsterten uns fortan ein, dass wir, um die Spiritualität zu erforschen, auf Sexualität ganz verzichten oder sie nur zum Kindermachen benutzen dürfen. Die Stellung der Sexualität in der islamischen Welt ist ebenfalls … wie soll ich es sagen? … häufig keine glückliche.

In Indien ist die Situation etwas besser. Aber nicht viel. Dort gibt es drei große Traditionen. Die erste ist der Vedanta, der uns lehrt, dass das sichtbare Universum eine Illusion und die einzige Realität die absolute, nicht verursachte Ursache/Quelle/das nicht verursachte Bewusstsein (such dir deinen eigenen Begriff aus, aber verwende das Wort »Gott« mit Sorgfalt) ist. Der Geist ist der Schöpfer der Realität, und der Körper ist Teil der großen Illusion. Aus diesem Grunde missachteten die großen Meister dieser Tradition, wie beispielsweise Ramakrishna oder Ramana Maharshi, ihren eigenen Körper in so eklatanter Weise, dass sie schließlich in viel zu jungen Jahren völlig unnötig von einer Krebserkrankung dahingerafft wurden. Diese Tradition ist heute noch in der Form von Advaita lebendig, einem der Zweige des Vedanta, der durch Lehrer wie Mooji und Eckhart Tolle verkörpert wird. Eckhart Tolles Bücher, die im Wesentlichen eine verständliche Interpretation uralter Vedanta-Vorstellungen sind, waren in Amerika so unglaublich erfolgreich, dass Tolle seinen eigenen Fernsehsender bekam – wie ich hörte, ein Geschenk von Oprah Winfrey. Doch in den Advaita-Lehren wird, zumindest was ihren Kern angeht, kein Freudenfest für die Sexualität abgehalten. Der Körper wird im schlimmsten Fall mit Schmerz assoziiert und im besten als irrelevant angesehen, da er altern wird und wir uns irgendwann von diesem vergänglichen Fleischpaket, in dem wir herumlaufen, werden verabschieden müssen.

Und dann gibt es da noch den Buddhismus. So wie die meisten buddhistischen Traditionen heute verstanden und gelehrt werden, wird die Sexualität dort am häufigsten mit Begierde assoziiert, die eines der Hindernisse auf dem Weg zur Erleuchtung ist. Jeder, der achtsam ist, sollte zumindest jede Form sexuellen Fehlverhaltens und das Verlangen nach Sex meiden. Vollzeitschüler des Buddha sollten streng zölibatär leben, wie es unsere bekanntesten buddhistischen Lehrer, Seine Heiligkeit der Dalai Lama und Thich Nhat Hanh, auch tun. Jeder ernsthafte Schüler des Buddhismus sollte weder seinen Begierden noch der sexuellen Lust nachgeben. Seine Heiligkeit der Dalai Lama hat gesagt, dass die äußerst mystischen Praktiken des sexuellen Yoga in der Gelug-Schule des tibetischen Buddhismus nur in Form von Visualisierungen praktiziert werden sollten. Thich Nhat Hanh wurde berühmt durch seine Lehre, dass wir, wenn wir Tee trinken, uns bewusst sein sollten, dass wir Tee trinken. Doch auch wenn mir klar ist, dass er sagen würde, dass dasselbe Prinzip für alles gilt, was du tust, hat er als zölibatär lebender Mönch verständlicherweise nie über Sexualität gesprochen.

All die zutiefst spirituellen Nonnen, Mönche und Lehrer aus allen Traditionen, die ich getroffen habe, leben enthaltsam. Einige, die ich nicht getroffen habe – spirituelle Lehrer, die nicht enthaltsam leben –, sprechen wenn überhaupt nur selten über Sexualität. Sie sind sehr schweigsam in Bezug auf dieses Thema.

Kurz gesagt, in den meisten spirituellen Praktiken von heute wird nicht viel nackt getanzt, Freudentriller ausgestoßen oder im Mondschein Liebe gemacht. Du kannst dir vorstellen, warum. Vielleicht fragst du dich, ob ich wirklich darüber schreiben will? Weil: Ist das Ganze nicht irgendwie … privat? Die einfachen Antworten lauten: »Ich weiß nicht« und »Ja«. Es wäre so viel einfacher, all das im Geheimen zu lernen und stattdessen ein Buch über Rotfeuerfische zu schreiben. Doch dieses Thema ist schon lange überfällig. Früher hatte ich keinen Partner, der so viel Mut hat wie T. Er ist ein aufrichtiger Mann, der bereit ist zuzugeben, dass er – genau wie ich – nicht alles weiß. Wir waren beide verheiratet und haben Kinder, hatten gute und weniger gute sexuelle Beziehungen – und wir wissen beide nur sehr wenig.

