Perry Rhodan 3173: Meisterin der unbesiegbaren Schatten - Robert Coruvs - E-Book

Perry Rhodan 3173: Meisterin der unbesiegbaren Schatten E-Book

Robert Coruvs

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Beschreibung

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5659 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat. Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen. Doch entwickelt sich in der kleinen Galaxis Cassiopeia offensichtlich eine neue Gefahr. Dort ist FENERIK gestrandet, ein sogenannter Chaoporter. Nachdem Perry Rhodan und seine Gefährten versucht haben, gegen die Machtmittel dieses Raumgefährts vorzugehen, bahnt sich eine unerwartete Entwicklung an: FENERIK stürzt auf die Milchstraße zu. Während Rhodan dem Chaoporter nacheilt, hält seine Enkelin Farye die Stellung in Cassiopeia und versucht, mehr über den Gegner herauszufinden. Eine ihrer wichtigsten und schwierigsten Verbündeten dabei ist die MEISTERIN DER UNBESIEGBAREN SCHATTEN ...

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Seitenzahl: 154

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Ähnliche


Nr. 3173

Meisterin der unbesiegbaren Schatten

Macht ist unteilbar – die Maghan entscheidet

Robert Corvus

Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1. Herrscher

2. Wetterwacht

3. Wärme

4. Kontakt

5. Insubordination

6. Unterwerfung

7. Skepsis

8. Andersartigkeit

9. Macht

10. Zumutung

11. Kommando

12. Schutz

13. Bewahrung

14. Eile

15. Kühle

16. Gewalt

17. Blase

18. Ernte

19. Extraktion

20. Wille

21. Schmelze

22. Schläge

23. Irritationen

24. Hilflosigkeit

25. Zersetzung

26. Zündung

27. Änderung

28. Möglichkeiten

29. Bergung

30. Leuchtfeuer

31. Aufbruch

Fanszene

Leserkontaktseite

Impressum

In der Milchstraße schreibt man das Jahr 2072 Neuer Galaktischer Zeitrechnung. Dies entspricht dem Jahr 5659 nach Christus. Über dreitausend Jahre sind vergangen, seit Perry Rhodan seiner Menschheit den Weg zu den Sternen geöffnet hat.

Noch vor Kurzem wirkte es, als würde sich der alte Traum von Partnerschaft und Frieden aller Völker der Milchstraße und der umliegenden Galaxien endlich erfüllen. Die Angehörigen der Sternenvölker stehen für Freiheit und Selbstbestimmtheit ein, man arbeitet intensiv zusammen.

Doch entwickelt sich in der kleinen Galaxis Cassiopeia offensichtlich eine neue Gefahr. Dort ist FENERIK gestrandet, ein sogenannter Chaoporter. Nachdem Perry Rhodan und seine Gefährten versucht haben, gegen die Machtmittel dieses Raumgefährts vorzugehen, bahnt sich eine unerwartete Entwicklung an: FENERIK stürzt auf die Milchstraße zu.

Während Rhodan dem Chaoporter nacheilt, hält seine Enkelin Farye die Stellung in Cassiopeia und versucht, mehr über den Gegner herauszufinden. Eine ihrer wichtigsten und schwierigsten Verbündeten dabei ist die MEISTERIN DER UNBESIEGBAREN SCHATTEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

Veurnbittar – Der Vhasyr vertraut auf modernste Technik.

Farye Sepheroa-Rhodan – Die Terranerin vertraut auf ihr Team.

Damar Feyerlant – Der Konnektor vertraut auf Freundschaft.

Soynte Abil – Die Maghan vertraut auf alte Macht.

Laffima Pautpar – Die Kontaktstärkste vertraut auf das Biogat.

Der Audh

1.

Herrscher

»Wann?«

Kommandant Kookanard wringt alle vier Hände in einem Knäuel. Die Sprechmembran findet keine Ruhe, ein Summen geht von ihr aus. Er ist ein nervöser Mann, und deswegen ist er auch ein gefährlicher Mann.

»Was sagt er?«

Kookanard lehnt den Sichelkopf zurück, womit seine Facettenaugen etwas mehr von der 30 Meter durchmessenden Scheibe aus Hyper-Eis erfassen, die über ihnen schwebt.

