Perry Rhodan 167: Strangeness-Schock (Silberband) - Perry Rhodan - E-Book

Perry Rhodan 167: Strangeness-Schock (Silberband) E-Book

Perry Rhodan

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Beschreibung

Die Milchstraße ist nach Jahren der Unterdrückung wieder frei, die Macht der Ewigen Krieger gebrochen. Die Menschen und die Angehörigen anderer Sternenvölker machen sich gemeinsam an den Wiederaufbau. Doch die nächste Bedrohung nähert sich.   Ganze Sonnensysteme materialisieren im Leerraum zwischen den Galaxien. Wie es aussieht, stammen sie aus einem fremden Universum. Ihr Auftauchen löst den sogenannten Strangeness-Schock aus. Menschen werden verwirrt, Raumschiffe schwer beschädigt, Welten verwüstet.   Dann treten unbekannte Raumschiffe auf den Plan, bemannt mit entfernt menschenähnlichen Außerirdischen. Sie kommen ebenfalls aus dem fremden Kosmos und gehen schnell zum Angriff über ...

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Nr. 167

Strangeness-Schock

Cover

Klappentext

1. Unheilvolle Vorzeichen

2. Tovaris Suche

3. Im Auftrag der Kartanin

4. Die Materiequelle

5. Am Waldrand

6. Bei den Kekkerek

7. Der Gefangene

8. Die schwarzen Schiffe

9. CORDOBA ruft BASIS

10. Hinter der Barriere

11. Die Sticks

12. Schmerzhaftes Erwachen

13. Erster Kontakt

14. Verhandlungen mit Hindernissen

15. Die Wissenschaftler

16. Die Heimkehrer

Nachwort

Zeittafel

Impressum

Die Milchstraße ist nach Jahren der Unterdrückung wieder frei, die Macht der Ewigen Krieger gebrochen. Die Menschen und die Angehörigen anderer Sternenvölker machen sich gemeinsam an den Wiederaufbau. Doch die nächste Bedrohung nähert sich.

Ganze Sonnensysteme materialisieren im Leerraum zwischen den Galaxien. Wie es aussieht, stammen sie aus einem fremden Universum. Ihr Auftauchen löst den sogenannten Strangeness-Schock aus. Menschen werden verwirrt, Raumschiffe schwer beschädigt, Welten verwüstet.

1. Unheilvolle Vorzeichen

Die Explosion kam völlig überraschend.

Vor einer Sekunde hatte der Frontsektor der Panoramagalerie die Eiskugel von Mushak, dem neunten Planeten der rubinroten Sonne namens Nachors Auge, gezeigt – und plötzlich bildete sich auf der weißen Oberfläche ein schwarzer Punkt, der sich innerhalb von Sekunden auf einen Durchmesser von schätzungsweise 50 Kilometern ausdehnte.

Im ersten Moment hatte ich an eine Bildstörung geglaubt. Dann hatte die Energieortung angesprochen, indem sie einen Energieausbruch anzeigte, der einer Explosion von rund 80 Kilotonnen TNT äquivalent war.

Da gleichzeitig die Strukturtaster ausschlugen, musste auf der Eiswelt etwas passiert sein, dessen Wirkung nicht auf das vierdimensionale Raum-Zeit-Kontinuum beschränkt war, sondern auch die fünfte Dimension betroffen hatte.

Ein eisiger Schreck durchfuhr mich, weil das Explosionsgebiet auf dem Planeten mit dem Gebiet übereinstimmte, in dem ich vor zwei Tagen den Ezialisten und stellvertretenden Leiter des Außenpostens der Pinwheel Information Group namens Nareng Mushak zurückgelassen hatte.

Sein Auftrag an mich bestand darin, den Asteroidenring zwischen dem dritten und dem vierten Planeten von Nachors Auge abzufliegen.

Ich hatte nichts Aufregendes entdeckt und war zu dem Schluss gekommen, dass Nareng mich nur durch den Ring gejagt hatte, weil er den Ruhm der Erforschung der Anlagen unter dem Eispanzer des Planeten, den er nach sich selbst benannt hatte, mit niemandem teilen wollte. Wir hatten die vagen Umrisse der Anlagen aus dem Orbit mit den Hypertastern ermittelt. Nach der Explosion begann ich zu ahnen, dass Nareng mich möglicherweise fortgeschickt hatte, da er vermutete, dass in den Anlagen Gefahren lauerten.

Während ich Signal um Signal aus dem Hyperkom der Kogge BANSHEE jagte und auf eine Reaktion Narengs wartete, überlegte ich, dass ich bei ihm hätte bleiben müssen. Aufgrund meines umfangreichen Erfahrungsschatzes hätte ich die Explosion möglicherweise vermeiden können.

Aber wer hörte schon auf einen Raumtramp, der mit mehr Glück als Verstand einem Schiffsunglück entgangen und mit seiner Rettungskapsel zufällig ins System der kleinen roten Sonne Warwock verschlagen worden war, dessen zweiter Planet namens Hitchi einen Außenposten der Pinwheel Information Group beherbergte! Ein Mann wie Nareng Mushak, der sich als Jünger der Extra Zerebralen Integration allen ausgebildeten Intelligenzen haushoch überlegen fühlte, ganz bestimmt nicht.

Noch dazu, wo ich mich den PIG-Mitarbeitern gegenüber eines extremen Understatements befleißigt hatte, um meine Ruhe zu haben. Bei den meisten Angehörigen des Außenpostens galt ich als Halbtrottel – und Kommandantin Phuma Gashdor hatte mir deutlich gesagt, dass sie mich nur deshalb als Hilfskraft verpflichtet hatte, weil es zu teuer gekommen wäre, ein Schiff nach Kabarei, dem Hauptquartier der PIG, zu schicken und mich dort abzuliefern. Zudem war der Außenposten Hitchi chronisch unterbesetzt, wahrscheinlich weil er sich im Halo von M 33 befand und wegen seiner Entfernung von rund 98.000 Lichtjahren vom Zentrum dieser Galaxis als unwichtig eingestuft wurde.

Die Tatsache, dass ich Raumschiffe wie die Kogge BANSHEE steuern konnte, stand meiner Einstufung als Halbtrottel nicht im Weg. Von einem Raumtramp erwartete man offenbar, dass er mit dem einzigen Schiff von Hitchi, dessen Hauptsyntronik alle von organischen Intelligenzen gemachten Fehler korrigierte, umzugehen verstand.

»Verdammt!«, schrie ich unbeherrscht, als sich Nareng Mushak nach rund drei Minuten nicht gemeldet hatte. »Was ist denn los? Du kannst nicht tot sein!«

Natürlich war mir klar, dass Nareng durch die Explosion umgekommen sein konnte und dass ich es nur nicht wahrhaben wollte, weil der Ezialist trotz seines elitären Gehabes ein feiner Kerl war.

»Hier spricht Tashit Lovelin!«, schrie ich ins Feldmikrofon. »Nareng, melde dich!«

Als keine Reaktion erfolgte, rief ich nach den beiden Spezialrobotern, die Nareng mitgenommen hatte: Eric und Dunja. Ihre Namen hatten etwas mit den Erlebnissen zu tun, die Nareng vor rund 21 Jahren als Space-Jet-Pilot der BASIS innerhalb der Endlosen Armada gehabt hatte. Was sie bedeuteten, wusste ich jedoch nicht.

Anders war es mit Nachor von dem Loolandre, nach dem der Ezialist die rubinrote Sonne benannt hatte, die Mushak als neunter von 17 Planeten umkreiste. Nachor war der Armadaprinz gewesen, und Nareng hatte ihn persönlich gekannt, wie er mir gegenüber betont hatte. Dieser Armadaprinz, Rebell und Nachfolger Ordobans, des Beherrschers der Endlosen Armada, sollte, obwohl sonst äußerlich humanoid, nur ein einziges Auge besitzen, das über der Nasenwurzel faustgroß aus der Stirn ragte und aus Hunderttausenden von Facetten bestand, die rubinrot leuchteten.

Als sich auch die beiden Spezialroboter des Ezialisten nicht meldeten, erwog ich ernsthaft, ob ich Fatala aus seiner Inaktivität herausholen sollte, die ich ihm befohlen hatte, damit niemand aus seiner Anwesenheit auf meine wahre Identität schließen konnte. Natürlich hieß er in Wirklichkeit nicht Fatala, aber dieser Name war mir treffend für ihn erschienen.

Ich entschied mich gegen einen Reaktivierungsbefehl, da ich einsah, dass ich so zu handeln hatte, als wäre ich tatsächlich auf mich allein gestellt.

Als Erstes steuerte ich das 110 Meter lange Keilraumschiff aus den Beständen der ehemaligen Orbiter in einen stationären Orbit um Mushak, der das Schiff stetig über der Explosionsstelle hielt, danach rief ich über Hyperkom den rund 1070 Lichtjahre entfernten Außenposten Hitchi.

Der Bildschirm des Hyperkoms flackerte, während die Feldlautsprecher nichts als ein leises Knistern von sich gaben. »Tashit Lovelin ruft Hitchi!«, schrie ich in den Energiering des Mikrofons.

Es beunruhigte mich, dass die Hyperkomverbindung nicht zustande kam. 1070 Lichtjahre waren keine nennenswerte Entfernung für den Hyperkom einer Kogge – und die Hyperfunkstation von Hitchi war fast so leistungsstark wie die des HQ-Hanse, denn immerhin musste sie in der Lage sein, die Entfernung von rund 95.000 Lichtjahren zum Hauptquartier auf Kabarei zu überbrücken, und das wegen der vor Kurzem noch streng gehandhabten Geheimhaltung ohne Relaisstationen und mit scharf gebündeltem Richtstrahl.

Natürlich war mir klar, dass das Nichtzustandekommen der Verbindung durch Störungen verursacht wurde. Das vermochte meine Unruhe indes nicht zu beseitigen. Störungen des Hyperfunkverkehrs waren niemals die grundlegenden Ursachen, sondern nur die Auswirkungen von Geschehnissen, die durch dimensional übergeordnete energetische Turbulenzen im fünf- und sechsdimensionalen Bereich bedingt waren – und mit solchen Dingen hatte ich mehr böse Erfahrungen machen müssen, als mir lieb sein konnte.