»Warte mal kurz …« T. unterbricht mich, als ich ihm das noch einmal vorlese. »Wer sagt, dass ich nur sehr wenig weiß?«

»Na, ich meine das relativ gesehen. Du wirst doch wohl zugeben, dass du nur sehr wenig weißt?«

»Im Vergleich wozu?«

»Im Vergleich zu allem, was es zu wissen gibt.«

»Wenn man die Gesamtsumme des Wissens über die menschliche Sexualität zugrunde legt, ja, dann weiß ich nur sehr wenig.«

»Okay, also.«

Ich mache weiter …

Der größere Teil von mir würde liebend gerne das, was ich lerne, in der schönen Privatsphäre meiner samtigen Beziehung bewahren – abgeschirmt hinter Vorhängen und verriegelten Türen – oder mich zumindest auf die trockenen Fakten beschränken, während ich mich selbst im Verborgenen halte. Aber das ist nicht mein Ding, wie diejenigen von euch wissen, die meine früheren Bücher gelesen haben. Wenn man mich nun beschuldigt – Gott weiß, wessen man mich beschuldigen wird, wenn ich dieses Thema zur Sprache bringe –, werde ich, so gut ich kann, jeder der diversen Ansichten ausweichen, mit denen ich konfrontiert werde. Wenn, wie die spirituellen Lehrer behaupten, die Identität selbst eine Illusion ist, dann muss ich mir keine Sorgen machen, egal ob man mich lobt oder angreift, stimmt’s? Ich werde zu einer Ente werden, die an der Oberfläche ruhig und gelassen erscheint, alles wie Wasser von ihrem Rücken abgleiten lässt und unter der Oberfläche wie verrückt paddelt. Es gibt so vieles, was ich selbst brauche und lernen möchte – und aus den Briefen, die ich bekomme, weiß ich, dass es in den Schlafzimmern da draußen sehr viel Unglück und Beziehungsdefizite gibt. Da ich in der glücklichen und privilegierten Lage bin, lernfähig zu sein, was wäre da uneigennütziger: zu lernen und meine eigene Schlafzimmertür abzuschließen oder zu lernen und das Gelernte mit euch zu teilen? Also mache ich mir das eine Weile zur Aufgabe.

»Aber was ist mit T.?«, höre ich dich fragen. »Wie fühlt er sich dabei?«

Nun, das Ganze war sein Vorschlag. Ganz ehrlich. Ich war selbst erstaunt. Er sagte das, weil wir diesen Bereich gerade erforschten. Warum nicht über das schreiben, was ich lerne? Ich habe also nicht nur seine Zustimmung, sondern darüber hinaus sein Interesse und seine aktive Begeisterung. Gut für ihn. Ich kenne nicht viele Männer, die so viel Mut haben würden. Aber trotzdem werde ich ihn so weit wie möglich aus alldem heraushalten.

Ich habe Fragen zum Thema Sex in den sozialen Medien gestellt und Leser und Freunde eingeladen, sich privat zu äußern.

Heute Morgen las ich Folgendes:

»Ich bin sicher, dass etwas mit mir nicht stimmt. Vielleicht sollte ich zu einem Therapeuten gehen.«

»Sex ist gut für mich ohne Orgasmus … schätze ich.«

»Ich habe wunderbaren Sex mit meiner Geliebten – nur mit meiner Frau ist er lausig.«

»Der Sex ist viel besser mit meinem Liebhaber als mit meinem Mann.«

Nur einen Tag nachdem ich mich auf dieses Projekt festgelegt hatte, beschließe ich, dieses Buch doch nicht zu schreiben. Wie wäre es stattdessen mit einem Wälzer über die Situation der Weltwirtschaft oder mit einem neuen mystischen Tarot-Kartenspiel (vorzugsweise von einem höheren Wesen gechannelt, damit ich nicht für die schlechte Grammatik verantwortlich bin). Oder einer Reihe von handgenähten Arbeiten aus Stoff über die Freuden der Blumen, wie man sie in den Werken von Marcel Proust findet? Wie wäre es mit einem Buch über ein beliebiges Scheißthema – mit Ausnahme von diesem? Derweil trudeln die Antworten auf Fragen wie »Wie ist dein Sexualleben?« weiterhin ein, darunter Hiobsbotschaften wie diese:

»Die Qualität meines Sexuallebens mit meinem Partner ist den Bach runtergegangen, seit wir geheiratet haben.«

»Mein Mann hat mich verlassen, weil er gesagt hat, er könnte seiner Freundin mehr Lust bereiten.«

»Der Orgasmus findet ausschließlich im Kopf statt, oder etwa nicht?«

»Ich glaube, körperlich stimmt etwas nicht mit mir. Ich muss zugeben, dass ich seit der Geburt meines Sohnes vor vier Jahren nur zweimal Sex mit meinem Mann hatte.«

»Ich bin all dieses Drängeln und Schieben leid. Ich täusche es einfach nur vor, damit er das Gefühl hat, zum Abschluss kommen zu können.«

Auf der anderen Seite hört man aus manchen Kommentaren auch eine ziemliche Selbstgefälligkeit heraus, als sei die Fähigkeit, guten Sex zu haben, eine Art persönlicher Erfolg.