Sie leuchtet in einem Licht, dessen Ursprung nicht zu erkennen ist. Das Glitzern der eingeschlossenen Kristalle ist nur ein Abglanz, das Wesentliche ist von der Niederung des Bodens, auf dem die beiden Laichkangen stehen, nicht zu sehen. Der Audh tanzt auf der Oberseite seines Rondells.

Veurnbittar war dort oben, bei ihm, hat versucht, zu erfassen, zu begreifen. Wie zu erwarten war, ist er gescheitert. Er ist ein Vhasyr, aber er ist nicht auf diesen Audh eingestimmt. Er muss durch die Furcht gehen, ohne die Fremdheit zu trivialisieren. Er muss verstehen, ohne zu vereinfachen. Er muss erkennen, ohne die Unübersichtlichkeit der Möglichkeiten zu beschränken.

Obwohl Veurnbittar weiß, dass die Zeit drängt, muss er behutsam vorgehen, damit der Audh den Verstand des Vhasyrs nicht weiter zerreißt, als unabdingbar ist. Es kann Jahre dauern, bis er den Tanz mit einiger Sicherheit wird deuten können. Wenigstens aber Monate.

Die Aufgabe ängstigt Veurnbittar, und doch lockt sie unwiderstehlich. Ist das ein Beweis für den Wahnsinn, den seine Ausbildung mit sich gebracht hat?

Es wäre bedauerlich, wenn er nicht die Zeit bekäme, diesen Audh zu verstehen. Dafür braucht Veurnbittar sein Leben. Kookanard gefährdet es, die Nervosität könnte den Kommandanten zu einem Gewaltausbruch verleiten. Veurnbittar sollte ihn nicht reizen. Er kann ihm nicht offenbaren, was der Audh mit seinem Tanz ausdrückt, weil er das selbst nicht erfasst. Aber etwas anderes kann er seinem Gegenüber geben, das so verzweifelt nicht nur nach Wissen, sondern vor allem nach Erlösung lechzt. Nach der Befreiung von der Präsenz des Audh, dessen Nähe so schwer auf dem Flaggschiff lastet.

»Ich habe Buunators Aufzeichnungen durchgesehen.«

»Hast du dafür all die Biopositroniken angefordert?« Kookanard löst seine Hände, breitet die Arme aus und deutet auf die Rechnerblöcke, die auf dem Boden des würfelförmigen Raums unter dem Hyper-Eis stehen.

Das sind nur einzelne Schnittstellen. Die Haupt-Prozessorarbeit wird außerhalb geleistet. Durch das Kugelmodul, das den Raum des Audh umgibt, muss man sich inzwischen bewegen wie durch ein Stollensystem. Auch das wird nicht ausreichen. Der Vhasyr wird weitere Einheiten anfordern, sie sollen ihm helfen, den Tanz zu analysieren und Weisheit im Wahn zu finden. Mit Glück wird er Deutungen erstellen, wo keine Intention ist, aber Möglichkeiten zu Realitäten kondensieren.

Doch auch das wird Zeit beanspruchen, mehr, als die Ungeduld des Kommandanten zugestehen wird. Unter anderem deswegen nutzt der Vhasyr die Biopositroniken vorläufig, um die Aufzeichnungen seines Vorgängers zu sichten und Kookanard die essenziellen Passagen vorzulegen. In ihrer Essenz sind es die Abschweifungen und Phantastereien eines irrlichternden Geistes.

»Buunator hat nicht gewusst, wann wir den Audh endlich auf dem Mond absetzen dürfen«, klagt der Kommandant.

»Er hat nicht erkannt, dass er es wusste«, korrigiert Veurnbittar. »Entscheidend ist das, was die Einheimischen Episodisches Biogat nennen. Es lebt immer dann und so lange, wie starke Gewitter auf der mondzugewandten Seite des Gasplaneten ihre Energien hinüberschicken. Der Meister wünscht, dass es wach ist, wenn er den Mond mit seiner Ankunft ehrt.«

Kookanard stutzt. »Dann warten wir auf ... besseres Wetter?«

Veurnbittar fragt sich, ob die lange Zeit in der Nähe des Audh die Durchsetzungskraft des Kommandanten erodiert hat. Es spräche nicht für die Flotte in Kasus 443, wenn er bereits ein solcher Schwächling gewesen wäre, als er zu ihrem Befehlshaber aufgestiegen ist.

2.

