Perry Rhodan 51: Vasall der Mächtigen (Silberband) - Clark Darlton - E-Book

Perry Rhodan 51: Vasall der Mächtigen (Silberband) E-Book

Clark Darlton

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Beschreibung

Seit das terranische Fernraumschiff MARCO POLO in der fernen Galaxis Gruelfin operiert, haben die Terraner an Bord schon viel über die Machtverhältnisse in der Sterneninsel erfahren. Die meisten Welten werden von den menschenähnlichen Cappins bewohnt, das Hauptvolk sind die Takerer, und sie herrschen mit diktatorischer Gewalt über die anderen Cappins. Da die Takerer nun die MARCO POLO und ihre Besatzung als Feinde ansehen, werden die Terraner erbarmungslos gejagt. Perry Rhodan gibt nicht auf. Der Großadministrator will herausfinden, wann die befürchtete Invasion der Milchstraße beginnen soll, die derzeit in Gruelfin geplant wird. Dabei soll ihm Ovaron helfen, der rechtmäßige Herrscher der Cappins, der aus der Vergangenheit kommt. Um an ihr Ziel zu gelangen, begeben sich Rhodan und Ovaron in die Gefangenschaft des Taschkars, des takerischen Diktators. Sie landen auf dem Planeten Takera, wo eine abenteuerliche Odyssee beginnt. In der Unterwelt der geheimnisvollen Welt stoßen die beiden auf Wunder und Schrecken - und auf den "Großen Vasallen" ...

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Seitenzahl: 660

Veröffentlichungsjahr: 2011

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Nr. 51

Vasall der Mächtigen

Cover

Klappentext

Vorwort

Zeittafel

Prolog

Kapitel 1-10

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

Kapitel 11-20

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

Kapitel 21-33

21.

22.

23.

24.

25.

26.

27.

28.

29.

30.

31.

32.

33.

Impressum

Seit das terranische Fernraumschiff MARCO POLO in der fernen Galaxis Gruelfin operiert, haben die Terraner an Bord schon viel über die Machtverhältnisse in der Sterneninsel erfahren. Die meisten Welten werden von den menschenähnlichen Cappins bewohnt, das Hauptvolk sind die Takerer, und sie herrschen mit diktatorischer Gewalt über die anderen Cappins. Da die Takerer nun die MARCO POLO und ihre Besatzung als Feinde ansehen, werden die Terraner erbarmungslos gejagt.

Perry Rhodan gibt nicht auf. Der Großadministrator will herausfinden, wann die befürchtete Invasion der Milchstraße beginnen soll, die derzeit in Gruelfin geplant wird. Dabei soll ihm Ovaron helfen, der rechtmäßige Herrscher der Cappins, der aus der Vergangenheit kommt.

Vorwort

Dieser 51. Band der PERRY RHODAN-Bibliothek dürfte so ganz nach dem Geschmack all derjenigen Leser sein, die sich gerne von actionreichen Abenteuern faszinieren lassen. Denn die Gefahren, die Perry Rhodan und seine Gefährten auf dem Planeten Takera zu meistern haben, dürften jeden auf seine Kosten kommen lassen, der gerne mit »seinen Helden« mitzittert.

Es ist ein typisches Buch aus der Mitte eines Zyklus, der damit beginnt, dass die Terraner kosmisches Neuland betreten und erst einmal Bauklötze über die verworrenen Verhältnisse vor Ort staunen. Danach folgt – eben – die Phase des gegenseitigen Abtastens und, das ist auch in Gruelfin so, des ersten Schlagabtausches mit dem jeweiligen Gegner.

Ob die Gegner auch Gegner bleiben werden, sei dahingestellt. Ein solches ehernes Naturgesetz ist mir allerdings nur schwer vorstellbar, und es wird auch später im Laufe der Serie ad absurdum geführt. Mit den Takerern jedenfalls ist nicht gut Kirschen essen, und das bekommen unsere Protagonisten hautnah zu spüren. Im nächsten Buch wird es dann bereits daran gehen, einige bedeutende Geheimnisse aufzuklären und wieder mehr kosmischen »Touch« zu geben.

