Perry Rhodan 2791: Die Hasardeure von Arkon - Uwe Anton - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan 2791: Die Hasardeure von Arkon E-Book und Hörbuch

Uwe Anton

4,5

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Beschreibung

Das Jahr 1514 Neuer Galaktischer Zeitrechnung: Nach einigen Jahrzehnten des Friedens brodelt es zwischen den Sternen der Milchstraße. Ein interstellarer Krieg droht, in dem sich die menschenähnlichen Tefroder und die fremdartigen Blues gegenüberstehen. Die Erde ist davon weit entfernt. Der Heimatplanet der Menschheit ist zudem nicht einmal mehr das Zentrum der Liga Freier Terraner - die Menschen haben eine andere Welt als ihren Regierungssitz gewählt. Doch auch in direkter Nähe der Erde entwickelt sich eine Gefahr. Wie eine Wucherung überzieht das sogenannte Technogeflecht den Mond. Eine seltsame Macht hat sich hier eingenistet; niemand kann den Trabanten der Erde erreichen. Perry Rhodan entwickelt einen verzweifelten Plan: Mit einem speziellen Raumschiff stößt er zum Mond vor. Doch dann tauchen fremdartige Raumschiffe auf. Ihre Besatzungen geben sich als Gesandte einer unbekannten Macht aus: Es ist das Atopische Tribunal. Der Gerichtshof möchte Recht und Gesetz in die Milchstraße bringen. Einige besonders schlimme Verbrecher sollen vor Gericht gestellt werden. Einer davon ist ausgerechnet Perry Rhodan selbst - aber seine schreckliche Untat wird der Terraner erst in der Zukunft begehen …

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Zeit:3 Std. 10 min

Sprecher:Tom Jacobs
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Nr. 2791

Die Hasardeure von Arkon

Atlan und Bostich im Einsatz – die beiden Arkoniden haben zwei Raumgiganten im Visier

Uwe Anton

Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Längst sind die Terraner in ferne Sterneninseln vorgestoßen, wo sie auf raumfahrende Zivilisationen und auf die Spur kosmischer Mächte getroffen sind, die das Geschehen im Universum beeinflussen.

Mittlerweile schreiben wir das Jahr 1517 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ). Die Milchstraße steht weitgehend unter dem Einfluss des Atopischen Tribunals. Dessen Richter behaupten, nur sie könnten den Weltenbrand aufhalten, der sonst unweigerlich die Galaxis zerstören würde. Auf diese Weise zementiert das Tribunal in der Milchstraße seinen Machtanspruch, während der Widerstand dagegen massiv aufrüstet.

Perry Rhodan und die Besatzung des Fernraumschiffes RAS TSCHUBAI haben in der fernen Galaxis Larhatoon in Erfahrung gebracht, dass das eigentliche Reich der Richter die Jenzeitigen Lande sind. Mit Atlan steht dem Terraner der einzig geeignete Pilot für den Flug zur Verfügung, doch nur ein Richterschiff vermag diesen Flug auch durchzustehen.

Zurück in der Milchstraße, entwickeln Perry Rhodan, Atlan und der ehemalige Arkon-Imperator Bostich einen Plan. Zwei von ihnen spielen dabei eine besondere Rolle als DIE HASARDEURE VON ARKON ...

Die Hauptpersonen des Romans

Gucky – Der Ilt setzt seine neue Teleporterfähigkeit ein.

Monkey – Der Lordadmiral der USO berichtet von seinem jüngsten Einsatz.

Perry Rhodan – Der Terraner plant sorgfältig nach bewährt terranischer Art.

Atlan – Der Unsterbliche wohnt dem Untergang bei.

Bostich

1.

Die Kunst des Bogenschießens

24. Juli 1517 NGZ

Bostich fluchte leise. Weder der Bogen noch die Pfeile im Köcher auf seinem Rücken bestanden aus Khasurnholz.

Das ist dieser Kunst unwürdig! Er zuckte mit den Achseln. Es war nicht zu ändern. Das traditionelle Holz war nicht auf der RAS TSCHUBAI vorrätig.

Unwichtig!, kommentierte der Extrasinn. Konzentrier dich, statt Wunschvorstellungen nachzuhängen. Dem Fremdling ist das völlig gleichgültig. Frag dich, wen du zu beherrschen lernen willst. Der Bogen-Weg ist nur Mittel zum Zweck.