Wetterwacht

Die MONITOR-C weckte Farye Sepheroa-Rhodan mit einem auf ihr Gesicht gerichteten, kühlen Luftstrom. Sie setzte sich auf dem Lager auf, das aussah und knirschte, als wäre es aus silberweißem Sand geformt. Aber es war kein Sand, die Körner hatten eine klare Orientierung. Statt in die Öffnungen ihrer leichten Kombination zu rutschen, rieselten sie hinaus, auch, wenn sie sich dafür entgegen der Schwerkraft bewegten. Sie vereinigten sich mit der Masse ihres Bettes, in dem eine sanfte Kuhle verriet, wo sie gelegen hatte.

Farye blickte empor zur Decke, die sich kobaltblau über ihr wölbte, viel stärker gekrümmt, als es die Außenwandung der 38 Meter durchmessenden Walze vorgab. Dasselbe sandartige Material formte dort Sterne. Sie zeigten andere Konstellationen als jene, die sie vor dem Einschlafen gesehen hatte.

Sie stellte die Füße auf den dunklen Boden, stützte die Ellbogen auf die Knie, beugte sich vor und rieb sich über die Augen. Sie hatte tiefer geschlafen als erwartet. Eigentlich sollte man meinen, dass man in einem getarnten Schiff inmitten von Feindeinheiten, die eine Invasion auf einem wehrlosen Mond betrieben, keine Ruhe fände. Doch sie wusste, dass ihre Truppe ausgeruht sein musste, um an der Leistungsgrenze zu operieren. Das galt auch für die Anführerin.

Wobei sich nicht nur an Bord der MONITOR-C die Frage stellte, ob Farye diese Anführerin war. In der Flotte wog das Wort von Soynte Abil – die offiziell nach wie vor unter ihrem angenommenen Namen Lousha Hatmoon agierte – schwerer, und das lag eher an der persönlichen Ausstrahlung dieser Frau als an der Schlagkraft, die die Tefroder einbrachten.

Mit einem gewissen Widerwillen betrachtete Farye den SERUN, der neben ihrem Lager stand wie eine verlassene Ritterrüstung. Das Material des Gefechtsanzugs konnte jede Farbe und Musterung annehmen. Im Ruhezustand war es weiß, damit man bei einer Inspektion Schadstellen leichter entdeckte.

Sie stieg hinein, die Kontakte an ihrer Kombination verbanden sich, die Verschlussstellen versiegelten sich automatisch. Die Zeitanzeige verriet, dass es in Terrania gerade 7.03 Uhr am 13. November 2071 NGZ war. Die Ortsangabe beschränkte sich auf Pautpars Auge und Koordinaten, deren System seinen Nullpunkt bei Pautpars Turm hatte, dem einzigen Gebäude auf diesem Mond. Er lag 25 Kilometer entfernt. Näher heran hatte sich Holar Wolkwart trotz der, wie er betonte, alles überragenden Tarntechnik nicht gewagt, zumal ein Munuam-Trikubus kaum zwei Kilometer neben der Forschungsstation niedergegangen war.

Farye griff ihren Kombistrahler. Die Funktionsprüfung über die Kontaktfläche im Handschuh ihres SERUNS dauerte nur einen Sekundenbruchteil und ergab volle Einsatzbereitschaft.

Für sie selbst galt das nicht. Farye warf einen bedauernden Blick auf das Bett, dessen einsame Kuhle verdeutlichte, dass Donn Yaradua weit entfernt auf der RAS TSCHUBAI der Milchstraße entgegenflog. Kopfschüttelnd sah sie ein, dass es keinen Sinn hatte, ihrem Partner nachzutrauern, und schlurfte aus der Schlafnische.

An einigen Stellen lag der silberweiße Sand in Gestalt zufälliger Wehen auf dem dunkelblauen Boden. Sie ertappte sich dabei, zu horchen, ob sich das Knirschen, wenn sie darauf trat, irgendwie von einem Strand unterschied. Für ihre Ohren war es gleich.

Shema Ghessow stand bereits in der Messe, vor dem Spender, an dem man ein überraschend schmackhaftes, leicht süßliches Heißgetränk zapfen konnte, das belebend wirkte. Wie nahezu alle Geräte an Bord bestand auch dieses aus dem sandartigen Material, was die Befürchtung nährte, dass es übergangslos zerfallen könnte. So geschah es mit vielen Einrichtungsgegenständen, wenn sie nicht mehr benutzt wurden.