»Ich habe schon mein ganzes Leben lang vaginale G-Punkt-Orgasmen.«

»Ich komme schon, wenn ein Mann bloß mit meinen Brüsten spielt.«

»Ich habe einen Mann in einem Tantra-Workshop getroffen und bin gekommen, als ich ihn angeschaut habe. Wir hatten beide noch alle Klamotten an.«

»Ich kann schon einen Orgasmus kriegen, wenn ein Mann bloß an meinem Ohr zieht und meinen Hals küsst.«

»Keine Frau hat mir je etwas vorgespielt.«

Seltsamerweise kommt nie so etwas wie: »Viele der Frauen, mit denen ich Sex habe, übertreiben ihre Lust und täuschen ihren Orgasmus nur vor.« Der Unterschied zwischen den beiden obigen Aufzählungen und das Maß an Schmerz verglichen mit dem Maß an Lust erfüllen mich mit rasender Wut. Wie kommt es, dass bei der ganzen Flut an Informationen, die es gibt, viele Menschen so wenig wissen und so viel leiden? Wie kann es sein, dass so viele Männer, die nichts mehr wollen, als die Frauen zu befriedigen, die sie lieben, nicht wissen, wie sie das anstellen sollen? Warum scheinen so viele Frauen zu leiden und sich gleichzeitig zu hilflos zu fühlen, um etwas dagegen zu unternehmen? Wieso werden nicht alle ein bisschen schlauer? Weshalb schauen sich so viele Menschen Katzenvideos an und haben dann schlechten Sex?

Wie du siehst, werde ich bei dem Thema ziemlich leidenschaftlich.

Auf meiner Facebook-Seite frage ich Menschen beiderlei Geschlechts: »Welche Bücher über Sex hast du gelesen?«

Ein Mann schreibt: »Als Teammanager habe ich ein Buch mit dem Titel Sex and Boys gelesen.«

Aber höchstwahrscheinlich hat er seither nichts mehr gelesen. Der Mythos, dass wir alle »instinktiv« die perfekten Liebhaber sein sollten, hält sich beharrlich. Das ist doch nicht zu fassen! Damit muss Schluss sein. Der menschliche Körper, oder zumindest die Erregung und der Orgasmus der Frau, sind kompliziert und – so mein radikaler Vorschlag – die Faktoren, die diese stigmatisierten Vergnügungen hervorbringen, sind eine kleine Studie wert. Zu lernen, wie du deinen Partner wirklich befriedigen kannst und dich selbst auch, ist außerdem ein tolles Forschungsthema.

Hallo – das Thema, das wir hier erforschen, ist LUST!

Vielleicht ist einer der Gründe, warum nicht mehr Menschen etwas über dieses Thema lernen, der, dass so viele Industrien darauf basieren, uns zu befummeln. Ich habe gerade »Sexratschläge« bei Google eingegeben und 317 000 000 Treffer bekommen. Darunter nichts auch nur vage Nützliches. Der Top-Vorschlag lautete: »Zehn Sexratschläge inspiriert von Game of Thrones«. Daraufhin begann ich mir die Kleider vom Leib zu reißen und nackt im Garten herumzutanzen. Nein, nicht wirklich. Aber ich habe mich danach gefühlt.

Okay. Ich will mich nicht darüber lustig machen. Ich möchte wirklich etwas über Sexualität lernen, und zwar auf ernsthafte und engagierte Weise. Ich weiß, dass es eine Quelle traditionellen Wissens gibt. Es gibt einen Bereich außerhalb der Sexindustrie, außerhalb der Pornografie, außerhalb des meisten von dem, was wir wissen, wenn wir über Sexualität nachdenken, und außerhalb der religiösen Traditionen, welche die Seele, den Körper und meine lokale Bogenschießklasse voneinander trennen. Es ist eine spirituelle Tradition, die zwar nicht allgemein bekannt ist, sich aber durch einen großen Teil des tibetischen Buddhismus und des hinduistischen Denkens zieht.

Du kennst sie, oder? Es ist die tantrische Tradition – die absolut einzige Tradition, in der Sexualität und Spiritualität eins sind. Ich werde diese Reise also damit beginnen, dass ich etwas darüber lerne, was als »tantrische Sexualität« beworben wird.

Tantra nur für Frauen?

Ich habe mir gedacht, ich fange mal mit einem reinen Frauen-Tantra-Seminar an, auch wenn mir jede Art von Frauenarbeit Angst macht. Dabei spuken mir schreckliche Bilder im Kopf herum, wie ich von Frauen mit üppigen Brüsten, Goldzähnen und Nasenringen in den Wald gebracht werde und mir gesagt wird, ich solle vor ihnen allen masturbieren oder die Entwicklung meiner Sexualität wäre für immer zum Scheitern verurteilt. Ich habe noch nie von einem Seminar gehört, bei dem das tatsächlich vorgekommen wäre, aber bei dem Pech, das ich habe, könnte mir das gut passieren.

