Perry Rhodan 2076: Der Sternenlotse - H.G. Francis - E-Book

Perry Rhodan 2076: Der Sternenlotse E-Book

H. G. Francis

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Beschreibung

Die SOL im verbotenen Sektor - Intervention aus dem Hyperraum Die SOL kehrte unter dem Kommando von Atlan, dem unsterblichen Arkoniden, erfolgreich von ihrer Reise in die Vergangenheit zurück. In Segafrendo, rund 18 Millionen Jahre "vor" ihrer eigenen Zeit, wurde die Besatzung des Hantelraumschiffs Zeuge großer kosmischer Ereignisse und schrecklicher Kämpfe. In der relativen Neuzeit des Jahres 1304 Neuer Galaktischer Zeitrechnung sind die Menschen nun im Land Dommrath angekommen, einer Galaxis, die unter der friedlichen und zugleich strengen Herrschaft der Ritter von Dommrath steht. Verbunden sind die bewohnten Planeten durch Transmitter, über die der Personen- und Frachtverkehr abgewickelt wird; ein vergleichsweise hoher Wohlstand sorgt dafür, daß es allen Wesen in der Galaxis gut geht. Doch selbst dieses Paradies hat seine Schattenseiten: Die Raumfahrt ist verboten, dagegen lehnen sich die Rebellen der Astronautischen Revolution auf. Eine grauenvolle Seuche sucht in unregelmäßigen Abständen die Welten der Galaxis heim und entvölkert ganze Planeten. Und im mysteriösen Sektor CLURMERTAKH geschehen Ereignisse, die niemand richtig einschätzen kann. Atlan muß erkennen, daß die Geschehnisse in Dommrath mit denen in Segafrendo und in der Milchstraße zusammenhängen. So gibt es in allen drei Galaxien gigantische Pilzdome und damit Zugänge zur Brücke in die Unendlichkeit. Der Arkonide will mehr herausfinden, sein Ziel ist der Verbotene Sektor - und beim Flug dahin hilft ihm DER STERNENLOTSE...

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Nr. 2076

Der Sternenlotse

Die SOL im Verbotenen Sektor – Intervention aus dem Hyperraum

von H. G. Francis

Die SOL kehrte unter dem Kommando von Atlan, dem unsterblichen Arkoniden, erfolgreich von ihrer Reise in die Vergangenheit zurück. In Segafrendo, rund 18 Millionen Jahre »vor« ihrer eigenen Zeit, wurde die Besatzung des Hantelraumschiffs Zeuge großer kosmischer Ereignisse und schrecklicher Kämpfe.

In der relativen Neuzeit des Jahres 1304 Neuer Galaktischer Zeitrechnung sind die Menschen nun im Land Dommrath angekommen, einer Galaxis, die unter der friedlichen und zugleich strengen Herrschaft der Ritter von Dommrath steht. Verbunden sind die bewohnten Planeten durch Transmitter, über die der Personen- und Frachtverkehr abgewickelt wird; ein vergleichsweise hoher Wohlstand sorgt dafür, dass es allen Wesen in der Galaxis gutgeht.

Doch selbst dieses Paradies hat seine Schattenseiten: Die Raumfahrt ist verboten, dagegen lehnen sich die Rebellen der Astronautischen Revolution auf. Eine grauenvolle Seuche sucht in unregelmäßigen Abständen die Welten der Galaxis heim und entvölkert ganze Planeten. Und im mysteriösen Sektor CLURMERTAKH geschehen Ereignisse, die niemand richtig einschätzen kann.

Atlan muss erkennen, dass die Geschehnisse in Dommrath mit denen in Segafrendo und in der Milchstraße zusammenhängen. So gibt es in allen drei Galaxien gigantische Pilzdome und damit Zugänge zur Brücke in die Unendlichkeit.

