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Sie wappnen sich gegen den Techno-Mond - der Tamaron riskiert die Konfrontation Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine wechselvolle Geschichte erlebt: Die Terraner haben nicht nur die eigene Galaxis erkundet, sie sind längst in ferne Sterneninseln vorgestoßen. Immer wieder treffen Perry Rhodan und seine Gefährten auf raumfahrende Zivilisationen - und auf die Spur kosmischer Mächte, die das Geschehen im Universum beeinflussen. Im Jahr 1514 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, das dem Anfang des sechsten Jahrtausends entspricht, gehört die Erde zur Liga Freier Terraner. Tausende von Sonnensystemen, auf deren Welten Menschen siedeln, haben sich zu diesem Sternenstaat zusammengeschlossen. Doch die Galaxis ist unruhig: Auf der einen Seite droht ein interstellarer Krieg, auf der anderen Seite ist das Atopische Tribunal in der Milchstraße aktiv. Seine ersten Repräsentanten sind die Onryonen, die die Auslieferung Perry Rhodans und Imperator Bostichs fordern. Die beiden Männer sollen wegen angeblicher Verbrechen vor Gericht gestellt werden. Als es im Machtbereich der menschenähnlichen Tefroder zur Konfrontation mit den Onryronen kommt, reagiert das Tribunal unverzüglich. Die Zentralwelt der Tefroder rückt ins Visier der Atopen. Ihr Herrscher residiert IM STERN VON APSUMA ...
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Nr. 2720
Im Stern von Apsuma
Sie wappnen sich gegen den Techno-Mond – der Tamaron riskiert die Konfrontation
Uwe Anton
Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine wechselvolle Geschichte erlebt: Die Terraner haben nicht nur die eigene Galaxis erkundet, sie sind längst in ferne Sterneninseln vorgestoßen. Immer wieder treffen Perry Rhodan und seine Gefährten auf raumfahrende Zivilisationen – und auf die Spur kosmischer Mächte, die das Geschehen im Universum beeinflussen.
Im Jahr 1514 Neuer Galaktischer Zeitrechnung, das dem Anfang des sechsten Jahrtausends entspricht, gehört die Erde zur Liga Freier Terraner. Tausende von Sonnensystemen, auf deren Welten Menschen siedeln, haben sich zu diesem Sternenstaat zusammengeschlossen.
Doch die Galaxis ist unruhig: Auf der einen Seite droht ein interstellarer Krieg, auf der anderen Seite ist das Atopische Tribunal in der Milchstraße aktiv. Seine ersten Repräsentanten sind die Onryonen, die die Auslieferung Perry Rhodans und Imperator Bostichs fordern. Die beiden Männer sollen wegen angeblicher Verbrechen vor Gericht gestellt werden.
Als es im Machtbereich der menschenähnlichen Tefroder zur Konfrontation mit den Onryronen kommt, reagiert das Tribunal unverzüglich.
Vetris-Molaud – Der Tamaron rüstet gegen den Techno-Mond.
A. C. Blumencron und Lebbovitz – Zwei Händler hoffen auf lukrative Geschäfte..
Schechter – Einem Gefangenen droht der Tod nicht nur beim Picknick.
Gador-Athinas
Aunna,
10. August 1514 NGZ
Plötzlich senkte sich dichter, orangefarbener Nebel bis auf die Oberfläche, und Schechter sah im schwachen Licht des Scheinwerfers, dass Coin ins Stolpern geriet. Schnell drückte er sich gegen den Tefroder und stützte ihn. Die abrupte Bewegung wirbelte Eiskristalle vom Boden auf, die ihm kurz die Sicht nahmen. Coin schwankte, hielt sich aber auf den Füßen. Er war völlig erschöpft, rang nach Atem.
War die Maske defekt, die ihn mit Luft aus der Sauerstoffpatrone versorgte? Das würde ihre Lage prekärer machen. Coin ging es offensichtlich schlecht, aber Schechter ging es nicht viel besser. Wortlos trat er zur Seite, beobachtete aus dem Augenwinkel, wie Coin sich zusammenriss, trotzig einen Fuß vor den anderen setzte. Weiter, immer weiter. Nur nicht stehen bleiben. Wer stehen blieb, würde nicht mehr weitergehen. Wer zusammenbrach, würde nicht mehr aufstehen.