Schon der Gedanke an die Gespräche, die wir dort führen könnten, erschreckt mich ein wenig. Wird es vielleicht einen Wettstreit geben? Ich habe einige sexuelle Misserfolge erlebt. Größere Katastrophen mit Liebhabern, an die ich mich ungern erinnere. Mit dir kann ich darüber sprechen – schließlich bist du ja bloß meine Leserin bzw. mein Leser, also nicht wirklich ein lebendiger Mensch, der mit einfühlsamem Blick vor mir sitzt und leise vor sich hin weint. Okay – reden wir also über einige meiner schlimmsten sexuellen Fehlschläge.

Den praktisch miesesten Sex meines Lebens hatte ich mit einem der bestaussehenden Männer, mit denen ich je geschlafen habe. Er war Sportler und ein echter Adonis – so attraktiv und so perfekt, dass ich, als er sich auszog, das Gefühl hatte, ich hätte ihn in der Lotterie gewonnen. Aber sobald er sich in die Horizontale begeben hatte, war es so, als wollte er alles so schnell wie möglich hinter sich bringen. Manchmal bin ich einem Quickie gegenüber nicht abgeneigt, aber dieser Sex war fast schon primitiv. Null »Vorspiel« (ein schreckliches Wort, das suggeriert, dass es nur Einleitung für den Geschlechtsverkehr ist, während mit einem guten Liebhaber alles Bestandteil des Liebesspiels ist) und dann über die Ziellinie, bevor ich auch nur auf Betriebstemperatur war. Vielleicht war es mein Fehler und er war von der Tatsache abgetörnt, dass ich keine Modelmaße habe. Aber das hätte ihm schon aufgefallen sein müssen, als ich meine Kleider noch anhatte. Ich war nicht verärgert, ich war fassungslos. Und zwar so sehr, dass ich nicht einmal Einwände erhob. Ich wusste einfach nicht, was ich sagen sollte. Ich weiß nicht, welche zutiefst sinnliche Erfahrung sich mein absurd optimistisches Unterbewusstsein ausgemalt hatte, aber was immer es gewesen war, es war reine Fiktion. Es ist ein alter Fehler, zu meinen, dass ein toller Körper mit einem tollen Liebhaber gleichzusetzen sei. Allem zum Trotz, was uns die Werbeindustrie Tag für Tag vorgaukelt, stimmt das leider ganz und gar nicht.

Dann gab es einen Mann, mit dem ich nur einmal geschlafen habe. Ich war eine Zeit lang mit ihm befreundet gewesen, und kurz nachdem meine Ehe in die Brüche gegangen war, besuchte ich ihn eines Abends, um ein wenig Trost und Zuwendung zu bekommen. Doch am Ende hatten wir Sex und er gab tierische Laute von sich – nein, ich meine nicht, dass er Laute von sich gab, die laut und wild und frei waren, sondern er machte während des Geschlechtsverkehrs absichtlich und bewusst Laute wie ein Hund, dann wie ein Schwein, ein Esel, ein Pferd oder was immer. Ich bin froh, sagen zu können, dass ich die Reihenfolge und die Details vergessen habe, sodass ich dir diese Informationen ersparen kann. Ich erinnere mich aber noch, dass ich das Ganze beenden und ihn fragen wollte: »Was zum Teufel tust du da gerade? Meinst du das ernst?« Aber offensichtlich tat er das und ging völlig darin auf, seiner Erregung auf diese Weise verbal Ausdruck zu verleihen – oder so was Ähnliches. Vielleicht hätte ich mich etwas mehr hineinsteigern können, wenn wir uns im Heu gewälzt hätten, doch irgendwie wollte mein inneres Dromedar nicht aus sich heraus.

Und dann hatte ich mal einen chinesischen Freund, und zwar einen, der absolut nicht verwestlicht war. Wie du vielleicht weißt, gibt es in Asien einen alten Glauben, dass es schlecht für einen Mann sei, mehr als einmal in der Woche einen Orgasmus zu haben. Das wäre in Ordnung gewesen, wären wir nicht jung und verliebt gewesen und hätten die ganze Zeit Sex gehabt. Ich erinnere mich noch sehr genau daran, dass er auf mir lag, mich nicht penetrierte, sondern praktisch Sex mit der Luft statt mit meinem Körper hatte. Irgendwie versuchten wir beide, gleichzeitig erregt und nicht erregt zu sein. Das Ganze war zwar intim, aber – und das wird dich wohl kaum überraschen – unbefriedigend für uns beide. Inzwischen bin ich mir sicher, dass wir die traditionellen Lehren gründlich missverstanden haben. Was immer wir taten, war sicherlich nicht das, was die sexuell aufgeschlossenen Alten beabsichtigt hatten. Wahrscheinlich unterliegen Paare in ganz China immer noch ähnlich absurden Irrtümern in der Auslegung. In Tibet hingegen gibt es nach wie vor Frauen mit mehr als einem Ehemann. Und die Frauen dort, die auf den Feldern arbeiten und Straßen bauen, singen bei der Arbeit. Aber ich schweife ab.