Der Arkonide will mehr herausfinden, sein Ziel ist der Verbotene Sektor – und beim Flug dahin hilft ihm DER STERNENLOTSE …

Die Hauptpersonen des Romans

Atlan – Der arkonidische Expeditionsleiter will mit der SOL zum Planeten Clurmertakh vorstoßen.

Arban Rousmitty – Der Zielsuggestor wird zum Helden, ohne es zu wollen.

Kerper Latif – Der Kybernetiker wird zum Sprecher der SOL-Besatzung auserkoren.

Necker Rhavved – Der »Schatztaucher« macht im Mittelteil der SOL seltsame Beobachtungen.

Icho Tolot

1.

Die Vergänglichkeit allen Lebens ist die Schwingung von Kommen und Gehen, von Werden und Vergehen, von Aufflammen und Erlöschen. Sie durcheilt den ganzen Kosmos, verursacht unendliches Leid und wird zugleich zur Quelle des Trostes – denn wo ein Ende ist, da ist auch ein Beginn.

Skorte Gargoonne 403.301D

Urirgi, Cluster 0057 – 07C.03K.01R. / 433.904D

Seit er sich wieder im Cluster CLURMERTAKH aufhielt, hatte sich Arban Rousmitty auf alle möglichen Gefahren eingestellt. Dass Cluster 0057 ein Verbotener Sektor war, wusste jeder. Auf die Idee, dass eine wesentliche Gefahr zumindest auf einer Welt schlichte Höhenangst sein konnte, kam kaum jemand.

Vom sogenannten Dortennest aus wirkte der Planet, auf dem er sich aufhielt, jedoch völlig harmlos. Der Zielsuggestor hatte einen wunderbaren Blick auf das weite Land zu seinen Füßen. Die Hauptstadt Urirgiontra erstreckte sich weit: Ein Häusermeer überzog Hügel und Ebenen, als hätten die Hände der Götter weiße Würfel mit großzügigem Schwung über das Land verteilt.

Kein Zeichen von Gefahr, kein Zeichen dafür, dass man in diesem Verbotenen Sektor mit gefährlichen Phänomenen konfrontiert werden konnte. Vielleicht war auch nur Urirgi, der Planet des Clusterzentrums, eine Ausnahme in einer Region voller Risiken.

Cluster 0057 galt im ganzen Land Dommrath als schwierig, was nach den vorliegenden Informationen eher unter- als übertrieben war. Arban Rousmitty wusste aus den Berichten, dass es seit Anbeginn der dommrathischen Zeitrechnung immer wieder absolut unvorhersehbare hyperphysikalische Ereignisse gegeben hatte, die im Verbotenen Cluster für Unruhe sorgten.

Immerhin funktionierte der Portalverkehr innerhalb von CLURMERTAKH normalerweise recht gut. Der Zielsuggestor hätte sogar behauptet, der Portalverkehr verlaufe annähernd reibungslos, sah man davon ab, dass hin und wieder Sendungen auf ziemlich rätselhafte Weise verlorengingen.

»Es ist verständlich«, murmelte Arban Rousmitty, während er einer zerfaserten weißen Wolke nachschaute, die über das Dortennest trieb. »In schwierigen Zeiten, wenn sich die Phänomene häufen, bleiben die Personenportale leer, während die Frachtportale weiterhin rege benutzt werden. Wer will schon während eines Transports im Nichts verschwinden?«

Beim Güterverkehr hatten sich die Bewohner des Verbotenen Sektors mittlerweile darauf eingestellt, dass es stets einen gewissen »Schwund« gab. Dagegen behalf man sich, indem man große Sendungen nach Möglichkeit in viele kleine Portionen aufteilte. Erwischte es dann tatsächlich einmal eine Sendung – was in etwa einem bis zwei Fällen von 5000 vorkam –, dann war der Verlust zu verschmerzen.

Es gab einige wenige Wissenschaftler im Sektor, die diese Verluste zum Anlass nahmen, den Verzicht der Transporte zu fordern. Ausgerechnet Caranesen neigten dazu, auch wenn diese ansonsten eher als zurückhaltende Wesen galten.

