Perry Rhodan 2221: Die Sekte erwacht - H.G. Francis - E-Book

Perry Rhodan 2221: Die Sekte erwacht E-Book

H. G. Francis

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Beschreibung

Auf der Spur Gon-Orbhons - das Chaos breitet sich in Terrania aus Das Jahr 1332 NGZ beginnt alles andere als verheißungsvoll: Nach wie vor belauern sich die galaktischen Großreiche der Arkoniden und der Terraner, weiterhin sind Perry Rhodan und Atlan im Sternenozean von Jamondi verschollen, und immer noch ächzen die galaktischen Zivilisationen unter der Störung aller Geräte auf hyperenergetischer Basis. Dazu kommen Probleme, die nicht recht einzuordnen sind: Wie aus dem Nichts heraus sah sich Terra einer großen Zahl fremder Lebewesen gegenüber, von denen niemand etwas zu wissen scheint, nicht einmal sie selbst. Diesem ungelösten Rätsel gesellt sich ein vollkommen anders geartetes Phänomen bei: Gleichfalls wie aus dem Nichts bildet sich auf mysteriöse Weise terraweit um einen Mann namens Carlosch Imberlock ein Kult heraus, der nichts anderes verkündet als den Untergang. Der Gott dieses Kultes wird als "Gon-Orbhon" bezeichnet, und für dessen Siegeszug fehlt nur wenig - bis DIE SEKTE ERWACHT...

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Nr. 2221

Die Sekte erwacht

Auf der Spur Gon-Orbhons – das Chaos breitet sich in Terrania aus

H. G. Francis

Das Jahr 1332 NGZ beginnt alles andere als verheißungsvoll: Nach wie vor belauern sich die galaktischen Großreiche der Arkoniden und der Terraner, weiterhin sind Perry Rhodan und Atlan im Sternenozean von Jamondi verschollen, und immer noch ächzen die galaktischen Zivilisationen unter der Störung aller Geräte auf hyperenergetischer Basis.

Dazu kommen Probleme, die nicht recht einzuordnen sind: Wie aus dem Nichts heraus sah sich Terra einer großen Zahl fremder Lebewesen gegenüber, von denen niemand etwas zu wissen scheint, nicht einmal sie selbst.

Diesem ungelösten Rätsel gesellt sich ein vollkommen anders geartetes Phänomen bei: Gleichfalls wie aus dem Nichts bildet sich auf mysteriöse Weise terraweit um einen Mann namens Carlosch Imberlock ein Kult heraus, der nichts anderes verkündet als den Untergang. Der Gott dieses Kultes wird als »Gon-Orbhon« bezeichnet, und für dessen Siegeszug fehlt nur wenig – bis DIE SEKTE ERWACHT ...

Die Hauptpersonen des Romans

Mondra Diamond – Die LFT-Staatssekretärin hat »tierisch« viel zu tun.

Clarian Goricellein – Der Heldentenor siegt und verliert.

Julian Tifflor – Dem Residenz-Minister macht Carlosch Imberlock viel zu schaffen.

Gaur – Ein junger Mann verliert seine Mutter.

Carlosch Imberlock

1.

Mit dem Instinkt der ausgebildeten TLD-Agentin erfasste Mondra Diamond erste Anzeichen einer Gefahr. Als sie das Fabrikgelände betrat und die vielen Menschen sah, die sich dort versammelt hatten, meldete sich dieser Instinkt ein weiteres Mal.

Beruhigend war, dass sich eine dichte Kette von Wachrobotern rund um die Fabrik aufgebaut hatte, um mögliche Anschläge abzuwehren. Seit der merkwürdige Prophet dieses nebulösen Gottes aufgetaucht war und viele Terraner in eine Meute von Technikstürmern zu verwandeln schien, musste man jederzeit mit Derartigem rechnen. Für das geschulte Auge Mondras traten dennoch Lücken in der Abwehr zutage. Sie waren klein, vielleicht nicht einmal tatsächlich nutzbar für Angreifer, aber fraglos vorhanden.