Ich bin nie der Typ von Frau gewesen, der Männer in Bars aufgabelt und sie für ein sexuelles Abenteuer ohne Bedingungen mit nach Hause nimmt. Frauen, die das können, habe ich immer mit einer Mischung aus Faszination, Fassungslosigkeit und Bewunderung betrachtet. Wenn ein unbekannter Mann zu mir sagen würde: »Hol deinen Mantel, Süße, ich gehöre dir«, würde ich einfach lachen und weggehen. Um Sex mit Fremden zu haben, musst du vollkommen ungehemmt sein und eine Art von sexuellem Vertrauen haben, die mir völlig unbekannt ist. Es ist beängstigend genug, mit Menschen zu schlafen, die man gut kennt. Ich wollte den anderen immer kennenlernen und sogar, äh, lieben, bevor ich mich vor ihm ausziehe. Es wäre für mich sogar schwierig, mit einem Fremden zu duschen, wie soll man es dann schaffen, sich nackig zu machen und mit ihm unter die Laken zu kriechen? Ist mir da etwas eigentlich Offensichtliches entgangen? Ich möchte zumindest eine sehr große Zuneigung für jemanden empfinden, bevor ich mit diesem Menschen so intim werde oder meinen Morgenkaffee mit ihm teile.

Mein Sexualleben fing damit an, dass ich zwei Jahre lang mit einem Mann zusammenlebte, wir einen vorhersagbaren Fehler machten und heirateten. Die Ehe war, wenn auch in mancher Hinsicht glücklich, sexuell die übliche Katastrophe, was weder meinem jungen Mann anzulasten war noch mir selbst. Wir hatten sehr viel Sex, was toll für ihn war, und ich gewöhnte mir derweil an, meine eigene Lust zu vernachlässigen. Diese Erfahrung heterosexueller Paare, bei denen die Lust der Frau quasi nur als eine zusätzliche Option betrachtet wird, wird in vielen Kulturen gefördert. In der Kirche und in vielen religiösen Zusammenhängen spricht man über dieses Thema überhaupt nicht und es ist auch nicht in den Lehrplänen unserer Schulen zu finden. (Zumindest habe ich noch nie eine Predigt gehört oder an einer Unterrichtsstunde teilgenommen, wo die sexuelle Lust gepriesen worden wäre.) Was die Sexualität zur Zeugung von Nachkommen angeht, war zwischen uns alles okay, und ich bin meinem Ex auf ewig dankbar, dass er mir meine wunderschöne Tochter geschenkt hat. Aber ansonsten passten wir so wenig zusammen, dass wir uns nicht einmal hätten einigen können, wie man eine Pizza backt. Trotzdem sind wir zusammengeblieben – sieben Jahre lang. Vielleicht kommt dir das bekannt vor. Als wir uns trennten, waren wir beide überzeugt, mit mir stimme etwas nicht.

Die Scheidung ist eine so wunderbare und befreiende Institution! Im Ernst, Menschen sollten Scheidungspartys geben. Wir zelebrieren das Ende eines Lebens mit einem Leichenschmaus, warum sollten wir also nicht das Ende einer Beziehung feiern? Beide Partner könnten Reden halten und sagen: »Ich möchte dir insbesondere für den Sex danken, den wir damals im Urlaub in Griechenland unter jenem Baum hatten.« Und alle könnten herumstehen, Champagner trinken, applaudieren und dann Dosen an die Rückseite von Autos binden, bevor das Paar froh gelaunt in entgegengesetzte Richtungen davonfährt. Alles, was es bräuchte, um dorthin zu gelangen, wäre, dass beide Partner die Wahrheit sagen: »Liebling, es ist wunderbar gewesen, aber ich kann nicht mehr weitermachen. Bitte gib mich frei. Lass mich gehen.« Gegebenenfalls könnte man auch spontan ein Lied darüber singen. Wie schon Paul Simon sang: »Es gibt 50 verschiedene Wege, deinen Liebhaber zu verlassen.« Aber ich schweife schon wieder ab.

Ich sprach gerade über meine Unfähigkeit, One-Night-Stands zu meistern. Ich verurteile diese Erfahrung nicht, wenn beide Partner sie wirklich wollen. Aber ich kann meine an einer Hand abzählen. Ich hatte immer den Wunsch, Liebe mit Sex zu verbinden und auf recht vorhersagbare Weise etwas mehr zu wollen: emotionale, intellektuelle, spirituelle Verbundenheit – all diese Dinge. Ich glaube nicht, dass ich so ungewöhnlich bin. [Schnitt und Auftritt meiner Tochter, laut seufzend: »Nun sei doch nicht so altmodisch, Mama. So funktionieren die Menschen einfach nicht mehr.«] Mag sein, doch ich kenne viele Frauen – von denen die meisten jünger sind als ich –, die alle einen Freund haben möchten, den sie lieben können und der sie liebt.