Es war noch nicht lange her, dass Arban Rousmitty mit dem Literaturwissenschaftler Casparr darüber diskutiert hatte. Er hatte eine hohe Meinung von dem Gelehrten, obwohl dieser seltsame Ansichten vertrat. So behauptete er, die verschiedenen Planeten des Clusters seien derart autark, dass ein Güterverkehr unter ihnen nicht stattzufinden brauche. Aus wissenschaftlicher Sicht könne er eigentlich gar nicht stattfinden.

Ach, lieber Freund, wärst du doch bei der Literaturwissenschaft geblieben!, dachte er. In der Wirtschaftswissenschaft gelten andere Gesetze.

Es war nun einmal eine Tatsache, die durch jahrelange Erfahrung gestützt wurde, dass zwischen den am höchsten entwickelten Wirtschaftsräumen der intensivste Warenaustausch stattfand. Gerade wenn die verschiedenen Volkswirtschaften für sich autark waren, bildeten sie einen Handel auf höchstem Niveau heraus. Taten sie es nicht und entzogen sie sich dem Wettbewerb, verloren sie rasch den Kontakt zur Hochleistungswirtschaft, veralteten und steuerten dem sicheren Untergang entgegen.

Arban Rousmitty hing gerne solchen Gedanken nach, wenn er seine Ruhe hatte. Wie in diesen Augenblicken: hoch über der Hauptstadt Uriregiontra und im Dortennest über der Stadt.

Ein kleines, sechsbeiniges Wesen mit einem grün-violett gestreiften Fell, einem buschigen Schwanz, einem schwarzen Kugelkopf, grünen, leuchtenden Augen und zwei fächerförmigen Fühlern, die ebenso lang waren wie sein Körper, schmiegte sich an seine Beine.

Der Zielsuggestor beugte sich zu dem Wesen hinab und ließ seine Hand sanft über den Rücken streifen. »Montiga«, sagte er leise. »Wo warst du? Ich habe dich schon vermisst.«

Der Mon-Mon-Ti-Gaganaga antwortete nicht, sondern drückte ihm schnurrend seine weichen Lippen an die Hand. Er konnte nicht sprechen, verfügte aber über so viel Intelligenz, dass er viele seiner Worte verstand.

»Dir ist unheimlich in dieser Höhe? Wir gehen bald. Nur noch ein paar Hiddyn.«

Das Nest hing so hoch an der Steilwand der senkrecht abfallenden Felsen, dass schon sehr gute Augen dazu gehörten, Einzelheiten in der Stadt ausmachen zu können. Lediglich das Fracht- und das Personenportal, eine Reihe von Fabriken und zahllose Gleiter waren deutlich zu erkennen.

Belustigt beobachtete Arban Rousmitty einige Urirgianer in seiner Nähe. Furchtsam näherten sich die Planetarier der transparenten Panzerscheibe, die das Dortennest zur offenen Landseite hin umgab. Die Panzerscheibe schützte sie davor, versehentlich in die Tiefe zu stürzen.

Für die Urirgianer war es ein prickelndes Abenteuer, sich in dem Nest aufzuhalten. Es hatte seinen Namen von den seltenen Flugechsen erhalten, die bevorzugt in solchen Steilwänden nisteten. Allerdings war in die Nester der Dorten geradezu winzig im Vergleich zu dieser Aussichtsplattform, die Platz genug für etwa hundert Urirgianer bot.

Zur Zeit hielten sich kaum mehr als zwanzig der Planetenbewohner darin auf – und alle hatten Angst. Schweigend und mit sichtlicher Überwindung tasteten sie sich über den transparenten Boden bis an den Rand des Nestes und zur Panzerscheibe vor, um dann seufzend und in einer seltsamen Mischung aus Behagen und Furcht zu gurren und zu schmatzen.