Ich atmete auf, als der Hyperkombildschirm sich stabilisierte und das Abbild von Rafna Kascheng, Funker, Koch und Medogehilfe von Hitchi, erschien. Die dimensional übergeordneten energetischen Turbulenzen waren demnach leichter Natur und stellten keine Bedrohung dar.

»Tashit Lovelin, du funkst ohne Richtstrahl!«, stellte Rafna mit unüberhörbarem Tadel fest.

»Du hast wohl geschlafen, als bekannt gegeben wurde, dass die PIG ihre Rolle als geheime Spionageorganisation ausgespielt und offiziellen Kontakt zu den Kartanin hat!«, gab ich verärgert zurück. »Auf die Benutzung von Richtstrahlen können wir verzichten. Verbinde mich mit der Kommandantin!«

»Sie hat Mittagspause«, erklärte Rafna Kascheng abweisend.

»Es ist dringend. Nareng ist wahrscheinlich tot.«

»Was?«, schrie Rafna.

Im nächsten Moment hatte er die Verbindung auf eine Nebenstelle in der Nähe des Aufenthaltsorts der Kommandantin geschaltet. Natürlich würde er mithören, doch das störte mich nicht.

Auf dem Bildschirm war das Oval von Phuma Gashdors Gesicht zu sehen, dessen Schönheit durch die Linien um ihren Mund, die Strenge verrieten, abgemildert wurde. Sie erinnerte mich stets ein wenig an meine frühere Chefin. »Was ist los, Tashit?«, fragte Phuma.

»Tashit Lovelin an Bord der Kogge GRUWEL«, meldete ich mich vorschriftsmäßig – und GRUWEL sagte ich, weil das der offizielle Name des Raumschiffs war; BANSHEE nannte ich sie nur für mich allein. »Position tausendsiebzig Lichtjahre nordwestlich von Hitchi – im Orbit um den neunten Planeten der rubinroten Sonne Nachors Auge, den unser Missionschef nach sich Mushak genannt hat. Ich fürchte, er ist umgekommen.«

»Nareng?«, fragte Phuma erschrocken. Sie holte tief Luft. »Aber du weißt es nicht. Wie kommst du zu dieser Vermutung, Tashit?«

Ich musste mich dazu zwingen, die Geschichte von Anfang an zu erzählen und nicht von hinten, wie meine Erregung mich drängte.

»Auf Narengs Anweisung setzte ich ihn vor rund zwei Tagen zusammen mit seinen Spezialrobotern Eric und Dunja und einem Basiscontainer auf der Eiswelt Mushak ab«, berichtete ich. »Wir hatten aus dem Orbit vage Umrisse von Anlagen unter der Eisdecke entdeckt. Nareng wollte zu ihnen vorstoßen und sie erforschen. Mich schickte er mit dem Auftrag weg, den Asteroidenring zwischen den Bahnen des dritten und des vierten Planeten zu erkunden und nach zwei Tagen zurück zu sein.«

»Du hast ihn allein auf einem fremden Planeten gelassen?«, fragte Phuma drohend. »Auf einer Welt mit Zeugnissen von Aktivitäten intelligenter Wesen?«

»Er hat es so gewollt«, konterte ich. »Und er ist der Missionschef – oder er war es.«

»Was ist passiert?«, fragte die Kommandantin ungeduldig.

»Es hat eine Explosion auf Mushak gegeben. Ich befand mich zu der Zeit auf dem Rückflug und war rund fünf Lichtsekunden von Mushak entfernt. Die Explosion fand in dem Gebiet statt, in dem Nareng von Bord gegangen war. Die im Normalbereich freigesetzte Energie entsprach der einer H-Bombe von rund achtzig Kilotonnen TNT-Äquivalent, aber es kann keine H-Bombe gewesen sein, denn gleichzeitig mit der Ortung schlugen die Strukturtaster aus.«

»Verdammt!«, entfuhr es Phuma. »Das hört sich nicht danach an, als hätte Nareng die technische Hinterlassenschaft von Kartanin entdeckt. Da haben andere Intelligenzen ihre Finger oder sonstige Greiforgane im Spiel gehabt. Versuche, Nareng per Funk zu erreichen!«

»Tatsächlich?«, erwiderte ich sarkastisch. »Darauf wäre ich allein niemals gekommen, Chefin.«

»So hatte ich es nicht gemeint«, erklärte Phuma mit einer Spur von Verlegenheit. »Ich rechnete lediglich damit, dass du nicht allein darüber entscheiden wolltest, durch Anfunken eines wahrscheinlich von fremden technischen Hinterlassenschaften kontaminierten Planeten die GRUWEL zu gefährden.«

»Durch ein solches Zögern hätte ich aber gegen die Dienstvorschriften verstoßen, die eindeutig aussagen, dass in einem Notfall und bei Lebensgefahr für Mitglieder der PIG die Unversehrtheit von technischem Gerät als sekundär einzustufen ist«, entgegnete ich provozierend.

»Im Prinzip gebe ich dir recht, Tashit«, entgegnete Phuma. »Jedoch: Niemand auf Hitchi hat dich mit den Dienstvorschriften vertraut gemacht. Ich frage mich also, woher du die Dienstvorschriften der Flotte kennst.«

Ich schluckte eine Verwünschung hinunter, als ich mir meines Fehlers bewusst wurde. Aber irgendwann hatte ich mich verraten müssen. Doch die Lage war nicht verloren. Die Dienstvorschriften der Flotte waren nicht geheim. Es gab ganz sicher Infos, in denen man sich über sie informieren konnte, selbst wenn man nie etwas mit der Flotte zu tun gehabt hatte.

»Irgendwo habe ich früher etwas darüber gelesen«, sagte ich betont gleichmütig. »Außerdem hat Nareng mich während des Herfluges über einige Vorschriften belehrt. Aber wir reden hier über Nebensächlichkeiten, während Nareng entweder tot ist oder dringend Hilfe benötigt. Kommandantin, ich ersuche darum, unverzüglich am Rand des Explosionsgebiets auf Mushak landen und unter Ausschöpfung aller Möglichkeiten nach Nareng suchen zu dürfen. Wenn es um die Landung auf einem fremden Planeten geht, der mit großer Wahrscheinlichkeit einmal intelligente Wesen beherbergt hat, darf ich nicht nach eigenem Ermessen vorgehen.«

»Das weiß ich selbst!«, schrie Phuma Gashdor. Die Sorge um ihren Stellvertreter zehrte an ihren Nerven. »Dein Ersuchen ist hiermit genehmigt, Tashit Lovelin. Du hast bisher die beiden Muftis der GRUWEL nicht erwähnt. Heißt das, sie befinden sich noch an Bord?«

»Tingg und Tangg sind bei mir«, antwortete ich. »Ich werde sie ebenfalls zur Suche einsetzen, Chefin.«

»Chefin!«, echote Phuma pikiert. »Niemand nennt mich so. Und wen außer den beiden Muftis willst du zur Suche einsetzen?«

»Mich natürlich«, gab ich zurück. »Ich melde mich wieder, sobald die GRUWEL auf Mushak steht. Ende!«

Ich unterbrach die Verbindung und steuerte die BANSHEE aus dem Orbit und in eine optimale Abstiegsbahn. Für ein paar Sekunden spielte ich mit dem Gedanken, meinen unsichtbaren Helfer einzusetzen. Ich verzichtete darauf. Er hätte Nareng nicht mehr helfen können, falls der Ezialist zum Zeitpunkt der Explosion in dem betreffenden Gebiet gewesen war. Und ohne äußerste Not wollte ich das Geheimnis meines Unsichtbaren nicht preisgeben. Ich durfte nicht einmal mit ihm sprechen, selbst wenn sich außer mir kein intelligentes Lebewesen an Bord befand. Der Bordsyntron war stets präsent und würde seine Schlüsse ziehen – und aufzeichnen.

Ich wandte mich dem Sektor der Panoramagalerie zu, der fast absolut dunkel war. Irgendwo dort »schwamm« die Sterneninsel mit dem Namen Milchstraße im intergalaktischen Raum. Mit bloßem Auge war nichts von ihr zu sehen. Immerhin war sie rund 2,5 Millionen Lichtjahre entfernt. Das hieß, von meiner Position aus waren es rund 98.000 Lichtjahre weniger, denn das System von Nachors Auge lag im äußersten Randgebiet von M 33 – und zwar in der Richtung, wo es zur Milchstraße ging.

Blickte ich in die andere Richtung und an dem Planeten Mushak vorbei, sah ich durch die sternenarmen Ausläufer desselben Kugelsternhaufens, zu dem auch Hitchi gehörte, annähernd senkrecht auf die Ebene Pinwheels und erkannte außerhalb der galaktozentrischen Gasballung die verworrenen Linien der stärkeren Spiralarme, der Sternwolken und der Dunkelwolken.

Es sah alles weit weniger harmonisch aus als ein Draufblick auf die Ebene der Milchstraße, die einen stärker ausgebildeten Kern besaß und in sich geschlossener wirkte, während die äußeren Spiralarme von M 33 aus größerer Entfernung aussahen, als würden sie durch die Rotation ihrer Galaxis in den Leerraum gewirbelt und verlören sich dort allmählich.

Ich wandte mich wieder dem Bildsektor zu, der die Oberfläche Mushaks zeigte. Die Höhe betrug inzwischen knapp 300 Kilometer, und eine Ausschnittvergrößerung ließ das Explosionsgebiet in seiner deprimierenden Hässlichkeit erkennen.

Vorsichtshalber aktivierte ich den Paratronschirmprojektor, da ich mich einer möglichen Zielpositronik nicht als leichtes Opfer zu präsentieren gedachte. Ein von mir als angenehm empfundener Nebeneffekt bestand darin, dass das hektische Blinken des Hyperkombildschirms und das im gleichen Rhythmus ertönende Pfeifen ausblieben, mit denen mich Phuma Gashdor hatte veranlassen wollen, wieder auf Empfang zu gehen. Der Paratronschirm ließ selbst stärkste Hyperkomsignale nicht durch, wenn keine entsprechende Strukturlücke geschaltet war. Das aber lag mir fern. Ich musste mich auf das Kommende konzentrieren.