»Ich ehre Khasargo«, flüsterte Bostich. »Genau, wie ich den All-Kampf und den Schwert-Weg ehre. Es mag um den Fremdling gehen, aber wer die Tradition vergisst, steht der Zukunft entwurzelt gegenüber und wird in ihr verweht.«

Das ist deine große Schwäche. Es zählt, was ist, nicht das, was hätte sein können. Lern, dich mit etwas abzufinden.

Der Arkonide ignorierte den Extrasinn und konzentrierte sich auf die Umgebung. Ich muss eins mit ihr werden, dachte er. Ogygia spüren, jeden einzelnen Grashalm, die Konsistenz des Bodens, die Wärme des Sonnenlichts, die er gespeichert, die Feuchtigkeit des Taus, die er aufgenommen hat. Den TARA ausblenden.

Die kegelstumpfförmige, fast zwei Meter große Kampfmaschine schwebte zwanzig Meter hinter ihm. Sie gab kein Geräusch von sich, jedenfalls keins, das er bewusst wahrnehmen konnte. Dennoch störte ihn ihre Anwesenheit. Er atmete gleichmäßig und ruhig. Einmal, zweimal, und der Roboter war für ihn verschwunden.

Der All-Kampf hilft mit!

Er spürte die Wärme des Grases durch die dünnen Sohlen seiner Schuhe. Sie stieg langsam durch seine Beine empor in den Rumpf, dehnte sich in Arme und Kopf aus. Schließlich erfüllte sie sein Herz und sein Denken.

So, wie es sein sollte.

Und dann ... Nicht denken. Sein. Eins mit dem Erdreich, dem Licht, dem Horizont.

Er verzweifelte an dem Versuch. Immer wieder blitzten Gedanken auf, lenkten ihn ab und verhinderten, dass er den Geist leerte.

Versuch es!, wisperte die diffuse Stimme am Rand seines Bewusstseins. Lass mich nicht warten! Versuch es endlich!

Bostich ignorierte die Einflüsterung. Er ließ den Blick schweifen, über den Bach, der vor ihm unnatürlich bezaubernd plätscherte, hin zu dem kleinen Hain in dreißig Metern Entfernung. Die Bäume ähnelten terranischen sommergrünen Laubbäumen. Faustgroße, grüngelbe Früchte hingen von den Ästen.

Äpfel?

Kernobst, berichtigte der Extrasinn diesmal eindeutig, aber es gehört zur Familie der Rosengewächse. Es sind Birnen.

»Dann eben Birnen.« Sie waren auch für seine Zwecke geeignet, wenngleich Äpfel ihm lieber gewesen wären. Die Terraner hätten die Anspielung sofort verstanden. Zumindest Rhodan. Er war belesen, literarisch gebildet. Wie hieß sein Lieblingsautor gleich? Genau, John Steinbeck.

Es zählt, was ist, nicht das, was hätte sein können, mahnte der Extrasinn. Und du musst lernen, nicht zu denken.

»Schon gut.« Bostich streckte die Arme. Der Fremdling ließ sich genauso mühelos bewegen wie sein natürliches Pendant.

Bostich griff über die Schulter und holte einen Pfeil aus dem Köcher. Wenigstens trug der Pfeil Federn. Zwar keine von Hogumvögeln, aber Gänsefedern taten es in dieser Notsituation auch.

Es zählt ...

»Du wiederholst dich.« Bostich legte den Pfeil in den asymmetrisch geformten Bogen. Der obere Wurfarm war deutlich länger als der untere. Der Grund für die auffallende Länge lag in der Belastbarkeit des verwendeten Materials. Kein Khasurnholz, aber immerhin ein natürliches Material, das dem Original so nah wie möglich kommt. Bei dieser asymmetrischen Bauart ermöglichte der lange obere Schenkel den großen Auszug, der kürzere untere bewirkte eine höhere Pfeilgeschwindigkeit.

Der Bogen hatte weder eine Zieleinrichtung noch eine Pfeilauflage. Der Imperator schob den Pfeil an der Bogenkante rechts außen an der ihm abgewandten Seite des Bogens über den Daumen.

Er spürte die Konsistenz des Pfeils durch den Handschuh.

Gut.