Urirgianer besaßen eine Höhenangst, die für Arban Rousmitty schier unvorstellbar war. Grund für diese grauenvolle Angst war sicher die Tatsache, dass der Planet eine Schwerkraft von 1,93 Gravos aufwies.

Die gedrungenen Urirgianer mit ihren röhrenförmigen, langgestreckten Körpern waren eigentlich perfekt darauf eingestellt. Sie bewegten sich auf zwölf stämmigen Beinpaaren, welche die große Schwerkraft gleichmäßig verteilten. Da sie Augenpaare auf der Ober- und der Unterseite sowie an den Flanken ihres Körpers hatten, konnten sie sich in alle Richtungen orientieren, ohne sich dazu bewegen zu müssen. Vorn, in der Mitte und am Hinterteil ihres Körpers besaßen sie jeweils zwei Armpaare. Es waren rührige, intelligente und sympathische Geschöpfe, die in vollkommener Harmonie mit der Natur ihres Planeten lebten – solange sie nicht Höhen ausgesetzt wurden. Doch sogar dafür gab es eine nachvollziehbare Erklärung.

Bei einer Schwerkraft von 1,93 Gravos konnte bereits ein Sturz aus wenigen Metern Höhe tödlich enden. Hielten sich die Urirgianer jedoch in einem Dortennest mehrere Kilometer über ihrer Stadt auf, grenzte dies nach ihren Begriffen bereits an den ultimaten Schrecken. Das aber hinderte sie nicht daran, mit einem Expresslift auf die Aussichtsplattform hinaufzufahren, um mit einer gewissen selbstquälerischen Lust den Effekt von Angst und Schrecken zu genießen.

Für Arban Rousmitty stellte sich das Vergnügen ganz anders dar. Er liebte die Höhe ebenso wie die Weite, und er empfand es als wohltuend, das Land auf diese Weise überblicken zu können. Mit seinen Wäldern, den azurblauen Seen und den seltsamen rostroten Felsformationen zeigte es sich in seinen Augen als besonders schön. Die hohe Schwerkraft war kein Problem für ihn, da er stets einen Gürtel mit einem winzigen Antigravaggregat trug. Das Aggregat sorgte dafür, dass er nicht höher als auf seinem Heimatplaneten belastet wurde.

Hin und wieder aber nahm er den Gürtel ab – wenn er sich beispielsweise ins warme Wasser sinken ließ, um zu baden und sich zu säubern. Dann spürte er die Last, bis er sich im Wasser aufhielt, um sich von ihm tragen zu lassen. Er mochte solche Momente, weil sie ihn daran erinnerten, dass er sich auf die Technik verlassen konnte.

Der Zielsuggestor war verliebt in Technik – allerdings nur an ihrer wirtschaftlichen Seite. Er beteiligte sich mit jedem Betrag an ihr, den er von seinem Einkommen abzweigen konnte. Auf diese Weise hatte er sich im Rahmen seiner eingeschränkten Existenz eine gewisse Unabhängigkeit und das Gefühl der Freiheit gesichert. Er konnte es sich leisten, sich für einige Zeit aus seinem Aufgabenbereich zurückzuziehen und beispielsweise ein Dortennest aufzusuchen.

Manchmal träumte er davon, diese Freiheit ausdehnen zu können, wusste aber, dass er diese Möglichkeit niemals haben würde. Damit musste er sich abfinden.

Ein eigenartiges Gefühl der Kälte beschlich ihn, schreckte ihn aus seinen Gedanken auf. Er streckte seinen faltigen Hals weit vor, so dass sein Kopf die Panzerscheibe beinahe berührte.

Aus den Augenwinkeln heraus nahm er wahr, dass sich neben ihm ein urirgianisches Kind der sichernden Scheibe näherte. Das Kind knurrte und schmatzte, schwankte dabei abwechselnd zwischen Furcht und Vergnügen. Er achtete kaum darauf.