»Wie geht es dir?«, fragte Farye.

»Bist du ANANSI?« Der Augenaufschlag, mit dem sich die ungewöhnlich hellhäutige Deponentin ihr zuwandte, ließ sie besonders jung erscheinen.

Farye wurde bewusst, dass ihr Gegenüber erst 22 Jahre alt war, beinahe noch ein Teenager. Und doch mutete Farye ihr den zweiten Gefahreneinsatz in kurzer Zeit zu. Eine herausragende Begabung konnte ein Fluch sein.

Shema nahm ihren Becher und räumte den Platz am Spender.

Noch bevor sich Faryes Trinkgefäß gefüllt hatte, trat Holar Wolkwart aus den Schatten. Auf Faryes geheimer Grimmigkeits-Skala erreichte die zerknitterte Miene des Zwergandroiden gerade einmal knappe acht von zehn möglichen Punkten. An diesem Morgen schien er also ausnehmend guter Laune zu sein.

»Der Sturm nimmt zu«, blaffte er mit einer Intensität, die immerhin dazu beitrug, Farye wacher zu machen.

»Schläfst du eigentlich nie?« Sie nahm ihren Becher, setzte sich zu Shema und stellte das Gewehr ab.

Der 1,20 Meter kleine Mann bedachte sie mit einem schiefen Grinsen und einem langen Blick aus seinen leblosen Augen, bevor er mit einem Ärmchen wedelte.

Die Decke schien aufzureißen wie Rauch, den eine Bö auseinandertrieb. Ein großes Holobild zeigte die dünne Atmosphäre des Mondes. Die Fäden des Episodischen Biogats wirbelten hindurch, wobei sie besonders gut zu sehen waren, wenn sie hellblau aufleuchteten. Die Wissenschaftler aus Pautpars Turm schrieben, dass dieses Phänomen mit der Bewusstwerdung des Protolebens zusammenhing.

Shema rieb über ihren SERUN, an der Stelle, unter der ihr Brustbein lag. Das tat sie häufig, wenn sie glaubte, dass es niemand bemerkte. Nahezu drei Wochen waren vergangen, seit der Audh ihr einen telekinetischen Schlag versetzt hatte. Der körperliche Schaden war längst verheilt, aber psychisch beschäftigte Shema sich noch immer mit ihrem Scheitern. Sie hatte mit Farye darüber gesprochen und ein ums andere Mal darüber geflucht, wie sie bloß so dumm und leichtsinnig hatte sein können! Sie hatte genau gewusst, dass der Audh ein Kontakttelekinet war. Aber sie hatte das Risiko vor sich selbst kleingeredet und einfach drauflosgehandelt.

Überheblich wie ein Teenager, dachte Farye mit nur mildem Tadel. Die Hoffnung der Milchstraße ruhte zu einem wesentlichen Teil auf der Parabegabung von Menschen wie Shema Ghessow.

Mit einer herrischen Geste ließ Wolkwart ein weiteres Holo erscheinen, diesmal schräg über dem Tisch. Es zeigte einen roten Ball mit bewegter Oberfläche, aufgewühlt wie von Granaten, die unter Wasser zündeten.

»Die Flotte des Feindes beschießt unablässig Pautpars Hof«, dozierte Wolkwart. »In den vergangenen sechs Stunden ist die Effektivität der Attacken gestiegen. Orkane toben durch die Atmosphäre des Gasriesen, und sie potenzieren ihre Stärke in dem Gebiet, das genau unter uns liegt. Das intensiviert die energetischen Eruptionen, die das Episodische Biogat stimulieren.«

Illustration: Sven Papenbrock

An der Decke war noch immer das Wirbeln der azurblauen Fäden zu beobachten.

Soynte Abil trug einen schwarzen, nur mit einem leichten Blauschimmer versehenen Anzug, der sie in der vorwiegend in Schatten getauchten MONITOR-C nahezu unsichtbar machte. Das Material bestand aus einer Vielzahl kleinster Röhrchen, von denen die meisten keine drei Zentimeter lang waren. Auch sie hatte ein Gewehr bei sich, das sie lässig auf der Schulter ablegte, während sie an Wolkwart vorbeischritt.