Er blieb dicht hinter Coin, ließ ihn nicht aus den Augen. Er traute dem Tefroder nicht. Sie hatten zwar vereinbart, sich während des Picknicks nicht gegenseitig zu töten, doch das war gewesen, bevor die Kälte wirklich in sie hineingekrochen war. Als sie sie nur gespürt hatten wie immer, wenn sie Holosker verlassen mussten. Als sie noch nicht durch den Schutzanzug bis in ihre Knochen eingedrungen war, sie lähmte, ihnen die Kraft nahm, jede Bewegung zur Qual werden ließ.
Und Coin hatte nur Worte gesprochen. Worte waren geduldig und in Holosker weniger wert als anderswo. Coin musste durch sein Handeln beweisen, dass er sie ernst meinte.
Wie viele Kilometer hatten sie bereits zurückgelegt? Schechter konnte es nicht genau sagen. Sechs? Sieben? Falls das stimmte, hatten sie eine Leistung vollbracht, die kaum zwei anderen Picknickern gelungen war. Drei Kilometer schafften die meisten, eventuell sogar fünf, wenngleich mit Verletzungen. Zehn galten als glattes Todesurteil. Sie hatten neun bekommen.
Neun Kilometer durch die Eiswüste, nur begleitet von einer Schneekugel. Schechter konnte sie in dem dichten Nebel kaum sehen, aber sie blieb stets bei ihnen. Er drehte den Oberkörper, bis er die gut einen Meter durchmessende Kugel endlich erblickte. Strahlend weiß stakste sie auf ihren drei biegsamen Laufbeinen mit den Krallenfüßen über das Eis. Drei weitere Stahltentakel ragten aus ihrem Äquator. Wegen ihrer hellen Lackierung konnte er sie bei klarer Sicht kaum von ihrer Umgebung unterscheiden.
Aber das galt umgekehrt nicht für die Schneekugel. Sie verfolgte jede ihrer Bewegungen und sendete die Aufnahmen live nach AUN-5. Schechter fragte sich, wie viele Wärter dort im Warmen saßen, in gemütlich eingerichteten Freizeiträumen, und Wetten auf sie abschlossen oder einfach nur genossen, wie die Picknicker sich auf dem Gefängnisplaneten quälten.
Die Wärter bekamen hautnah mit, wie der Tod sich immer näher an die Sträflinge schlich. Wahrscheinlich hofften sie darauf, dass Coin sein Wort brach. Dass er durchdrehte und seine letzte Chance wahrnahm.
Drei Kilometer, dachte Schechter. Vielleicht nur zwei. Wir schaffen das! Wir haben es bis hierher geschafft, und wir schaffen auch den Rest!
Aber noch lagen ein paar Tausend Meter klirrender Frost vor ihnen, die auf den ersten zwanzig Metern genauso lebensfeindlich waren wie auf den letzten. Der Weg wurde nicht leichter, je näher sie ihrem Ziel kamen.
Aber auch nicht schwerer. Eine so lebensfeindliche Umgebung blieb bei jedem Schritt gleichermaßen tödlich. Jeder Fehltritt konnte der letzte sein, jede Unaufmerksamkeit eine zu viel. Bizarre Eisskulpturen versperrten den Weg, Türme aus gefrorener Atmosphäre mit rasiermesserscharfen Kanten schienen nach ihnen zu greifen, ihnen den Weg zu versperren. Wer glaubte, die Hölle sei ein Ort unendlicher Hitze, war noch nicht auf Aunna gewesen.
Die Hölle bestand aus Eis, aus purem, tödlichem Eis.
Jederzeit konnte in ihrer Nähe ein Kryovulkan ausbrechen, und es war ständig damit zu rechnen, dass ein Dornwurm auftauchte, ob sie nun zehn oder zehntausend Meter von Holosker entfernt waren. Dann waren sie verloren.
Coin ging langsam weiter, setzte einen Fuß vor den anderen wie eine Maschine. Sein Blick war völlig leer.
Wann wird er aufgeben?, fragte sich Schechter. Wann wird ihm endgültig klar werden, dass er keine Kraft mehr hat, gar keine, dass er es nicht zurück nach Holosker schafft? Wann wird er mich angreifen?
Der sich senkende Nebel wurde immer dichter. Er bestand allerdings nicht aus kondensierenden Wassertröpfchen. Da Aunna kein nennenswertes Magnetfeld hatte, trafen Sonnenwinde und kosmische Strahlung fast ungehindert auf die Atmosphäre. Der UV-Anteil des Lichts und energiereiche Materieteilchen spalteten die Stickstoff- und Methanmoleküle, auf die sie trafen, in Ionen oder sehr reaktive Radikale. Durch diesen energiereichen Cocktail bildeten sich einerseits komplexe organische Stickstoffverbindungen und andererseits Kohlenstoffverbindungen und Aromaten wie Benzol. Sie sanken dann langsam in tiefere Schichten der Atmosphäre und bildeten den orangefarbenen Nebel.
Schechter ließ Coin nicht aus den Augen, wartete auf eine verräterische Bewegung, eine Geste der Verzweiflung, aus der Entschlossenheit wurde. Er war überzeugt, dass der Tefroder im Angesicht des sicheren Todes seine letzte Chance nutzen würde.
Coin würde ihn angreifen.
Bald.
Die Wärter von AUN-5 gaben sich nicht damit zufrieden, die Picknicker nur durch die Eiswüste zu hetzen. Es war auf Dauer einfach langweilig, Gefangene in der Eiswüste von Aunna auszusetzen und zu beobachten, wie sie immer schwächer wurden, dann zusammenbrachen, einfach liegen blieben und ein Opfer der Kälte wurden. Um dem Spiel ein wenig mehr Würze zu geben, hatten sie eine perfide Regel eingeführt: Tötete der eine Picknicker den anderen, wurde der Täter umgehend in die Gefängnisstadt zurückgeholt. Seine Strafe wurde zwar um die des Gefangenen verlängert, den er getötet hatte. Dafür war er aber in Sicherheit, drohte nicht mehr zu erfrieren.
Schechter verfluchte die Schlafteiler. Sie hatten ihm das Picknick eingebrockt. Warum hatten sie ihn nicht einfach in Ruhe lassen können? Natürlich bildeten sich in einem Gefängnis schnell Gruppen, die sich gegenseitig Schutz gegen andere organisierte Häftlinge boten, so gut sie nur konnten. Aber er hatte ihnen eindeutig klargemacht, dass er nichts mit ihnen zu tun haben wollte. Warum hatten sie das nicht akzeptieren können?
Coin hatte Schechter für seine Gefängnis-Bruderschaft werben wollen und auf Schechters Ablehnung handgreiflich reagiert. Sie waren also alles andere als gute Freunde, aber sie mussten zusammenarbeiten. Bislang hatte das funktioniert. Doch nun stand die Krise unmittelbar bevor.
Seine Füße schmerzten immer stärker. Man hatte ihm die Arme am Körper angebunden, und in der Eiswüste musste er Spezialschuhe tragen. Sie schränkten ihn ein und behinderten ihn, wurden ihm von den Wächtern jedoch als Sonderausstattung des Schutzanzugs zugestanden. Alles andere wäre sinnlos gewesen und hätte dem Personal nur den Spaß verdorben.
Hör auf! Er merkte, dass ihm seine Gedanken entglitten. Das war gefährlich in dieser Situation. Er musste sich konzentrieren, nicht nur auf Coin, auch auf den Weg. Zuerst dachte man an Nebensächlichkeiten, dann wurde man unaufmerksam, dann kam ein Beben oder ein Dornwurm, und bevor man reagieren konnte, war man tot.
Zwei Kilometer, dachte er. Höchstens drei. Aber so viele sind es nicht mehr. Eher zwei als drei.
Als würde das einen Unterschied machen?