»Nein, Fatala!«, wehrte ich ab, als ich eine winzige fremde Regung in meinem Bewusstsein verspürte. »Keinerlei Einmischung mehr, so wie es ausgemacht war.«

Der Bordsyntron zog mit einem hellen Zwitschern meine Aufmerksamkeit auf sich, dann fragte er mit seiner fast menschlich klingenden Vocoderstimme: »Für wen waren deine Worte bestimmt, Tashit Lovelin? Es ist mir nicht gelungen, mich oder ein anderes Bordsystem als Adressaten zu bestimmen.«

»Das war nicht möglich«, gab ich zurück. »Ich sprach mit mir selbst – und mit meinem Schicksal.«

»Wenn ich mir dazu eine Bemerkung erlauben darf«, erwiderte der Bordsyntron.

»Darfst du nicht!«, beugte ich einer Diskussion vor, die fruchtlos gewesen wäre. »Ich bin nicht gewillt, mit dir über philosophische Aspekte des Lebens zu diskutieren.«

Daraufhin schwieg der Syntron. Das war sein Plus im Vergleich mit intelligenten Lebewesen. Mit ihm musste man nicht diskutieren, wenn man es nicht wollte.

Ich landete die Kogge dicht vor dem Rand des Explosionsgebiets, desaktivierte die Triebwerkssysteme, ließ aber den Paratronschirmprojektor eingeschaltet.

Die Hypertaster und die normal lichtschnell arbeitenden Ortungssysteme untersuchten die Umgebung und gaben ihre Resultate an den Bordsyntron weiter, der sie aufbereitete, miteinander in Beziehung setzte und zu Analysen verarbeitete, die auf den entsprechenden Bildschirmen in der Hauptzentrale erschienen.

Ich beachtete sie nicht, sondern beschränkte mich auf die normaloptische Beobachtung der Außenwelt. Nachors Auge war eine ungewöhnlich lichtstarke Sonne für ihre Größe. Sie war etwa zehnmal so groß wie Warwock, um die Hitchi als zweiter Planet kreiste, und höchstens doppelt so groß wie Sol. Dennoch erzeugte sie auf ihrem neunten Planeten eine Tageshelligkeit, die an die in wolkenfreien Gebieten Terras herankam.

Im Schein von Nachors Auge sah der aufgewölbte Rand des Explosionsgebiets mit seinen übereinandergetürmten Eisschollen wie mit Blut übergossen aus. Dahinter lag eine beinahe ebene Fläche, deren Oberfläche aus feinem schwarzem Staub zu bestehen schien, der das Sonnenlicht nur schwach reflektierte.

Das war sicher ein Phänomen, das untersucht werden musste. Für mich war es jedoch vorrangig, zu erkennen, dass es keinen Explosionstrichter gab. Das erhärtete meine anfängliche Vermutung, dass die Explosionserscheinung nicht von der Detonation einer H-Bombe herrührte.

Ich zog die Ortungsanalysen des Bordsyntrons zurate. Sie waren dermaßen widersprüchlich, dass ich mit ihnen nichts anfangen konnte. Ich kam zu dem Schluss, dass es auf Mushak etwas gab, das die Hypertaster störte.

Mir wurde immer unbehaglicher zumute. Am liebsten wäre ich auf dem schnellsten Weg nach Hitchi zurückgekehrt. Doch ich überwand diesen Fluchtinstinkt, nicht zuletzt deswegen, weil ich wusste, ich würde nicht eher Ruhe finden, als bis ich Gewissheit über Narengs Schicksal gewonnen hatte.

Wo hoch komplizierte Geräte versagten, musste der Mensch her und mit seinen artspezifischen Sinnen versuchen, Rätsel zu lösen und Geheimnisse zu ergründen. Das war schon immer so gewesen.

»Tingg und Tangg!«, sprach ich die beiden Multifunktionsroboter an, die im Raumfahrerjargon der Galaktiker kurz und bündig Muftis genannt wurden. »Ihr werdet gebraucht. Vollaktivierung!«

Die beiden äußerlich hominiden Roboter, die normalerweise in ihren den Körperformen nachgebildeten Nischen innerhalb der Hauptzentrale ruhten, gerieten in Bewegung. Zuerst glühten ihre Augenzellen rötlich auf, dann lösten sie sich leise summend von ihren Anschlüssen an die Systeme des Schiffes und traten aus den Nischen.

»Zu Diensten, Herr!«, sagten sie mit beinahe menschlich klingenden Vocoderstimmen und blieben drei Schritte vor mir stehen.

Ich hatte den Kontursessel so herumgeschwenkt, dass ich ins Innere der Hauptzentrale und damit auf die beiden Roboter blickte. »Macht das Dreimannbeiboot in Hangar G-09 startklar und wartet dort auf mich!«, befahl ich.

Tingg und Tangg bestätigten, wandten sich um und verließen mit dem für Primitivroboter ihrer Baureihe typisch steifen Gang die Zentrale. Die beiden Spezialroboter, die Nareng Mushak mitgenommen hatte, waren höher qualifiziert gewesen.

Ich öffnete meine Anschnallgurte, stieg aus dem für meine Körpergröße überdimensionierten Kontursessel, reckte mich und öffnete die Rückwand des Sessels. Dort war mein SERUN verstaut, der ganz und gar nicht aus PIG-Beständen stammte, sondern schon zu mir gehört hatte, als noch niemand an die Gründung der Pinwheel Information Group gedacht hatte.

Nachdem ich das Überlebenssystem übergestreift, geschlossen und durchgecheckt hatte, wollte ich die Zentrale verlassen und zum Hangar G-09 gehen. Dabei fiel mein Blick routinemäßig auf die Kontrollen der Schiffssysteme – und ich erstarrte vor Schreck. Denn die Kontrollen wiesen aus, dass der Paratronschirm, der das Schiff schützen sollte, nicht mehr existierte – und das, obwohl die betreffenden Projektoren aktiviert und nicht von der Energieversorgung abgeschnitten waren.

Ebenso schlimm war, dass der Bordsyntron auf diese Tatsache überhaupt nicht reagiert und keinen Alarm ausgelöst hatte, wie es in seiner Programmierung verankert war. Das konnte nur durch massive Beeinflussung hervorgerufen worden sein, wobei es allenfalls eine sekundäre Rolle spielte, ob diese Beeinflussung gezielt auf die BANSHEE gerichtet war oder nicht. Primär war die Erkenntnis, dass es in diesem Sektor von M 33 offenkundig abermals zu dimensional übergeordneten energetischen Turbulenzen gekommen war.

Ich spürte, wie meine Haltung sich versteifte. Langsam wandte ich mich dem Hyperkom zu, der als würfelförmiges Gebilde von mehreren Metern Kantenlänge in der Hauptzentrale stand. Der Bildschirm war dunkel und zeigte nicht einmal die Spur eines Flackerns, und die akustischen Systeme des Hyperkoms blieben stumm. Dabei war ich sicher, dass Phuma Gashdor auf Hitchi alles unternahm, um die Hyperkomverbindung zu mir wiederherzustellen. Sie war in solchen Dingen sehr hartnäckig, und da es keinen Paratronschirm mehr um das Schiff gab, hätten der Hyperkomschirm blinken und seine akustischen Systeme pfeifen sollen.

Mir wurde langsam klar, dass die dimensional übergeordneten energetischen Turbulenzen mehr zu bedeuten hatten, als anfangs von mir angenommen. Sehr wahrscheinlich beschränkten sie sich nicht auf einen kleinen Raumsektor in M 33, sondern wirkten sich in viel größerem Umfang aus.

Mir wurde angst und bange, denn ich ahnte, dass sich da etwas anbahnte, was abermals schonungslos in mein Schicksal eingreifen würde – und vielleicht nicht nur allein in meines.

Aber diese Gefühle hielten nicht lange an, denn die Pflicht rief. Nicht die Pflicht gegenüber der PIG, die von mir nicht mehr als das unbedingt notwendige Maß an Loyalität erwarten konnte, sondern die Pflicht gegenüber dem Mitmenschen Nareng Mushak, der ein Anrecht darauf hatte, dass sein Schicksal geklärt wurde.

Nicht zu viel nachdenken!, befahl ich mir selbst.

Ich riss mich zusammen und ging zum Hangar, in dem Tingg und Tangg bereits in dem startklaren Dreimannbeiboot auf mich warteten. Die beiden Muftis saßen auf den beiden Sesseln links und rechts neben dem Pilotensitz. »Alles klar, mein Herr!«, meldete Tingg.

Wortlos ließ ich mich auf den Pilotensitz fallen, schnallte mich an und löste den automatisch gesteuerten Ausschleusungsvorgang aus. Wenig später jagte das ovale Beiboot über die Fläche aus feinem schwarzem Staub auf den Mittelpunkt des Explosionsgebiets zu. Ich hatte den HÜ-Schirm aktiviert. Im Unterschied zum Paratronschirm stand er sofort nach der entsprechenden Schaltung. Er besaß allerdings keine sechsdimensionale Feldkonstante, sondern existierte einzig im fünfdimensionalen Feldbereich.

Ein schwarzer Trichter gähnte mir entgegen.

Unbehelligt hatte ich mit dem Beiboot den Mittelpunkt des Explosionsgebiets erreicht und dort einen an der Oberfläche circa 90 Meter durchmessenden, energetisch neutralen Trichter vorgefunden, der zuvor von keinem Ortungsgerät erfasst worden war.

Das mochte an seiner energetischen Neutralität liegen, die im Grunde genommen mein Gemüt beruhigen sollte, es aber nicht tat, weil ich keine Erklärung für diese Neutralität zu finden vermochte, die es in dieser Form nicht geben dürfte, weil das allen mir bekannten Naturgesetzen widersprach.

Dicht vor dem Rand des Trichters hatte ich das Beiboot angehalten. Seitdem versuchte ich herauszufinden, was innerhalb des Trichters vorging, und vor allem, was sich unter ihm abspielte. Aber seine Neutralität widerstand allen Versuchen meiner Ortungssysteme, seine Geheimnisse zu erforschen.

»Tingg!«, rief ich einen meiner Muftis auf. »Leider kann ich es dir nicht ersparen, dich allein dort hineinzuschicken.«

»Ja, Herr!«, erwiderte Tingg.