Diesmal jedoch sind erst einmal folgende Autoren mit ihren Originalromanen vertreten, ungeachtet notwendiger Kürzungen und Ergänzungen:

H. G. Ewers mit Testfall MARCO POLO und Die verrückten Roboter; William Voltz mit Der letzte Test und Der große Vasall; Clark Darlton mit Das violette Feuer; und Hans Kneifel mit Duell der Mächtigen und Der Schrecken von Takera.

In diesen Romanen wimmelte es wieder von zum Teil haarsträubenden Widersprüchen, was daran lag, dass seinerzeit nur vier Autoren einen ganzen Zyklus schreiben mussten und die Kommunikationsmöglichkeiten längst nicht so fortgeschritten waren wie heute. Ich bin sicher, dass einige dieser Patzer auch dem Bearbeiter und diversen Korrektoren immer noch durchgeschlüpft sind.

Wenn sich die Fehler doch noch in Grenzen halten, dann nicht zuletzt dank der vielen Leser, die uns immer wieder mit zahlreichen Hinweisen und Anregungen versorgen. Ihnen sei an dieser Stelle wieder herzlich für ihre Mühe und ihr Engagement gedankt!

Zeittafel

1971 – Perry Rhodan erreicht mit der STARDUST den Mond und trifft auf die Arkoniden Thora und Crest.

1972 – Mit Hilfe der arkonidischen Technik Einigung der Menschheit.

1976 – Das Geistwesen ES gewährt Rhodan und seinen engsten Wegbegleitern die relative Unsterblichkeit.

1984 – Galaktische Großmächte versuchen, die aufstrebende Menschheit zu unterwerfen.

2040 – Das Solare Imperium ist entstanden und stellt einen galaktischen Wirtschafts- und Machtfaktor ersten Ranges dar.

2400 – Entdeckung der Transmitterstraße nach Andromeda; Abwehr von Invasionsversuchen von dort und Befreiung der Völker vom Regime der Meister der Insel.

2435 – Der Riesenroboter OLD MAN und die Zweitkonditionierten bedrohen die Galaxis. Perry Rhodan wird nach M 87 verschlagen. Nach seiner Rückkehr Sieg über die Erste Schwingungsmacht.

2909 – Während der Second-Genesis-Krise kommen fast alle Mutanten ums Leben.

3430 – Um einen Bruderkrieg zu verhindern, lässt Rhodan das Solsystem in die Zukunft versetzen. Bei Zeitreisen lernt er den Cappin Ovaron kennen, der entscheidenden Anteil an der Vernichtung des Todessatelliten hat, durch den die Sonne zur Nova werden sollte.

3437

Prolog

Seit dem Aufbruch der MARCO POLO zur über 35 Millionen Lichtjahre von der Milchstraße entfernten Galaxis NGC 4594 sind mittlerweile rund sieben Monate vergangen. In dieser Zeit haben die achttausend Expeditionsteilnehmer bereits vieles über die Heimatgalaxis der Cappins erfahren können, doch noch immer sucht Ovaron, der nach 200.000 Jahren endlich zurückgekehrte rechtmäßige Herrscher, nach seinem verschollenen Volk, den Ganjasen. Perry Rhodans Interesse hingegen gilt hauptsächlich der solaren Menschheit, denn inzwischen kann kaum noch ein Zweifel daran bestehen, dass die Cappins eine Invasion der Milchstraße vorbereiten.