Er zog die Sehne mithilfe des Schießhandschuhs mit einer Grube am Daumen, sah sich noch einmal um und schloss die Augen. In zehn Metern Entfernung hatte der TARA auf mehrere Gestelle Reisstrohbündel aufgeschichtet.

Der Arkonide ließ den Pfeil fliegen, traf das Bündel.

Er hatte nichts anderes erwartet. Er beherrschte den Bogen-Weg schon seit Jahrhunderten.

Er griff erneut zum Köcher, schoss den nächsten Pfeil ab, und den nächsten. Seine Bewegungen wurden immer schneller.

Darauf kommt es beim Khasargo nicht an, meldete sich der Logiksektor. Du berufst dich auf Traditionen und vernachlässigst sie gleichzeitig.

Bostich hob die Hand und gab dem TARA-IX-INSIDE ein Zeichen. »Weitere Bündel!«, sagte er. »In zwanzig, dreißig und vierzig Metern Entfernung.«

Der TARA flog los und errichtete sie.

»Gänsefedern«, murmelte Bostich. »Keine Hogum.« Aber damit ließ sich leben. Im Lauf der Geschichte hatten die Arkoniden bei Pfeilen die unterschiedlichsten Befiederungen verwendet, wobei sich nach Jahrhunderten Hogumfedern durchgesetzt hatten. Die Befiederung legte den aerodynamischen Druckpunkt weit genug hinter den Schwerpunkt, damit die Flugparabel des Pfeils stabil blieb.

Wären die Federn schräg zur Längsachse abgebracht gewesen, hätte der Pfeil rotiert, was bei dieser Pfeilform nicht zur Stabilisierung der Flugbahn beigetragen hätte. Dafür hätte der Pfeil anders konstruiert sein müssen. Die Befiederung an Khasargo-Pfeilen war länger als an gewöhnlichen und gerade angebracht. Der Pfeil rotierte durch das Tragflächen-Profil der Feder.

»Dagor«, sagte Bostich. »Alles beruht auf Dagor. Das ist keine Herausforderung für mich.«

Du bist zu ungeduldig. Es kommt nicht auf die Natur der Federn an oder auf die des Holzes. Bedenke die besondere Übungsmethodik. Du hast sie verstanden, oder?

Der Logiksektor wollte ihn provozieren, zu Höchstleistungen anspornen. »Ich lege trotzdem Wert auf Traditionen.«

Die genauso wenig Bestand haben wie Arkon selbst. Die Naats sind nun die Herren des Systems. Damit musst du dich abfinden. Es zählt ...

»Damit werde ich mich niemals abfinden. Du verwechselst Tradition mit Vision.«

Ich weise auf Gegebenheiten hin.

»Die ich zur Kenntnis nehme. Aber nicht akzeptiere.« Bostich schloss die Augen und zog die Sehne.

Er war das Gras, die Luft, der Bogen, die Sehne, der Pfeil, die Befiederung, das Reisstrohbündel.

Er schoss erneut, traf das Bündel in zehn Metern Entfernung.

Und erneut. Traf das in zwanzig Metern Entfernung.

Und noch einmal. Traf das in dreißig Metern Entfernung.

Genau in die Mitte. Ins Herz. Ins Herz der Atopen.

Er atmete tief und gleichmäßig ein, um noch ruhiger zu werden. Langsam schritt er durch das Ogygia-Habitat, über das natürliche Gras unter dem künstlichen Himmel.

Wie sehr vermisste er Arkon! Und Dagor.

Den All-Kampf. Die waffenlose Kampfkunst der Arkoniden. Aber auch die mit den Dagoristas verbundenen Traditionen, Ausstattungen, Spezialwaffen und Kampf- und Übungstechniken.

Khasargo, die Kunst des Bogenschießens, war Dagor, der All-Kampf, genauso wie Katsugo, der Schwert-Weg. Bostich dachte an die Reit-Kampfroboter mit Bioschichttarnung, an die legendären Ornithopter-Libellen, an Urungor und Urunlad.

Die Grundausstattung war bei Dagor stets Urungor, das Dagorschwert, auch wenn es nur ein Übungsschwert aus Holz war, und Urunlad, die Armmanschette zur Prallfeld-Schildprojektion.

Katsugo war allerdings die Bezeichnung für den Schwertkampf der Dagoristas insgesamt.