Ich war froh darüber, dass sich kein anderer Mensch in der Nähe befand, sonst wäre ich bald zum Gespött aller Stationsangehörigen von Hitchi geworden. Verdientermaßen, wie ich einsah. Sentimentalität gegenüber Robotern entbehrt jeder Logik.

Ich deutete in den etwa 100 Meter tiefen Abgrund. »Du wirst mit dem Antigrav und mit aktiviertem HÜ-Schirm dort hinabsteigen und dabei ständig in Funkverbindung mit mir bleiben! Versuche, durch den Grund des Trichters hindurchzustoßen und festzustellen, wie die Verhältnisse dort sind.«

»Ja, Herr!«, bestätigte der Roboter.

Eine halbe Minute später verließ er die Schleuse des Beiboots und schwebte senkrecht in den Trichter hinab. »Alle Systeme arbeiten richtig«, berichtete er.

»Weitermachen!«, erwiderte ich.

Er war klar und deutlich auf dem Bildschirm der Ortung zu sehen, und sein Metallplastikkörper reflektierte die Ortungsimpulse einwandfrei. Gespannt verfolgte ich ihn. Ich sah ihn sogar optisch-direkt durch das Panzertroplon der Beibootkanzel.

Bevor ich merkte, dass er unten angekommen war, wurde er sowohl für die Ortung als auch für die optische Direkterfassung unsichtbar. Er verschwand von einem Sekundenbruchteil zum anderen von den Anzeigen. Ich dachte eine Verwünschung.

Nur routinemäßig rief ich über Funk nach Tingg – und ich war verblüfft, als er mir antwortete:

»Alle Systeme arbeiten fehlerlos.«

Das war wie verhext, denn eigentlich hätte es keine Funkverbindung zwischen dem Beiboot und dem Roboter unterhalb des Trichters geben dürfen.

»Was siehst du?«, fragte ich gespannt.

»Über mir gar nichts«, antwortete der Mufti. »Unter mir ist ein circa neunzig Meter tiefer und neunzig Meter durchmessender halbkugelförmiger Hohlraum, von einem wahrscheinlich multidimensionalen Energiefeld umschlossen. In seinem Mittelpunkt schwebt ein sechsflächiger Körper aus einem Material ähnlich Ynkenit; Länge fünf Meter, Höhe drei Meter. Ich sinke direkt auf ihn zu und werde in wenigen Sekunden Kontakt mit ihm haben.«

»Lande auf seiner Oberfläche, aber unternimm sonst nichts!«, ordnete ich an.

Wenige Sekunden später teilte Tingg mir mit, dass er auf dem Objekt gelandet sei und dass es darauf in keiner erkennbaren Weise reagiert hätte.

»Ich komme nach«, erklärte ich.

Ich ließ den HÜ-Schirm des Beiboots aktiviert, als ich es in den Trichter hinabsteuerte, denn ich traute dem Frieden nicht.

Als das Dreimannbeiboot den Grund des Trichters durchstieß, änderten sich die Verhältnisse. Die Ortung arbeitete wieder, wenn auch nicht nach oben. Aber ich konnte durch sie das halbkugelförmige Energiefeld erkennen und in seinem Mittelpunkt den Sechsflächner aus flamingofarbenem Material.

Auf der mir zugewandten Fläche stand Tingg, seinen HÜ-Schirm so geschaltet, dass das Energiefeld den Raum unterhalb seiner Füße aussparte.

»Siehst du das Beiboot, Tingg?«, fragte ich.

»Ich sehe es, Herr«, antwortete der Roboter.

Diese Antwort befriedigte mich und befriedigte mich zugleich nicht, denn sie gab mir keine Entscheidungshilfe. Leicht frustriert steuerte ich das Beiboot an den Sechsflächner heran und verankerte es mit einem schwachen Gravoanker.

Danach zerbrach ich mir vergeblich den Kopf darüber, was als Nächstes zu tun sei. Ich hatte nicht die geringste Ahnung davon, was der Sechsflächner war und welchem Zweck er diente. Deshalb wusste ich nicht, wie weit ich ihm gegenüber gehen durfte.

Sollte ich versuchen, einen Öffnungsmechanismus zu finden? Oder sollte ich meine Handwaffe auf Impuls oder Desintegration schalten und den Sechsflächner gewaltsam öffnen?

Ich musste immerzu an Nareng Mushak denken und dass er mit großer Wahrscheinlichkeit durch die Explosion getötet worden war. Vor allem aber daran, warum diese Explosion ausgelöst worden war.

Vielleicht, weil er versucht hatte, den Sechsflächner zu öffnen? Wenn es sich so verhielt, was würde geschehen, wenn ich seinen Versuch wiederholte?

Ich steckte in einem Dilemma, dem mit Logik nicht beizukommen war, denn logisch wäre es gewesen, wenn ich mich so schnell wie möglich zurückgezogen und die Eiswelt verlassen hätte. Doch meine Neugier war schon immer stärker gewesen als jede Logik, und erneut siegte sie.

Schwitzend vor Angst, aber dennoch entschlossen, meinen Vorsatz in die Tat umzusetzen, klappte ich den Druckhelm zu. Ich überzeugte mich davon, dass ich meinen Kombilader dabeihatte, und schleuste aus.

Außerhalb des Beiboots schwand meine Angst zusehends, denn ich konnte mich mit dem Objekt meiner Neugier befassen. Indem ich meinen Gravopak durch geflüsterte Anweisungen an die SERUN-Positronik steuerte, schwebte ich langsam um den Sechsflächner herum und nahm Messungen mit meinem Multidetektor vor.

Er konnte nichts Besonderes herausfinden, und die Tatsache, dass der Sechsflächner vor langer Zeit hyperenergetischen Einflüssen ausgesetzt worden war, was sich durch eine schwache Reststrahlung feststellen ließ, stufte ich nicht als aufsehenerregend ein. Wesentlich wichtiger erschien es mir, dass das Objekt anscheinend nicht dafür vorgesehen war, geöffnet zu werden. Jedenfalls nicht auf konventionelle Art und Weise.

Folglich blieb mir nichts übrig, als es auf unkonventionelle Weise zu versuchen. Ich zog meinen Kombilader, schaltete ihn auf Impuls und starke Bündelung, stellte mittlere Intensität ein und richtete die Mündung der Waffe auf die Längskante des Sechsflächners. Danach presste ich die Hand um das Griffstück – wodurch die Waffe ausgelöst wurde – und schwebte langsam um den Sechsflächner herum.

Ich hinterließ einen haarfeinen Riss in der Längskante, der tiefer zu gehen schien, als er bei der originalen Ynkelonium-Terkonit-Legierung hätte gehen dürfen. Demnach war die Qualität des fremden Materials nicht ganz so hervorragend wie die von echtem Ynkenit.

Als ich den Sechsflächner einmal umrundet hatte, geschah das, was ich kaum zu hoffen gewagt hatte. Der Riss erweiterte sich knirschend. »Verankern und um zwei Meter anheben, Tingg!«, befahl ich dem auf dem Objekt stehenden Mufti.

Er gehorchte wie üblich. Als er sich mithilfe seines Antigravs hob, zog er die obere Hälfte des Sechsflächners mit. Darunter kam eine Art gläserner Sarg zum Vorschein. Hinter der transparenten Wandung erblickte ich ein menschenähnliches Lebewesen. Es war zweiarmig und zweibeinig, besaß einen Rumpf, einen Hals, einen Kopf und an jeder Hand fünf Finger. Wie es um seine Zehen stand, vermochte ich nicht zu sehen, da es Stiefel trug, die eine Einheit mit dem Raumanzug bildeten, in den der Unbekannte gekleidet war. Dieser Raumanzug schien bis auf den Klarsichthelm aus purem Gold zu bestehen.

Unwillkürlich dachte ich an die Mumie des ägyptischen Gottkönigs Echnaton, die ebenfalls in pures Massivgold eingebettet gewesen war. Natürlich kam ich keinen Moment lang auf die Idee, der Fremde könnte identisch mit dem Gottkönig sein, obwohl ich in dieser Hinsicht bereits die größten Überraschungen erlebt hatte.

Aber allein die Körperlänge von rund zwei Metern sprach dagegen. Die gedankliche Assoziation zu einer Mumie war mir nur gekommen, weil das Gesicht des Fremden mit seiner dunkelbraunen Färbung und der so gut wie fleischlosen, lederartigen Haut und den tief eingesunkenen Augen mumifiziert wirkte.

Zweifellos handelte es sich um ein intelligentes Lebewesen. Ob es allerdings noch lebte, tot oder konserviert war, vermochte ich nicht festzustellen.

Ich vermutete, dass es sich um ein energetisch konserviertes Intelligenzwesen handelte, das von anderen Wesen seiner Art vor unbekannten Zeiten an diesem Ort deponiert worden war – und dessen Aufenthaltsort der Obhut eines Sicherheitssystems anvertraut worden war, das sich aktiviert hatte, als Nareng Mushak in das von ihm behütete Territorium eingedrungen war. Und das anscheinend bei der Abwehr und Tötung des Ezialisten energetisch ausgebrannt war, denn sonst hätte es mich längst ebenfalls töten müssen.

Fasziniert musterte ich das seltsame Symbol auf der rechten Brustseite des Goldenen. Es war erhaben und stellte eine Halbkugel – ähnlich einer aufgehenden Sonne – dar, aus der Strahlenzacken hervorragten, deren Größe von links nach rechts zunahm.

Ich wurde aus meiner Versunkenheit gerissen, als der Minikom meines SERUNS ansprach und eine Vocoderstimme sagte: »Achtung, hier spricht der Bordsyntron der Kogge GRUWEL! Rotalarm! Das Schiff wird von Hyperimpulsen getroffen, die seine Funktionen beeinträchtigen und anscheinend eine Veränderung der Raum-Zeit-Struktur im Umkreis einiger Lichtsekunden verursachen.«

Mehr sagte der Bordsyntron nicht. Er wiederholte seinen Spruch in kurzen Abständen.

Ich wusste dennoch, was ich zu tun hatte. Wenn es stimmte, was der Syntron berichtete, konnte in absehbarer Zeit ein Ereignis eintreten, das das Schiff und mich für immer zu trennen vermochte. Das aber durfte nicht sein, denn ein Raumfahrer ohne sein Schiff war in den Weiten des Alls verlorener als ein Staubkorn in der flammenden Korona einer Sonne.

»Zurück zum Beiboot, Tingg!«, befahl ich. »Und dann zurück zum Schiff!«

Adieu, Nareng Mushak!, fügte ich in Gedanken hinzu. Deine Seele ruhe in Frieden! Adieu, Goldener! Adieu, Eiswelt!

Ich schleuste Tingg und mich ein, dann startete ich das Dreimannbeiboot und jagte, den Peilimpulsen der BANSHEE folgend, auf das Schiff zu, das allein Schutz vor den entfesselten Elementen bieten würde.

Oder vor anderen, unbekannten Gefahren ...

Die Eiswelt Mushak hüllte sich schlagartig in eine golden strahlende Aureole, hinter der das rubinrote Licht der Sonne Nachors Auge verblasste.

Ich hastete, vom Beiboothangar kommend, in die Hauptzentrale, warf mich keuchend in den Pilotensitz und nahm die Notstartschaltungen vor. Das goldfarbene grelle Leuchten in den Bildschirmen der Panoramagalerie drohte mich in den Wahnsinn zu treiben.

Gleichzeitig mit dem Aufleuchten der Kontrollen begann es tief im Innern des Schiffes zu grollen. Ich aktivierte die Sicherheitssysteme. Aus den Seitenteilen meines Kontursessels schnellten die Sicherheitsgurte heraus und legten sich um meinen Körper.

»Alarmstart?«, meldete sich der Bordsyntron fragend. »Sind unterstützende Maßnahmen erwünscht?«

»Sie sind dringend erforderlich!«, gab ich zurück, während das Grollen aus der Tiefe des Schiffes zu einem gleichmäßigen Donnern wurde, dessen Lautstärke von Sekunde zu Sekunde abnahm.

Die helle Beleuchtung der Zentrale sank zu einem dunkelroten Glühen ab. Dadurch wurden die Kontrollanzeigen und die Bildschirme für menschliche Augen besser sichtbar.

Plötzlich schrillten grelle Pfeiftöne auf. Es waren nicht die Alarmpfeifen des Schiffes, so viel erkannte ich.

»Bordsyntron an Piloten!«, krachte die vertraute Vocoderstimme aus allen Lautsprechern. »Erneut einfallende Hyperimpulse stören den Aufbau des virtuellen G-Punkts. Bei Aktivierung des Metagravs zwecks Start würden Schleudereffekte auftreten, die die Schiffszelle erheblich belasteten.«

Ich fragte nicht nach, denn mir war klar, dass es um Sekunden ging. Stattdessen löschte ich die in Bereitschaft geschaltete Aktivierung des Metagrav-Antriebs und nahm die Umschaltung auf den Start mittels Impulstriebwerken und Antigravunterstützung vor.

Das kaum hörbare Donnern aus den Tiefen des Schiffes wurde abermals zu einem lautstarken Grollen. Auf den Bildschirmen der Panoramagalerie wurde ein helles Wabern sichtbar, das aus den Impulstriebwerken unter und vor allem hinter dem Schiff brach.

Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, den Hyperkom zu aktivieren und nach Hitchi zu rufen. Die Verbindung kam nicht zustande, aber auf dem Hyperkombildschirm tanzten irrsinnige Lichtmuster, die den Wahnsinn in mein Gehirn zu brennen drohten, und aus den Lautsprechern kamen Geräusche, die entfernte Ähnlichkeit mit höhnischem Gelächter hatten.

Was, zum Teufel, ging im Dreiecksnebel vor?

Ich schaltete die Triebwerke auf Startschub. Ein heftiges Beben lief durch das Schiff, während die Bildschirme der Panoramagalerie nichts als wirbelnde Gluten zeigten. Der Antigrav machte die Kogge zwar schwerelos, aber ihre Masse von rund drei Millionen Tonnen musste erst einmal in Bewegung gesetzt werden, um die Massenträgheit zu überwinden.

Ich war heilfroh, dass es auf Mushak keine intelligenten Bewohner gab, denn der Glutorkan, der von den Impulstriebwerken der BANSHEE entfacht wurde, hätte ausgereicht, eine Großstadt verglühen zu lassen.

Das Schiff ruckte heftig an und raste im Winkel von circa 25 Grad aufwärts. Hinter ihm blieben gigantische Dampfwolken zurück, die infolge ihrer hohen Temperaturen bis an die Obergrenze der Stratosphäre wirbelten.

Ich schaltete auf Vollschub. Die BANSHEE verwandelte sich in einen Feuerpfeil, der durch die Atmosphäre und Sekunden später durch die Stratosphäre schoss. Der automatisch aktivierte Prallfeldschirm riss die störenden Luftmassen vor dem Bug des Keilraumers auseinander und ließ sie als leuchtende Wolke ionisierter Gase zurück.

Noch einmal davongekommen!, dachte ich.

Im nächsten Augenblick wurde es unheimlich still um mich herum. Alarmiert blickte ich auf die Bildschirme der Panoramagalerie – und erschrak. Nichts mehr war von Mushak zu sehen, nichts mehr von seiner Aureole, nichts von Nachors Auge und nichts von den anderen Sternen, die sich zuvor mit bloßem Auge hatten erkennen lassen. Die BANSHEE schwebte anscheinend bewegungslos in einem nachtdunklen, sich nach allen Seiten erstreckenden Abgrund, der viele Tausend Lichtjahre tief zu sein schien. Nur in sehr großer Entfernung geisterten schwache Lichterscheinungen durchs All.

Und die Triebwerke des Schiffes schwiegen. Wo, bei allen Black Holes des Universums, war ich hingeraten?

Ich zuckte zusammen, als ein lautes Schnarren die Stille durchschnitt.

Es klang so ähnlich wie das einer Narrenrassel, war aber lauter und schmerzte in den Zähnen. Vor allem war es absolut atypisch für die Geräusche innerhalb der Hauptzentrale einer Kogge.

Ich blickte mich gehetzt um. Dabei stellte ich fest, dass mein Druckhelm noch geschlossen war. Ich hatte es nicht bemerkt, weil sich automatisch Außenmikrofone und -lautsprecher einschalteten, sobald ich angesprochen wurde. Auf einen leisen Befehl von mir veranlasste die SERUN-Positronik das Öffnen, Zusammenfalten und Verstauen des Helmes.

Das schnarrende Geräusch kam aus den Feldlautsprechern des Hyperkoms. Anscheinend ging eine fremde Sendung ein, deren Umsetzung in verständliche Laute der Hyperkom-Positronik nicht gelang.

Da ich im Pilotensitz nichts auszurichten vermochte, stand ich auf und ließ mich im Kontursessel vor dem Hyperkom nieder. Ohne mir bewusst zu werden, dass mit den Manuellschaltungen nicht mehr erreicht werden konnte als das, was der Rechner des Hyperfunkgeräts allein erreichte, begann ich zu schalten, abzustimmen und auszuwerten.

Ich versuchte alles Mögliche, allerdings erfolglos – bis ich auf die Modulationsübersetzung eines Kodes schaltete, von dem ich nur nebenbei während einer Unterhaltung mit Rafna Kascheng etwas gehört hatte. Der kartanische Informationscode!

Fast augenblicklich wandelte sich das nervenzermürbende Schnarren in eine hektische Abfolge von Impulsgruppen, die sich akustisch durch eine Art Zwitschern und optisch durch leuchtende Zacken auf dem Hyperkombildschirm mitteilten.

Das war eindeutig: Die Impulsgruppen, die mein Hyperkom empfing, waren im kartanischen Informationscode gehalten. Natürlich war ich nicht im Besitz des entsprechenden Schlüssels, sodass ich keine Möglichkeit besaß, die Impulsgruppen zu decodieren und den ihnen zugrunde liegenden Funkspruch ins Interkosmo zu übersetzen.

Immerhin wusste ich nun, dass die Kartanin ihre Hände im Spiel hatten, möglicherweise auch bei allen Phänomenen, die ich auf Mushak und nach dem Start von der Eiswelt erlebt hatte. Allerdings war es merkwürdig, dass ich die Impulsgruppen empfing, während ich mich mit der BANSHEE offenbar in einer Raum-Zeit-Verwerfung befand, die mich vom übrigen Universum isolierte.

Ich warf einen Blick auf die Distanzanzeige des Hyperkoms. Sie wies aus, dass die Hyperfunk-Impulsgruppen, die ich klar und deutlich empfing, aus einer Entfernung von rund 870.000 Lichtjahren kamen. Und das war eigentlich unmöglich. Der Hyperkom an Bord einer normalen Kogge war nicht dafür gebaut, Hyperfunksprüche aus derart weiten Entfernungen aufzufangen. Es sei denn, sie würden mit einer Abgabeleistung gesendet, die alles übertraf, was ich bisher überlebt hatte. Oder die Raum-Zeit-Verwerfung bewirkte, dass mein Hyperkom Sendungen aus Entfernungen hereinholte, die um ein Vielfaches größer waren als die, wofür er angelegt war.

Oder hatte der Unsichtbare seine »Finger« im Spiel? Unwillkürlich blickte ich an die Stelle der Wandung der Hauptzentrale, an der er sich verbarg. Für den Bruchteil einer Sekunde wurde dort ein türkisfarbener Fleck sichtbar, dann verschwand er wieder. Ich verstand, was der Unsichtbare mir dadurch mitgeteilt hatte. Er war unbeteiligt an den Phänomenen, die mich so verwirrten.

Flüchtig dachte ich daran, dass es vielleicht besser wäre, er hätte sie verursacht, denn dann hätte er sie auf meinen Befehl wieder verschwinden lassen müssen. Doch diese Möglichkeit konnte ich vergessen. Wir hatten ein Abkommen getroffen – und ich wusste, dass er sich daran hielt.

Dann hätte er sich aber nicht zeigen dürfen!, durchfuhr es mich.

Dieser Gedankengang erschien mir logisch. Dennoch zweifelte ich nicht daran, dass der Unsichtbare sich an das Abkommen halten würde. Allerdings musste er das wissen, und das wiederum hieß, dass er es mir nicht mitteilen würde.