Seitdem Ovaron, der Ganjo, vor 200 Jahrtausenden zur Erde aufbrach, um dort die verbrecherischen Bioexperimente cappinscher Wissenschaftler und Verschwörer zu stoppen, hat sich in NGC 4594 vieles zum Schlechten entwickelt. Gruelfin, wie die Cappins ihre Galaxis nennen, wird von den Takerern beherrscht, einem der vielen Cappin-Völker. Andere Völker sind die Wesakenos, die sich als »Wahrer der Gerechtigkeit« bezeichnen, oder die Moritatoren, die von Stern zu Stern fliegen und die angeblich bevorstehende Rückkehr des Ganjos verkünden. Seltsamerweise genießen sie eine Art Narrenfreiheit, während jeder andere Aufstand gegen ihre Terrorherrschaft von den Takerern erbarmungslos bestraft wird.

Zeugnis davon legen zahlreiche zerstörte Planeten ab. Wo Ganjasen-Nachkommen überlebt haben, sind diese mutiert und haben sich vor der harten Strahlung unter die Oberfläche geflüchtet. Es kommt zu ersten Auseinandersetzungen zwischen Terranern und Takerern, und auf der Zentralwelt der Moritatoren decken Perry Rhodan und seine Gefährten einen von langer Hand vorbereiteten Coup der Takerer auf, der auch die Duldung der Moritatoren erklärt: Die Herrscher Gruelfins wollen sich den Ganjo-Kult zunutze machen und allen Cappins einen falschen Ovaron präsentieren. Rhodan und der echte Ganjo können diese Pläne durchkreuzen, doch der Planet der Moritatoren, Molakesch, stirbt durch die Zündung nuklearer Sprengsätze im Atombrand. Die Männer des Einsatzkommandos können mit der CMP-1, ihrem Kreuzer, entkommen und außerdem die gesamte Bevölkerung der explodierenden Welt retten.

Für die MARCO POLO beginnt ein kosmisches Versteckspiel, als die Takerer eine Großfahndung nach ihr beginnen. Meistens im Ortungsschutz einer Sonne versteckt, schleust das Trägerschiff weiter kleinere Einheiten zu Erkundungsunternehmen aus. Bei einer dieser Operationen wird entdeckt, dass auf dem Planeten Leffa Pedopeilstationen vom Typ des Todessatelliten hergestellt werden. Das Alter der Fertigungsanlagen deutet darauf hin, dass solche riesigen Stationen bereits in der Milchstraße installiert wurden. Das bedeutet, dass unzählige Cappins mit der Gabe der Pedotransferierung schon damit begonnen haben könnten, unbemerkt in die Menschheitsgalaxis einzusickern.

Von den Olkonoren, den »Plünderern der Sterne«, hat man wichtige Unterlagen erhalten: Aufmarschpläne der Takerer und aktuelle Sternkarten Gruelfins. Die Wesakenos als Widerstandsgruppe gegen die Takerer-Herrschaft haben Perry Rhodan ihre Unterstützung zugesagt. Schekonu, ein von den Terranern geretteter »Wissender« der Moritatoren, gibt weiterhin nützliche Informationen, doch sein tatsächliches Wissen ist ebenfalls begrenzt. Ovaron klammert sich verzweifelt an die Hoffnung, dass sein Volk doch noch existiere, und gibt die Suche nicht auf. Perry Rhodan ist bereit, ihn nach Kräften zu unterstützen – aber seine eigenen Sorgen wachsen mit jedem Tag und jedem neuen Hinweis auf eine bereits angelaufene Cappin-Invasion. Was Pedotransferer (nicht alle Cappins sind mit der Gabe ausgerüstet) anrichten können, wenn sie Menschen geistig übernehmen, haben die Terraner schon wiederholt zu spüren bekommen. Eine Pedoinvasion wäre mit nichts zu vergleichen, was je über die Völker der Milchstraße gekommen wäre.

1.

Februar 3438

Eben noch hatte Ovaron über eine scherzhafte Bemerkung Patulli Lokoshans gelacht. Im nächsten Augenblick erstarrte sein Gesicht zu einer Maske. Die Augen verdrehten sich, als wollte der Ganjase in sich hineinschauen.