Zudem konnte sie sich des beunruhigenden Gefühls nicht erwehren, beobachtet zu werden. Ihr war, als ob jemand in ihrer Nähe sie ständig im Auge behalte.

Unwillkürlich fragte sie sich, ob sich ein Mutant in ihrer Nähe befand, der sie mit Hilfe seiner besonderen Fähigkeiten überwachte.

Es war gut und begrüßenswert, dass eine neue Fabrik entstanden war, noch dazu eine Fabrik dieser Art. Aber ihr wäre es lieber gewesen, wenn weniger Aufhebens in der Öffentlichkeit darum gemacht worden wäre.

Terrania war eine Stadt im Umbruch. Die Solare Residenz, viele Jahre das leuchtende Wahrzeichen am Himmel, war im Residenzpark in ihrem Futteral gelandet, sodass ein Ausfall der Antigravprojektoren nicht zu einer Katastrophe führen konnte. In allen Teilen der Stadt wurde gebaut. In dieser Hinsicht unterschied sich Terrania nicht oder nur wenig von den vielen anderen Städten auf dem Planeten Erde. Nach dem Ausfall der Syntroniken hatte die Zivilisation der Menschen unmittelbar vor dem Zusammenbruch gestanden und musste nun quasi über Nacht neu erschaffen werden.

Buchstäblich alles hatte direkt oder indirekt vom Funktionieren der Syntroniken abgehangen: angefangen bei Start, Flug und Landung von Raumschiffen oder Antigravgleitern bis hin zur Kommunikation von Kühlschränken mit dem IPV1330, dem Intranet-Protokoll, Version 1330.

Längst hatten sich die Menschen daran gewöhnt, dass Haushaltsgeräte sich selbst versorgten. Kühlschränke erkannten beispielsweise, ob die Kaffeesahne noch genießbar war oder ob der Kaviar vom Planeten Shementhoer besser durch eine frischere Packung ersetzt werden sollte. Reinigungsroboter wussten, wann Teppich, Wandbehänge und Gardinen das letzte Mal gesäubert worden waren, und erkannten, ob sich irgendwo Staub angesammelt hatte, der entfernt werden musste.

Selbst so alltägliche Dinge wie Rasierer – wenn man nicht auf pharmazeutische Bartwuchsstopper zurückgriff – waren dank einer mikrominiaturisierten syntronischen Steuereinheit mit Problemzonen vertraut, die eine besondere Behandlung verlangten, und konnten mit zuschaltbaren Antigravfeldern perfekt die Konturen des Gesichts nachfahren.

Türen öffneten und schlossen sich, wo dies notwendig war, um Haus- und Wohnungsbesitzer herein- und herauszulassen. Dank der ungeheuren Speicherkapazitäten, der enormen Prozessorleistung und der perfekten Vernetzung mit anderen Syntrons waren viele Türsyntroniken auch oftmals in der Lage zu erkennen, ob die Begleitung des Bewohners willkommen war oder nicht, ob also ein gewaltsames Eindringen versucht wurde oder ob ein Gast mitgebracht wurde.

Scanner prüften in Sekundenbruchteilen die Augen von Personen und erkannten anhand der Iris, was zu tun oder nicht zu tun war, ob es sich um gesuchte Personen handelte – selbst wenn es sich nur um ein Kind handelte, das den Eltern aus den Augen geraten war –, um besonders prominente Besucher, denen eine VIP-Behandlung zuteil zu werden hatte, oder Personen, von denen eine Gefahr für andere ausging, sodass sie unauffällig in Bereiche gelenkt werden mussten, in denen sie verhaftet werden konnten.

Ein Großteil der Syntroniken war in »Sub-Netzen« konfiguriert, angefangen bei internen Hausnetzen über Lokalnetze bis hin zum Systemnetz, und gemeinsam bildeten all diese Syntroniken und Sub-Netze das Grid, das Gitternetz, dessen Knotenpunkte je nach Bedarf bestimmte Sub-Netze oder, auf unterster Ebene, die einzelnen Syntrons waren. Auf diese Weise hatte jeder Teilnehmer Zugriff auf die notwendige Rechenkapazität. Das Grid bedeutete damit einerseits eine gewaltige Entlastung für NATHAN, dessen Kapazitäten hierdurch anderen Aufgaben zur Verfügung standen, andererseits konnte der lunare Großrechner in einer Einwegschaltung auch im Extremfall das Grid mitbenutzen.

Unzählige Dienstleistungen aller Art waren mittels Syntroniken erbracht worden – und waren weggefallen, als die Syntroniken versagt hatten.

Glücklicherweise bot die Positroniktechnologie einen Ausweg. Positroniken waren bei weitem nicht so leistungsfähig wie Syntroniken, aber sie funktionierten wenigstens. Als Nachteile schlug derzeit zu Buche, dass sie nicht in ausreichender Menge zur Verfügung standen und für jedes einzelne Gerät eine Umrüstung vorgenommen werden musste: Nicht jedes Gerät schaltete automatisch auf Positronikmodus um, etliche mussten programmiert werden. Zunächst konnten daher nur die wichtigsten Einrichtungen mit positronischen Bauelementen versehen werden. Kühlschränke, Reinigungsroboter, Türschlösser und was der Dinge mehr waren, mussten warten.

Die Nachfrage nach Positronikchips war gewaltig und das Angebot gering. Die Gesetze des Marktes führten nun dazu, dass überall auf der Erde Produktionsstätten für diese Technologie entstanden. Eigentlich hätten alle Menschen jede einzelne Fabrik begrüßen müssen. Doch das war nicht der Fall. Es gab Menschen – allen vor Carlosch Imberlock –, die jede neue Produktion erbittert bekämpften und als Werkzeug des Bösen verteufelten.

Ein junger Mann mit tiefschwarzem Haar, das vorn widerborstig in die Höhe stand, und einem wuchtig wirkenden Oberlippenbart wurde auf sie aufmerksam und eilte heran.

»Ich bin Flash Wohan, der Assistent des Chefs«, stellte er sich vor. »Darf ich dich zu ihm bringen?« Er berührte sie kurz mit der Hand am Ellenbogen, um ihr die Richtung anzuzeigen.

Mondra mochte die Berührung nicht. Sie rief eine instinktive Abwehr bei ihr hervor. Mit leichter Armbewegung und einem Schritt seitwärts schuf sie Distanz. Sie war eine selbstbewusste, erfolgreiche Frau. Ihr gefiel nicht, geführt zu werden. Sie war es gewohnt, ihn jeder Hinsicht ihren eigenen Weg zu gehen.

Der junge Mann merkte, dass er etwas falsch gemacht hatte. Er beschleunigte seine Schritte, ging voran und brachte sie so durch die Menge zu einem Platz ganz vorn an einer Tribüne. Dabei brauchte er nicht auf Abstand zu achten. Das besorgte Mondra.

Ein kleiner Mann mit schütterem blondem Haar kam ihnen breit lächelnd entgegen. »Doffran Goricellein«, stellte er sich vor. »Ich freue mich, dass du den Weg zu uns gefunden hast und uns die Ehre gibst. Dies ist ein großer Tag. Wir machen einen großen Schritt in eine bessere Zukunft. Das wollen wir feiern.«

Er musste zu ihr hochsehen, doch das tat seinem Selbstbewusstsein offenbar keinen Abbruch.

»Wie ich sehe, hast du eine Reihe von Sicherheitsmaßnahmen getroffen«, sagte sie. »Ich habe mich erkundigt. Uns liegen keine Erkenntnisse über eine Gefährdung der Veranstaltung vor. Dennoch sollten wir wachsam sein. Den Ausfall der Syntroniken könnten terroristische Elemente nutzen. Sie wären längst entdeckt und entlarvt worden, wenn das Grid noch funktionierte.«

Ein Schatten fiel vorübergehend auf sein von zahllosen Falten durchzogenes Gesicht.

»Ich verstehe nicht, dass ein Carlosch Imberlock und seine Sekte gegen den Aufbau unserer Wirtschaft sind«, klagte er, während er sie zur Ehrentribüne begleitete, auf der bereits einige wichtige Persönlichkeiten aus der Verwaltung Terranias Platz genommen hatten. »Was sind das für Idioten, die glauben, wir Menschen könnten ohne Industrie leben? Dazu gibt es mittlerweile viel zu viel Menschen auf der Erde und auf den Planeten, die zu uns gehören.«

Er verneigte sich kurz vor ihr, um dann an das Rednerpult zu treten und seine Gäste noch einmal zu begrüßen. Schon mit seinen ersten Worten wies er darauf hin, wie wichtig die neue Fabrik war. Die in ihr hergestellten positronischen Bauelemente bildeten die Schaltstellen, die eine Reaktivierung des Grids erst wieder möglich machten.

Während er sprach, zog ein Raumschiff in großer Höhe über Terrania hinweg. Geschickt wich er von seinem Konzept ab, wies auf den Raumer hin und wertete ihn sogleich als Symbol für die aufstrebende Wirtschaft. Aufmerksam und mit einer gewissen Begeisterung folgten seine Zuhörer diesen Ausführungen, die im Wesentlichen das wiedergaben, was sie empfanden.

Als Doffran Goricellein auf die Kapazität der neuen Fabrik zu sprechen kam, kam es zu jener Art Zwischenfall, den Mondra Diamond instinktiv erwartet hatte, ohne ihn definieren zu können: Der Boden zwischen dem Redner und ihr brach krachend auf, und eine Wasserfontäne schoss rauschend in die Höhe. Erdbrocken und Schlamm ergossen sich über die Gäste, die schreiend aufsprangen und sich panikartig in Sicherheit zu bringen versuchten.

Mondra war die Einzige, die den Überblick behielt. Viel schneller als alle anderen erkannte sie, dass von Wasser, Schlamm und Dreck keine unmittelbare Gefahr ausging. Sie rannte an der Fontäne vorbei, sprang über einige Blumenarrangements hinweg und lief durch ein offenes Tor in eine Fabrikhalle hinein.

Etwa zehn Meter vor einer mächtigen Panzerglasscheibe blieb sie stehen. Die transparente Scheibe trennte die eigentliche Produktionsstätte nach außen hin ab, gewährte jedoch Einblicke in die Hochreinräume mit ihren vollrobotischen Einrichtungen. Mondra sah mehrere vermummte Gestalten, die eindeutig nicht zu den Arbeitern gehörten. Mit Hilfe ihres Armgerätes löste sie einen Alarm aus.

Zu spät.

Hinter der Scheibe blitzte es auf, Risse bildeten sich in der Panzerglasscheibe. Mondra wandte sich zur Flucht, doch sie war sicher, es nicht schaffen zu können. Noch bevor sie den Ausgang erreichte, würde eine Explosion die Scheibe zersplittern lassen, und dann würde sie inmitten eines Hagels aus Tausenden von messerscharfen Splittern stehen. Ein einziger von ihnen konnte bereits tödlich sein.

*

Geradezu andächtig lauschte die Menge den Worten eines Mannes, der sich selbst als Adjunkt des Mediums Carlosch Imberlock bezeichnete.