Etwas anderes beschäftigte den Zielsuggestor viel mehr. Ihm war, als steige ein eisiger Wind aus der Tiefe der Ebene zu ihm herauf und streife ihn. Er meinte, den Luftzug deutlich spüren zu können, obwohl er wusste, dass genau dies unmöglich war. Das Dortennest war ein in sich geschlossener Bau, der mit Hilfe einer Klimaanlage versorgt wurde und bei dem sich absolut nichts öffnen ließ.

Und doch war der Luftzug da. Montiga jaulte kläglich.

Das Kind neben ihm schrie auf, und Arban wandte sich ihm zu. Im gleichen Moment bemerkte er, dass sich im Boden der Aussichtskuppel Löcher gebildet hatten. Er fühlte, wie er mit beiden Beinen in die verbleibenden Reste des Bodens einsank. Unwillkürlich streckte er seine Arme aus, um irgendwo nach Halt zu suchen.

Es war zu spät.

Schlagartig verschwand der Boden. Zusammen mit dem urirgianischen Kind stürzte der Zielsuggestor in die Tiefe – hinein in einen grauenhaften Abgrund.

Wie gelähmt blickte er nach unten. Es dauerte einige Zeit, bis er begriff, dass er relativ langsam fiel. Sein Antigravgürtel trug ihn sicher.

Das Kind jedoch entfernte sich immer weiter von ihm. Es raste mit steigender Beschleunigung dem tödlichen Grund entgegen.

*

SOL, Medo-Center – 2. März 1304 NGZ

Erschüttert hielt Kerper Latif die Hand des Sterbenden. Er blickte auf seinen Freund Jon Finkish hinab, der mit tief eingefallenen Wangen auf der Behandlungsliege ruhte. Die beiden Männer waren allein.

Schon vor einer Stunde hatte sich der Mediker mit einem bedauernden Kopfschütteln zurückgezogen. Er hatte zusammen mit den Medorobotern alles versucht, um das Leben des Nano-Technikers zu retten, hatte schließlich jedoch aufgeben müssen.

Jon Finkish wollte nicht mehr. Seine Lebenskraft war erloschen, und er hatte nicht mehr die Kraft, weiterzukämpfen.

Irgendwann waren auch die Grenzen der modernen Medizin erreicht. Und es waren nicht immer die großen, bedrohlichen Krankheiten oder schwere Verletzungen, an denen die Mediker scheiterten, sondern hin und wieder beinahe banal erscheinende Krisen, die zum Ende führten.

So war es auch bei Jon Finkish. Sein Leben neigte sich dem Ende zu, ohne dass sich eine klare Antwort auf die Frage nach dem Warum ergab.

Kerper Latif blieb bei dem Freund, bis es zu Ende war. Auch danach ging er nicht sogleich, sondern verweilte noch lange Minuten bei ihm. Schließlich kehrte der Mediker mit einem Spezialroboter zurück, der für eine würdige Bestattung des Toten sorgen sollte.

Wortlos verließ Latif den Behandlungsraum. Er hatte kein bewusstes Ziel, wollte nur in eine nahe Messe gehen, um unter Menschen zu sein.

Als er den gemütlich eingerichteten Raum betrat, schlug ihm der Lärm zahlreicher Stimmen entgegen. Schon wollte der Trauernde umkehren, als ihn ein Gedanke mit voller Wucht überfiel und ihn vollkommen beherrschte. Schon lange hatte diese Überlegung in ihm geschlummert, doch nie zuvor hatte sie ihn mit einer derartigen Intensität beschäftigt.

Es ist genug!

Während er sich aufmerksam umsah und jedes einzelne Gesicht der Männer und Frauen in der Messe betrachtete, schritt er auf einen der Tische zu. Dort ging es besonders laut und lebhaft zu. Während die Besatzungsmitglieder aßen und tranken, schauten sie lachend einer Komödie aus dem 27. Jahrhundert alter Zeitrechnung zu, die in einem Hologramm mitten auf dem Tisch abgespielt wurde.