Und dann gibt es da noch die verheirateten Männer, die »unkomplizierten« Sex mit Singlefrauen haben wollen, ohne dies natürlich ihrer Frau gegenüber zu erwähnen. Kann Sex wirklich so toll sein, dass er einen solchen Herzschmerz wert wäre? Ich habe das einmal, wenn auch nur sehr kurz, gemacht und mich dafür gehasst. Entweder jeder sagt jedem die Wahrheit und gibt dem (oder der) anderen damit die Möglichkeit, sich mit der Realität auseinanderzusetzen, damit wir einander lieben können, wie wir sind, oder – ich spiele nicht mit.

Eine andere seltsame Erfahrung war meine Beziehung zu einem Mann, der im Gegensatz zu mir Analsex wollte. Der Gruppensex ausprobieren wollte, während ich das nicht wollte. Der … wollte. Er wollte eine Menge Dinge, die ich nicht wollte, während ich mir eine Art von emotionaler, geistiger und spiritueller Verbundenheit wünschte, an der er wiederum nicht interessiert zu sein schien. Ich vermute, das ist eine mögliche Definition von Unvereinbarkeit – einfach auf vollkommen unterschiedlichen Wellenlängen zu sein, das Gefühl zu haben, dass man nicht wirklich zueinander passt und es trotzdem versucht, aber nicht schafft, dass sich irgendetwas harmonisch anfühlt.

Ich habe wirklich eine Menge richtig schlechten Sex gehabt.

Was könnten Frauen sonst noch in einem Tantra-Seminar tun? Köstliche hausgemachte Currys essen? Am Holzfeuer sitzen? Vielleicht wird es Geschichten über guten Sex geben? Nun, das ist ein Thema, das Frauen gerne bei einem Glas Wein bereden. Könnte ich da überhaupt eine Geschichte beisteuern? Es gab mal einen Mann, der im Bett neben mir lag und sagte: »Ich zittere.« Es war nicht kalt, aber wir waren sehr verliebt. Jenen Moment halte ich in meinem Geist, meinem Herzen, meiner Seele und meiner Körpererinnerung fest. Dabei haben wir uns nicht einmal berührt.

Aber zurück zur Gegenwart. Seufz. Die Frau, die das Seminar leitet, heißt Hilly Spenceley. Ich bin ihr vor Jahren schon einmal begegnet, als ich ein Wochenende für Männer und Frauen besuchte, über das ich in The Battersea Park Road to Enlightenment geschrieben habe. Hilly ist um die siebzig und ein Erdmutter-Archetyp mit viel Sinn für Humor. Weil sie sechs Kinder von sechs verschiedenen Männern hat, hat sie viel Erfahrung mit männlicher Sexualenergie. Hilly ist Heilerin, Masseurin und Berufsprostituierte gewesen – eine Tatsache, die sie nicht verbirgt und von der sie sagt, dass ihre Erfahrungen, auch wenn sie immer noch einige Menschen schockieren, sie viel über Männer und Sexualität gelehrt haben. Hilly unterrichtet seit 30 Jahren tantrische Sexualität. Wenn wir Menschen klonen könnten, wäre es eine gute Idee, Millionen von Hillys zu machen. Jede Stadt braucht eine, jedes Dorf und jede Straße.

Mir graut vor ihr. Und doch bin ich gerade dabei, alle meine Zweifel und Ängste zu überwinden und mit ihr und etwa 30 anderen Frauen an einen Ort zu gehen, den du auf keiner Landkarte findest.

Ich hatte immer Respekt vor Retreats, die Arbeit an einem selbst verlangen, doch der Gedanke an ein reines Frauenseminar löst bei mir einen stummen inneren Schrei aus. Eine Gruppe von Frauen, die im Kreis zusammensitzen, lässt mich unweigerlich an Hexen denken. Ich muss zur Hexe werden. Und das will ich nicht.

Anscheinend ist Widerstand ein ganz natürlicher Teil des »Prozesses«. Er besteht darin, meine Wahrnehmung als Frau von »eine weibliche Form von Fleischpaket, in die ich zufälligerweise hineingeboren wurde, wobei eine männliche genauso gut, wenn nicht in vielerlei Hinsicht sogar wesentlich nützlicher gewesen wäre« zu »Ich bin eine Inkarnation des Göttlich-Weiblichen, der Göttin Shakti, der Großen Mutter, und ich genieße und feiere das« hin zu verändern. Ich schwöre, wenn sie in den Zeitplan einbauen könnten, einem drallere Brüste wachsen zu lassen und Drillinge zu gebären, dann würde das irgendwann am Sonntagmorgen stattfinden.