»Dies sind die Tage und Jahre des Niedergangs!«, rief er mit theatralischer Betonung. »Uns allen hätte längst klar sein müssen, dass es nicht so weitergeht wie bisher. Der Weg, den die Menschheit eingeschlagen hat, um sich das Universum untertan zu machen, hat sich als Sackgasse erwiesen, als eine Straße, die zur Umkehr zwingt, weil sie im Nichts endet.«

Er war ganz in Dunkelblau gekleidet, so wie sein Meister und Vorbild, von dem er sprach. Er trug einen weiten Umhang, einen Hut mit ausladender Krempe und Stiefel aus einem lederartigen Material, die ihm bis an die Oberschenkel reichten. Augenbrauen und Augenränder hatte er schwarz gefärbt, passend zu seinen tiefschwarzen Augen.

»In nicht allzu ferner Zukunft wird Gon-Orbhon über diese Welt und seine Bewohner kommen. Er wird die Lebenden in zwei Klassen teilen.«

Es folgte die Verheißung, dass alle eine Zukunft vor sich hätten, die ihm folgten, während den anderen Verdammnis und Vernichtung drohten. Das Spiel war für nüchtern denkende Menschen leicht zu durchschauen. Gerade an solchen Menschen schien es in der Versammlung jedoch zu mangeln.

Das friedliche Bild täuschte. Die Stimmung der Öffentlichkeit richtete sich mehr und mehr gegen die Sekte, vor allem nach den über Trivid verbreiteten Nachrichten aus dem Waringer-Institut. Zwei Wissenschaftler hatten einen Anschlag geplant, der Tausende von Opfern gefordert hätte, wäre er nicht in letzter Sekunde verhindert worden.

Plötzlich ertönte eine Stimme, die den Adjunkten verblüfft schweigen ließ. Verwundert drehten sich seine Zuhörer um. Ihre Blicke richteten sich auf einen jungen Mann mit blonden Locken, der auf dem Dach eines ausgebrannten Gleiterwracks stand.

Der Mann sang eine populäre Arie aus einer Oper, die seit Monaten riesigen Erfolg hatte. Sein Tenor war klar und kräftig, und jeder Ton stimmte. Melodie und Text waren allen bekannt, man konnte das Lied wenigstens einmal am Tag im Trivid oder in den akustischen Medien hören. Daher erstaunte die Menschen nicht in erster Linie, dass er dieses Lied sang, sondern wie er es tat. Seine Stimme war von überwältigender Schönheit. Sein Gesang konnte sich mit dem der besten Opernsänger dieser Tage messen und war so eindrucksvoll, dass die Männer und Frauen um ihn herum nicht mehr dem Adjunkten zuhörten, sondern sich ihm in immer größerer Zahl näherten, bis sie einen dichten Ring bildeten.

Der Jünger der Sekte Gon-Orbhons versuchte alles, die Zuhörer zu halten. Es gelang ihm nicht. Als er sein Lautsprechersystem weiter aufdrehte, griff einer der Besucher kurzerhand ein und entkoppelte den notdürftig von außen angeschlossenen Positronikbaustein, sodass es nicht mehr funktionierte.

Mit hochrotem Kopf schrie der Adjunkt auf die Menge ein, er drohte ihnen Vernichtung und Tod an, und er beschwor sie, sich nicht von Gon-Orbhon abzuwenden. Doch das half ihm alles nichts. Der jugendlich wirkende Sänger stimmte ein anderes Lied an und forderte seine Zuschauer auf, ihn an einigen Stellen durch Pfeifen und Händeklatschen zu begleiten. Begeistert nahmen sie seine Aufforderung auf.

Der dunkelblau gekleidete Jünger der Sekte drohte dem Sänger mit der Faust, und als das nichts half, strich er sich gar mit dem Finger quer über den Hals, um anzudeuten, dass er ihm am liebsten die Kehle durchschneiden wolle. Aber auch damit erreichte er nicht, dass der Sänger seinen Vortrag einstellte. Das Gesicht des Predigers verlor seine Farbe. Zornig wandte sich der Mann ab und eilte davon, um zwischen den Hochhäusern der Stadt zu verschwinden.