»Verloren«, flüsterte Bostich. Alles verloren, wenn es nach der Atopischen Ordo ging. Das Arkonsystem gehörte nun den nasenlosen Naats, den drei Meter großen, schwerfälligen Soldaten mit ihren kurzen Säulenbeinen, den langen Armen und dem großen, haarlosen Kugelkopf. Den schwarzen Naats mit der Lederhaut, den drei großen Augen und den dünnlippigen, ovalen Mündern.

Den Naats, die über Jahrzehntausende ihre angestammte Position als Diener akzeptiert und gelebt hatten, zu treuen Verbündeten des Kristallimperiums geworden waren.

Er fragte sich, ob sie ihre neue Rolle als Herren des Planeten nur mit Widerwillen angenommen hatten oder doch mit Begeisterung, weil sie nun das vermeintliche Joch abgeschüttelt hatten, das die Arkoniden ihnen über ein Jahrzehntausend aufgebürdet hatten.

Wussten sie überhaupt etwas mit ihrer neuen »Freiheit« anzufangen?

Beruhige dich, mahnte der Extrasinn. Denk an Khasargo.

Bostich atmete tief ein.

Der Bogen-Weg. Die Kampf- und Übungstechnik eines Bogenschützen, aber auch die Waffe an sich. Die Pfeile. Aber warum denke ich in terranischen Begriffen? Die Luccii.

Die Bedeutung von Khasargo zeigte sich bereits beim Garrabo, dem imperialen Strategiespiel. Bei ihm gab es als Figuren zwei Bogenschützen je Spieler.

Khasargo und Luccii wurden seit der arkonidischen Frühzeit aus Khasurnholz und Hogumfedern gefertigt. Und nicht aus einem terranischen Edelholz und Gänsefedern.

Er dachte nur kurz an die schlichte Bordmontur, die er anstelle der traditionellen arkonidischen Kleidung trug. Wer die Tradition vergisst, steht der Zukunft entwurzelt gegenüber und wird sich in ihr verlieren.

Er erreichte den Hain, sah zu den mittelgroßen Bäumen hoch, pflückte eine der seltsamen Früchte. Eine Birne.

»Wir wollen ein Spiel machen«, sagte er zu dem TARA. »Eine alte terranische Legende nachvollziehen.« Er setzte sich die Frucht auf den Kopf und drückte dem Roboter den Bogen in einen Tentakelarm. »Nimm die archaische Waffe. Schwebe genau dreißig Meter zurück und schieße auf die Birne!«

Der Kampfroboter gehorchte. Er flog die angegebene Distanz zurück, richtete den Tentakelarm aus und spannte den Bogen mit einem zweiten Tentakel.

Dann hielt die Kampfmaschine inne. »Ich kann den Befehl nicht befolgen. Die Waffe ist auf diese Entfernung zu unpräzise. Ich könnte dich verletzen oder gar töten.«

Diese verdammten Terraner und ihre vermaledeiten Robotergesetze, die jeden Schaden von Lebewesen abhalten sollen! »Ich bestehe darauf!«

»Ich kann den Befehl nicht befolgen. Die Waffe ist auf ...«

Bostich fluchte leise. Er hatte Bannatyne Campbell, dem Meister der TARA-Schmiede, keinen Überrangkode entlocken können. »Rücke zehn Meter weiter voran. Berechne die Wahrscheinlichkeit, mit der du mich nun verletzen könntest. Ich bestehe darauf, dass du gehorchst.«

Und wenn er nicht schießen will, lasse ich ihn noch einmal zehn Meter heranrücken. Es geht nicht mehr um Khasargo. Die Kunst des Bogenschießens diente nur zur Vorbereitung. Es geht um den Fremdling.

Gespannt beobachtete Bostich den Kampfroboter. Dieser befolgte den Befehl, schwebte näher, verharrte.

Er schien Berechnungen anzustellen.

Wahrscheinlich forderte er über Funk Anweisungen von der TARA-Schmiede an.

»Ich rate dringend davon ab, diese alte terranische Legende nachzuvollziehen. Eine Gefährdung deiner Person ist nicht ausgeschlossen.«

»Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit dafür?«

»Null Komma null null ...«

»Schieß!«

Langsam spannte der TARA den Bogen.

Und schoss tatsächlich.

Bostich hielt die Augen geöffnet, verfolgte diesmal, was geschah.