Perry Rhodan beugte sich leicht zu ihm hinüber. Ovaron saß in einem Kontursessel neben ihm. Er legte ihm die Hand auf den Unterarm und fragte besorgt: »Was haben Sie, mein Freund?«

Die um den Kartentisch gruppierten Personen waren aufmerksam geworden. Ihr Mienenspiel zeugte von Erschrecken, Bestürzung und Besorgnis. Niemand sonst in der Kommandozentrale der MARCO POLO hatte etwas von dem Zwischenfall bemerkt.

Ovarons Augen wurden wieder normal, blieben aber leicht getrübt, als litte der Ganjase körperlichen Schmerz.

»Ich weiß nicht, Perry.« Die Stimme klang leise und unsicher.

Langsam stellte Patulli Lokoshan seine Statuette auf die Platte des Kartentisches. Die schmalen Finger des Kamashiten zitterten kaum merklich. Die blauen Augen blickten unverwandt auf den Ganjasen.

Ovaron stöhnte unterdrückt.

»Es wird schlimmer, Perry«, sagte er mühsam. »Etwas überschüttet mich und scheint mich innerlich zu zerreißen.« Er stöhnte lauter. »Energie. Ich glaube ...«, ein Krampf schüttelte seinen Körper, »... ich glaube, es sind die Maschinen, die Aggregate ...«

»Welche Aggregate?«, fragte Rhodan.

Ovaron kippte plötzlich nach vorn. Seine Stirn schlug auf die Tischplatte, bevor Perry ihn halten konnte.

Lordadmiral Atlan drückte die Schaltplatte des Interkoms und forderte Medoroboter an, die den Ganjasen sofort zur Bordklinik bringen sollten. Der Arkonide schien nachdenklich zu sein.

»Ich spüre auch etwas, Sir«, warf Major Lokoshan ein. Auf dem goldbraun glänzenden Gesicht des SolAb-Offiziers erschien Schweiß. »Keine Schmerzen. Ich kann es nicht erklären.«

»Mein Bauch ist ganz hart«, erklärte Gucky.

»Ich fühle mich auch unbehaglich – auf eine unerklärliche Weise«, berichtete Fellmer Lloyd.

»Vielleicht eine Lebensmittelvergiftung«, sagte Atlan. Seiner Stimme fehlte jedoch die Überzeugungskraft.

Perry Rhodan sah nachdenklich zu Ras Tschubai hinüber. Der Teleporter nickte mit ernstem Gesicht.

»Fragt die nicht anwesenden Mutanten!«, befahl Perry mit rauer Stimme.

Er hob den Oberkörper Ovarons behutsam an, verstellte die Rückenlehne des Kontursitzes und legte den Ganjasen zurück.

Ovarons Körper versteifte sich wie in einem Krampf, ein Zittern durchlief ihn, in den Mundwinkeln sammelte sich blasiger Schaum. Langsam öffnete er den Mund.

»Es sind die Aggregate der MARCO POLO«, sagte er mit unerwartet klarer Stimme. Dann sackte er in sich zusammen und verlor das Bewusstsein.

Das ovale Luk eines Alarmschachtes schwang auf. Zwei Medoroboter tauchten mit einer Antigravtrage in der Öffnung auf, schwebten zum Kartentisch und luden den Ganjasen mit schnellen und doch behutsamen Bewegungen auf die Trage.

Sie benötigten keine Anweisungen und verschwanden auf dem gleichen Weg, auf dem sie gekommen waren.

Rhodan und Atlan sahen sich an. Die beiden Männer verstanden sich ohne große Worte.

Der Interkommelder summte vor Lloyds Platz. Der Telepath aktivierte das Gerät und meldete sich.

»Betrifft Ihre Anfrage, Sir«, sagte ein Leutnant. »Sämtliche Mutanten klagen über unerklärliches Unwohlsein. Ich habe sie gebeten, das Bordhospital aufzusuchen. War das richtig, Sir?«

»Vollkommen richtig, Leutnant«, erwiderte Lloyd. »Ich bedanke mich. Ende.«

Er wandte sich an Perry Rhodan.

»Es können unmöglich die Energieaggregate des Schiffes sein. Es sind ausschließlich die Mutanten betroffen – und Ovaron als Tryzom-Träger. Seine Tryzom-Körperchen sind vom Energiehaushalt her sechsdimensional. Wir Mutanten dagegen erzeugen in den mutierten Hirnrindensektoren hauptsächlich fünfdimensionale Energieströme und nur schwache sechsdimensionale Felder. Das könnte erklären, weshalb Ovaron stärker betroffen ist als wir.«

»Die MARCO POLO wurde in letzter Zeit mehrfach von nicht identifizierbaren Impulsen sechsdimensionaler Art getroffen«, bemerkte Atlan mit seltsamer Betonung.

Perry Rhodan nickte geistesabwesend.

Er dachte an den umfassenden Bericht, den Ovaron nach seiner Rückkehr aus dem Körper des Befehlshabers von Leffa, Schekret, gegeben hatte.

Aus dem Wissen des hochstehenden Takerers hatte er entnommen, dass auf dem Geheimplaneten Leffa nicht nur Dakkarkomgeräte gebaut und Halbfertigfabrikate zum Bau von Pedopeilern hergestellt wurden, sondern dass darüber hinaus besonders streng geheim gehaltene Forschungen betrieben wurden.

Diese Geheimforschungen dienten der Aufklärung über Sinn und Herkunft sechsdimensionaler Energieimpulse, die seit längerer Zeit von den Schiffen der takerischen Flotte und von Sextadimmessgeräten auf Leffa selbst aufgefangen worden waren.

Es schien so, als kämen die Impulse von einem einzigen Sender, der aber seine galaktische Position ständig änderte, so dass er immer nur ungenau angepeilt und niemals gefasst werden konnte. Der Taschkar selbst interessierte sich stark für diese geheimnisvollen Impulse. Er und die takerische Staatsführung nahmen an, dass es sich dabei um Symbolfunksprüche einer beweglichen ganjasischen Sendestation handelte und dass die Sprüche Befehle oder Informationen waren, die für bislang unauffindbare Reste des ehemaligen Ganjasischen Reiches bestimmt waren.

Rhodan stellte eine Interkomverbindung zur Ortungszentrale her. Er erfuhr, dass die MARCO POLO jetzt laufend von Energieimpulsen sechsdimensionaler Ordnung getroffen wurde.

»Ich frage mich«, meinte er nachdenklich, »wie Ovaron dazu kam, die Aggregate der MARCO POLO für seinen Zustand verantwortlich zu machen.«

»Du glaubst also, dass ausschließlich die sechsdimensionalen Impulse dafür verantwortlich sind, Perry?«, fragte der Arkonide.

Perry nickte.

»Bisher jedenfalls. Unser Sextadimtriebwerk ist stillgelegt, Atlan. Die POLO sendet folglich von keiner Stelle sechsdimensionale Impulse aus. – Und jetzt gehe ich in die Bordklinik.«

Er wandte sich ab und ging auf das schwere Panzerschott der Kommandozentrale zu. Atlan sah ihm nach und bemerkte erstaunt, dass sein terranischer Freund die Schultern hängen ließ.

Bevor er Rhodan folgte, rief er den Maschinenleitstand an und bat um die Anfertigung multidimensionaler Messdiagramme von allen Energieerzeugern des Trägerschiffes.

Die Cappin-Frau Merceile sah auf, als Ras Tschubai mit Fellmer Lloyd und Patulli Lokoshan in der Klinik rematerialisierten.

Lokoshan blickte die Biotransferkorrektorin prüfend an. Ihr Gesicht war von Sorge über Ovarons Zustand überschattet, doch ansonsten wirkte sie schöner als jemals zuvor.

Wie nicht anders zu erwarten, stand Roi Danton neben ihr. Perry Rhodans Sohn hatte vom ersten Augenblick ihres Kennenlernens an eine starke Zuneigung zu Merceile verspürt – und diese Zuneigung wurde offenbar erwidert.

»Parbleu!«, schimpfte Roi. »Man hat Seiner Kaiserlichen Hoheit die stärksten Schmerzstiller injiziert, aber Seine Hoheit leiden immer noch.«

Die beiden neben Ovarons Lager stehenden Ärzte machten einen hilflosen Eindruck. Der eine sagte:

»Wir kennen uns inzwischen recht gut mit dem cappinschen Organismus aus. Unsere Mittel müssten wirken, und doch tun sie es nicht. Es ist uns unerklärlich ...«

Er brach ab, als Perry Rhodan das Zimmer betrat.

Der Terraner sah mit blassem Gesicht auf den Ganjasen hernieder, der wahrscheinlich nur deshalb nicht um sich schlug und stieß, weil er unter einem elastischen Fesselfeld lag.

Ovaron stieß einen gellenden Schrei aus, bewegte den Kopf von einer Seite zur anderen. Die Augen waren geschlossen. Merceile wischte den erneut hervorquellenden Schaum von seinen Lippen und seufzte dabei.

»Wie sieht das Untersuchungsergebnis aus?«, fragte Perry die beiden Ärzte.

»Es könnte nicht besser aussehen«, antwortete einer der Ärzte. »Keine organischen Schäden, keine Erreger im Blut, keine Toxien. Die Anfälle haben keine organische Ursache.«

Die zweite Tür des Krankenzimmers öffnete sich. Dr. Ingwar Bredel trat ein. Nachdem der ehemalige Assistent Professor Kaspons sich auf dem Planeten TCR hervorragend bewährt hatte, war ihm die Leitung der Abteilung Cappin-Medizin übertragen worden.

Bredel nickte dem Großadministrator flüchtig zu und beugte sich dann über den Patienten. Seine Hände bedienten mit routinierter Sicherheit die Diagnosegeräte des Speziallagers. Stirnrunzelnd überflog er das Ergebnis.

»Einwandfrei eine Störung des dimensional übergeordneten Energiehaushalts.«

Er richtete sich auf und sah Rhodan an.

»Unbekannte Einflüsse lassen die Tryzom-Körperchen in Ovarons Körper irregulär reagieren, Sir. Es ist keine Besserung des Zustandes zu erwarten, solange diese Einflüsse anhalten.«

Perry blickte zu Fellmer Lloyd, dann sagte er leise:

»Wenn es nun doch die Energieaggregate der MARCO POLO sind, müssten wir sämtliche Maschinen stilllegen.«

»Das können wir aber nur, wenn wir die Nähe dieser planetenlosen Sonne verlassen – und damit auch ihren Ortungsschutz.«

Dr. Ingwar Bredel blickte von einem zum anderen.

»Ich weiß nicht genau, worum es hier geht«, sagte er mit fester Stimme. »Aber wenn Sie eine Möglichkeit sehen, und sei sie noch so vage, dem Ganjo zu helfen, so sollten Sie diese Möglichkeit nutzen.«

Perry antwortete nicht sofort, sondern ging zu dem kleinen Interkom, der in eine der Wände eingelassen war. Er schaltete zur Ortungszentrale durch und erkundigte sich:

»Sind innerhalb der letzten Minuten takerische Einheiten geortet worden?«

»Woher wissen Sie das?«, fragte der Cheforter, räusperte sich verlegen und sagte schnell: »Ja, Sir. Wir sind noch bei der Analyse, aber vor anderthalb Minuten kamen die ersten Ortungsimpulse herein. Es sieht so aus, als leitete die takerische Flotte eine großangelegte Suchaktion ein. Ich habe die ortenden Beiboote bis auf zwei zurückgerufen, Sir.«

»Danke«, sagte Rhodan. »Melden Sie sich wieder, sobald Sie Genaueres über die takerischen Flottenbewegungen wissen. Ende.«

Er schaltete den Interkom gerade aus, da betrat Atlan mit Gucky das Zimmer. