Perry Rhodan 60: Die Cynos (Silberband) - H. G. Ewers - E-Book

Perry Rhodan 60: Die Cynos (Silberband) E-Book

H.G. Ewers

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Beschreibung

Perry Rhodan ist mit der MARCO POLO in den Schwarm eingedrungen, der mit seiner Verdummungsstrahlung und den Gelben Eroberern, die ganze Planeten entvölkern, weiterhin eine nie gekannte Gefahr für die Milchstraße darstellt. Sonderkommandos versuchen, die empfindlichen Stellen innerhalb des seltsamen kosmischen Gebildes auszumachen. Als Anführer eines dieser Kommandos gerät der Arkonide Atlan in eine verzweifelte Situation. Er muss mit seinen Gefährten ums nackte Überleben kämpfen. Dabei stoßen sie zum ersten Mal auf einen der geheimnisvollen Götzen. Außerhalb des Schwarms wird währenddessen das Rätsel um die Cynos immer größer. Die "heimlichen Herrscher" über weite Teile der Galaxis spielen seit langem ihr eigenes Spiel - aber sie geben den entscheidenden Hinweis, um weiter gegen die Mächte des Schwarms agieren zu können ...

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Nr. 60

Die Cynos

Perry Rhodan ist mit der MARCO POLO in den Schwarm eingedrungen, der mit seiner Verdummungsstrahlung und den Gelben Eroberern, die ganze Planeten entvölkern, weiterhin eine nie gekannte Gefahr für die Milchstraße darstellt. Sonderkommandos versuchen, die empfindlichen Stellen innerhalb des seltsamen kosmischen Gebildes auszumachen.

Als Anführer eines dieser Kommandos gerät der Arkonide Atlan in eine verzweifelte Situation. Er muss mit seinen Gefährten ums nackte Überleben kämpfen. Dabei stoßen sie zum ersten Mal auf einen der geheimnisvollen Götzen.

Vorwort

Wieder einmal liegt mit dem sechzigsten ein »runder« Band der PERRY RHODAN-Bibliothek vor, und man könnte von einem »Mutantenband« reden. Denn selten wurde die Handlung eines RHODAN-Buches stärker von Mutanten fast sämtlicher Couleur getragen – von »guten« und von »bösen«.

Zu den Guten gehören natürlich die für Terra tätigen – obwohl man bei den Fähigkeiten einer Irmina Kotschistowa schon etwas das Grausen bekommen könnte. (Kenner der Heftserie wissen, dass die Metabio-Gruppiererin später diese Kräfte zum Heilen statt zum Zerstören einsetzte.) Takvorian, der Movator, kommt wie kaum je zuvor zur Geltung, und was Gucky und Ras Tschubai diesmal zu leisten haben, ist schon rekordverdächtig. Merkosh übt noch mit seiner »bösen Stimme«, und von unserem Heißsporn Sandal Tolk behaupten spöttische Zungen, er müsse ebenfalls ein Mutant sein, und zwar ein »Überschall-Pfeileverschießer«. Soweit die Guten.

Ihr Gegenpart ist ein ganz besonders übler Fiesling, ein typischer Voltz-Bösewicht (vergleiche auch seine Taschkar-Schilderungen). Die Figur des Cryt Y'Torymona darf man getrost als krass schwarzweißgemalt sehen, doch besiegt wird der Götze ausgerechnet von dem Mann, mit dessen Schilderung William Voltz wieder einmal ein kleines Meisterstück gelungen ist. Wie er Alaska Saedelaere angelegt hat und wie er das Finale zwischen ihm und dem Götzen gestaltete, das geht sogar unter die Haut, wenn man den betreffenden Roman zum zweiten- oder dritten Mal gelesen hat. Dazu noch das Wiedersehen mit dem blinden Mädchen Kytoma und die Andeutungen großer kosmischer Geheimnisse – was kann man mehr verlangen?

Bevor ich jetzt noch mehr vom Inhalt verrate, hier die Titel (und Heftnummern) der Originalromane: Das letzte Aufgebot der MARCO POLO (543) von Ernst Vlcek, Die Späher der GEVARI (544) von Hans Kneifel, Der Maskenträger (545) von William Voltz, Menschen unter Cynos (546) von H. G. Ewers, Die Sonne warf keinen Schatten (547) von Kurt Mahr und Testflug zur Erde (548) von H. G. Francis.

Zeittafel

1971 – Perry Rhodan erreicht mit der STARDUST den Mond und trifft auf die Arkoniden Thora und Crest.

1972 – Mit Hilfe der arkonidischen Technik gelingen die Einigung der Menschheit und Aufbruch in die Galaxis.

1976 – Das Geistwesen ES gewährt Rhodan und seinen engsten Wegbegleitern die relative Unsterblichkeit.

2040 – Das Solare Imperium ist entstanden und stellt einen galaktischen Wirtschafts- und Machtfaktor ersten Ranges dar. In den folgenden Jahrhunderten Bedrohung durch die Posbi-Roboter und galaktische Großmächte wie Akonen und Blues.

2400 – Entdeckung der Transmitterstraße nach Andromeda; Abwehr von Invasionsversuchen von dort und Befreiung der Völker vom Regime der Meister der Insel.

2435 – Der Riesenroboter OLD MAN und die Zweitkonditionierten bedrohen die Galaxis. Nach Rhodans Odyssee durch M 87 Sieg über die Erste Schwingungsmacht.

2909 – Während der Second-Genesis-Krise kommen fast alle Mutanten ums Leben.

3430 – Um einen Bruderkrieg zu verhindern, lässt Rhodan das Solsystem in die Zukunft versetzen. Bei Zeitreisen lernt er den Cappin Ovaron kennen.

3437/38 – Expedition mit der MARCO POLO in die Cappin-Galaxis Gruelfin, um einer Invasion der Pedotransferer zuvorzukommen. Ovaron wird als Ganjo identifiziert. Beim Kampf um das Solsystem wird der Planet Pluto zerstört.

3441/42

Prolog

Als Perry Rhodan Mitte des Jahres 3441 mit der MARCO POLO von Gruelfin in die Milchstraße zurückkehrt, findet er eine ihm fremd gewordene Galaxis vor. Mit Ausnahme relativ weniger Immuner sind alle Intelligenzen verdummt – auch auf Terra herrscht das Chaos. Verantwortlich für die Verdummung ist die Veränderung der galaktischen Gravitationskonstante durch die Vorhut eines ungeheuerlichen Gebildes aus Sternen, Planeten und Raumfahrzeugen, das sich über tausende Lichtjahre ausdehnt und mit Transitionen in die Milchstraße schiebt: der Schwarm!

Perry Rhodan bricht mit dem Kreuzer GOOD HOPE II auf, um die Geheimnisse des Schwarms zu ergründen und letztlich dafür zu sorgen, dass in der Milchstraße wieder normale Verhältnisse einkehren. Reginald Bull konzentriert sich anfangs darauf, mit der INTERSOLAR so viele Immune wie möglich aufzulesen.

Im Herbst 3441 verlassen erstmals Objekte den Schwarm, Erkundungs- und Vermessungsschiffe. Ihnen folgen gewaltige Pilzraumer; sie landen auf Planeten, deren Bewohner keine Mittel und Waffen gegen sie finden. Es erfolgt eine so genannte Sekundäranpassung der Gravitationskonstante, in deren Verlauf die verdummten Menschen einen Teil ihrer Intelligenz zurückerhalten. Die Gattung des Homo superior, des »Übermenschen«, dagegen stirbt restlos aus. Als neue ernstzunehmende Bedrohung der galaktischen Völker erweisen sich die Cynos, deren heimliches Imperium die Geschicke der Milchstraße viele Jahrtausende lang unerkannt beeinflusst haben soll. Sie haben ihre Anonymität aufgegeben und verfolgen geheimnisvolle Ziele.

Im Frühjahr 3442 beginnen die Pilzraumschiffe auf den ersten von ihnen besetzten Planeten die Atmosphäre aufzuheizen und die Gravitation hochzutreiben. Gleichzeitig verlassen große Flotten von Wabenraumschiffen der so genannten Gelben Eroberer den Schwarm und landen auf diesen Welten. Wie sich herausstellt, benötigen die Gelben Eroberer diese neugeschaffenen Umweltbedingungen, um sich zu teilen, während die Bewohner der Planeten qualvoll sterben.

Um endlich die Wahrheit über den Schwarm und dessen Herrscher zu erfahren und das Grauen zu beenden, fasst Perry Rhodan – inzwischen wieder mit der MARCO POLO – den Entschluss, eine Fünfte Kolonne in den Schwarm zu schicken. Mit der Spezial-Space-Jet GEVARI findet eine schlagkräftige Truppe ein Versteck auf dem Plasmaplaneten Kokon und erhält Kontakt mit »entarteten« Gelben Eroberern. Ein so genanntes Regulationsvirus sorgt für die Hoffnung, die gebärfreudigen Gelben Eroberer zu infizieren und an der Teilung zu hindern, wodurch unzählige Milchstraßenwelten und deren Bewohner gerettet werden könnten.

1.

Juni/Juli 3442

Bericht Atlan

Am 20. Juni des Jahres 3442 gelang es Gucky endlich, das Energiewesen Harno auf telepathischem Weg auch geistig an Bord der MARCO POLO zurückzuholen. Harno, von dem Mausbiber aus einer Kristallwelt des Schwarms befreit, hatte bis dahin als eine zusammengeschrumpfte, leblose Kugel von Tennisballgröße in Guckys Kabine gelegen. Der Ilt lotste das verschollene Bewusstsein Harnos von »weit jenseits der Zeit« in den Kugelkörper zurück, der daraufhin seine Größe von über einem Meter zurückgewann.

Harno blieb nicht lange bei uns. Etwas lockte ihn wieder fort. Unsere Hoffnungen erfüllten sich nicht, dass er uns weitere Hinweise auf die geheimnisvollen Beherrscher des Schwarms geben könne. Doch eines teilte er uns mit: die Position eines Sonnensystems im Kopfende des Schwarms, dem im Gefüge der wandernden Kleingalaxis eine besondere Bedeutung zukommen sollte. Es war, wie wir bald feststellten, identisch mit einem System, von dem aus kurz vorher paranormale Befehlsimpulse in den Schwarm abgestrahlt worden waren.

In Anbetracht von Harnos Warnungen vor großen Gefahren und seiner Aussage, das fragliche System besitze nur einen einzigen Planeten, benannte Perry Rhodan diesen Planeten »Gepla I – gefährlicher Planet I«. Seine Sonne wurde »Intern Alpha« getauft.

Es wurde beschlossen, die Sonder-Space-Jet GEVARI mit einer Mannschaft auszurüsten und zum 2310 Lichtjahre von Kokon entfernten Intern-Alpha-System zu schicken, während die MARCO POLO in ihrem Versteck auf Kokon blieb. Zum Kommandanten des Unternehmens wurde ich bestimmt, und mit mir gingen Icho Tolot, Toronar Kasom, der Emotionaut Mentro Kosum, Sandal Tolk und sein Freund Tahonka-No an Bord, dazu die Mutanten Gucky, Balton Wyt, Ras Tschubai, Merkosh und Takvorian.

Während unseres Fluges belauschten wir die Funksprüche, die im Schwarm gewechselt wurden. Die jeweils fünfzig Korvetten und Kreuzer, die von der MARCO POLO ausgeschleust worden waren, um mit Raketen Regulationsviren auf die Welten der Gelben Eroberer abzuschießen, die sie an ihrer Teilung hindern sollten, hatten ihr Ziel erreicht. Sie nutzten nun ihre Rückkehr dazu, zusätzliche Verwirrung unter den Schiffen des Schwarms zu stiften, um von uns abzulenken und das Durchkommen nach Intern-Alpha zu ermöglichen. Auf den Brutwelten herrschte das Chaos. Noch hatte kein einziges Wabenschiff einen jener Planeten verlassen, um seine verderbliche Saat hinaus in die Galaxis zu tragen.

Dafür begannen jetzt andere Schiffe, Angehörige der Jagdflotte des Schwarms, unsere Einheiten zu hetzen. Unter den Herren des Schwarms schien eine große Unsicherheit zu herrschen, doch wir machten uns keine Illusionen. Uns war mit dem Eindringen der MARCO POLO und ihrer vielen Beiboote durch den Schmiegeschirm zwar ein Coup gelungen, mit dem hier niemand gerechnet hatte. Doch es war nur eine Frage der Zeit, wann die Beherrscher ihren Schock überwunden hatten und das Signal zur gnadenlosen Jagd auf uns gaben.

Dass wir so gut wie überhaupt noch nichts über ihre Mittel wussten, zeigte sich, als wir zwei Tage nach unserem Abflug das Intern-Alpha-System erreichten.

Es bestand tatsächlich aus einer blassgelben Sonne und nur einem Planeten – allerdings kam dazu eine Kugelschale aus vielen Millionen Asteroiden und Planetoiden bis hin zur Marsgröße, die sowohl die Sonne als auch den Planeten umschloss. Erste Spekulationen, die sich später bewahrheiten sollten, gingen in die Richtung, dass es sich bei den Asteroiden um Überreste eines riesigen ehemaligen zweiten Planeten handelte.

Gepla I war mit rund 13.400 Kilometern Durchmesser etwas größer als die Erde, und das war das einzige, was wir vorerst von dem vermeintlichen Befehlsplaneten erfahren sollten.

Denn kaum hatten wir in einem letzten kurzen Linearmanöver die Asteroidenschale knapp hinter uns gebracht, gerieten wir in den Bann eines offenbar systemumspannenden Panikfelds, dem wir, obwohl mentalstabilisiert, alle erlagen – seltsamerweise bis auf Gucky und Icho Tolot. Allein diesen beiden war es zu verdanken, dass wir nicht in einen gewaltigen, 120.000 Kilometer durchmessenden Ring aus Energie hineinflogen, der sich urplötzlich im Weltraum gebildet hatte und uns Beeinflussten vorkam wie das »Auge der Erlösung«. Unser einziger Wunsch bestand nur noch darin, in dieses Auge hineinzufliegen und dort das ewige Glück zu finden.

Den Göttern sei Dank! Icho Tolot schaffte es, uns aus der gefährlichen Zone zu steuern. Er und Gucky hatten ein fremdes, pyramidenförmiges Raumschiff beobachtet, das ebenfalls auf den energetischen Ring im All zuflog, allerdings bedeutend schneller als wir. Als es darin entmaterialisierte, wussten wir, dass wir es bei dem Energiegebilde mit einem gigantischen Transmitter zu tun hatten, der offenbar die Aufgabe hatte, in Verbindung mit dem Panikfeld ungebetene Besucher an einen Ort zu befördern, wo sie keinen Schaden anrichten konnten.

Tolot konnte diesen Ort anhand des Rematerialisierungsschocks anmessen und steuerte die GEVARI darauf zu. Es war ein Planetoid von knapp Marsgröße, der Gucky wie eine »Pforte zur Hölle« vorkam – also taufte er ihn in seinem schwarzen Humor auf den Namen »Portier«. Kurz bevor der Haluter uns auf Portier landete, kamen wir wieder zu uns. Das Panikfeld reichte nicht bis an den Kleinplaneten heran.

Wir verbargen die Space-Jet in einer Schlucht und schickten die Teleporter zur Erkundung aus. Bald entdeckte Gucky eine gewaltige unterirdische Station, die unter anderem durch Parafallen getarnt war. Nur unter allergrößten Schwierigkeiten gelang es ihm, während die GEVARI entdeckt und zunächst von Robotern, dann von neuen Panikfeldern attackiert wurde, in diese Station einzudringen und drei Mikrobomben zu deponieren. Durch ihre Explosion, so hofften wir alle, sollten die Generatoren für die Panikfelder und den Giganttransmitter ein für allemal ausgeschaltet werden.

Die Besatzung der Station, darunter Kleine Purpurne, wurde vom Mausbiber rechtzeitig gewarnt, um sich in Sicherheit bringen zu können.

Gucky kehrte gerade noch rechtzeitig zurück, um mit uns zu starten und vom Weltraum aus zu verfolgen, wie der Planetoid Portier zerstört wurde.

Damit, so hofften wir jedenfalls, war das Fallensystem außer Kraft gesetzt, das ungebetene Gäste daran hindern sollte, zum Planeten Gepla I und seinen Geheimnissen vorzudringen. Wie wir bald darauf erkennen mussten, war dies ein Irrtum.

Die großangelegten Vorsichtsmaßnahmen unserer Gegner machten den Planeten Gepla I für uns jedenfalls noch geheimnisvoller. Wir beschlossen, mit einer Landung vorerst zu warten und zunächst das seltsame System weiter zu erkunden. Unser Augenmerk galt dabei ähnlichen Planetoiden wie Portier.

Bei der Vielzahl entsprechender Weltenkörper war es kein Wunder, dass wir schon bald fündig wurden. Jeder von uns spürte zunehmend, dass die Gefahren noch nicht vorbei waren, auch wenn wir uns von Gepla fernhielten.

Doch niemand konnte sich auch nur entfernt vorstellen, was uns auf »Pförtner«, wie wir den durch die Fernortung entdeckten Kleinplaneten in der Asteroidenschale nannten, an Fantastischem erwartete.

Als wir beim Anflug auf den Planetoiden abermals in das Panikfeld gerieten und sich das Transmitterauge im All aufbaute, mussten wir begreifen, dass unsere Aktionen auf Portier nicht den erwünschten Erfolg gehabt hatten. Nach wie vor war das Sonnensystem von dem Parafeld umhüllt, und wir hatten die bekannten Schwierigkeiten, es zu durchstoßen.

Erst kurz vor Pförtner kamen wir wieder zur Besinnung. Abermals hatten uns Gucky und Tolot vor Schlimmerem bewahrt.

Pförtner hatte die Form eines Faustkeils und ebenfalls etwa die Größe des Mars. Er besaß genauso eine künstliche Atmosphäre und schien wie Portier als Transmitterempfangsplanet zu fungieren. Die Oberflächenschwerkraft betrug 0,67 Gravos, die Umlaufbahn um Intern-Alpha 4,86 Jahre Standardzeit. Das Besondere an dem Kleinplaneten war allerdings, dass sich Pförtner während eines Sonnenumlaufs nur zweimal um die eigene Achse drehte – das hieß nichts anderes, als dass der Tag auf Pförtner ganze 2,43 Jahre dauerte. Tag und Nacht wanderten um den Planetoiden wie extrem ins Lange gezogene Jahreszeiten.

Das bedeutete, dass die Nachtseite ständig Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt ausgesetzt war, während die Tagesseite sich stark aufheizte. Die Folge hätten eigentlich heftigste Stürme entlang der Zwielichtzone sein müssen, was jedoch seltsamerweise nicht der Fall war.

Wieso und weshalb, das fanden wir nach unserer Landung in einem Eishöhlenversteck in einer tiefen Schlucht auf der Nachtseite heraus, einige Tage von der immer weiter heranrückenden Zwielichtzone entfernt: Der Tag näherte sich uns.

Wir entdeckten überall auf der Nachtseite wie konserviert wirkende Städte und begriffen bald, dass sich die Bewohner des Himmelskörpers dessen Eigendrehung angepasst hatten und als »Rotationsnomaden« mit der Helligkeit und Wärme unaufhörlich um ihren eigenen kleinen Planeten bewegten. Das heißt, sie blieben immer auf der Tagseite, und wenn eine Stadt in die Nachtseite geriet, wurde sie für 2,43 Jahre konserviert und blieb so, bis sie wieder ins Tageslicht geriet und ihre Bewohner sie erneut für sich in Betrieb nahmen. Große Energiestationen gehörten zu jeder Stadt.

Erkundungsunternehmen der Mutanten zeigten, dass diese Bewohner, die sofort Jagd auf uns machten, große Ähnlichkeit mit terranischen Enten besaßen, allerdings bis zu drei Meter groß. Vermutlich waren sie als weiteres Schwarmvolk hier angesiedelt worden. Wir nannten sie aufgrund ihrer Gabe, den normalen Zeitablauf bis zum Faktor sechshundert zu verlangsamen, die Skurrils. Im allgemeinen lebten die Skurrils jedoch in einem Zeitfeld (von uns auch als Hemmfeld bezeichnet), das um das Sechzigfache verlangsamt war. Es erstreckte sich über die gesamte Taghälfte, was zweifellos durch zusätzliche, verstärkende Projektoren zustandekam. Dazu dienten mit ziemlicher Sicherheit die Energiestationen.

Wir konnten nicht verhindern, dass sich diese Zeithemmung sprunghaft auf das Versteck unserer Space-Jet ausweitete, als es sich mit der Drehung Pförtners auf die Tagseite zubewegte und die Skurrils uns suchten. Wir waren zum Nichtstun verurteilt. Allein der Movator Takvorian konnte dem Hemmfeld trotzen. Er, der den Zeitablauf dank seiner Mutantengabe beschleunigen konnte, schaffte es, dem Einfluss entgegenzuwirken und Gucky in ein so genanntes Rothyer-Feld einzubeziehen, das die parapsychische Fremdeinwirkung neutralisierte und in dem der Mausbiber auch wieder dem normalen Zeitablauf ausgesetzt war. Ziel des Ganzen war es, eine telepathische Kontaktaufnahme mit Fellmer Lloyd zu versuchen, der, wie ich hoffte, inzwischen mit einem Kreuzer der MARCO POLO außerhalb des Intern-Alpha-Systems stand und auf ein Signal von uns warten würde. So war es jedenfalls mit Perry Rhodan abgesprochen gewesen, bevor wir aufbrachen. Es gab, wie es schien, nur noch eine Rettung für uns, nämlich per Transmitter an Bord eines unserer Schiffe zu gelangen und von dort aus auf die MARCO POLO zurück.

Für uns, die wir dem Hemmfeld unterworfen waren, waren Takvorian und der Mausbiber nur Schemen, die sich unglaublich schnell bewegten. Doch sie waren unsere einzige Hoffnung. Wenn Gucky keinen Erfolg hatte, dann würden wir hier warten und sitzen, bis uns die Skurrils, zweifellos ein Wächtervolk des Schwarms, entdeckten und gefangen nahmen oder gar auf der Stelle töteten.

Die Minuten vergingen. Für uns waren es Stunden, jede einzelne von ihnen.

2.

Eine Frage beschäftigte die Mannschaft der CMP-3 seit Tagen: »Was ist mit der GEVARI los?«

Der Kreuzer der MARCO POLO befand sich weit außerhalb des Intern-Alpha-Systems auf Warteposition.

Fellmer Lloyd wandte sich vom Panoramabildschirm ab. »Warum nur gibt die Besatzung der GEVARI kein Lebenszeichen von sich?«, fragte er wie zu sich selbst.

»Es gibt viele unerfreuliche Antworten darauf«, seufzte Major Ruog Talhayo, der Kommandant des Schiffes. »Wir haben sie alle schon erörtert.«

»Warum meldet sich Atlan nicht?«, grübelte Fellmer Lloyd weiter, als habe er ihn nicht gehört. »Er weiß, dass wir im Zuge des Einsatzplanes nach hier abkommandiert wurden, um notfalls Hilfe leisten zu können.«

»Sicher ist es so, dass das Einsatzkommando keine Funksprüche riskieren kann«, meinte Ruog Talhayo dazu. »Sie wissen schon, wegen der Ortungsgefahr.«

»Und was ist mit den Mutanten?«, hielt Lloyd dagegen. »Gucky hätte sich schon längst telepathisch mit mir in Verbindung setzen können.«

Talhayo deutete in Richtung der Ortungszentrale. »Das parapsychische Feld, das das gesamte System umschließt, könnte ihn daran hindern. Es ist anzunehmen, dass sämtliche Personen des Einsatzkommandos in irgendeiner Form darunter zu leiden haben. Wenn wir es nicht rechtzeitig geortet hätten, wären wir ebenfalls hineingeflogen.«

Lloyd schüttelte den Kopf. »Die Mutanten – Gucky, Wyt, Merkosh, Tschubai und Takvorian – hätten sich nie hineinbegeben, wenn das Feld für sie schädlich gewesen wäre.«

»Die Sache ist nur, dass die GEVARI nicht so gute Ortungsgeräte besitzt wie wir, so dass diese parapsychische Barriere wahrscheinlich nicht einmal angemessen werden konnte«, gab Major Talhayo zu bedenken.

Lloyd schüttelte wieder den Kopf. »Trotzdem. Wir kennen die Natur dieses Feldes und haben herausgefunden, dass es in unmittelbarer Nähe der größeren Planetentrümmer nicht existiert. Wir müssen einfach davon ausgehen, dass Atlan die GEVARI auf einem dieser Himmelskörper landen ließ.«

Das parapsychische Feld war bereits im Anflug von der Ortungszentrale der CMP-3 ausgemacht worden. Da es Lloyd nicht gelungen war, die Auswirkungen der Barriere auf die menschlichen Gehirne zu erkennen, hatte man eine Sonde mit einem bio-positronischen Gehirn ausgeschickt. Als die Sonde in das System eintauchte, hatte man anhand der aufgefangenen bio-positronischen Gehirnimpulse festgestellt, dass das Feld Panikstimmung hervorrief, die sogar zur Selbstvernichtung des betroffenen Individuums führen konnte. Gleichzeitig damit wurde der Wunsch geweckt, das »Erlösungsauge« aufzusuchen.

Später hatte man das so genannte Erlösungsauge durch Fernortung entdeckt. Es handelte sich dabei um eine 120.000 Kilometer durchmessende Leuchterscheinung innerhalb des Systems, dessen Energieemission eindeutig den Charakter eines Transmitterfeldes besaß.

War die Mannschaft der GEVARI der Panikstrahlung unterlegen? War sie von dem Erlösungsauge magisch angezogen und von dem Giganttransmitter mit unbekanntem Ziel abgestrahlt worden?

Diese letzte Frage besaß jedoch nur dann eine Berechtigung, wenn der Giganttransmitter auch auf Empfänger außerhalb dieses Systems umzuschalten war. Von der CMP-3 aus hatte man durch Fernlenkung eine Sonde in das Erlösungsauge geschickt und daraufhin festgestellt, dass sie auf einem fast marsgroßen Himmelskörper innerhalb des Systems materialisierte.

Deshalb glaubte Lloyd, dass sich auch Atlan und seine Leute noch im Intern-Alpha-System aufhielten.

»Diese Ungewissheit macht mich noch wahnsinnig«, murrte Lloyd. Tatsächlich wirkte der sonst so gefasste und selbstbeherrschte Telepath unruhig und nervös.

Die geistige Belastung war für ihn auch zu groß. Seit Tagen war er angespannt und lauschte mit seinen parapsychischen Sinnen auf eine telepathische Nachricht.

»Wir müssen endlich handeln – bevor es zu spät ist«, sagte Lloyd.

»Es wäre Selbstmord, in das System einzufliegen. Und Sie wissen das«, erwiderte der Kommandant der CMP-3.

Lloyd nickte geistesabwesend. Damit war das Gespräch beendet, das in ähnlicher Form schon etliche Male stattgefunden hatte. Diese Dialoge führten zu nichts, das war Major Ruog Talhayo natürlich klar.

Der 30. Juni war bereits angebrochen. Wenn Atlans Team in Gefahr war, dann genügte ein kurzer Funkspruch, oder ein telepathischer Kontakt, und die vorbereiteten Sicherheitsvorkehrungen würden in Kraft treten.

Auf der CMP-3 war speziell für dieses Unternehmen ein leistungsstarker Transmitter installiert worden, um die elf Personen schnellstens an Bord nehmen zu können. Obwohl dieser Transmitter stark genug war, um jeweils zwei Personen zu der über zweitausend Lichtjahre entfernten MARCO POLO abzustrahlen, waren zusätzlich vier Kreuzer in regelmäßigen Abständen als Relaisstationen postiert worden.

Man hatte an alles gedacht.

Doch was nützten diese exakten Vorbereitungen, wenn sich die GEVARI nicht meldete? Dabei wurde es höchste Zeit, denn die hyperphysikalische Fernortung hatte gezeigt, dass in diesem Ostsektor des Schwarmkopfes eine starke Massierung der feindlichen Flotte erfolgte. Talhayo hatte zwar sämtliche Kraftmaschinen abgeschaltet und so eine Ortung aufgrund abgestrahlter Eigenenergie ausgeschlossen. Dennoch konnte eine Entdeckung durch die näherrückenden Schiffe nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Talhayo geriet deshalb nicht in Panik. Er besaß die seltene Eigenschaft, auch in ausweglosen Situationen die Ruhe zu bewahren.

»Sie sind überanstrengt, Lloyd«, sagte er zu dem Telepathen. »Ruhen Sie sich etwas aus. Wenn etwas Unvorhergesehenes passiert, werde ich Sie sofort ... Lloyd, was ist mit Ihnen?«

Der Telepath saß vollkommen reglos da; seine Augen waren geschlossen, in seinem Gesicht zuckte es, die Hände waren verkrampft. Endlich entspannte er sich.

»Gucky ... Kontakt ...«, sagte er mit leiser Stimme. Es klang wie ein Seufzer der Erleichterung.

Die telepathischen Impulse überfielen Fellmer Lloyd so plötzlich, dass sich sein Körper augenblicklich versteifte. Und er empfing sie mit solcher Intensität, als befände sich der Sender ganz in der Nähe.

Da dies jedoch nicht gut möglich war, schloss Lloyd daraus, dass Gucky seine Parakräfte durch eine Blockbildung mit den anderen Mutanten verstärkte.

Fellmer! Und wieder: Fellmer!

Endlich war der so lange erwartete Kontakt da! Lloyd empfand unbeschreibliche Erleichterung.

Wir sind mit der CMP-3 am Rand des Intern-Alpha-Systems, telepathierte er zurück. Ich empfange dich ausgezeichnet. Warum hast du dich noch kein einziges Mal gemeldet? Wir waren schon versucht, Kurs auf Gepla I zu nehmen.

Tut das auf keinen Fall! Das Panikfeld würde euch zum Verhängnis werden, warnte Gucky.

Seid ihr davon betroffen?

Wir haben mit ganz anderen Schwierigkeiten zu kämpfen ...

Daraufhin erhielt Lloyd von Gucky in Stichworten einen Lagebericht übermittelt.

Wie ist es möglich, dass ich deine Gedanken ohne die geringste Verlangsamung empfange, wunderte sich Lloyd, nachdem er die Nachrichten verdaut hatte. Ich merke nichts von einem Zeitlupeneffekt!

Das ist Takvorian zu verdanken, berichtete Gucky. Aber verlange jetzt keine näheren Erklärungen von mir. Die Zeit ist knapp.

Lloyd stimmte zu: Ganz meine Meinung. Ihr solltet schnellstens euren Transmitter auf Sendung schalten und euch zu uns abstrahlen lassen.

Schnell ist gut. Wir können laufen, was unsere Beine hergeben, und brauchen dennoch für jeden Meter fünfzehn Sekunden. Das nenne ich Tempo!

Fellmer Lloyd konzentrierte sich auf seine Umgebung. Er sah die angespannten Gesichter der Mannschaft. Nur Kommandant Ruog Talhayo blieb gelassen.

»Was ist passiert?«, fragte er sachlich.

»Atlan und sein Team sind in Schwierigkeiten«, antwortete Lloyd.

»Sollen wir sie heraushauen?«

»Lassen Sie auf jeden Fall den Transmitter aktivieren und auf Empfang schalten.«

Lloyd hörte Major Talhayo die entsprechenden Befehle geben und vernahm gleichzeitig den telepathischen Anruf in seinem Geist.

Fellmer, hier ist Atlan!

Es war nicht ungewöhnlich, dass sich der Arkonide mit Guckys Hilfe in die parapsychische Verbindung der beiden Telepathen einschaltete. Aber immerhin zeigte es den Ernst der Situation noch deutlicher auf.

Ich höre, telepathierte Lloyd.

Atlan erklärte: Unser Problem ist, dass Takvorian uns nicht alle gleichzeitig in sein Schutzfeld transportieren kann, sondern maximal zwei Personen. Eine andere Frage ist überhaupt, ob er Icho Tolot schafft. Im Augenblick sind wir nicht gefährdet, so dass wir unser Problem ohne besondere Hast in Angriff nehmen können. Ihr dürft ebenfalls nichts überstürzen, Fellmer. Gebt uns eine halbe Stunde Zeit, mehr brauchen wir nicht.

Lloyd antwortete nicht. Er war durch Major Talhayo abgelenkt worden.

»Der Transmitter ist eingeschaltet und justiert«, meldete der Kommandant der CMP-3. »Sie können die Justierungswerte durchgeben, damit sie auf der GEVARI den Sendertransmitter auf unseren Empfänger abstimmen können.«

In diesem Augenblick heulte die Alarmsirene auf. Talhayo reagierte blitzschnell.

»Welcher Narr hat den Alarm ausgelöst?«, rief der Kommandant unerwartet heftig.

»Das automatische Vorwarnsystem«, kam über die Rundrufanlage die lakonische Antwort aus der Ortungszentrale.

»Und der Grund?«, fragte Talhayo, obwohl er ihn bereits zu kennen glaubte.

»Die feindliche Flotte ist uns gefährlich nahe gekommen«, antwortete der Ortungsspezialist. »Inzwischen ist es uns gelungen, einige der Schiffstypen zu identifizieren. Dabei handelt es sich in erster Linie um Manips, jene Rochenraumschiffe, die aus ihren Stachelauswüchsen die Verdummungsstrahlung gebündelt auf ein Ziel lenken können, und um die riesigen Walzenraumschiffe, die in der Regel ›Schwarze Dämonen‹ an Bord haben. Dies hatten jedenfalls Beobachtungen der Kreuzer und Korvetten ergeben, die solchen Schiffen begegnet waren.«

Fellmer! Was ist los mit Ihnen?

»Wann werden sie hier sein?«, verlangte Talhayo zu wissen.

Die Mannschaft der CMP-3 war hervorragend aufeinander eingestellt. Während die Ortungszentrale noch die frisch erhaltenen Daten durchgab, waren in der Hauptpositronik gleichzeitig alle erforderlichen Berechnungen angestellt worden.

Deshalb bekam Talhayo sofort Antwort: »Der Gegner wird in zweieinhalb Minuten auf Schussweite sein. Spätestens dann müssen wir einen Standortwechsel vornehmen.«

»Wir bleiben bis zur letzten Sekunde.« Talhayo wandte sich an Lloyd. »Geben Sie das durch. Die Mannschaft der GEVARI hat zweieinhalb Minuten, um das Transmitterfeld zu passieren. Das müsste reichen.«

Fellmer, melden Sie sich, kamen Atlans drängende Gedanken. Ist etwas vorgefallen?

Das kann man wohl sagen, telepathierte Lloyd resigniert zurück. Sie haben zweieinhalb Minuten Zeit, um an Bord unseres Schiffes zu kommen. Keine Sekunde länger.

Das ist Wahnsinn! Wissen Sie, was zweieinhalb Minuten für uns sind?

Lloyd wusste es. Für Atlan und die anderen, die im Ablaufhemmer-Feld gefangen waren, mussten jedoch vollkommen andere Maßstäbe angelegt werden.

Atlan hatte beobachtet, wie die Mutanten einer nach dem anderen scheinbar verschwanden. Er wusste, was das zu bedeuten hatte. Takvorian nahm sie zu sich in die schützende Sphäre, damit sie Gucky bei der Kontaktaufnahme mit Fellmer Lloyd unterstützten.

Die fünf Mutanten, einschließlich Takvorian, waren für Atlan nicht unsichtbar, denn sie wechselten nicht ihren Standort. Vielmehr umstanden sie den Movator mit dem Pferdekörper und waren in tranceähnliche Konzentration verfallen. Dennoch, obwohl sie sich für ihre Begriffe vollkommen reglos verhielten, bekam Atlan von ihnen nur einen verschwommenen Eindruck.

Es genügte, wenn sie ein wenig schwankten, zwinkerten, mit einem Arm zuckten, mit den Füßen scharrten, so verwischte sich das Bild sofort. Es war wie bei einem Film, bei dem man alle zwei Sekunden ein Bild aufgenommen hatte und den man dann mit einer Geschwindigkeit von dreißig Bildern pro Sekunde ablaufen ließ. Atlan bekam die Mutanten nur als konturlose Schemen zu sehen.

Icho Tolot sagte mit seiner donnerartigen Stimme gerade: »Wenn Takvorian nicht zu schwach wäre, würde ich auf seinem Rücken zu den Skurrils reiten und ...«

Atlan erfuhr nicht mehr, was Icho Tolot in diesem Fall tun würde.

Plötzlich erstarrte die Szenerie um ihn, die Stimme des Haluters fiel zu einem gleichmäßigen Brummen ab und wurde schließlich unhörbar. Dafür wurden die Mutanten für ihn sichtbar.

Sie hatten sich auf ihn zubewegt, bis er von Takvorians neutralisierender Sphäre umhüllt war. Jetzt befand er sich außerhalb des Einflussbereichs des Ablaufhemmers und im normalen Zeitablauf.

»Ich habe Kontakt zu Fellmer Lloyd«, berichtete Gucky aufgeregt. »Er befindet sich an Bord der CMP-3. Kommandant Talhayo war so klug, nicht in das Panikfeld einzufliegen. An Bord des Kreuzers befindet sich ein leistungsstarker Transmitter. Wir können sofort zur CMP-3 überwechseln.«

»Du weißt, dass das einige Schwierigkeiten mit sich bringt, Kleiner«, gab Atlan zu bedenken.

»Ich wusste schon immer, dass du ein Pessimist bist!«

Atlan überging diese Bemerkung. »Ich möchte selbst mit Lloyd in Verbindung treten.«

»Du willst das Funkverbot aufheben?«, wunderte sich Gucky. »Ausgerechnet jetzt, wo es zu einer Schiffsmassierung in diesem Raumsektor kommt?«

»Ich denke nicht daran!«, sagte Atlan. »Ich werde mit deiner Hilfe telepathisch Verbindung zu Lloyd aufnehmen.«

Atlan fühlte die kleine Hand des Mausbibers an der Seite und spürte gleich darauf, wie er in seinen Geist eindrang.

Fellmer, hier ist Atlan!, dachte der Arkonide intensiv. Gucky übernahm den Gedanken, verstärkte ihn und sandte ihn als parapsychischen Impuls ab.

Ich höre, kam Lloyds Antwort.

Atlan erklärte ihm, dass es für Takvorian unmöglich sei, sie alle gemeinsam in sein Schutzfeld aufzunehmen und sie durch den Transmitter zu schleusen. Er verschwieg auch nicht, dass Icho Tolot wegen seiner Größe und Körpermasse ein besonderes Problem darstellte. Während der Gedankenübertragung stellte er eine kurze Berechnung an und erbat sich eine halbe Stunde Zeit für den Transmittertransport seines Teams.

Lloyd blieb ihm die Antwort schuldig. Fellmer! Der Telepath reagierte auch darauf nicht.

Seine Gedanken sind in Aufruhr, meldete sich Gucky in Atlans Geist. Vielleicht ist es zu einem Zwischenfall gekommen.

Fellmer! Was ist los mit Ihnen?

Lloyd meldete sich erst auf den nächsten Anruf.

Sie haben zweieinhalb Minuten Zeit, um an Bord unseres Schiffes zu kommen. Keine Sekunde länger.

»Das ist Wahnsinn!«, rief Atlan impulsiv. Wusste Fellmer denn nicht, wie lange sie für eine Tätigkeit brauchten, die im normalen Zeitablauf zweieinhalb Minuten beanspruchte?

Mit Takvorians Unterstützung durften sie in diesem Fall nicht rechnen. Das hieß, natürlich würde der Movator sich und sein Schutzfeld zur Verfügung stellen, doch waren auch ihm Grenzen gesetzt.

Er konnte höchstens immer nur zwei Mann befördern, Icho Tolot und Toronar Kasom konnte er überhaupt nur einzeln schaffen. Bis sie alle den Transmitter erreicht hätten, würden sie die zweieinhalb-Minuten-Frist überschritten haben.

Aber das tatsächliche Problem war die Bedienung des Transmitters. Denn der Transmitter war, wie alle Maschinen, ebenfalls vom Ablaufhemmer betroffen. Takvorian müsste demnach sein Schutzfeld über die Justierungsgeräte und über die Energieversorger des Transmitters spannen und ihn zusätzlich noch bedienen. Das bedeutete aber wiederum, dass die Männer nur mit sechzigfacher Verlangsamung das Transmitterfeld passieren könnten.

Die zweieinhalb Minuten Frist waren angesichts dieser Tatsachen ein Hohn. Atlan hatte für diese Überlegungen nur wenige Sekunden gebraucht.

»Der Transmitter des Kreuzers ist auf Empfang geschaltet, die Feinjustierung vorerst einseitig durchgeführt«, berichtete Gucky. »Was soll ich antworten?«

Atlan resignierte. »Es ist zwecklos. Wenn die CMP-3 nicht auf Position bleiben kann, schaffen wir es nie. Zweieinhalb Minuten sind dafür viel zu wenig.«

»Fellmer sagte, Talhayo hätte bereits einen Funkrichtstrahl zur MARCO POLO abgeschickt«, meldete Gucky. »Perry wird also den Ferntransmitter aktivieren.«

»Na und?«, meinte Atlan ärgerlich. »Wir können nur auf Pförtner ausharren und auf die nächste Gelegenheit warten. Versichere Fellmer, dass wir im Augenblick in Sicherheit sind. Die Skurrils wissen offenbar nicht genau, wo wir sind, das lässt sich daraus schließen, dass das Hemmungsfeld immer weiter auf die Nachtseite hinauswandert.«

»Talhayo will türmen!«, rief Gucky aufgebracht. »Er hat die Hosen voll, nur weil einige Manips und Walzenraumschiffe Kurs auf seinen Kreuzer nehmen.«

»Ich kann Major Talhayo verstehen«, meinte Atlan. »Er darf seine Leute nicht der Gefahr einer Verdummung aussetzen. Vielleicht ergibt sich später eine Gelegenheit für Talhayo, eine ähnlich günstige Position anzufliegen.«

»Ich werde das nicht dem Zufall überlassen«, sagte Gucky entschlossen und klappte den Helm seines Raumanzuges zu. Über die Außensprechanlage fuhr er fort: »Innerhalb von Takvorians Sphäre kann ich meine Fähigkeiten voll einsetzen – auch jene der Teleportation. Ich werde zur CMP-3 springen und Talhayo dazu überreden, dass er den Bereich dieses Systems nicht verlässt. Gibst du mir dein Einverständnis?«

Atlan schüttelte den Kopf. »Die CMP-3 ist zu weit entfernt. Du schaffst den Sprung dorthin nie.«

»Ich bin schon über weitere Strecken teleportiert!«

»Ja, aber unter günstigeren Bedingungen«, erinnerte ihn Atlan. »Diesmal aber wirken sich das Hemmungs- und das Panikfeld, die beide auf fünfdimensionaler Paraebene liegen, nachteilig für dich aus.«

»Ich versuche es dennoch.«

Seine Worte waren noch nicht verklungen, da entmaterialisierte er auch schon. Er handelte, noch bevor Atlan ihm befehlen konnte, dieses Wagnis zu unterlassen.

»Er hat keine Chance«, sagte Ras Tschubai, ohne dabei jemanden direkt anzusehen.

Für Atlan schien die Zeit auch innerhalb des Schutzfeldes stillzustehen. Er hatte die ganze Zeit über daran gedacht, die Fähigkeiten der Teleporter einzusetzen. Aber er hatte sich diese Möglichkeit bis zuletzt aufheben wollen, falls sie von den Skurrils in die Enge getrieben würden und keinen anderen Ausweg mehr hätten.

Guckys Wagnis war jedoch sinnlos. Selbst wenn er – wider alle Erwartungen – die CMP-3 erreichte, würde es im Endeffekt nichts an ihrer Lage ändern.

Atlan wurde aus dem wirbelnden Strudel seiner Gedanken gerissen, als Gucky auf dem Rücken Takvorians materialisierte. Offensichtlich hatte er sich an den Gedanken des Movators orientiert.

Sein Raumanzug war mit gefrorenem Sauerstoff beschlagen, was bedeutete, dass sein Teleportersprung mitten im Weltraum geendet hatte.

Er versuchte, sich an Takvorians Rücken festzuklammern, hatte jedoch nicht mehr die Kraft und glitt seitlich ab. Ras Tschubai fing ihn auf. Atlan öffnete seinen Raumhelm.

»Nichts zu machen«, sagte Gucky keuchend. Er war so schwach, dass er kaum sprechen konnte. »Du hattest recht ... der Einfluss des Hemmungsfeldes auf die fünfdimensionale Paraebene ist zu groß ...«

»Schon gut«, meinte Atlan.

Er ließ sich seine Enttäuschung über den missglückten Teleportersprung nicht anmerken. Dabei hatte Gucky noch Glück gehabt, dass er im Weltraum nicht dem Einfluss des Panikfeldes erlegen war.

Während Fellmer Lloyd mit den Mutanten in telepathischer Verbindung stand, wurden in fieberhafter Eile die Vorbereitungen für den Transport der elf Personen getroffen. Um 11 Uhr 7 gab Major Talhayo den Befehl, den bordeigenen Transmitter zu aktivieren.

Bereits eine Minute später wurde von der Funkzentrale ein geraffter und chiffrierter Richtstrahl-Hyperfunkspruch an die MARCO POLO abgeschickt. Darin wurde die Lage des Atlan-Teams umrissen und die Notwendigkeit, die Transmitter einzusetzen, erklärt. Gleichzeitig wurde die Aktivierung des Transmitters gemeldet.

Vier Minuten später, um 11 Uhr 12, kam die Antwort von der MARCO POLO in Form eines gerafften und verschlüsselten Funkspruchs. Er ging nicht nur an die CMP-3, sondern war auch an die Kreuzer gerichtet, die in gerader Linie auf der 2310 Lichtjahre langen Strecke von dem Planeten Kokon und dem Intern-Alpha-System postiert waren.

Obwohl der Transmitter der CMP-3 stark genug war, um jeweils bis zu zwei Personen über die mehr als 2300 Lichtjahre bis zur MARCO POLO abzustrahlen, hatte Rhodan die vier Kreuzer für alle Fälle für dieses Unternehmen abgestellt.

In dem Funkspruch, den die MARCO POLO um 11 Uhr 12 Standardzeit an die fünf 100-Meter-Schiffe abschickte, war die Bestätigung enthalten, dass der riesige Ferntransmitter auf Empfang geschaltet sei. Zu diesem Zeitpunkt glaubten noch alle, dass die Rettungsaktion trotz des Ablaufhemmer-Feldes verwirklicht werden könnte.

Doch um 11 Uhr 17 änderte sich die Lage schlagartig. Die CMP-3 wurde von einer starken Schwarmflotte angegriffen. Die Bordcomputer errechneten, dass es in zweieinhalb Minuten zur Feindberührung kommen musste.

Major Talhayo gab diese Tatsache an die MARCO POLO durch und erhielt gleich darauf von Perry Rhodan den Bereitschaftsimpuls der Transmitterstation. Es handelte sich dabei um einen so genannten »Justierungs-Vollzugsimpuls auf fünfdimensionaler Ebene«.

Dieser Justierungs-Vollzugsimpuls, der die Aufnahmefrequenz des MARCO POLO-Empfangstransmitters umfasste, wurde von dem Sendergerät der CMP-3 aufgenommen. Dort kam es innerhalb der Rechenpositronik nochmals zu einer Feinjustierung. Das war unbedingt notwendig, denn die Abstrahl- und Empfangswerte mussten im fünfdimensionalen Frequenzbereich absolut genau übereinstimmen.

Bei normalen Transmittertransporten genügte es, die Frequenzen beider Geräte zu kennen und sie einfach im Sender und Empfänger zu programmieren. Hier jedoch, innerhalb des Schwarms, lagen vollkommen andere physikalische Verhältnisse vor, erklärten die Physiker der MARCO POLO. Denen musste unbedingt Rechnung getragen werden. Sie gingen deshalb ganz sicher und gaben diesen Justierungs-Vollzugsimpuls durch.

Die CMP-3 hatte ihn kaum erhalten, da waren die ersten Schiffe der Schwarmflotte auf Schussweite herangekommen. Es handelte sich dabei um ein Dutzend Manips, die aus ihren Stachelauswüchsen konzentrierte Verdummungsstrahlung abschossen.

Major Talhayo blieb keine andere Wahl, als die Flucht zu ergreifen. Die CMP-3 beschleunigte mit 800 km/sec und entkam dem Gegner in den Linearraum. Von den Kommandanten der Relaiskreuzer traf die Meldung ein, dass sie ebenfalls ihre Positionen verließen. Es wurde jedoch abgemacht, dass alle fünf Schiffe in Bereitschaft bleiben sollten, um notfalls im System Intern-Alpha eingreifen zu können.

Bevor die CMP-3 im Linearraum verschwand, hatte Fellmer Lloyd noch einen verzweifelten telepathischen Impuls von Gucky empfangen, der aus einer Richtung kam, die weitab von dem Planetoiden Pförtner lag.

Der Impuls erlosch so schnell und plötzlich, wie er entstanden war.

Lloyd ahnte, was dies zu bedeuten hatte, und hoffte, dass Gucky nach seinem missglückten Teleportersprung die Rückkehr nach Pförtner gelungen war.

3.

Die MARCO POLO war bereits einen vollen Monat innerhalb des Schwarms auf Kokon. Die Befürchtungen der Zwillinge Blazon Alpha und Blazon Beta, die Immun-Kranken könnten den Terranern wegen der Vorfälle auf Trantus-Tona grollen, bewahrheiteten sich nicht. Sie waren nur noch von ihrem Hass gegen die Beherrscher des Schwarms erfüllt und boten Perry Rhodan ihre volle Unterstützung an.

Das ockergelbe Zellplasma hüllte die MARCO POLO mit seiner gigantischen Masse ein und schützte das zweitausendfünfhundert Meter durchmessende Ultraträgerschlachtschiff auf diese Weise vor einer zufälligen Entdeckung aus dem All.

Das Projekt INFEKT war gestartet worden, doch brachte es nicht ganz den Erfolg, den man sich davon erwartete. Es war einfach nicht möglich, alle Planeten zu erfassen, auf denen sich teilungsbereite Gelbe Eroberer befanden. Doch wenn man auch nicht ihren Geburtendrang entscheidend hemmen konnte, so war es immerhin möglich, in ihren Reihen immer stärkere Panik zu verursachen.

Die MARCO POLO befand sich auf Kokon im Schutze des Zellplasmas in Sicherheit – zumindest war das die allgemeine Ansicht. Rhodan war überzeugt, dass ihnen Kokon selbst dann, wenn die MARCO POLO geortet werden konnte, bis zuletzt Schutz bieten würde. Die hypermodernen Ortungsgeräte waren in der Lage, jeden Gegner rechtzeitig auszumachen, so dass das Ultraträgerschlachtschiff immer noch rechtzeitig starten konnte.

Niemand ahnte zu diesem Zeitpunkt, dass zwei winzige Fehler, herbeigeführt durch menschliches Versagen, der MARCO POLO zum Verhängnis werden sollten.

Den einen beging Perry Rhodan selbst – es handelte sich dabei um eine scheinbar unbedeutende Unterlassungssünde, die aus einer Vorsichtsmaßnahme resultierte. Den zweiten Fehler beging Captain Tjico Raim, der Kommandant einer der fünfzig ausgeschleusten Korvetten gewesen war.

Selbst auf einem Ultrariesen wie der MARCO POLO herrschte Platzmangel, und da war es nicht einmal so verwunderlich, dass in dieser engen Kabine Kisten mit Ersatzteilen verstaut waren.

Oberst Elas Korom-Khan hätte sich einen bequemeren Ort für diese Unterredung denken können, seine eigene Kabine etwa, doch stand er im Augenblick so unter Zeitdruck, dass er den nächstbesten Raum gewählt hatte. Ursprünglich wollte er den Korvetten-Kommandanten kurzerhand abweisen, doch beharrte dieser so hartnäckig darauf, ihm eine dringende Mitteilung machen zu müssen, dass er schließlich nachgab.

»Was haben Sie mir zu berichten, Captain Raim?«, erkundigte sich Korom-Khan knapp.

Raim räusperte sich. »Ich weiß nicht, ob ich richtig handle, wenn ich Sie in dieser Angelegenheit behellige, Sir. Ich habe lange hin und her überlegt und mich schließlich dazu entschlossen, Sie aufzusuchen.«

»Vielleicht sagen Sie mir erst einmal, worum es geht«, verlangte Elas Korom-Khan.

»Jawohl, Sir.« Tjico Raim schien sich gefasst zu haben. Er erzählte: »Ich war mit meiner Korvette im Nordsektor des Schwarms im Einsatz. Wir hatten den Auftrag, die Sonnen dieses Gebiets auf das Vorhandensein von Planeten zu überprüfen und diese zu katalogisieren. Dabei hatten wir einen Zusammenstoß mit einer Flotte aus dem Schwarm. Es waren zwei Dutzend Schiffe, darunter vier Manips. Wir flüchteten vor dieser Übermacht, bevor es zu einem Feuerwechsel kam. Wir flogen mit insgesamt zwei Linearetappen das Praspa-System an, stießen im Direktflug auf Kokon zu und ließen uns von der MARCO POLO einschleusen. Ich bin mir nicht sicher, glaube jedoch, einen schwerwiegenden Fehler begangen zu haben.«

»Wieso?«, fragte Korom-Khan ungeduldig.

Raim fuhr fort: »Nach der ersten Linearetappe vergewisserten wir uns, dass sich keine gegnerischen Schiffe in unmittelbarer Nähe befanden. Deshalb hatte ich keine Bedenken, das Praspa-System anzufliegen. Doch als wir am Rande des Systems herauskamen und Direktkurs auf Kokon nahmen, materialisierte ein Dutzend Kreuzhantel-Schiffe ...«

»Von welchem Schiffstyp reden Sie?«, fragte Korom-Khan verwundert.

»Entschuldigung, Sir«, bat Raim etwas nervös. »Das ist eine Bezeichnung, die ich diesen Schiffen gegeben habe. Sie sehen nämlich aus wie zwei fünfhundert Meter lange, kreuzförmig übereinandergelegte Hanteln. Die Verbindungsröhren sind etwa hundert Meter dick, die Kugelgebilde an deren Enden durchmessen hundertundfünfzig Meter ...«

»Wir haben diese Schiffe auch auf der MARCO POLO geortet«, unterbrach der Emotionaut. »Aber das war bereits vor zwanzig Stunden. Inzwischen haben sich diese, äh, Kreuzhantel-Schiffe, zwei Lichtjahre von Praspa zurückgezogen. Für uns bestand also keine Veranlassung, sie weiter zu beachten.«

Raim nickte. »Ich erfuhr von ihrem Rückzug, deshalb konnte ich mich auch nicht entschließen, Sie aufzusuchen, Sir. Denn ich kam mit meiner Korvette bereits vor zwanzig Stunden aus dem Einsatz zurück.«

Elas Korom-Khan schaute den jungen Captain wütend an. »Und um mir das zu sagen, wollten Sie mich sprechen?«, sagte er mit gefährlich leiser Stimme.

»Nein, Sir, nicht nur deshalb«, versicherte Raim schnell. »Meine Ortungsspezialisten haben eindeutig festgestellt, dass wir von den Kreuzhantel-Schiffen angepeilt wurden. Sie haben unseren Flug bis nach Kokon verfolgt, Sir! Das ist der eigentliche Grund, warum ich Sie aufsuchte. Die Besatzung der Kreuzhantel-Schiffe weiß von unserer Landung auf Kokon. Wie gesagt, ich glaubte, das sei nicht weiter von Bedeutung, als ich erfuhr, dass sich die Schiffe zurückzogen. Aber jetzt, nachdem ich die Angelegenheit überschlafen habe, entschloss ich mich, zur mündlichen Berichterstattung bei Ihnen zu erscheinen, Sir. Das ist alles.«

»Er hat die Angelegenheit überschlafen«, sagte Korom-Khan. »Ja, wissen Sie, was sich inzwischen über unseren Köpfen zusammengebraut haben könnte? In zwanzig Stunden kann sich eine riesige Flotte formieren!«

Der Emotionaut und Kommandant der MARCO POLO entließ den Captain und setzte sich über Interkom mit Perry Rhodan in Verbindung. Es war 11 Uhr 21, Standardzeit, wenige Minuten nachdem der Großadministrator den Transmitter-Justierungs-Vollzugsimpuls an die CMP-3 abgeschickt hatte.

Der Ferntransmitter der MARCO POLO lief auf Empfang. Der Justierungs-Vollzugsimpuls war abgegeben worden. Dann kam die Meldung durch, dass die CMP-3 aufgegeben hatte und vor angreifenden Manips flüchten musste.

Nun stand für Rhodan fest, dass der Rettungsversuch des im Intern-Alpha-Systems befindlichen Einsatzkommandos fehlgeschlagen war. Atlan und seine zehn Begleiter waren nach wie vor in Gefahr. Da sie es nicht mehr geschafft hatten, den Transmitter der GEVARI zu betreten, blieben sie einem ungewissen Schicksal ausgesetzt.

Rhodan konnte im Augenblick nichts für sie tun.

Einer der Offiziere, die in der Kommandozentrale Dienst versahen, kam zu Rhodan und meldete: »Die Transmitterhalle fragt an, ob der Empfänger weiterhin eingeschaltet bleiben soll.«

Rhodan überlegte. Hatte es überhaupt noch einen Zweck, den Ferntransmitter laufen zu lassen? Es musste schon ein Wunder geschehen, wenn Atlan und seine Leute in den nächsten Minuten noch Gelegenheit fänden, sich zur CMP-3 abzustrahlen. Ein Wunder!

Aber vielleicht gelang es ihnen, dem Zeitlupenfeld doch irgendwie zu entrinnen? Rhodan rang noch mit sich, als ein anderer Offizier an ihn herantrat.

»Oberst Elas Korom-Khan wünscht Sie dringend am Interkom zu sprechen, Sir«, meldete er.

Rhodan wandte sich dem nächsten Interkom zu, innerlich froh darüber, dass er die Entscheidung noch einige Minuten hinausschieben konnte. Vom Schirm des Bildsprechgerätes blickte ihm ein sehr besorgter Kommandant der MARCO POLO entgegen.

»Was ist vorgefallen, Oberst?«, erkundigte sich Rhodan.

»Erinnern Sie sich, Sir, dass wir vor zwanzig Stunden ein Dutzend fremder Schiffe im Praspa-System orteten, die ungefähr so aussahen wie überkreuzte Hanteln?«, fragte Elas Korom-Khan. »Wir maßen dem keine Bedeutung bei, weil sich die Schiffe wieder zurückzogen. Doch eben hat mir ein Korvetten-Kommandant gestanden, dass er bei seiner Landung auf Kokon von ihnen eindeutig beobachtet wurde. Das könnte bedeuten, dass der Gegner nun das Versteck der MARCO POLO kennt.«

Rhodan bat den Emotionauten sofort in die Kommandozentrale. Dann befahl er der Ortungszentrale, das Gebiet um das Praspa-System aufmerksamer zu beobachten als bisher und augenblicklich zu melden, falls eine Konzentration von gegnerischen Schiffen erfolgen sollte.

Tatsächlich erhielt er noch in derselben Minute die Meldung, dass in östlicher Richtung, zwei Lichtjahre vom Praspa-System entfernt, ungewöhnlich viele Einheiten kreuzten. Die Auswertung der Fernmessung ergab, dass es sich um nicht weniger als vierzig Schiffe verschiedener Größenordnungen und Formen handelte. Mehr als die Hälfte davon waren Kreuzhantel-Schiffe.

Diese kleine Flotte ließ keinerlei feindselige Absichten erkennen. Aber allein die Tatsache einer Schiffsmassierung in der Nähe des sonst gemiedenen Praspa-Systems gemahnte Rhodan zur Vorsicht.

Er ließ sämtliche Stationen besetzen, um die MARCO POLO notfalls in Sekundenschnelle gefechtsklar und startbereit zu haben.

»Wir sind auf alle Eventualitäten vorbereitet«, äußerte sich wenig später Oberst Elas Korom-Khan zufrieden.

Aber in diesem Punkt irrte der Emotionaut gewaltig.

Es war 11 Uhr 26 und dreizehn Sekunden, als die vollpositronischen Warnanlagen Vollalarm gaben.

Die Männer in der Kommandozentrale sahen einander verblüfft an. Sie waren auf ihren Posten, doch wussten sie nicht, wie sie sich verhalten sollten. Sämtliche Geschützstände waren besetzt, doch die Feuerleitoffiziere bekamen keinen Gegner zu sehen.

Die Techniker in der Ortungszentrale nahmen in fieberhafter Eile Schaltungen vor, überprüften ihre Geräte, desaktivierten die Automatiken und bedienten die verschiedenen Ortungsanlagen manuell. Doch an den Tatsachen änderte sich nichts – im Umkreis von mehreren Lichtmonaten waren keine Angreifer zu entdecken.

Trotzdem gellte der durchdringende Heulton der Alarmsirene durch das Schiff.

Rhodan war blass geworden. Er hatte schon beim ersten Ton der Alarmsirene geahnt, welcher Art die Bedrohung für die MARCO POLO war. Die Tatsache, dass rund um das Praspa-System keine Gegner zu erkennen waren, ließ seine Ahnung zur Gewissheit werden.

Er ordnete sofort die Abwehr an, doch wurde sie um einige Minuten zu spät wirksam.

Die Besatzung der MARCO POLO war einem gnadenlosen Feind ausgeliefert, der eine winzige Chance erkannt und genutzt hatte.

Da Professor Warlo Pottkin auf Terra bei einer Auseinandersetzung mit einer Horde Verdummter umgekommen war, hatte sein Assistent Galzhasta Rouk die Ezialistische Abteilung auf der MARCO POLO übernommen. Rouk sah seine große Stunde für gekommen.

Pottkin war ein guter Ezialist gewesen, doch viel zu konventionell und zu zurückhaltend, als dass er der Extra Zerebralen Integration hätte zum Durchbruch verhelfen können. Er ging von dem veralteten Grundsatz aus, dass der Ezialismus keine Werbung brauchte, sondern dass seine Erfolge für sich selbst sprachen. Die Tatsache jedoch, dass der Ezialismus während der Expedition nach Gruelfin kaum in Erscheinung getreten war und kaum jemand von der achttausendköpfigen Besatzung wusste, dass es einen Vertreter dieser Wissenschaft überhaupt an Bord gab, war nicht sehr ermutigend.

Rouk hatte sich dennoch vorgenommen, dem Schattendasein des Ezialismus ein Ende zu bereiten und den Vertretern der konventionellen Wissenschaften den Kampf anzusagen. Er stürzte sich mit jugendlichem Eifer in die Verwirklichung seiner Pläne. Er hielt in seinen bescheidenen Räumen Vorlesungen ab und scheute auch nicht den Weg zu den Kollegen von den »altehrwürdigen« Wissenschaften.

Im Augenblick versah er freiwilligen Dienst in der Transmitterhalle. Er vertrat einen mit ihm befreundeten Techniker, der seit dem Einflug in den Schwarm an einer Störung seiner Gesichtssinne litt.

Rouk hatte seinen Posten keineswegs aus reiner Freundschaft eingenommen, sondern hauptsächlich in der Absicht, die Mitglieder des Atlan-Teams bei ihrer Ankunft auszuhorchen und so einige Dinge zu erfahren, die nicht offiziell bekannt gegeben wurden.

Rouk machte es nicht viel aus, dass ihn die anderen fünf Techniker scheel anblickten und als willkommenes Opfer für ihre derben Späße betrachteten. Er besaß ein ziemlich dickes Fell.

»Was mag das zu bedeuten haben?«, fragte Rouk in die Stille der Transmitterhalle hinein. »Der Justierungs-Vollzugsimpuls ist schon vor Minuten abgegeben worden. Schlafen die auf der CMP-3?«

»Es wird Schwierigkeiten geben«, vermutete der Erste Transmittertechniker, der mit zwei anderen links des roten Gefahrenkreises an den Kontrollen saß. Rouk arbeitete mit den restlichen beiden Männern auf der anderen Seite.

Zwischen ihnen standen die beiden hohen Torbogenschenkel des Ferntransmitters, die sich dicht unter der Ecke der gigantischen Halle trafen und zu einem Spitzbogen vereinten.

»Ist etwas aus der Kommandozentrale zu erfahren?«, erkundigte sich Rouk bei dem Techniker, der über Interkom mit den Funkern, den Ortungsspezialisten und den Emotionauten in Verbindung stand.

Er schüttelte den Kopf, doch plötzlich wirkte er konzentriert. Er lauschte in die Kopfhörer, die an den Interkom angeschlossen waren.

»Fehlgeschlagen«, sagte er. Alle Gesichter wandten sich ihm zu. Er erklärte: »Die CMP-3 muss die Position wechseln, um eine Feindberührung zu vermeiden. Die Abstrahlung des Atlan-Teams wird auf unbestimmte Zeit verschoben.«

»Erkundige dich, ob wir das Transmitterfeld abbauen sollen«, verlangte der Erste Techniker.

»Ist es denn notwendig, dazu einen ausdrücklichen Befehl zu erhalten?«, wunderte sich Rouk. »Ich meine, wenn jetzt kein Transport erfolgt, sollte das Hyperfeld auf jeden Fall desaktiviert werden.«

»Davon verstehen Sie nichts, Galz«, sagte der Erste Techniker abfällig. »Oder können Sie mir einen vernünftigen Grund dafür nennen?«

»Es gibt einige«, antwortete Rouk. »Zum Beispiel könnten wir ungeheure Energien sparen, wenn wir den Transmitter stilllegen.«

Der Erste Techniker grinste. »Das hört sich an wie ein Schottenwitz.«

»Eine andere Sache wäre es, den Transmitter aus Sicherheitsgründen auszuschalten«, fuhr Rouk unbeirrbar fort.

»Hört, hört«, machte der Erste Techniker. Die anderen feixten.

»Ich bekomme den Großadministrator nicht an den Apparat«, sagte der Mann, der sich mit der Kommandozentrale in Verbindung gesetzt hatte. »Man hat mir geraten, auf weitere Befehle zu warten.«

»Besteht dann Veranlassung, das Transmitterfeld aufrechtzuerhalten?«, bohrte Rouk weiter.

»Wir haben keinen Befehl erhalten, es auszuschalten«, sagte der Erste Techniker.

»Sie tun also nur, was man Ihnen ausdrücklich befiehlt«, konterte Rouk. »Es besteht doch immerhin die Möglichkeit, dass der Großadministrator vergaß, die Anordnung für die Abschaltung des Transmitters zu geben. Verlassen Sie sich immer darauf, dass die Obrigkeit unfehlbar sein müsse?«

Der Erste Techniker schnaubte ungehalten. »Hören Sie, Galz, langsam fallen Sie uns auf die Nerven. Sagen Sie uns lieber, welche Gefahren Sie in einem eingeschalteten Transmitter sehen.«

Rouk zuckte mit keiner Wimper. »Nun, die mögliche Gefahr liegt auf der Hand. Wir haben mit dem Justierungs-Vollzugsimpuls die Frequenz bekanntgegeben, auf der unser Transmitter empfängt. Wenn also jemand diesen Impuls aufgefangen hat, dann könnte er unseren Transmitter anzapfen.«

Der Erste Techniker lächelte spöttisch. »Klug gedacht, Ezi-Galz, aber leider nicht sehr logisch. Erstens haben wir den Justierungsimpuls gerafft abgeschickt, und zweitens mittels Richtstrahl. Unwahrscheinliche Zufälle müssten mitspielen, wenn dieser Impuls abgefangen werden sollte. Der Feind müsste sich auf dem Kurs des Richtstrahls befinden und gerade in jener Millionstelsekunde auf unserer Wellenlänge empfangen, in der wir sendeten. Und selbst dann, mein kluger Ezi-Galz, könnte er damit noch nichts anfangen, weil er unseren Standort nicht kennt. Sehen Sie jetzt ein, wie haarsträubend Ihre Überlegungen sind?«

Rouk erwiderte den triumphierenden Blick des Ersten Technikers mit einem mitleidigen Lächeln.

»Sie haben mein Argument keineswegs entkräftet«, sagte er. »Denn Sie gehen von der Annahme aus, dass unser Gegner keine Ahnung davon hat, wo die MARCO POLO steht. Es ist sogar wahrscheinlich, dass er unseren Standort kennt. Bedenken Sie nur, wie oft die Kreuzer und Korvetten das Praspa-System anfliegen, um auf Kokon zu landen. Dabei ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass eines dieser Beiboote geortet wurde.«

»Hm«, machte der Erste Techniker nachdenklich.

Rouk fuhr fort: »Außerdem ist es erwiesen, dass der Standort der CMP-3 dem Gegner bekannt ist. Für einen klugen Strategen würde also nichts näher liegen, als eine imaginäre Gerade zwischen der MARCO POLO und der CMP-3 zu ziehen und irgendwo darauf einige Wachschiffe zu postieren.« In Rouks Stimme schlich sich ein sarkastischer Unterton. »Und diese Schiffe würden natürlich die modernste technische Ausrüstung besitzen. Und sie würden Funkgeräte besitzen, und sie würden bestimmt Transmitter besitzen. Und sie haben bestimmt den Justierungs-Vollzugsimpuls abgefangen und ihn raschest ausgewertet, da er nur gerafft und nicht verschlüsselt war. Und was, glauben Sie, werden sie daraufhin mit ihren Transmittern anstellen? Ist es nicht eine logische Schlussfolgerung, dass sie schleunigst ihre Transmitter auf unsere Wellenlänge abstimmen und ...«

»Hören Sie auf!«, schrie ihn der Erste Techniker an. »Sie können einen ja das Gruseln lehren.« Er wandte sich an den Mann am Interkom. »Richten Sie sofort eine dringliche Anfrage an die Kommandozentrale, ob wir den Transmitter abschalten dürfen.«

Rouk rang die Hände. »Eine dringliche Anfrage! Was muss denn erst passieren, dass Sie aus eigener Initiative etwas unternehmen?«

»Hauen Sie ab!«, schrie ihn der Erste Techniker wütend an.

Rouk wandte sich ab. Er selbst hatte erst während seiner eigenen Ausführungen erkannt, welche ungeheuerlichen Gefahren der eingeschaltete Transmitter für sie bergen konnte. Sicher, es waren lediglich Spekulationen, die sich aus dem eher fragwürdigen Gedankenspiel »Was-würde-geschehen-wenn« ergaben. Aber es hing zuviel davon ab, als dass man sie achtlos beiseite schieben konnte.

Wäre es nach ihm, Rouk, gegangen, er hätte den Transmitter sofort ausgeschaltet. Die »dringliche Anfrage« mutete ihn dagegen wie eine Farce an.

Rouk hatte sich demonstrativ von den anderen entfernt. Als er jetzt stehenblieb und sich umdrehte, stand er am Ende der Schaltanlagen. Sein Blick wurde von der Empfangsplattform wie magisch angezogen.

Er erstarrte. Das hyperenergetische Feld zwischen den beiden Torbogenschenkeln hatte zu flimmern begonnen ...

»Achtung!«, schrie er und suchte gleichzeitig hinter einer Konsole Deckung.

Der Transmitter spie eine Horde nichtmenschlicher, fremdartiger Gestalten aus. Sie quollen in einem nicht endenwollenden Strom auf die Empfangsplattform, über die rote Markierung des Gefahrenkreises hinaus und ergossen sich in die Transmitterhalle.

Die fünf Techniker hatten keine Chance. Bevor sie noch irgend etwas unternehmen konnten, vergingen sie im konzentrierten Beschuss von mehr als einem Dutzend Hitzestrahlern.

Rouk konnte aus seinem Versteck keine Einzelheiten erkennen. Er musste mit beiden Händen die Abdeckplatte der Konsole von innen gegen die Öffnung pressen und konnte nur durch einen schmalen Spalt in die Transmitterhalle sehen.

Er konnte keinen klaren Gedanken fassen. Der Schock beim Anblick der aus dem Transmitter strömenden Armee von Fremdwesen war zu groß gewesen. Der Schweiß brach ihm aus allen Poren, und er zitterte am ganzen Leib.

Er hatte im entscheidenden Augenblick richtig reagiert und sich damit das Leben gerettet. Doch jetzt war er am Ende seiner Kräfte.

Der Strom von Fremdwesen quoll immer noch aus dem Transmitterfeld. Es mussten bereits Hunderte sein – und es wurden immer mehr.

Sie schossen mit ihren Hitzestrahlern scheinbar ziellos um sich, auf die Wände, gegen die hohe Decke und auf die Schaltelemente des Transmitters. Doch was wie eine sinnlose, disziplinlose Schießerei ausgesehen hatte, erkannte Rouk schnell als taktisch wohlüberlegtes Vorgehen.

Die Fremdwesen zerschossen die Wände, um die darunterliegenden Leitungen freizulegen und zu durchtrennen. Sie zerschmolzen die Schaltelemente nicht planlos, sondern nur so weit, dass die Alarmanlage, die automatischen Abschaltgeräte und die an sie angeschlossenen Notaggregate ausfielen. Dadurch erreichten sie, dass ihre Artgenossen ungehindert in die MARCO POLO nachströmen konnten.

Rouk musste ohnmächtig zusehen, wie immer mehr der Fremdwesen aus dem Transmitterfeld kamen. Sie überfluteten die Halle, drangen durch die Schotte in die Korridore hinaus und besetzten das Schiff ...

Welche Verhaltensmaßnahmen schrieb der Ezialismus in solch einem Fall vor? Es war müßig für Rouk, darüber nachzudenken. Er war in seinem Versteck vollkommen hilflos. Der Gestank von durchgebrannten Isolatoren drang ihm in die Atemwege und raubte ihm die Luft.

Es ging für ihn im Augenblick ums Überleben.

Er hörte wie aus weiter Ferne die Alarmsirenen, doch änderte auch ihr Geheul nichts daran, dass die Fremdwesen nach wie vor aus dem Transmitter strömten. Ihre schrillen, lauten Schreie geisterten durch die Transmitterhalle und übertönten die Alarmsirene.

»Lacoon!«, war ihr Kriegsruf – zumindest hörte es sich so an.

Nur langsam überwand er seinen Schock und ging daran, seinen Verstand zu gebrauchen, um einen Ausweg aus seiner misslichen Lage zu finden.

»Lacoon! Lacoon!«, schrien sie unentwegt und drangen immer tiefer in die MARCO POLO vor.

»Der Ferntransmitter!«, sagte Perry Rhodan.

Joak Cascal, der sich beim Ertönen des Generalalarms bei Rhodan eingefunden hatte, verstand sofort die Bedeutung dieser Worte, obwohl er die Zusammenhänge noch nicht begriff. Aber für ihn stand es fest, dass der Gegner nur durch den Transmitter in die MARCO POLO eingedrungen sein konnte.

Das wurde gleich darauf bestätigt. Die ersten Meldungen trafen aus den unteren Schiffsregionen ein. Sie kamen durchweg aus jenen Abteilungen, die rund um die Transmitterhalle lagen.

Augenzeugen berichteten von einem furchtbaren Massaker, das »gepanzerte Echsenwesen mit Schlangenköpfen« anrichteten.

In den unteren Decks hielten sich zu diesem Zeitpunkt zum Glück die wenigsten Besatzungsmitglieder auf. Rhodan beorderte sie alle sofort in die oberen Schiffsregionen.

Gleichzeitig damit liefen die Bemühungen, den Transmitter von der Kommandozentrale aus abzuschalten. Der erste Versuch, die ausgefallenen Automatik-Abschaltgeräte durch die zwischengeschalteten manuell zu bedienenden Notanlagen zu ersetzen und so das Transmitterfeld zu desaktivieren, schlug fehl.

Die Eindringlinge hatten sämtliche Verbindungsleitungen zur Kommandozentrale zerschossen.

Desgleichen misslang der Versuch, einen Zusammenbruch des Transmitterfeldes zu erreichen, indem man die Sicherheitsschaltung für die separate Energieversorgung der Transmitterhalle aktivierte. Die Sicherheitsschaltung funktionierte zwar, doch war die separate Energieversorgung schon längst durch den Beschuss der Eindringlinge ausgefallen. Dadurch sprangen automatisch die Hauptkraftstationen als Energieversorger ein.

Es dauerte Minuten, bis die Techniker in dem allgemeinen Durcheinander diese Tatsache herausgefunden hatten. Minuten, in denen die Fremdwesen ungehindert durch den Transmitter an Bord der MARCO POLO strömen konnten. Nachdem die Techniker erst herausgefunden hatten, woher der Transmitter die Energie bekam, dauerte es keine Minute mehr, um die weitere Energiezufuhr zu unterbinden.

Das Transmitterfeld brach zusammen. Keine Fremdwesen konnten mehr in die MARCO POLO eindringen. Dennoch waren viel zu viele an Bord.

Eine genaue Schätzung konnte noch nicht angestellt werden. Aber es waren mindestens tausend, eher noch mehr.

Oberst Elas Korom-Khan hatte angesichts des Notstandes das Kommando an Perry Rhodan übertragen. Das war formlos und ohne große Gesten geschehen.

»Sollen wir die MARCO POLO starten, Sir?«, wollte Elas Korom-Khan wissen.

Rhodan lehnte ab. »Auf keinen Fall – wenn wir nicht dazu gezwungen werden. Wir dürfen uns nicht verzetteln. Unsere vordringlichste Aufgabe ist es, die Eindringlinge von Bord zu jagen. Auf Kokon können wir mit der Unterstützung der Immun-Kranken und des Zellplasmas rechnen. Das sind starke Verbündete. Im Weltraum sind wir zusätzlich geschwächt, weil wir Leute für die Bedienung der Schiffsanlagen abstellen müssen.«

Rhodan zog sämtliche Mannschaften von ihren Posten ab, rüstete sie mit Nahkampfwaffen aus und ließ die Decks unterhalb der Kugelzentrale von ihnen besetzen. Das war die erste entscheidende Maßnahme, um ein Vordringen des Gegners in die oberen Schiffsregionen und eine Eroberung der Kommandozentrale zu verhindern.

Von einer massierten Gegenattacke sah Rhodan einstweilen ab, weil er die Stärke des Gegners noch nicht kannte. Er dachte dabei weniger an zahlenmäßige Stärke, sondern an die physische, technische und eventuell parapsychische Schlagkraft.

Im Augenblick war es nur wichtig, den Vormarsch der Eindringlinge zu stoppen. Schotte wurden geschlossen, Antigravschächte gesperrt, Förderbänder abgestellt, Schutzschirme aktiviert und ganze Zwischendecks unter Energie gesetzt.

Der Gegner wurde über das Interkomnetz beobachtet, sofern es noch nicht zerstört war. Fliegende Mikrospione siganesischer Bauart flogen in die von den Eindringlingen besetzten Sektionen, machten Aufnahmen, nahmen Messungen vor und schickten das erhaltene Material über Funk zur Auswertung an die Schiffspositronik.

Spähtrupps und Rettungskommandos drangen im Schutz der Deflektorfelder ihrer Kampfanzüge in die von den Eindringlingen besetzten Sektionen vor. Sie hatten viele Erfolge zu verzeichnen, retteten Männer und Frauen, die von der übrigen Besatzung abgeschnitten waren, aus akuter Lebensgefahr und gaben eine Menge aufschlussreicher Daten an die Kommandozentrale zur Auswertung weiter.

Langsam rundete sich das Bild ab. Das erste Chaos legte sich, die Grenzen waren abgesteckt. Das Aussehen der Fremden war bis ins kleinste Detail aufgezeichnet, ihre Fähigkeiten, ihre waffentechnische Ausrüstung und ihre Möglichkeiten klar umrissen.

Das Gesamtbild war trotz der momentanen Beruhigung der Situation erschütternd. Es stand fest, dass ungefähr zweitausend Fremde durch den Transmitter an Bord der MARCO POLO gekommen waren.

»Es war meine Schuld«, stellte Rhodan verbittert fest.

»Wieso, weil Sie den Justierungs-Vollzugsimpuls an die CMP-3 abgeschickt haben?«, fragte Oberst Elas Korom-Khan. »Dieser Impuls war unbedingt nötig, weil sonst jeglicher Transmittertransport unter den im Schwarm herrschenden Bedingungen für die Beteiligten ein Unternehmen auf Leben und Tod gewesen wäre. Abgesehen davon konnten Sie nicht ahnen, dass man den Justierungsimpuls abfangen würde.«

»Doch, als ich erfuhr, dass Captain Raim geortet worden war, musste ich damit rechnen«, argumentierte Rhodan bedrückt. »Der Gegner hatte zwanzig Stunden Zeit, sich in günstiger Position zu postieren. Ich hätte das sofort erkennen und den Transmitter abschalten lassen müssen. Von Zufällen kann hier nicht gesprochen werden. Es war eindeutig ein menschliches Versagen.«

Der Emotionaut blickte dem Großadministrator fest in die Augen.

»Sie haben natürlich recht, Sir«, sagte er bedächtig. »Man muss von einer menschlichen Schwäche sprechen. Nun möchte ich Sie etwas fragen. Glauben Sie tatsächlich, dass Sie unfehlbar sind?«

»Nein, so vermessen bin ich nicht, Oberst. Aber man erwartet es von mir.« Rhodan zögerte. »Jedenfalls danke ich Ihnen, Elas.«

Rhodan wusste, was der Emotionaut gemeint hatte. Es änderte nichts an der Situation, wenn er sich selbst Vorwürfe machte.

Phillip Grohen und Miryll Prue hatten sich im Spezialladeraum SL 17 aufgehalten. Dort waren leicht zerbrechliche Güter untergebracht, und entsprechend gering war die Schwerkraft.