Er hatte den Pfeil im Blick, sah, wie er auf ihn zuraste. Er nahm jedes Detail wahr, sogar, dass er rotierte.

Dabei blieb er völlig ruhig.

Er musste dem Extrasinn Abbitte leisten. Der Logiksektor hatte es treffend ausgedrückt. Es ging nicht mehr um Traditionen. Um echtes Khasurnholz oder Gänsefedern.

Der Weg des Bogens hatte nur dazu gedient, ihm die nötige innere Ruhe zu verschaffen, jedes Risiko auszuschließen.

Es ging um den Fremdling in ihm.

Um seinen rechten Arm, der mit halutischen Genen befrachtet war. Äußerlich unterschied er sich nicht im Geringsten von einem normalen arkonidischen Arm. Doch das nachgezüchtete Gliedmaß verfügte über gewisse ... Fähigkeiten.

Bostich musste nichts hinzutun. Mit einer fast nachlässigen Bewegung schoss der Fremdling hoch. Die Hand griff automatisch zu, fast ohne sein bewusstes gedankliches Zutun.

2.

»Du könntest meine Augen sein!«

24. Juli 1517 NGZ

Kov Goydoracc erwachte und stutzte. Etwas war nicht in Ordnung.

Ceerval, dachte er. Wer sonst?

Widerstrebend öffnete er die Augen. Es dauerte einen Moment, bis er in dem Halbdunkel etwas sah.

Er hatte recht. Natürlich war es Ceerval. Der militärische Oberbefehlshaber des Baagsystems war kurz vor ihm erwacht, hatte sich in der Schlaflandschaft aufgesetzt und drohte die Ruhe des gesamten Rudels zu stören.

Nicht schon wieder!, dachte Kov. Bleierne Müdigkeit wollte ihn in den Schlaf zurückzerren. Je schlechter es Ceerval ging, desto schwieriger wurde es auch für ihn.

Aber was sollte er tun? Er musste ihm helfen. Ceerval Sdynnoc war nicht nur sein Vorgesetzter, er war sein Freund. Sie schliefen im selben Rudel. Ceerval hatte ihm schon angedeutet, dass er sein Nachfolger werden sollte, nachdem er den Gang in den Feuerschlaf angetreten hatte.

Sein Nachfolger! Angesichts des grassierenden Finsterfiebers war das eine geradezu absurde Vorstellung. Kov würde nicht daran sterben, genauso wenig wie der alte Ceerval. Zumindest würde sein Vorgesetzter nicht dem Fieber erliegen, obwohl seine Tage gezählt waren.

Doch Kov war vorerst aus dem Spiel genommen. Wie die gesamte Besatzung war er an Bord der ZOMOKOS isoliert. Das galt für die Flotte an sich. Nicht nur der Raumvater stand unter Quarantäne, sondern Ceervals gesamter Cluster mit über 200 Schiffen.

Ob Ceerval sein Versprechen halten würde, war wiederum eine ganz andere Frage. Kov wusste nicht, ob er in dieser Hinsicht irgendetwas geregelt hatte.

Im stark gedämpften Licht der Anuupi sah er, dass die fünf anderen Rudelschläfer nicht erwacht waren. Einer von ihnen seufzte leise im Schlaf, drehte sich auf die andere Seite, legte den Arm um die, die ihm nun den Rücken zuwandte und leise schnurrte, weil sie die neue Nähe genoss.

Der achte von ihnen war unterwegs, um ihren Schlaf zu schützen, wie es der Tradition entsprach.

»Ich bin wach«, flüsterte Kov.

Ceerval Sdynnoc atmete erleichtert auf. »Wie schön. Begleitest du mich?«

Kov zögerte. Er verspürte Unbehagen. Was hatte Ceerval erwachen lassen? Verspürte er etwa wieder Hunger?

Das war in letzter Zeit zwei, drei Mal vorgekommen. Kov hatte sich überwinden müssen, ihn in den nächstgelegenen Speisetrakt mit abgetrennten Kabinen zu begleiten und ihm zu helfen, ihn praktisch zu füttern, während er in der abgeschirmten Sitznische kauerte und aß. Das erfüllte ihn mit Ekel.

»Bist du hungrig?«, fragte er.