»Und in diesem Sturm folgt eine Wissenschaftlerin furchtlos ihrer Berufung.« Die Kleidung verbarg nicht, wie dünn, beinahe dürr Abil war. Sie setzte sich auf einen freien Stuhl. »Überall dort draußen stehen Trikuben und Beiboote der Munuam, aber Laffima Pautpar wagt sich hinaus auf das Hochplateau, um das Episodische Biogat zu untersuchen, wie ihre Familie es seit Generationen tut.«

Der Blick der stechend grünen Augen erschien Farye wie eine Herausforderung. »Du meinst, wir sollten diese Wissenschaftlerin treffen?«

»Ob wir sie treffen sollten, weiß ich nicht. Aber ich werde zu ihr gehen.«

Loscozar Totuyeret kam zum Getränkespender. Eine Greifzunge entrollte sich aus dem rechten Nasenloch des Cheborparners, fischte einen Becher aus dem Regal und hielt ihn unter den Hahn. »Guten Morgen«, sagte er mit dem für seine Spezies typischen Vibrato in der Stimme.

»Macht euch fertig.« Farye setzte ihren Befehl auch über den Anzugfunk ab. »Wir gehen raus.«

3.

Wärme

Im Infrarotmodus von Damar Feyerlants Helmanzeige loderte Laffima Pautpar so tiefrot wie glühende Kohlen. In der minus 180 Grad Celsius kalten Umgebung schien der Sturm sie mit einer zerfetzten Fahne zu versehen, die aus aufgewärmter Luft bestand. Die Wissenschaftlerin bewegte sich über das vereiste Hochplateau Pautpars Garten, jene Stelle, die der Mond in seiner gebundenen Rotation ständig dem Gasriesen zuwandte.

Tag und Nacht hatten eine andere Bedeutung als auf Himmelskörpern, die in der Helligkeit ihres Zentralgestirns badeten. Pautpars Auge stand zwischen dem Stern und dem Planeten, der so riesig war, dass er praktisch den gesamten Himmel ausfüllte. Orangerot strahlte das Licht von seiner aufgewühlten Atmosphäre zurück und flutete die von Presseisrücken geprägte Landschaft mit einer Illusion von Wärme.

Ironischerweise führte gerade der Frost zu einem Hitzeproblem für die SERUN-Träger. Farye und Abil hatten die Order ausgegeben, eine Ortung durch die allgegenwärtigen Feindschiffe zu vermeiden. Deswegen hatte der Trupp aus dem siebenköpfigen Kernteam, zehn Raumlandesoldaten und zehn TARAS die gut 20 Kilometer vom Landeplatz der MONITOR-C zu Fuß und auf Rollen zurückgelegt, um Energieemissionen zu minimieren. Aber in dieser Umgebung wäre Wärmeabstrahlung mindestens so verräterisch gewesen. Die Anzüge waren auf Vollisolation geschaltet und damit auf die Wärmespeicherung in internen Zellen zurückgeworfen, was vor allem nach dem Anstieg auf das Hochplateau nur begrenzten Erfolg zeitigte. Immerhin reduzierte die geringe Schwerkraft des Mondes die erforderliche Muskelleistung und damit auch die Wärmeentwicklung der Körper. Dennoch fühlte es sich an, als würde das Gebläse Tropenluft in Feyerlants Helm umwälzen.

Er wechselte die Sichtanzeige von Infrarot auf vergrößerte Normaloptik, was die atemberaubenden Farben zur Geltung brachte. Unter dem Gravitationszug des nahen Gasriesen musste sich das Eis in Pautpars Hof beständig verschieben. Spalten rissen auf, an anderen Stellen faltete es sich zu Graten mit gezackten Bruchkanten. Die dünne Atmosphäre, in der auch der herrschende Sturm kaum Kraft entfaltete, schliff die teils bizarren Skulpturen nur langsam ab. Ihr Schattenfall schuf in Verbindung mit den Bahnen, die das reflektierende Licht im rötlich glitzernden Eis nahm, Effekte, die Phantasien von Lavaströmen und Feuerseen heraufbeschworen.

Feyerlant sah hinüber zu Loscozar Totuyeret, der ein Dutzend Meter weiter hinter einer Eiskante lag und ebenso wie der Terraner die Wissenschaftlerin beobachtete. Ob sich der Cheborparner an seine von Vulkanen geprägte Heimatwelt erinnert fühlte?

Im Moment kreisten LoTs Gedanken wohl eher um seine berufliche Leidenschaft, die Xenobiologie. Sogar als Laie erlag Feyerlant der Faszination des Episodischen Biogats. In der rötlichen Mondatmosphäre kam das azurfarbene Schimmern der Fäden besonders zur Geltung. Scheinbar schwerelos trieben sie im Sturm, klebten zusammen, wo sie sich trafen, und bildeten Gespinste, die an blau leuchtende Spinnweben erinnerten. Sie blähten sich zu Schirmen, die den Wind fingen und sich von ihm emportragen ließen. Als befände sich das Einsatzteam am Grund eines Sees und sähe Quallen dabei zu, wie sie zu einer fernen Oberfläche aufstiegen.

Doch auch wenn die allgemeine Bewegung des Protolebens aufwärts strebte, gab es Gespinste, die sich anders verhielten. Sie formten die windfangenden Schirme so, dass sie in die Nähe von Laffima Pautpar trieben. Und die Wissenschaftlerin tanzte mit ihnen.

Das war der Eindruck, den die Frau auf Feyerlant machte. Sie breitete die Arme aus, sodass die azurnen Fäden ihre Fingerspitzen berühren konnten. Inmitten des Sturms drehte sie sich um die eigene Achse. Mit schlafwandlerischer Sicherheit setzte sie die Füße auf dem Eis.

»Du spürst es ebenfalls, nicht wahr?«, fragte er Shema auf einem persönlichen Kanal.

Die Freundin hockte neben ihm in Deckung. Sie hielt die Arme ausgebreitet und bewegte sie in ganz ähnlicher Weise wie Laffima 200 Meter weiter auf der Ebene.

Ertappt sah sie Feyerlant an.

Er erwiderte ihr Lächeln. »Mir geht es ebenso. An diesem Ort geschieht etwas Besonderes.«

»Aber wir sind doch keine Telepathen. Wie können wir das Protoleben um uns spüren?«

»Ich schätze, dafür reicht unsere Parabegabung aus.« Er nahm es wie ein Flüstern wahr, einen Hauch zu leise, um die Silben zu verstehen. Dabei trug das Biogat etwas uneingeschränkt Wohlwollendes in sich. Etwas Verbindendes, wie die Fäden, die einander fanden, um gemeinsam zu Hohem zu streben.

»Glaubst du, Laffima spürt es intensiver?«, fragte Shema.

»Das nehme ich an.« Sicher wurde diese Frau in den Funksprüchen und Dossiers, die das Team ausgewertet hatte, mit gutem Grund als Kontaktstärkste tituliert. »Schau, wie spielerisch sie sich ...«

Ein leuchtendes Alarmfeld auf der Innenseite seines Helms unterbrach ihn. Ein munuamischer Trikubus, dessen mittlerer Würfel eine Kantenlänge von 500 Metern aufwies, flog näher als vier Kilometer vorüber. Bei einer solchen Annäherung von Feindeinheiten unterdrückten die SERUNS alle Frequenzen bis auf den Gefechtsfunk.

Dass der Raumer weitere Turbulenzen in die ohnehin aufgewühlte Atmosphäre brachte, kümmerte die Besatzung offenbar nicht. Unwillkürlich duckte sich Feyerlant, obwohl das seine Deckung nicht verbesserte. Er musste sich auf die Tarnfärbung des SERUNS verlassen, die auch bei seinen Begleitern wirkte. Sie erfasste sogar Shemas eigentlich transparenten Helm, sodass sie in ihrer erstarrten Haltung wie eine der bizarren Eisskulpturen aussah, von denen es in Pautpars Kaltem Garten so viele gab.

Mit klopfendem Herzen beobachtete Feyerlant die Gefechtsanzeige. Die TARAS hatten sich direkt nach ihrer Ankunft mechanisch eingegraben, nur ihre Sensorköpfe schauten aus dem Eis. Für den SERUN waren sie nicht mehr zu orten, die Positionsmarkierungen gaben ihre letzten bekannten Positionen wieder. Gemeinsam mit den zehn Raumlandesoldaten der Kampfgruppe bildeten sie einen Sicherungskreis, der auch Laffima umschloss, die davon nichts ahnen konnte.

Den Trikubus musste sie sehen, aber sie ignorierte ihn, während er über Pautpars Kalten Garten hinweg- und an Pautpars Turm vorbeizog.