Unmittelbar darauf landeten vier Antigravgleiter. Kräftig aussehende Männer in roten Hemden und roten Hosen kamen daraus hervor. Sie kämpften sich durch die Menge zum Sänger vor, zogen ihn von dem Wrack herunter und zerrten ihn mit sich, ohne sich um die wütenden Proteste der Versammlung zu kümmern. Als einige Männer beherzt eingriffen, um die vermeintliche Entführung zu verhindern, schossen die Roten mit Paralysestrahlern auf sie und schalteten sie auf diese Weise aus.

Sekunden später war der Spuk vorbei. Die Gleiter stiegen auf und nahmen den jugendlichen Sänger mit.

*

Obwohl sie wusste, dass sie dem tödlichen Splitterregen nicht entkommen konnte, weil sie viel zu langsam war, rannte sie weiter. Mondra Diamond schrie unwillkürlich auf. Sie flüchtete auf eine halb geöffnete Tür zu, die dick genug war, ihr Schutz zu bieten. Aber noch war die Tür wenigstens fünf Meter von ihr entfernt. Lange bevor sie dort ankam, mussten die Splitter sie erreichen.

Ein eigenartiges Zischen und Dröhnen ertönte, und dann war es plötzlich still. Die junge Frau lief noch ein, zwei Schritte weiter. Dann blieb sie stehen und drehte sich langsam um. Sie konnte nicht fassen, was geschehen war. Zwischen ihr und der Fabrikationsstätte hatte sich eine matt schimmernde Wand aus Energie aufgebaut. Von ihr waren die Splitter aufgefangen worden.

Mondra verharrte wie gelähmt auf der Stelle. Sie vernahm Schreie und die Schritte von Männern und Frauen, die sich ihr näherten, und irgendwo heulte eine Alarmsirene auf. Doffran Goricellein bewegte sich in einer Gruppe von Uniformierten und Sicherheitsrobotern, als sei er eine Marionette, die an zuckenden Fäden hing. Er war totenbleich, das blonde Haar hing ihm wirr ins Gesicht, und seine Füße schoben sich über den Boden, als fürchte er, auf spiegelglattem Eis auszurutschen. Sein Mund öffnete sich, aber er brachte keinen Laut hervor.

Erschüttert und entsetzt blickte er auf das Chaos, das jenseits der Energiewand herrschte: Die Explosion hatte sich verheerend ausgewirkt. Von den Fabrikationsmaschinen war keine einzige heil geblieben. Auf dem Boden lagen mehrere teils durch die Wucht der Explosion zerfetzte, teils durch die enorme Hitze zerschmolzene Roboter. Von den Attentätern keine Spur.

Endlich fand Doffran Goricellein seine Stimme wieder. »Bist du in Ordnung?«, fragte er Mondra zaghaft, wurde aber von einem anderen unterbrochen.

»Diese Wahnsinnigen«, tönte es mit schriller Stimme, die deutlich die Angst des Sprechers zeigte. »Warum zerstören sie alles? Jetzt müssen wir wieder von vorn anfangen!«

Goricellein wandte sich sofort um. Sein Blick ruhte jetzt direkt auf dem Sprecher von gerade eben, einem grauhaarigen Mann mittleren Alters, und in seiner Stimme lagen Kraft und Autorität. »Ich weiß nicht, warum sie alles zerstören. Es ist völlig sinnlos, denn wir bauen alles wieder auf. Wir geben nicht auf. Wenn sie etwas zerstören, fangen wir wieder von vorn an. Immer wieder. So lange, bis wir es geschafft haben. Sie können uns behindern, aufhalten können sie uns nicht.«

Der Grauhaarige nickte, als habe er genau das hören wollen. Erleichterung zeichnete sich auf seinen Zügen ab.