Perry Rhodan 1314: Horchposten Pinwheel - H.G. Francis - E-Book

Perry Rhodan 1314: Horchposten Pinwheel E-Book

H. G. Francis

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Beschreibung

Die Flucht der Protektorin - ein Geheimnis wird gelüftet Auf Terra und in der Menschheitsgalaxis schreibt man Anfang März des Jahres 446 NGZ. Somit sind seit den dramatischen Ereignissen, die zum Aufbruch der Vironauten, zur Verbannung der Ritter der Tiefe und zum Erscheinen der Sothos aus Estartu führten, mehr als 16 Jahre vergangen. Vieles ist seither geschehen: Die Lehre des Permanenten Konflikts und der Kriegerkult haben in der Galaxis ihren Einzug gehalten - Tyg Ian hat nachhaltig dafür gesorgt. Glücklicherweise hat der Sotho den Widerstand aller Galaktiker nicht brechen können - und daher besteht Hoffnung, dass sich die Situation in der Milchstraße eines Tages zum Besseren wenden möge. Auch in Estartu selbst, dem Reich der 12 Galaxien, wo die Ewigen Krieger seit Jahrtausenden ihre Herrschaft ausüben, regt sich immer noch Widerstand. Während dort vor allem die Gänger des Netzes aktiv sind, zu denen auch Perry Rhodan und andere prominente Galaktiker gehören, wird der Widerstand in der Milchstraße vornehmlich von der GOI, einer von Julian Tifflor geleiteten Geheimorganisation, getragen. Außerhalb der Milchstraße, und zwar im Fornax-System und in M 33, ist die PIG unter Nikki Frickel aktiv. Sie und ihre Leute spionieren die Geheimnisse der Kartanin aus. Sie sind sozusagen tätig als HORCHPOSTEN PINWHEEL ...

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Nr. 1314

Horchposten Pinwheel

Die Flucht der Protektorin – ein Geheimnis wird gelüftet

von H. G. Francis

Auf Terra und in der Menschheitsgalaxis schreibt man Anfang März des Jahres 446 NGZ. Somit sind seit den dramatischen Ereignissen, die zum Aufbruch der Vironauten, zur Verbannung der Ritter der Tiefe und zum Erscheinen der Sothos aus ESTARTU führten, mehr als 16 Jahre vergangen.

Vieles ist seither geschehen: Die Lehre des Permanenten Konflikts und der Kriegerkult haben in der Galaxis ihren Einzug gehalten – Tyg Ian hat nachhaltig dafür gesorgt. Glücklicherweise hat der Sotho den Widerstand aller Galaktiker nicht brechen können – und daher besteht Hoffnung, dass sich die Situation in der Milchstraße eines Tages zum Besseren wenden möge.

Auch in ESTARTU selbst, dem Reich der 12 Galaxien, wo die Ewigen Krieger seit Jahrtausenden ihre Herrschaft ausüben, regt sich immer noch Widerstand. Während dort vor allem die Gänger des Netzes aktiv sind, zu denen auch Perry Rhodan und andere prominente Galaktiker gehören, wird der Widerstand in der Milchstraße vornehmlich von der GOI, einer von Julian Tifflor geleiteten Geheimorganisation, getragen.

Die Hauptpersonen des Romans

Poerl Alcoun – Eine Tefroderin im Dienst der PIG.

Marelia Uppertreebraker – Ein junges Mädchen wird zur »Cinder Woman«.

Nikki Frickel – Chefin der Pinwheel Information Group.

Wido Helfrich – Nikkis Stellvertreter.

Dao-Lin-H'ay

1.

Mit einem Gefühl der Unruhe trat Shu-Han-H'ay auf die Terrasse ihres Hauses hinaus. Über ihr wölbten sich vier filigranartige Träger aus dem kostbaren Elistoy-Gestein. Sie liebte diesen Stein, dem sie nur auf diesem Hauptplaneten des kartanischen Imperiums begegnen konnte. Eine geheimnisvolle Kraft schien diesem Stein innezuwohnen. Sie würde ihn vermissen.

Von der Terrasse aus führte eine breite Treppe aus Elistoy-Gestein hinunter in den Park. Die Hohen Frauen der anderen sechs Großen Familien standen an einem üppig gedeckten Frühstückstisch. Sie amüsierten sich über vier Schnabelreiher, die von dem nahen Teich herübergekommen waren und sie neugierig beäugten.