Der gelbe Nebel lichtete sich ein wenig. Schechter konnte die Schneekugel wieder besser sehen. Der Robotaufseher erweiterte den Abstand etwas. Da er die Geschehnisse nach AUN-5 übertrug, musste er beide Picknicker im Auge behalten.
Coin stolperte wieder. Er war am Ende seiner Kräfte. Aber diesmal eilte Schechter ihm nicht zu Hilfe. Er durfte ihm nicht zu nahe kommen, ihm keine Gelegenheit für einen Angriff bieten.
Der Tefroder brauchte seine Unterstützung nicht, er fing sich von allein wieder. Schechter atmete auf. Es ging weiter.
Aus der Schneekugel drangen ein paar spöttische Kommentare der Tefroder-Aufseher. Schechter schwieg dazu. Es hätte die Wärter nur erheitert, hätte er sie beschimpft, ihnen Vorwürfe gemacht.
Oder sogar um Gnade gebettelt.
Gnade gab es auf Aunna nicht. Das wusste Schechter vielleicht am besten von allen.
Unvermittelt warf Coin sich herum. Einen Moment lang schlug er hilflos mit den Armen um sich, dann sprang er.
Er griff in seiner Verzweiflung an!
Aber er war langsam, kraftlos. Schechter blieb genug Zeit, um zur Seite zu treten. Coin würde ins Leere springen, stürzen und zu Boden gehen.
Um vielleicht nicht mehr aufstehen.
Doch dazu kam es nicht. Coin war mitten in der Luft, als das Eis unter ihm aufplatzte. Große Brocken flogen zur Seite. Schneller, als Schechter es verfolgen konnte, zuckte ein metallen schimmernder, schlanker Körper in die Höhe. Ein gewaltiger Dorn bildete seinen Kopf. Ehe Coin reagieren konnte, bohrte die Spitze des metallenen Körpers sich in seine Brust.
Ein Dornwurm!
Der Wurm war kein biologisches Lebewesen, nicht natürlichen Ursprungs. Die etwa fünf Meter langen, wurmähnlichen Technokreaturen waren auf Aunna entwickelt und dort ausgesetzt worden, um diverse Kohlenwasserstoffe aus dem Eis zu saugen. In den Dornkopf waren Thermostrahler integriert, die das Eis schmolzen.
In nicht mehr zu überbietendem Zynismus und lebensverachtender Perversion hatten die Herren des Gefängnisplaneten die Infrarotsensorik auf Lebewesen wie flüchtende Gefangene oder solche auf Picknick justiert. Ganz nebenbei hatte Holosker damit einen weiteren Sicherheitsfaktor geschaffen, der Ausbrüche erst recht sinnlos machte und für zusätzlichen Nervenkitzel bei den Picknicken sorgte.
Schechter trat näher an den Dornwurm heran. Coin zappelte auf seinem Kopf wie ein aufgespießtes Insekt, doch seine Bewegungen wurden bereits schwächer. Der Wurm saugte den Tefroder bei lebendigem Leib aus. Seine Gesichtshaut erinnerte nunmehr an Pergament, der Körper an den einer erschlafften Puppe, der ein Teil der Füllung fehlte.
Coin war längst nicht mehr zu retten. Schließlich rührte er sich nicht mehr, hing reglos auf dem Kopf des Dornwurms.
Eine Stimme erklang: »Halt dich raus!«
Schechter sah sich verwirrt um, konnte aber niemanden erblicken.
Dann begriff er. Jemand aus der Schneekugel hatte ihn gewarnt!
Der Dornwurm gab ein hohles Sirren von sich. Das Eis platzte an zwei weiteren Stellen auf, und zwei weitere Dornwürmer brachen aus den Öffnungen an die Oberfläche. Schechter warf sich herum, verlor jede Orientierung, rannte einfach los. Er schaute zurück, sah, dass die Köpfe der Dornwürmer in seine Richtung ruckten. Ihre Körper schnellten vor, doch er war schon außerhalb ihrer Reichweite.
Aber er wusste, dass er trotzdem verloren war. Sie hatten ihn bemerkt, seine Spur aufgenommen. Sie würden sich ins Eis zurückziehen, ihn mithilfe ihrer Sensoren schneller verfolgen, als er fliehen konnte, wieder an die Oberfläche brechen und ihn genauso erledigen wie Coin.
Ein Energiestrahl zuckte auf, erfasste den ersten Dornwurm und sprengte dessen Kopf. Der obere Teil des Körpers prallte auf das Eis, peitschte kurz hin und her und blieb dann reglos liegen. Der Strahl glitt über das Eis, verdampfte es und traf schließlich auf den zweiten Wurm.
Schechter blieb stehen, drehte sich um. In dem dichten aufsteigenden Wasserdunst sah Schechter undeutlich, wie die glutheiße Energie die metallene Hülle des Wurms aufriss und sich in sein Inneres fraß.
Der Wurm, auf dessen Dorn Coins Körper wie ein nasser Sack hing, schüttelte die leere Hülle ab und zog sich ins Eis zurück. In diesem Augenblick kam die Technokreatur Schechter nicht vor wie ein Roboter, sondern wie ein empfindungsfähiges Lebewesen, das eine tödliche Gefahr erkannt hatte und vor ihr floh.
Schechter blieb stehen.
»Da meint es wohl jemand gut mit dir!« Die höhnische Bemerkung drang aus der Schneekugel.
Verwundert kniff Schechter die Augen zusammen und musterte die Schneekugel. So seltsam es ihm vorkam, er glaubte das auch. Nicht zum ersten Mal hatte er das Gefühl, dass jemand ihn schützte und vor dem Schlimmsten bewahrte. Zumindest manchmal, in besonders kritischen Situationen, wenn es um sein Leben ging.
Kannte jemand in Holosker tatsächlich Gnade?
Aber wer? Und warum?
Schechter betrachtete kurz die Schneekugel, die ihn nun wieder weiß und unerreichbar aus einiger Ferne beobachtete, und orientierte sich mithilfe seines primitiven Kompasses neu. Dann setzte er sich wieder in Bewegung, Holosker entgegen.
Apsuma
10. August 1514 NGZ
Lebbovitz klopfte zaghaft an Blumencrons Schlafzimmertür.
Keine Reaktion. Weder ein unfreundliches »Herein!« noch ein grobes »Verschwinde!« Mit beidem musste man bei Blumencron gleichermaßen rechnen.
Lebbovitz wartete einen Moment und drückte dann ein Ohr gegen das Türblatt. Zu lauschen lag ihm fern. Aber wenn er für seinen Lebenspartner schon den Vorkoster gab, musste er sich überzeugen dürfen, dass es ihm gut ging. Blumencrons Lebenswandel ließ sich nur mit einem Wort umschreiben: maßlos. Vielleicht hatte er ein Gläschen Absinth zu viel getrunken oder einen Torpedo zu tief inhaliert und lag nun mit schweren Magenkrämpfen im Bett.
Oder, schlimmer, er saß auf der Toilette. Dann würde er bestimmt nicht auf das Klopfen reagieren.
Lebbovitz hörte ein Geräusch, das er nicht sofort einordnen konnte, ein dumpfes, rhythmisches Schlagen. Und ein verhaltenes Stöhnen. Quälte sich Blumencron? Massierte er seinen Unterleib? Musste er sich vielleicht übergeben und drohte an seinem Erbrochenen zu ersticken?
Lebbovitz klopfte lauter.
Das Schlagen wurde schneller, hörte dann abrupt auf. Kurz darauf hörte Lebbovitz tapsende Schritte. Dann wurde die Tür einen Spaltbreit geöffnet.
Blumencron spähte heraus. Er war nackt bis auf ein Handtuch, das er sich um den Bauch geschlungen hatte und das ihm bis zu den Knien reichte. Sein Gesicht war gerötet, und er wirkte atemlos.
»Was willst du?«, knurrte er unwillig. »Du störst.«
Lebbovitz schaute gelassen auf ihn hinab. Sein Lebenspartner war gut zwei Köpfe kleiner als er.
Diese Stimmungsschwankungen war Lebbovitz gewohnt. »Entschuldige bitte, aber die Sorgfaltsministerin des Tamaniums wird gleich eine wichtige Stellungnahme abgeben. Ich dachte, das interessiert dich. Wer im Helitas-System Geschäfte machen will, muss darüber informiert sein, was im Helitas-System vorgeht.«
Blumencron betrachtete ihn, als habe er ihm einen unsittlichen Antrag gemacht, was Lebbovitz natürlich fernlag. Sie waren zwar Lebens-, aber keine Bettpartner. Davon zeugten schon ihre getrennten Schlafzimmer, die sich rechts und links ihrer gemeinsamen Wohnkabine befanden.
Der untersetzte Händler öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Er schnappte erneut nach Luft, dann fand er endlich Worte. »Ashya Thosso interessiert mich herzlich wenig. Zumindest im Augenblick. Lass mich mit diesem Unfug in Ruhe!«
Die Tür knallte zu.
Konsterniert trat Lebbovitz einen Schritt zurück. Er blieb einen Moment lang stehen und schüttelte den Kopf. Dann drehte er sich um, nahm auf der Sitzlandschaft in ihrer Kabine Platz und schaltete die Trivid-Nachrichten ein.
*
Ministerin Thosso hatte ihre Rede gerade beendet, als die Tür von Blumencrons Kabine geöffnet wurde und eine junge, sehr attraktive Frau herauskam. Sie war von Gestalt und Größe her völlig tefroderähnlich, aber am ganzen Körper grünhäutig. Das bemerkte Lebbovitz, da sie nur Unterwäsche trug, einen sehr knappen String und einen noch knapperen BH, der kaum ihre Brustwarzen verhüllte. Über die Schultern hatte sie einen Umhang geworfen, den sie mit elegantem Schwung schloss, als sie Lebbovitz erblickte. Nun bedeckte er ihren Körper wie ein hauchzarter Mantel.
Sie warf Lebbovitz eine Kusshand zu und verließ die Wohnkabine.
Er fragte sich, ob ihre Hautfarbe absichtlich genetisch verändert worden war oder sie lediglich ein Ganzkörper-Make-up aufgetragen hatte. Aber er grübelte nicht lange darüber nach. Er bezweifelte nicht, dass sie vor der Tür von einem Roboter erwartet wurde, der sie aus der FRANCESCO DATINI geleiten würde.
Blumencron mochte zwar in jeder Hinsicht maßlos sein, aber er war nicht dumm oder leichtsinnig und würde seine Gespielin daher kaum unbeaufsichtigt durch das Schiff flanieren lassen.
Viel interessanter war für Lebbovitz die Frage, welche kreative Buchführung Blumencron sich diesmal einfallen lassen würde, um seine sicher nicht geringen Kosten für diese Vergnügung von der Steuer abzusetzen.
Es dauerte eine geraume Weile, bis sein Partner sich in ihre gemeinsame Wohnkabine bequemte. Wenigstens war er wieder anständig bekleidet. Er trug einen naturfarbenen Leinenanzug, dessen Beinkleider durch einen Hosenträger vor dem Verrutschen bewahrt wurden. Dieses antiquierte Utensil war keineswegs eine bloße Marotte. Es erfüllte einen Zweck. In ihn eingearbeitet waren ein Blutmessgerät, weitere medotechnische Apparaturen, ein Mikroantigrav und sogar eine Mikropositronik.
Zumindest war Blumencron nun besser gelaunt, richtig gut sogar, wenn Lebbovitz seinen Lebenspartner einigermaßen einschätzen konnte. Er ließ sich weit entfernt von ihm auf die Sitzlandschaft fallen, griff nach dem Humidor auf einem Beistelltisch und holte ein Montecristo No. 2-Torpedo heraus. Umständlich beschnitt er die Spitze und zündete die Zigarre an. Würziger Tabakgeruch verbreitete sich in der Kabine.
Lebbovitz fragte sich, welche Werte Blumencron gerade wieder genüsslich verpaffte. Die Torpedos waren sechzehn Zentimeter lang und handgefertigt. Ihre Füllung bestand aus ganzen Blättern. Hergestellt wurden sie in der Manufaktur H. Upmann, die lediglich Tabak aus der Vuelte Abajo auf Kuba verwendete. Natürlich ließ sie sich den Tabak, der als der beste der Erde galt, wie auch die Fertigung angemessen bezahlen.