Folglich hatte die Erscheinung des türkisfarbenen Flecks etwas anderes zu bedeuten. Wahrscheinlich war sie gar nicht materiell-real gewesen, sondern nur in mein Bewusstsein eingeblendet worden. Aber was konnte er damit gemeint haben?

Ich schlug mir die flache Hand gegen die Stirn, als es mir wie Schuppen von den Augen fiel.

Natürlich war die Erscheinung eine Aufforderung gewesen: die Aufforderung, alle Möglichkeiten der Raum-Zeit-Verwerfung auszuschöpfen, soweit ich dazu in der Lage war.

Das war es!

Ich wusste plötzlich genau, was ich zu tun hatte. Langsam schloss ich die Augen und absolvierte eine Entspannungsübung. Als ich die Augen wieder öffnete, fühlte ich, dass mein Bewusstsein ein Maximum seiner Leistungsfähigkeit erreicht hatte.

Konzentriert widmete ich mich dem Hyperkom. Diesmal kam ich mit meinen Schaltungen schneller zum Ziel als zuvor. Die Impulsgruppen im kartanischen Informationscode wurden ausgeblendet.

Etwas später empfing ich die Fetzen von Nachrichtensendungen. Anfangs waren sie unverständlich, dann konnte ich sie klar einstellen – und plötzlich hatte ich einen Sender im Hyperkom, der sich Sender Freie Galaxis nannte. Ich begriff, dass der Sender sich in der Milchstraße befand und dass ich ihn dennoch klar empfing. Trotz der rund 2,5 Millionen Lichtjahre, die zwischen ihm und mir lagen!

Stimmt diese Entfernung überhaupt?, überlegte ich. Da ich mich in einer Raum-Zeit-Verwerfung befand, galten die Entfernungen wahrscheinlich nicht mehr. Was ehedem rund 2,5 Millionen Lichtjahre entfernt gewesen war, war vielleicht faktisch nur wenige Lichtstunden entfernt – und umgekehrt galt das ebenso. Das mochte der Grund dafür sein, dass ich zwar den Sender Freie Galaxis empfing, aber nicht den Sender des PIG-Außenpostens Hitchi.

Ich zwang mich dazu, nicht länger über solche Nebensächlichkeiten nachzudenken und stattdessen meine Sinne für die Informationen zu öffnen, die mir durch die Gunst der Verwerfung zufielen. Doch was mir zufloss, war mir größtenteils bereits bekannt. So erfuhr ich, dass in der Lokalen Galaxiengruppe relative Ruhe herrschte. Das kosmische Leuchtfeuer der Krieger, auch Gume Shujaa genannt, war erloschen. Der Gordische Knoten Stygians existierte nicht mehr. Und der Sotho Tyg Ian sowie sein Animateur Kralsh waren tot.

Die Lage in der Milchstraßengalaxis war gemischt. Offenbar gab es noch viele Galaktiker, die sich an den Kriegerkodex gebunden fühlten. Sie schienen jedoch nicht mehr bereit zu sein, dafür zu kämpfen, sondern hielten sich verunsichert zurück. Auf vielen Welten aber waren die aufgebrachten und durch den Tod des Sothos plötzlich furchtlos gewordenen Massen dabei, die Upanishad-Schulen zu schleifen.

Ich erfuhr zudem, wenngleich mehr oder weniger mit diplomatisch klingenden Feinheiten umschrieben, dass zwischen den Wissenden der Kartanin in M 33 und dem Galaktikum endlich ein fruchtbarer Kontakt hergestellt worden war. In der Residenz der Wissenden, der NARGA SANT, sollten sich zurzeit sogar zwei Mitglieder der PIG aufhalten. Ihre Namen wurden mit Nikki Frickel und Poerl Alcoun angegeben. Ich hatte diese Namen oft gehört, war aber nie mit beiden zusammengetroffen.

Ich konnte leider nur empfangen, aber nicht senden. Dennoch versuchte ich immer wieder, mit meinem Sender irgendwohin durchzukommen. Es gelang mir nicht.

Dafür empfing ich plötzlich den großen Hyperkom von Hitchi. Zwar blieb der Bildschirm dunkel, aber ich erkannte Phuma Gashdors unverwechselbare Stimme. Die Kommandantin des Außenpostens setzte eine Meldung an die PIG-Zentrale auf Kabarei ab und meldete, dass der Hyperkom von Hitchi starke, aber offenbar verstümmelte Hyperfunk-Impulsgruppen aufgefangen hätte, die möglicherweise aus Richtung Nordost kämen, von der Ebene der Galaxis Pinwheel aus betrachtet – und zwar aus der schier unglaublichen Entfernung von rund 870.000 Lichtjahren.

Schon bei der Erwähnung der Impulsgruppen hatte ich aufgehorcht. Als Phuma dann die Entfernung nannte, sprang ich vor Aufregung aus dem Sessel. »Es stimmt genau!«, schrie ich den Hyperkom an, obwohl ich wusste, dass Hitchi mich nicht empfangen konnte. »Die Impulsgruppen kommen aus einer Entfernung von rund achthundertsiebzigtausend Lichtjahren. Ich habe es selbst angemessen.«

Ich versuchte, durch alle möglichen Schaltungen eine Verbindung zu Hitchi herzustellen. Es misslang. Immerhin empfing ich die Sendung von Hitchi noch, wenn auch nur sehr schwach.

Kurze Zeit danach wurde sie von einer anderen Sendung überlagert. Sie kam von Kabarei und stellte offenkundig die Antwort auf die Nachricht von Hitchi dar.

Im Informationskodex der PIG – den ich natürlich kannte – wurde Phuma Gashdor mitgeteilt, dass ihre Informationen den Hohen Frauen auf Kartan zur Kenntnis gebracht worden seien. Diese hätten erwidert, es sei ihnen bekannt, dass ein Raumschiff vom Typ UMBALI vor zwei Jahren von der Galaxis Absantha-Gom gestartet wäre und etwa dieser Tage erwartet würde. Es sollte allerdings innerhalb von M 33 ankommen und nicht rund 880.000 Lichtjahre vom Zentrum Pinwheels entfernt. Kabarei unterrichtete Hitchi davon, dass die Hohen Frauen von Kartan sich wegen der Unstimmigkeit und daraus resultierenden Unsicherheit an die Stimme von Ardustaar wenden wollten, um sich dort Rat zu holen.

»Das tut mal!«, sagte ich beifällig.

Danach fühlte ich, dass die Aufregungen der letzten Stunden mich hungrig gemacht hatten. Ich ging in die Bordküche und bereitete mir aus verschiedenen Extrakten eine vegetarische Mahlzeit zu. Nachdem ich genüsslich gespeist hatte, kehrte ich in die Hauptzentrale zurück. Ein Blick auf den Hyperkom zeigte mir, dass es nichts Neues gab.

Allerdings rechnete ich damit, bald neue wertvolle Informationen zu bekommen. Deshalb setzte ich mich in den Kontursessel vor dem Hyperkom, ließ die Lehne weit zurückfahren, legte mich nieder und streckte die Beine auf dem hochgeklappten Teil des Sessels aus.

Bis auf gelegentliche gedämpfte Geräusche aus dem Hyperkom war es still in der Hauptzentrale. Deshalb war ich sicher, die nächsten Neuigkeiten nicht zu überhören. Doch wenige Sekunden später war ich eingeschlafen ...

2. Tovaris Suche

Ich wurde wach, als mein Kontursessel mich abwarf wie ein bockendes Pferd seinen Reiter. Heftiger Schmerz trieb mir die Tränen in die Augen, als ich auf dem Steiß landete.

Als ich mich ein wenig erholt hatte, versuchte ich zu erkennen, was die Panoramagalerie und die Ortungsbildschirme anzeigten. Auf den Bildschirmen sah ich nach wie vor nichts als den sich nach allen Seiten erstreckenden Abgrund und in vielen Tausend Lichtjahren Entfernung die bizarren, geisterhaften Lichterscheinungen.

Nein, ein wenig anders war es doch!

Die geisterhaften Lichterscheinungen blieben nicht alle und nicht stetig an den »Enden« des finsteren Abgrunds. Sie schossen mit verblüffender Geschwindigkeit in unregelmäßigem Wechsel auf mich – beziehungsweise mein Raumschiff – zu und rasten wieder davon. Es schien, als würde die BANSHEE unablässig von einem Ende des Universums zum anderen gewirbelt.

Langsam wälzte ich mich herum und versuchte, auf Hände und Knie zu kommen. Es wäre mir leichtergefallen, hätten die Schmerzen nicht jede Bewegung zur Qual gemacht. Schließlich schaffte ich es. Auf Händen und Knien bewegte ich mich zum nächsten Kontrollpult, wo es mir gelang, die Finger in die obere Kante zu krallen und mich langsam hochzuziehen.

Im nächsten Moment lag ich wieder auf dem Rücken – und ein neuer Tränenstrom schoss mir aus den Augen, denn natürlich hatte der ärgste Stoß wieder meinen lädierten Steiß getroffen.

Was, bei allen Naturgeistern Kamashs, war mit dem Universum los?

Vielleicht hätte ich Kamash niemals verlassen sollen. Obwohl, wenn ich es recht betrachtete, war die Zeit als Astral-Fischer in Perwela Grove Goors Freiem Wirtschaftsimperium eigentlich die beste Zeit meines Lebens gewesen.

Zumindest aber die zweitbeste Zeit, denn die beste Zeit war für einen Kamashiten naturgemäß nur die Zeit, in der er auf Kamash in Harmonie mit der Kollektivintelligenz dieses Planeten und damit in perfekter Harmonie mit der gesamten Natur lebte.

Ich richtete mich, als das Schiff wieder zur Ruhe gekommen war, ächzend auf und blickte dorthin, wo sich der Erbgott unserer Familie unsichtbar in der Wand verbarg. Nur seinetwegen hatte ich in jungen Jahren meine Heimat verlassen und war in den mehr als zwei Milliarden Lichtjahre von der Milchstraßengalaxis entfernten Raumsektor geraten, in dem das Freie Wirtschaftsimperium Perwelas existierte. Dort glaubte ich, vor dem »Ungeist« der Familie sicher zu sein.