Shu-Han-H'ay blieb stehen. Sie atmete den Duft ein, der von den Higoren-Bäumen ausging, und sie ließ den Gesang der Vögel auf sich einwirken.

Sie fühlte sich wohl auf diesem Planeten, auf den alle Großen Familien vor fünfzehn Jahren umgezogen waren, als das Projekt Lao-Sinh in großem Maßstab angelaufen war. Doch sie würde keinen Moment zögern, ihn zu verlassen, um irgendwo in den fernen Kolonien zu leben.

Vom Teich her näherte sich ihr eine grüne Wolke. Surrend schwebte sie heran. Sie bestand aus Tausenden von winzigen Mücken. Shu-Han-H'ay verharrte auf ihrem Platz. Sie ließ sich von der Wolke einhüllen, und sie atmete sehr flach, um keine der Mücken versehentlich einzuatmen. Ein intensiver Geruch stieg ihr in die Nase. Er war angenehm und anregend.

»Danke«, wehrte sie lächelnd ab. »Nicht zu viel.«

Die Mücken schienen verstanden zu haben. Sie entfernten sich, und die Hohe Frau, die beste von allen Espern, ging zu den anderen Frauen hinüber, die auf sie warteten.

»Ihr habt die STIMME gehört?«, fragte sie. Dabei war sie sich dessen bewusst, dass diese Bemerkung eigentlich überflüssig war. In den vergangenen fünfzehn Jahren hatten die Hohen Frauen die STIMME immer öfter gehört, und nicht nur eine von ihnen, sondern alle.

Die Hohen Frauen regierten die Kartanin, aber sie waren nicht souverän, sondern entschieden und handelten nach den Empfehlungen und Weisungen der Stimme von Ardustaar. Dennoch hatte es heftige Kämpfe und leidenschaftliche Auseinandersetzungen um viele politische Entscheidungen unter ihnen gegeben. Nun aber zogen alle an einem Strang. Alle Bestrebungen galten dem einen Ziel, das Projekt Lao-Sinh zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen, bei dem es darum ging, in einer vierzig Lichtjahre entfernten Galaxien-Gruppe Kolonien zu gründen. Zu diesen sollten eines Tages alle Kartanin auswandern.

Shu-Han-H'ay dachte daran, dass Lao-Sinh eine starke psionische Quelle war, ein kosmisches Fanal mit der Verheißung, die Kartanin in ein Land uferlosen Glücks zu führen.

Die Hohe Frau hatte diese Vorstellung stets an die Untergebenen weitergegeben, jedoch als Geheimnis bis auf den heutigen Tag gehütet, dass es über ihr und den anderen Hohen Frauen noch die STIMME gab und dass diese als die eigentliche Machthaberin anzusehen war.

»Lasst uns etwas essen«, schlug sie vor und setzte sich mit den anderen an den Tisch. »Dabei können wir darüber reden, dass die Pinwheel Information Group so dreist war, unser heimkehrendes Fernraumschiff SANAA anzugreifen. Wirklich schlimm wird diese Attacke dadurch, dass sich die Berufene Dao-Lin-H'ay an Bord befindet.«

Obwohl die anderen Hohen Frauen bereits wussten, was geschehen war, erregten sie sich nun erneut über den Vorfall. Sie waren sich einig darin, dass sie augenblicklich Gegenmaßnahmen ergreifen mussten, und sie beschlossen nach kurzer Diskussion, der PIG eine Antwort zu geben, die diese nicht so bald vergessen würde.

Shu-Han-H'ay befahl, den PIG-Stützpunkt LAMBDA CURSOR anzugreifen und zu besetzen.

*

Wido Helfrich fuhr sich mit beiden Händen über das Gesicht. Dann blickte er auf die Monitorschirme der Space-Jet und lächelte breit. Dabei entblößte er ein Gebiss, das von den anderen Besatzungsmitgliedern wenig respektvoll als »Pferdegebiss« bezeichnet wurde. Nikki Frickel hatte angesichts dieser Zähne einmal behauptet, einer ihrer Vorfahren sei Pferdehändler gewesen und habe vor jeder Auktion seinen Pferden mit einer nach frischen Gräsern und Kräutern schmeckenden Zahnpasta die Zähne geputzt, um bessere Preise zu erzielen. Diese Geschichte war sicherlich frei erfunden, kam jedoch bei den anderen Besatzungsmitgliedern gut an.