Kerper Latif beugte sich vor und schlug die Faust krachend auf den Tisch. Geschirr und Besteck sprangen in die Höhe. Ein Glas kippte um, und Vurguzz ergoss sich über die Kleidung eines der Männer.

Augenblicklich wurde es still. Erstaunt blickten ihn die Männer und Frauen an. Sie kannten Kerper Latif als ruhigen, stets beherrschten und pragmatisch denkenden Mann, der seine Meinung zu vertreten wusste und selten um einen guten Rat verlegen war. So temperamentvoll wie jetzt hatte ihn noch keiner zuvor erlebt.

»Wie lange noch?«, rief er.

»Wie bitte?«, fragte Lindy Cwessy verdutzt. Die junge Technikerin, die an solchen Tischen immer von einem Schwarm von Verehrern umgeben war, blickte ihn an. »Wovon redest du überhaupt?«

»Gerade eben ist mein Freund Jon Finkish gestorben«, antwortete Latif. »Ihr habt ihn alle gekannt.« Latif, der als Kybernetiker für zahlreiche Subsysteme an Bord verantwortlich war, hatte irgendwann einmal mit den meisten seiner Zuhörer zusammengearbeitet. »Jon hat stets davon geträumt, zur Erde zurückzukehren. Oft hat er mir von seiner Familie erzählt. Er hat sich nach ihr gesehnt, wollte seine mittlerweile wohl fast erwachsenen Kinder noch einmal in die Arme nehmen. Doch das wird er nie mehr tun. Jon ist tot.«

»Das tut mir leid«, sagte Lindy bestürzt.

»Wer von euch denkt nicht hin und wieder an die Erde oder an jene Welt, auf der er geboren wurde? Wer möchte nicht irgendwann dorthin zurück?«, fuhr er fort. »Die Tage vergehen. Werden zu Monaten und Jahren. Und wir sind noch immer mit der SOL im Universum unterwegs. Auch jetzt entfernen wir uns wiederum von unserer Heimat, weil Atlan, Fee Kellind, Roman Muel-Chen, Tangens der Falke, Myles Kantor, Icho Tolot und andere dort oben in der Zentrale entschieden haben, dass wir tiefer in diesen Cluster eindringen sollen, um einen gewissen Mohodeh Kascha zu suchen, den Letzten der Kimbaner.«

»Ja – er hat auf seinen Reisen als Ritter von Dommrath angeblich weitere Details über das Thema Thoregon herausgefunden«, warf Lindy ein. »Und das könnte wichtig sein. Oder nicht?«

»Natürlich«, gab Latif zu. »Das könnte es. Aber wenn Atlan und die anderen dieses Problem gelöst haben, ergibt sich eine neue Aufgabe, die sie meinen erledigen zu müssen. Danach wieder eine. Und dann noch eine. Und immer so weiter. O ja, der Arkonide ist unsterblich. Und einige andere da oben in der Zentrale sind es auch. Unser Leben aber verrinnt. Viel zu schnell ist es zu Ende. Schließlich ergeht es uns so wie meinem Freund Jon, und alles ist vorbei.«

Der Kybernetiker blickte in die Runde. Er spürte, dass er jeden einzelnen in der Messe in seinen Bann schlug.

»Wir wissen, dass in der Milchstraße schon über zwölf Jahre vergangen sind, für uns erst einige Monate«, sprach er eindringlich weiter. »Wie soll das weitergehen? Wann verschwinden wir erneut für Jahre in der Zeit?«

Latif war überrascht von der Kraft seiner Rede und von der Tatsache, dass er sich so weit vorgewagt hatte. Das war sonst nicht seine Art. Er war eher introvertiert und zog es vor, in der Anonymität der Menge unterzutauchen.