Vielleicht wäre ich das bis ans Ende meines Lebens gewesen, wenn ich nicht auf der Suche nach fünfdimensionalen Strukturen mit meinem Subtimer in die gasförmige Materieballung einer Protogalaxis hineingeraten wäre, in der sich eine Basis des Dekalogs der Elemente verbarg. Die ÜBSEF-Konstante des träumenden Raumriesen verschuldete meinen Schiffbruch, ließ mich zum Spielball manipulierter Elemente werden und verschlug mich schließlich in die Tiefe, wo ich der schicksalhaften Begegnung von Atlan und Iruna von Bass-Teth beiwohnte und wo mir die große Ehre zuteilwurde, Iruna aus dem Tiefenland zu retten, da es für sie und Atlan den Tod bedeutet hätte, wenn sie wie der Arkonide in die Lichtebene gegangen wäre. In der Tiefe hatte mich mein Schicksal in Form von Lullog eingeholt. Nur, dass ich das damals nicht begriffen hatte, da Lullog in Form eines Psi-Eies namens Shiva beziehungsweise Zeitkind aufgetreten war. Aber unser Erbgott hatte es damals ebenso wenig wissen können wie ich, da er durch die verschiedenen Tiefeneinflüsse manipuliert und seiner Erinnerungen beraubt worden war, während ich mich selbst für den Astral-Fischer Giffi Marauder hielt, denn ich hatte vor der Reise in Perwelas Machtbereich meine Erinnerungen an mein früheres Leben gelöscht und auch mich selbst molekularchirurgisch ein wenig verändern lassen.

Nach einer Odyssee durch das Kollektivwesen von Eden II nach Terra, nach Arkon und schließlich nach Kartan war ich mit dem Schiff einer hochgestellten Kartanin in die Außenbezirke der Triangulum-Galaxis im geflüchtet, um den Nachstellungen meiner Mutter-Bruder-Tochter – nach terranischem Verständnis so viel wie Cousine, aber eben nur nach terranischem Verständnis – Lelila Lokoshan zu entgehen, die mich mitsamt Lullog nach Kamash zurückbringen wollte. Angeblich, weil unser Opa Shetvan sonst nicht sterben könnte.

Als das kartanische Schlachtschiff GARADAN vor einigen Monaten im Halo von M 33 havariert war, hatte ich mich mit einer Rettungskapsel fortkatapultieren können.

Alles war beinahe so gewesen wie damals im Machtbereich von Perwela Grove Goor: Ich war nach Wochen halbtot von Unbekannten aus dem All gefischt und in Sicherheit gebracht worden. Möglicherweise hatte Lullog zu meiner Rettung beigetragen, denn die Statuette verfügte über unglaubliche Kräfte, die sich nicht allein mit psionischen Begriffen definieren ließen, wahrscheinlich weil Lullog, wie Opa Shetvan einmal behauptet hatte, das Produkt der im dreidimensionalen Raum halbmateriell projizierten Sextadimenergie des Psi-Roboters Lucky Log war, der sich vor rund 50.000 Jahren mit dem Zeitauge Angekok verband und sich vor knapp 600 Jahren wieder aus dieser Verbindung löste, um ins Raum-Zeit-Kontinuum der Normalität zurückzukehren und sich meinem Urahn Patulli Lokoshan anzuschließen.

So kompliziert kann die Vergangenheit eines Kamashiten sein! Nun, das liegt an den Besonderheiten des Zeitalters, in das wir Kamashiten hineingeboren wurden. Die Vergangenheiten beispielsweise von Atlan oder Perry Rhodan oder Clifton Callamon, Ratber Tostan und anderen Großen waren teilweise viel abenteuerlicher.

Jedenfalls wurde ich von der Kogge des PIG-Außenpostens Hitchi aus dem Raum gefischt und nach Hitchi gebracht, wo mich die Kommandantin, Phuma Gashdor, kurzerhand als Hilfskraft dienstverpflichtet hatte. Mir blieb weiter nichts übrig, als mich zu fügen, denn andernfalls – so Phuma – wäre ich von der Verpflegungsliste gestrichen worden.

Aber ich hatte mein Geheimnis streng gehütet. Bis heute ahnten die Piggys von Hitchi nichts von meinem Erbgott und schon gar nicht, dass er stets unsichtbar in meiner Nähe war. Allerdings hatte ich mir selbst auferlegt, bis zur Veränderung meiner Lebensumstände die Hilfe Lullogs nicht zu beanspruchen – und er hatte sich mir gegenüber verpflichten müssen, niemals ohne meinen ausdrücklichen Befehl einzugreifen.

Dies jedoch schien der Augenblick sein, in dem ich unsere Vereinbarung aufkündigen musste, denn ohne Lullogs Unterstützung schien es keinen Ausweg aus dem Chaos zu geben, in das ich geraten war.

»Lullog, hilf mir!«, rief ich deshalb.

Eine Weile geschah nichts, außer, dass die BANSHEE abermals von einem Ende des Universums zum anderen geschleudert wurde – so kam es mir jedenfalls vor –, dann bildete sich an der Stelle der Wand, an der unser Erbgott sich verbarg, ein türkisfarbener Fleck, und eine nur zu bekannte Stimme sagte zu mir: »Ich stehe dir gleich zur Verfügung, Gebieter. Bis dahin empfehle ich dir, die Hilfe des Cybermeds deines SERUNS in Anspruch zu nehmen, denn du hast anscheinend eine Steißbeinfraktur erlitten.«

Eine Steißbeinfraktur!, wiederholte ich in Gedanken.

»Genau da, Gebieter«, sagte Lullog. Konnte er Gedachtes empfangen?

Natürlich sagte er es nicht akustisch, sondern so wie immer, wenn er zu mir sprach. Es war nicht telepathisch und nicht mental, sondern etwas, das von den bekannten Wissenschaften noch nicht benannt worden war, weil es sich der Wahrnehmung aller Außenstehenden entzog. Nicht einmal ein Supertelepath hätte etwas von dem mitbekommen, was Lullog mir mitteilte.

»Der Cybermed hat selbstverständlich schon alles Nötige veranlasst«, teilte mir eine andere Stimme mit – und es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass es die Stimme von Hilda, meines SERUN-Pikosyns, war. »Du wirst die Wirkung der Injektionen bald spüren.«

Tatsächlich fühlte ich mich bereits besser – und je mehr die Schmerzen an meinem Os coccygis nachließen, umso klarer vermochte ich wieder zu denken. Und so erinnerte ich mich daran, dass ich nicht auf manuelle Fortbewegung angewiesen war, solang ich einen SERUN trug. »Hilda, lass mich in der Luft schweben!«, befahl ich der Positronik.

Sekunden später hing ich schwerelos mitten in der Hauptzentrale der Kogge und blickte mich suchend nach Lullog um, denn der türkisfarbene Fleck an der Wand war verschwunden.

Plötzlich spürte ich, wie sich etwas unter meinen linken Arm schob – und als ich hinsah, entdeckte ich eine circa 40 cm große, irgendwie behäbig wirkende Statuette, von der Kopf und Rumpf jeweils 15 cm und die Beine 10 cm ausmachten. Die an den beiden Seiten des Kopfes austretenden Arme waren nach unten gestreckt. Die türkisfarbene Oberfläche der Statuette wirkte verschwommen; Einzelheiten des Gesichts fehlten völlig.

»Lullog!«, flüsterte ich – zugleich gerührt und mit flauem Gefühl im Magen, weil ich ahnte, dass mit den Aktivitäten des alten Erbgotts erneut die ungeheuerlichsten Komplikationen auf mich zukommen würden.

»Ich bin Lullog, mein Gebieter«, teilte er mir mit. »Die Lage ist nicht besonders günstig für Geschäfte. Ich spüre, dass in diesem Teil des Universums große Veränderungen vor sich gehen, die zu einer kosmischen Katastrophe führen können.«

»Eine kosmische Katastrophe!«, schrie ich entsetzt. »Was meinst du damit? Bricht unser Universum zusammen?«

»Da bin sogar ich überfragt«, erwiderte Lullog. »Ich denke allerdings, dass die Katastrophe sich erst anbahnt. Wenn sie das Universum voll heimgesucht hat, wird nichts mehr so sein wie früher.«

Mir wurde mulmig, und ich hatte das Bedürfnis, auf etwas Festem zu sitzen. Ich befahl Hilda, mich in dem Kontursessel vor dem Pilotenpult abzusetzen und atmete auf, als meine Hände die Seitenlehnen umklammerten und ich etwas materiell Stabiles unter den Fingern spürte.

Die zuletzt von mir empfangenen Funksprüche fielen mir wieder ein, und ich hätte zu gerne gewusst, welchen Rat die Hohen Frauen von Kartan von Ardustaars Stimme bekommen hatten.

Ich stand auf, ging zum Hyperkom, ließ mich dort nieder und versuchte, Hyperfunkmeldungen hereinzubekommen, die meine Wissbegier befriedigten. Als der große Block der Hyperkomanlage von innen heraus in kalter Glut aufleuchtete, wollte ich ihn vorsichtshalber desaktivieren, aber Lullog forderte mich auf, ihn eingeschaltet zu lassen und weiterzusuchen.

Ich hörte auf ihn – und einige Minuten später kam die Sendung eines Virenschiffs herein. Es war ein Hilferuf.

Das Virenschiff mit dem Namen SPIRIT OF AMASIS funkte mit höchster Leistung und mit normalem Hyperfunk statt Psi-Funk. Zwischendurch meldete sich der Astrogator und erklärte, die SPIRIT OF AMASIS sei während des Rückflugs zur Milchstraße mit vehementer Gewalt aus dem Psionischen Netz geschleudert worden und triebe hilflos in einer sternenlosen Zone.

Ich rief das Virenschiff an, bekam aber keinen Kontakt. Wenig später wurden seine Sendungen leiser und verstummten bald ganz.

Mir rieselten kalte Schauer über den Rücken, als ich begriff, was da geschehen sein musste, um ein Schiff wie die SPIRIT OF AMASIS in eine aussichtslose Lage zu bringen.

Anscheinend war das Psionische Netz in Aufruhr geraten. Was das für die Völker bedeutete, die sich auf überlichtschnellen Psi-Antrieb und Psi-Funk umgestellt hatten, brauchte mir niemand zu sagen. Ich hatte der ganzen Sache von Anfang an nicht getraut – und wie es aussah, war diese gigantische Seifenblase tatsächlich geplatzt.

Mithilfe stärkster geistiger Konzentration vermochte ich mich dann schließlich wieder in die betreffenden Funkverbindungen hineinzuschalten.

Was ich erfuhr, elektrisierte mich förmlich. Die galaktische Widerstandsorganisation gegen den Kriegerkult, die GOI, hatte ein Raumschiff nach Pinwheel gesandt, das Nikki Frickel als Ersatz für die WAGEIO zur Verfügung gestellt werden sollte. Die Hohen Frauen von Kartan schickten es nach ihrer Ankunft in M 33 in die Peripherie dieser Galaxis.

Dabei wurde auch der Name NARGA SANT erwähnt – und zur Information der Raumschiffsbesatzung aus der Milchstraße erfolgte ein zusätzlicher Hinweis. Demnach war NARGA SANT der Name eines wahren Giganten von Raumschiff. Es sollte 90 km lang, 28 km breit und 20 km hoch sein und auf der Oberseite des vorderen Drittels 18 Nocturnenstöcke tragen, die bis zu 1000 m hoch und 100 m dick waren.

Dort sollte die sogenannte Stimme von Ardustaar residieren! Und dort sollte sich zurzeit Nikki Frickel aufhalten!

Als Kamashite ist man vielleicht ein wenig weltfremd, wenn man zum ersten Mal seine Heimwelt verlässt, in der wir Menschenabkömmlinge in unvergleichlicher Harmonie mit der gesamten Natur leben, aber ich weilte lange genug unter technikabhängigen Intelligenzen und hatte genug über ihre Technologien gelernt, um sofort zu begreifen, dass die NARGA SANT kein Erzeugnis kartanischer Technologie war. Jedenfalls keiner innerhalb von M 33 existierenden kartanischen Technologie.

Die NARGA SANT war demnach von weit außerhalb nach M 33 gebracht worden, von sehr weit außerhalb wahrscheinlich – und die Tatsache, dass dort die Stimme von Ardustaar residierte, hinter der sich eine Clique von Wissenden verbirgt, ließ mich darauf schließen, dass ich nur in die NARGA SANT einzudringen brauchte, um hinter alle Geheimnisse der Kartanin zu kommen.

»Lullog!«, wandte ich mich an den Erbgott unserer Familie. »Ich möchte wetten, dass es dir nicht schwerfällt, die Position der NARGA SANT anhand der an das für Nikki Frickel bestimmte Raumschiff gefunkten Daten zu ermitteln.«

»Ich habe die Position ermittelt, Gebieter«, teilte mir Lullog mit. »Du möchtest dorthin? Gut, solang die BANSHEE innerhalb ihrer Raum-Zeit-Verwerfung hin und her geschleudert wird, ist das nicht unmöglich. Wenn du alle Kontrollen deines Schiffes auf null schaltest, kann ich den Moment abpassen, in dem die BANSHEE sich dem Raumsektor der NARGA SANT indirekt am weitesten angenähert hat. Es besteht allerdings die Gefahr, dass die BANSHEE mit der NARGA SANT kollidiert oder in ihrem Innern materialisiert, denn ich muss sie quasi zu einem Schnittpunkt von Koordinaten des Normalraums und der Raum-Zeit-Verwerfung dirigieren, um überhaupt eine Chance zu haben, sie dorthin zu bringen.«

»Was redest du lange um den heißen Brei herum!«, fuhr ich ihn ungeduldig an. »Tu alles, was nötig ist, um mich mit der BANSHEE zur NARGA SANT zu bringen.«

Damit glaubte ich, genug gesagt zu haben. Im letzten Moment fiel mir noch etwas ein. »Aber sobald wir in unmittelbarer Nähe dieser Stimme von Ardustaar oder etwas Ähnlichem sind, verhältst du dich bis auf Widerruf passiv! Ich fürchte nämlich, dort können deine psionischen Tricks durchschaut werden.«

»Es sind keine psionischen Tricks!«, begehrte der Erbgott auf. »Alles das, was naive Gemüter als psionische Tricks oder Magie bezeichnen, jedenfalls was mich betrifft, sind in Wirklichkeit die Auswirkungen einer Supertechnik, die du dir nicht vorstellen kannst – und deine Zeitgenossen erst recht nicht.«

»Ja, ja!«, erwiderte ich ungeduldig. »Nenne es, wie du willst, aber bring mich endlich zur NARGA SANT!«

»Ich werde mein Möglichstes tun, Gebieter«, versprach Lullog.

Was Lullog wirklich tat, entzog sich meiner Wahrnehmung. Wahrscheinlich tat er selbst nicht allzu viel, sondern nutzte mithilfe der in ihm komprimierten Supertechnik die aufgewühlten und tobenden multidimensionalen Kraftfelder des Universums und passte den »richtigen« Moment ab, um der BANSHEE einen kleinen Schubs zu geben und sie dadurch ans Ziel meiner Wünsche befördern zu lassen.

Zur NARGA SANT!

Für meine Sinne war es ein unvorstellbares Chaos, durch das mein Schiff geschleudert wurde. Das Schiff selbst konnte glücklicherweise nicht darauf reagieren, da ich alle Kontrollen auf Nullwerte geschaltet hatte. Wer weiß, was sonst passiert wäre.

Als ein imaginärer Dampfhammer die BANSHEE anscheinend zu einem flachen Metallplastikfladen zusammendonnerte, verlor ich das Bewusstsein.

Wie lange es dauerte, bis ich wieder zu mir kam, vermochte ich hinterher nicht festzustellen, obwohl es innerhalb der Hauptzentrale meines Schiffes geschah. Aber weder der Chronograf an meinem Vielzweck-Armbandgerät noch die Chronografen in den Schaltpulten und an den Wänden der Hauptzentrale funktionierten. Sie erwachten auch nicht wieder zu ihrem elektronischen Leben, nachdem ich die Kontrollen von null auf Minimum geschaltet hatte.

Mehr wagte ich nicht zu tun, denn sobald die Bildschirme der Panoramagalerie sich erhellten, sah ich, dass die BANSHEE in einem großen, weitgehend verwüsteten Schiffshangar lag.

Das war leider nicht alles. In den verfärbten und anscheinend nach Explosions- und Beschussschäden provisorisch geflickten Trennwänden zu Nebenhangars und Maschinenräumen öffneten sich Schotte, und aus den Öffnungen huschten echsenhafte, aufrecht gehende Wesen, in leuchtend rote Kampfpanzer gehüllt und mit Strahlwaffen in den Händen.

»Sie sind aggressiv, Gebieter«, vernahm ich die »Stimme« des Erbgotts. »Du solltest sie mit Bordwaffen vernichten, bevor sie dein Schiff entern!«

»Wo sind wir?«, fragte ich. »In einem Hangar der NARGA SANT?«

»Ich weiß es noch nicht«, gab Lullog zurück. »Wir sind zwar in einem Riesending von Schiff, das durchaus die NARGA SANT sein könnte, aber es ist offenbar ein wenig kleiner. Genauere Messungen werden mir zurzeit durch eigenartige Emissionen erschwert, die ich nicht zu definieren vermag.«

»Dann verhalten wir uns passiv!«, entschied ich.

»Das Risiko ist zu groß«, warnte der Erbgott eindringlich. »Wenn die Echsenhaften erst einmal an Bord der BANSHEE sind, kannst du sie nicht mehr wirkungsvoll bekämpfen und bist ihnen praktisch ausgeliefert.«

Das sah ich ein. Aber ich hatte ja Lullog als »ultimate Waffe«. Damit durfte ich mir ein wenig Leichtsinn erlauben, was ich in anderer Lage selbstverständlich nicht getan hätte.

»Bleib bei mir!«, erwiderte ich und klemmte den kleinen Erbgott fester unter den linken Arm. »Ich will, dass die Unbekannten uns für wehrlos halten und dadurch vielleicht wichtige Informationen preisgeben. Egal, was sie tun: Solang sie mein Leben nicht gefährden, verhältst du dich so passiv, wie ich es dir bereits vor unserer Ankunft gesagt habe! Nur wenn sie mich umbringen wollen, greifst du ein! Ist das klar?«

»Völlig klar, Gebieter«, antwortete Lullog, während ich beobachtete, wie immer mehr der echsenhaften Wesen aus zahllosen Schottöffnungen quollen. »Ich gebe nur zu bedenken, dass die eigenartigen Emissionen, die ich spüre, eventuell meinen Handlungsspielraum einengen könnten. Übrigens orte ich das Schwerefeld eines Planeten, um den das Riesenschiff offenbar kreist.«

»Davon war in den Informationen der Stimme von Ardustaar an Nikkis neues Raumschiff nicht die Rede«, stellte ich fest.

»Von dem ich hier nichts erkennen kann«, teilte mir Lullog mit.

»Aber es ist ebenfalls ein Riesenschiff!«, wandte ich ein. »Für wie wahrscheinlich hältst du es, dass zur gleichen Zeit zwei solcher Raumschiffe in M 33 existieren, von denen die PIG vorher nie etwas geahnt hat?«

»Für sehr wenig wahrscheinlich«, erwiderte Lullog. »Aber ich bin mir nicht sicher, ob wir uns überhaupt in Pinwheel befinden. Nach den in der Raum-Zeit-Verwerfung tobenden Gewalten zu urteilen, können wir in ein ganz anderes Gebiet des Universums verschlagen worden sein.«

»Aber du solltest uns zur NARGA SANT bringen!«, rief ich empört.

»Und genau auf die Charakteristiken dieses Riesenschiffs habe ich mich konzentriert«, meinte der Erbgott der Lokoshans. »Dadurch können wir natürlich an ein ähnliches Raumschiff geraten sein. Achtung, die Echsenwesen dringen in die BANSHEE ein, Gebieter! Sie gehen ziemlich rücksichtslos vor. Schotte, mit denen sie nicht gleich klarkommen, sprengen sie kurzerhand auf.«

»Dafür müssen sie später zahlen«, entgegnete ich. »Still jetzt! Exakt nach abgesprochenen Richtlinien verhalten. Ich spiele den Benommenen, der eben erst aus tiefer Bewusstlosigkeit erwacht ist.«

Lullog verstummte – und ich ließ mich schlaff in meinem Kontursessel zusammensinken.