Auf den Monitorschirmen zeichnete sich die kartanische SANAA ab, die von der PIG-Flotte gestellt und zur Kapitulation gezwungen worden war. Wido Helfrich hatte mittlerweile ein Enterkommando zusammengestellt und bereitete sich nun darauf vor, zur SANAA überzuwechseln.

»Ich traue dem Frieden nicht ganz«, sagte Miriam Staer, eine blonde, junge Frau, die eine hervorragende Informatikerin war. Sie war zumeist etwas unsicher und oft übervorsichtig. Helfrich bezeichnete sie als unausgegoren, und er machte kein Hehl daraus. Breit grinsend blickte er sie an, während er seinen SERUN anlegte.

»Und wennschon«, erwiderte er. »Mach dir nichts draus. Die meisten Hühner werden schon als Eier in die Pfanne gehauen. Dir kann also nicht viel passieren.«

»Willst du damit sagen, dass ich ein dummes Huhn bin?«, fuhr sie auf. Sie fühlte sich ihm unterlegen, und sie erkannte, dass sie einen Fehler gemacht hatte, kaum dass diese Worte über ihre Lippen gekommen waren.

»Aber, aber«, wehrte er ab. »Das würde ich nie tun.«

Er blickte die anderen vier Mitglieder des Enterkommandos verschmitzt an und fügte hinzu: »Wo du doch erst ein Küken bist.«

»Manchmal bist du richtig widerlich«, fauchte sie ihn an. »Ich könnte dir eine kleben.«

»Was?«, gab sich Wido Helfrich erstaunt. »Ich bin ein Widerling?«

Sie presste die Lippen aufeinander und versuchte, seinem Blick standzuhalten.

»Das nimmst du sofort zurück«, forderte er und fuhr fort, bevor sie noch etwas sagen konnte: »Gut, du hast dich entschuldigt. Damit ist die Sache für mich erledigt.«

Die anderen lachten, und Miriam war hilfloser als zuvor.

»Irgendwann zahle ich es dir heim«, stammelte sie.

»Einverstanden«, erwiderte er. »Aber jetzt machen wir, dass wir zur SANAA hinüberkommen. Dao-Lin-H'ay wird schon ungeduldig auf uns warten.«

»Falls sie an Bord ist«, gab Miriam zu bedenken.

»Sie ist, und wir erwischen sie. Los jetzt.«

Wido Helfrich startete die Space-Jet und lenkte sie zum kartanischen Raumschiff hinüber, das von den zehn Koggen, der Karracke WAGEIO und der Space-Jet NIOBE eingeschlossen wurde. Das Kommando flog in einer Jet, die zu einer der Koggen gehörte.

Ohne Schwierigkeiten konnte sich die Space-Jet bei der SANAA einschleusen. Die Kartanin leisteten angesichts der überlegenen Flotte der Pinwheel Information Group keinen Widerstand. Das Enterkommando ging an Bord und durchkämmte das Raumschiff auf der Suche nach Dao-Lin-H'ay. Wido Helfrich begab sich in die Zentrale und verhörte die Kartanin, die er dort vorfand.

»Halten wir uns nicht lange auf«, schlug er vor. »Kommen wir gleich zur Sache. Wo ist Dao-Lin-H'ay?«

Die Kartanin blickten ihn an, als wüssten sie nicht, wovon er redete.

»Dao-Lin-H'ay?«, entgegnete einer von ihnen. »Sie ist nicht an Bord. Was bringt dich auf den Gedanken, dass sie hier sein könnte?«

Wido Helfrich schüttelte vorwurfsvoll den Kopf.

»Wie kann man mich nur für so dumm halten?«, bemerkte er. »Glaubt ihr wirklich, dass ihr mich so leicht täuschen könnt?«

»Sie ist wirklich nicht hier«, beteuerten die Kartanin.

»Unsere Füße und unsere Nasen haben zwei Dinge gemeinsam«, lächelte der Beibootkommandant. »Sie können laufen, und sie können riechen. Und meine Nase sagt mir, dass hier etwas faul ist und dass sich irgend jemand auf die Socken gemacht hat.«

Er ging zum Kommandostand, um Verbindung mit der Space-Jet NIOBE aufzunehmen, in der er Nikki Frickel wusste. Doch er kam nicht dazu, etwas zu sagen. Das Symbol der Überwachungspositronik erschien auf dem Monitor und im gleichen Moment meldete das Gerät, dass sich ein kleiner Diskusraumer von der SANAA absetzte.

»Dao-Lin-H'ay«, entfuhr es ihm.