Normalerweise habe ich keine negativen Gefühle hinsichtlich meines Frau-Seins (wenn man mal von der Zeit unmittelbar vor einem Frauen-Seminar absieht), aber ich habe eben auch keine positiven. Es gibt dieses Gebet, mit dem ein orthodoxer männlicher Jude seinen Tag beginnen sollte, und darin heißt es: »Gepriesen seiest du, oh Herr, unser Gott, König des Universums, der mich keine Frau hat werden lassen.« Das ist mal ein seltsames Gebet. Andererseits bin ich auch nie mit dem Gefühl der Dankbarkeit dafür, eine Frau zu sein, aufgewacht. Mein Geschlecht ist vielmehr etwas, was ich als selbstverständlich angesehen habe, statt mich darüber zu freuen. Vielleicht genießen es Frauen eher, Frauen zu sein, wenn Männer um sie herum sind, die sie mögen? Was glaubst du: Haben es unsere Mütter und Großmütter mehr oder weniger genossen, Frauen zu sein, als wir?

Auf der mütterlichen Seite gibt es in meiner Familie vier Generationen starker Frauen. Meine Urgroßmutter, die ich nie kennengelernt habe, hatte 13 Kinder. Meine Großmutter, Aimee, die mich in den ersten sechs Jahren meines Lebens großgezogen hat, verlor ihren Mann am 13. Geburtstag meiner Mutter und brachte von diesem Tag an ihre vier Kinder alleine durch. Meine Mutter zog mich ohne Ehemann auf, da sie und mein Vater sich schon vor meiner Geburt getrennt hatten. Auch ich war alleinstehend, als ich meine Tochter großzog.

Wenn ich bisher über dieses Erbe nachdachte, habe ich mich im Allgemeinen auf die Abwesenheit von Männern konzentriert statt auf die Stärke der Frauen. Am liebsten würde ich diese vier Generationen gemeinsam an einen Tisch bringen – wie durch ein Wunder wären wir alle etwa 40 Jahre alt –, um herauszufinden, was die anderen darüber denken, Frauen zu sein. Kannst du dir diese Unterhaltung mit deiner eigenen Mutter, Großmutter und Urgroßmutter vorstellen? Ich glaube, wir müssten noch einige Generationen weiter zurückgehen, um eine Frau zu finden, die sich mit der Muttergöttin identifiziert. Vielleicht hatten unsere Ahninnen das Gefühl, dass das Frau-Sein eher ein Fluch als ein Segen ist. Wenn ich zwischen mehreren Leben wählen könnte (was einigen der sehr unkonventionellen New-Age-Leuten zufolge möglich ist), würde ich ehrlich gesagt lieber als Mann zurückkommen. Als Frau habe ich mich immer ein bisschen wie eine Versagerin gefühlt, als ob ich nicht genau das habe, was erforderlich ist. Was mich direkt zum Zweck des Wochenendes zurückbringt. Ich habe so viel spirituelle Arbeit gemacht, in der das Geschlecht keine Rolle spielte, dass es ein regelrechter Schock ist, auf dem tantrischen Pfad anzukommen.

Das heutige Seminar fängt auf denkbar ungünstige Weise an: Um zu dem unauffindbaren Ort zu gelangen, an dem es stattfinden soll, muss man zunächst nach Birmingham fahren und dann einen Taxifahrer becircen, der sich nicht so gern von der Sicherheit örtlicher Verkehrsstaus weglocken lässt. Doch bei dem angegebenen Ort handelt es sich keineswegs um eine Höhle mit Holzfeuer. Meine unerfahrene innere Hexe fühlt sich gekränkt, als sie in einem wirklich scheußlichen Wohnheim ankommt, in dem es internatsähnliche Schlafsäle mit Kunststoffabdeckungen auf den extraschmalen Stockbetten gibt. Die Seminarleiterinnen bitten uns tausendmal um Entschuldigung und erklären, dass sie diesen »Baue billig und schnell, nimm die Kohle und mach dich aus dem Staub, bevor die Bude zusammenbricht«-Veranstaltungsort noch nie zuvor genutzt haben. Sie »räuchern« die Schlafsäle aus, indem sie Salbei verbrennen, um die Körpergerüche der unglückseligen verlorenen Geschöpfe zu überdecken, die in der Nacht zuvor hier geschlafen haben. Ich schaue mir die anderen Seminarteilnehmerinnen an und hege den feindseligen Wunsch, ich könnte sie alle mit einem einzigen Blick zu Stein werden lassen. Kann ich jetzt bitte nach Hause gehen?