Ceerval lachte im milden, honigfarbenen Licht der biolumineszenten Anuupi säuselnd auf. »Ich bin alt«, flüsterte er. »Auch meine Blase und der Darm sind alt. Beide spielen nicht mehr so mit, wie ich es gern hätte. Das weißt du doch.«

Kov atmete erleichtert auf und schob den Arm der Onryonin, die neben ihm lag, sacht zur Seite. Sie räkelte sich unruhig, erwachte aber nicht. Er stützte sich mit den Armen ab und richtete sich auf. »Selbstverständlich begleite ich dich.«

Er tapste zu Ceerval und half ihm hoch.

Er nahm Kov an der Hand und warnte ihn vor Hindernissen auf dem Weg zur Tür. So leise wie möglich stiegen sie über die anderen und verließen den Schlafraum des Rudels.

Draußen im Gang war das Licht der Anuupi anders getönt, nicht mehr honigfarben, sondern gelbrot. Aber es war gedämpft, wie überall an Bord des Raumvaters.

Der letzte Angehörige ihres Rudels schreckte auf, als sie den Schlafraum verließen und Ceerval unbeabsichtigt gegen ihn prallte. Der Rudelangehörige hatte es sich vor der Tür bequem gemacht, sich ein Lager aus dicken Polstern bereitet. Eigentlich war es überflüssig, dass er über ihren Schlaf wachte. Hier in der ZOMOKOS waren sie völlig sicher; ihnen konnte nichts geschehen. Aber die Onryonen hielten die alten Traditionen hoch. Sie rüttelten nur selten am Althergebrachten.

Kov hielt Ceerval gepackt und führte ihn durch den Gang zur Gemeinschaftstoilette, die zu dieser Nachtstunde leider so gut wie verlassen war. Lediglich drei ihrer Kollegen befanden sich dort. Sie unterhielten sich ausgelassen, während sie ihre Notdurft verrichteten.

Kov half dem alten Oberbefehlshaber auf den Toilettensitz und wollte sein Nachtgewand hochziehen, doch Ceerval wehrte ihn ab, schlug in einem plötzlichen Wutanfall mit der flachen Hand nach ihm. »Das kann ich noch allein«, sagte er trotzig.

»Wie du meinst«, säuselte Kov gleichmütig. Es war sinnlos, mit Fiebernden zu streiten.

Er ließ sich auf den Sitz neben dem des Oberbefehlshabers nieder. Dankbar spürte er, dass die Brille sich seinen Körperformen anpasste.

Ceerval war kurz vor Ende der Schlafphase erwacht. Bald würde der Weckalarm erklingen, und sie mussten ihren Dienst antreten. Auch bei Kov forderte die Ruhephase ihren unumgänglichen Tribut. Er musste sich dringend entleeren.

Er stimmte einen leisen Gesang an. Der alte Onryone fiel sofort ein.

Kov spürte, wie sich sein Darm regte. Automatisch assoziierte sein Körper die Töne mit Tätigkeit und wurde aktiv.

Der Gesang erfüllte seinen Zweck. Bei Ceerval war es nicht anders. Nun konnten sie zum kommunikativen Teil der Verrichtung ihrer Notdurft übergehen. »Der Ausbruch des Finsterfiebers kommt einer medizinischen Katastrophe gleich«, sagte Kov wie zu sich selbst.

»Nicht nur einer medizinischen«, sagte der alte Onryone leise. »Ausgerechnet jetzt, wo die Sublimierung kurz vor der Vollendung steht ... Ich werde sie wohl nicht mehr erleben.«

»Du redest Unsinn«, hielt Kov dagegen. »Dir bleibt noch genug Zeit.« Die Sublimierung war der Höhepunkt von Ceerval Sdynnocs Laufbahn.

Nur wenigen Onryonen war es vergönnt, während ihres Lebens solch ein Ereignis zu beobachten, geschweige denn, in verantwortlicher Position daran mitzuwirken.

Verstohlen schaute Kov zu seinem Vorgesetzten hinüber. Ein matter Schleier lag über dessen Emot, machte das Farbenspiel des Organs fast unkenntlich und verzerrte die Signale, die es ausstrahlte, bis ins Unleserliche.

Kov schwieg. Sein Blick glitt tiefer. Auch Ceervals goldfarbene Augen hatten ihren früheren Glanz verloren; sie wirkten fast farblos.