Das Monitorbild wechselte, und das herb-schöne Gesicht Nikki Frickels füllte den Bildkubus aus.

»Dao-Lin-H'ay flieht aus der SANAA«, rief Wido Helfrich. »Verdammt, sie glaubt tatsächlich, dass sie uns entkommen kann.«

»Du vermutest, dass es Dao-Lin-H'ay ist«, korrigierte Nikki.

»Richtig. Ich bin überzeugt davon, dass sie es ist.«

»Wie auch immer. Ich nehme die Verfolgung mit der NIOBE auf«, erwiderte die draufgängerische Chefin der PIG. »Der Diskus wird mir nicht entkommen.«

Auf einem der Ortungsschirme konnte Helfrich verfolgen, dass die NIOBE sich bereits aus dem Verband löste und mit hohen Werten beschleunigte.

*

Ein Jahr vor diesen Ereignissen um die SANAA und Dao-Lin-H'ay trat die Tefroderin Poerl Alcoun der Pinwheel Information Group bei. Sie hielt sich zu dieser Zeit in Basa, einem wissenschaftlichen Zentrum in Westafrika, auf.

Caren Orey beobachtete sie über eine getönte Glasscheibe hinweg, als sie sich in einem der Laboratorien auf einen Lauschversuch vorbereitete. Vor ihr lag ein Paratau-Tropfen. Poerl brauchte ihn nur in die Hand zu nehmen, um ihre Fähigkeiten entfalten zu können.

»Du zögerst«, sagte die Ärztin. »Du kannst deine Angst nur überwinden, wenn du den Paratau in die Hand nimmst.«

»Ich weiß«, gab Poerl zurück. Sie schlug die Hände vor das Gesicht. »Mir ist das alles klar, aber irgend etwas in mir blockiert mich.«

Die Augen der Ärztin waren schwarz, und sie schienen von bodenloser Tiefe zu sein. Poerl konnte ihre Blicke nicht von diesen Augen lösen. Sie fand in ihnen Mitgefühl und Verständnis, aber auch eine Kraft, die sie stützte.

»Ich kann nicht vergessen, was geschehen ist«, sagte sie und lehnte sich zurück.

»Gib nicht auf«, bat Caren Orey. »Nicht, bevor du es versucht hast.«

Poerl Alcoun stand auf und ging zum Fenster. Sie blickte in einen tropisch blühenden Garten hinaus. Auf einem Tümpel ließen sich einige Wasservögel treiben. Im Schatten eines Baumes döste ein Gepard.

»Ich gebe nicht auf«, beteuerte die Tefroderin. Sie war groß und schlank. Ihr Gesicht wirkte jugendlich. Sie trug das schwarze Haar kurz in einer Art Pagenfrisur.

Poerl hatte Parapsychologie studiert und dabei bei sich selbst latente Psi-Fähigkeiten entdeckt. Als sie sicher gewesen war, dass sie sich nicht geirrt hatte, war sie von einem Taumel des Glücks erfasst worden. Sie war davon überzeugt gewesen, dass sich ihr eine glänzende Zukunft öffnen würde. Von Kind auf hatte sie davon geträumt, in die Weiten des Universums vorzustoßen und fremde Welten und Völker kennenzulernen. Doch ihre Chancen, diesen Traum zu verwirklichen, waren denkbar gering gewesen, bis gewiss war, dass sie Psi-Fähigkeiten besaß. Damit hob sie sich plötzlich aus der Masse der Bewerber heraus, und es erschien ihr schon nicht mehr als Zufall, dass ihr eines Tages Homer G. Adams begegnete. Sie hatte nur ein kurzes Gespräch mit ihm geführt, das ihr geradezu banal vorgekommen war, doch danach war sie von Julian Tifflor zu einem Gespräch eingeladen worden. Sie hatte ihr Studium abgebrochen, war der GOI beigetreten und hatte sich als Paratensorin ausbilden lassen.

Zunächst war alles nach Wunsch verlaufen, und es hatte keine Komplikationen gegeben. Doch dann war es zu dem Zwischenfall gekommen, der alle ihre Hoffnungen zerstört hatte.

»Willst du den Film noch einmal sehen?«, fragte die Ärztin.

»Nein, das ist nicht nötig«, wehrte Poerl ab. »Wozu sollte denn das gut sein?«

Caren Orey antwortete nicht. Sie beobachtete ihre Patientin nur. Sie war eine etwas dickliche Frau, deren Selbstbewusstsein unerschütterlich zu sein schien. Ihr Haar verbarg sie unter einem Tuch, das sie sich turbanähnlich um den Kopf gewickelt hatte.