Als wir nach dem Abendessen in den Hauptraum wechseln, erfahre ich, dass die Kursleiterinnen ihre Arbeit als »Mysterienschule« bezeichnen. Das bedeutet, ich darf dir keine Details über die spezifischen Prozesse erzählen, die wir machen werden. Was mich jedoch nicht daran hindern wird, dir zu erzählen, was ich erlebe; nur macht es meinen Job wesentlich schwerer und versetzt mich in schlechte Laune. Denn natürlich will ich dir die Zaubersprüche weitergeben. So ein Mist! Der Grund, warum sie niemandem erlauben, speziell über einige ihrer Methoden zu sprechen, ist der, dass die Hälfte der Frauen, die kommen, nie den Mut aufgebracht hätten, hier aufzutauchen, wenn sie gewusst hätten, was von ihnen verlangt wird. Sobald sie erst einmal hier sind, viele Kilometer von zu Hause entfernt und gefangen in einem seidenen Netz aus Ermutigung durch andere Frauen, werden Durchbrüche erzielt. Und Leute wie ich sollen das nicht falsch darstellen. Das heißt, dass ich dir nur darüber berichten kann, wie sich diese Arbeit auf mich persönlich auswirkt. Das ist mein Anliegen. Also muss ich die Übungen zu 100 Prozent ernsthaft mitmachen und dann hoffen, dass dir meine Erfahrungen irgendwie behilflich sein können. Arrgh!

Heute Abend bittet man uns, darüber nachzudenken, wie wir uns damit fühlen, eine Frau zu sein, unabhängig vom Alter. Ich sitze übel gelaunt da und beteilige mich nicht an der Unterhaltung. Als Nächstes kommt eine Variation dieser Frage:

»Wie fühlt sich deine Vagina?« Das ist definitiv nicht die Art von Frage, wie man sie jeden Tag gestellt bekommt. Ich sage nichts, denke aber darüber nach. Heißt das körperlich oder emotional? Körperlich kann ich sie im Moment überhaupt nicht fühlen. Im normalen Tagesablauf vermittelt mir meine Vagina keinerlei Empfindungen. Oder bin ich mir ihrer einfach nicht bewusst? Was macht sie, wie fühlt sie sich in emotionaler Hinsicht? Ich denke, an dieser Stelle bin ich ein wenig verwirrt, unsicher. Es scheint, dass auch meine Vagina benommen und verwirrt ist, weil ich heute darüber nachgedacht habe, ob ich als Mann genauso glücklich wäre.

Jetzt werden wir dazu eingeladen, in einer Art Meditation unsere Beziehung zu unseren Brüsten zu überprüfen. Sie sagen uns, dass Brüste unsere Kinder und unsere Geliebten nähren, aber dass wir selten daran denken, unsere Brüste zu nähren, oder daran, dass sie uns nähren – nicht im Sinne des Sich-sexuell-Antörnens, sondern einfach im Sinne von sich etwas Gutes tun und sanfte Lust empfinden. Es stellt sich heraus, dass viele Frauen ihre eigenen Brüste nie streicheln. Ich stimme zu, das ist kein Freizeitvergnügen, dem ich je viel Zeit gewidmet hätte. Auf die Frage »Wie fühlst du dich hinsichtlich deiner Brüste?« kommen die üblichen Beurteilungen: »zu groß«, »zu klein« oder »falsche Form«. Und selbst wenn einige Frauen ihre Brüste lieben, betrachten wir sie normalerweise nicht ausschließlich als nährend für unsere Babys und für andere? Ich habe meine nie als wohltuend für mich selbst angesehen. Abgedrehter Hexenkram.

Bei jedem »Prozess« werden wir eingeladen, auf das Wunder des weiblichen Körpers zu achten. Ich lehne meinen Körper nicht ab, aber es stimmt, dass ich ihn immer als selbstverständlich angesehen habe. Selbst als er auf wunderbare Weise ein Kind hervorgebracht hat, war ich noch jung und habe das Wunder kaum wahrgenommen. Wie können wir uns mehr daran erfreuen, Frauen oder Männer zu sein? Wie viele von uns feiern wirklich ihre Geschlechtszugehörigkeit? Nicht gerade Fragen, die man sich an einem normalen Arbeitstag stellen würde. Ich denke da an einen Freund, der 50 Jahre darauf gewartet hat, eine Geschlechtsumwandlung zu vollziehen, und jetzt endlich eine Frau ist. Sie wacht jeden Morgen voller Freude und Erstaunen darüber auf, sich in einem weiblichen Körper zu befinden.

Wir wurden gebeten, Gegenstände mitzubringen, die uns heilig sind, und sie auf den »Altar« zu stellen. Jemand hat die Statue einer tibetisch-buddhistischen »Shakti« mitgebracht und daneben steht eine »jüdische Shakti«. Auch wenn es eigentlich nicht richtig ist, sie so zu nennen, denn in Wirklichkeit handelt es sich um Ascherah, eine Kopie einer Statue aus dem Nationalmuseum Israels. Eine der Teilnehmerinnen hat ein besonderes Interesse an weiblichen Darstellungen des Göttlichen im Judentum.