Blumencron nahm einen tiefen Zug, seufzte und schloss die Augen. »Gibt es etwas Schöneres als eine gute Zigarre nach ...« Er hielt inne, überlegte kurz. »Nach einer schwierigen geschäftlichen Transaktion, die aber sehr erfolgreich verlaufen ist?«
Lebbovitz verdrehte die Augen. Er verkniff sich jeden Kommentar.
»Weißt du eigentlich, dass die Entstehungsgeschichte der Manufaktur H. Upmann bis auf das Jahr 1844 alter terranischer Zeitrechnung zurückgeht, aber nicht eindeutig zurückzuverfolgen ist? Über ihre Anfänge gibt es mindestens zwei unterschiedliche Versionen. Die erste besagt, dass die beiden deutschen Brüder August und Hermann Upmann die Firma in diesem Jahr gründeten. Es herrscht allerdings Uneinigkeit darüber, ob das ›H‹ als Abkürzung für Hermann oder für Hermanos steht. Im Spanischen hieß das ›Brüder‹. Eine weitere Version lautet, dass der Nachname der Brüder Hupmann lautete, das ›H‹ jedoch aus ästhetischen Gründen entfernt wurde, da ›H. Upmann‹ besser als ›H. Hupmann‹ aussieht. Beides ist möglich, da beide Nachnamen existieren.«
»Ja, weiß ich.« Blumencron erzählte diese Geschichte oft, wenn er gerade eine erfolgreiche geschäftliche Transaktion hinter sich gebracht hatte und sich danach einen Torpedo ansteckte. »Ich bezweifle allerdings, dass du Klarheit in die Sache bringen kannst. Soviel ich weiß, ist heute weder ein Hupmann noch ein Upmann in der Geschäftsleitung der Manufaktur vertreten. Aber wir könnten ja nach Terra zurückkehren, damit du nachforschen und Licht in dieses Dunkel bringen kannst. Dann kämen wir endlich von hier weg.«
Blumencron paffte Rauch aus, der vor ihm einen Ring bildete, bevor er sich auflöste. »Zu viel Aufwand«, sagte er, »zumal heutzutage auf den meisten Welten des Galaktikums der Konsum von Tabak in allen Lebensbereichen diskreditiert wird. Als Nächstes wird Absinth verboten, dann der Verzehr von rotem Fleisch, und dann schreibt man uns vor, welche ...« Er hielt inne und schüttelte den Kopf. »Hast du Ashya Thossos Rede aufgezeichnet?«, wechselte er abrupt das Thema.
»Aufzeichnung abspielen!«, befahl Lebbovitz.
Aus dem Trivid lächelte Ashya Thosso sie an. Die tefrodische Ministerin war zuständig für »alle Belange einer sorgfältigen Auswertung von Informationen und einer gewissenhaften Unterrichtung der Bevölkerung«. Ihr Haus wurde im gesamten Tamanium kurz und knapp als Sorgfaltsministerium tituliert.
Lebbovitz fragte sich, woher dieser Name kam und was er zu bedeuten hatte.
»Eine fürchterliche Frau«, sagte sein Chef. »Sie gibt sich so mütterlich. Sieh dir nur ihr breites Gesicht an. Die hättest du gern als Schwiegermutter, was?«
»Diese Vorstellung liegt mir fern.«
Der Händler übersprang die Begrüßungsworte der Ministerin im Schnellvorlauf und deutete auf die Stirn der Frau. »Rot-weiß gesprenkelt«, bemerkte er bedeutungsvoll. In den dicken roten Haaren steckte eine Sonnenbrille mit blauen Gläsern und zweifarbigem Gestell, die zugleich verhinderte, dass ihr die fingerlangen Haare zu weit ins Gesicht fielen.
Lebbovitz schüttelte den Kopf. »Die Brille ist nur ein Modetick. Ich bestreite schlichtweg, dass du aus dieser Wahl etwas über die Bedeutung ihrer Ankündigungen ablesen kannst.«