»Gib mir deine Hand«, bat die Ärztin. Poerl streckte ihr wortlos die rechte Hand hin. Caren Orey nahm sie und drehte sie langsam zwischen ihren Händen hin und her.

»Man sieht überhaupt nichts mehr«, stellte sie fest. »Nicht die geringste Narbe ist zurückgeblieben.«

»Ich habe davon gehört, dass eine solche Verletzung früher Narben hinterlassen hat«, spöttelte die Tefroderin. »Es muss ungefähr tausend Jahre her sein, dass so etwas passierte.«

»Richtig«, bestätigte die Ärztin. »Aber es gibt auch unsichtbare Narben.«

»Du meinst seelische Narben.«

»Ich sehe, du hast mich verstanden.«

Poerl entzog ihr die Hand.

»Ich bin keine Kämpferin«, erklärte die Lauscherin. »Ich bin es nie gewesen und werde es auch nie sein.«

»Das musst du auch nicht. Niemand verlangt so etwas von dir. Allerdings muss man sich seinen eigenen Problemen stellen. Man kann ihnen nicht ewig ausweichen.«

»Das habe ich nicht vor.«

»Dann setz dich wieder an den Tisch und nimm den Paratau in die Hand. Beginne mit dem Experiment.«

Poerl Alcoun presste die Lippen zusammen, und ihr jugendliches Gesicht straffte sich. Sie schloss die Augen, aber sie konzentrierte sich nicht auf das Experiment. Sie dachte an das, was geschehen war, als sie ihre Psi-Fähigkeiten mit höchster Konzentration und mit der Kraft von mehreren Paratau-Tropfen eingesetzt hatte.

Ihre Sinne hatten sich geweitet. Sie hatte gelauscht, und dann hatte sie einige ihrer Medien nicht nur gehört, sondern auch gesehen – so deutlich, als hätten diese unmittelbar vor ihr gestanden. Nie zuvor war sie so erfolgreich gewesen. Aber dann war es zu dem Zwischenfall gekommen, der zu ihrem Zusammenbruch geführt hatte.

Ein plötzlicher und überaus heftiger Schmerz an ihrer rechten Hand hatte sie aus ihrem Experiment gerissen. Entsetzt hatte sie beobachtet, dass ihre Hand von gespenstischen Flammen umhüllt wurde. Schlagartig war ihr klargeworden, dass ihr intensiver Einstieg in das psionische Experiment das Phänomen der Spontaneous Human Combustion heraufbeschworen hatte.

Im gleichen Moment waren die Flammen erloschen, aber der Schmerz blieb. Große Teile der Haut an ihrer rechten Hand waren verbrannt, und ihr war bewusst geworden, dass sie nicht nur an ihrer Hand, sondern am ganzen Körper schwerste Verbrennungen davontragen konnte, wenn sie ihre Psi-Fähigkeiten über eine gewisse Grenze hinaus gebrauchte. Sie hatte die Vision einer Cinder Woman, also einer durch Verbrennungen verkohlten Frau, gehabt, und wie mit einem Flammenschwert hatte sich ihr eingeprägt, dass mit jedem weiteren Experiment das Phänomen der SHC eintreten konnte. Und nicht nur das. Sie ahnte, dass die gespenstischen und lebensbedrohenden Flammen auch auf diejenigen überschlagen konnten, die sie belauschte.

Seitdem hatte sie kein weiteres Experiment mehr gewagt – aus Furcht, dass der Effekt der Spontaneous Human Combustion sie selbst treffen und womöglich auch andere töten würde. Mit aller Deutlichkeit war ihr bewusst geworden, dass Psi-Fähigkeiten nicht gleichbedeutend mit reinem Glück waren, sondern flankiert sein mussten mit Verantwortungsgefühl.

Sie zögerte noch immer.

Der Schmerz in ihrer Hand hatte sie aus der Konzentration gerissen und somit für eine Unterbrechung des Experiments gesorgt. Würde er das noch einmal tun? Oder würde der SHC-Effekt so massiv und energiereich auftreten, dass sie nicht mehr in der Lage war, den Versuch abzubrechen und sich selbst zu retten?

»Du glaubst, dass ich dich zur Selbstverbrennung auffordere?«

Sie blickte die Ärztin bestürzt an.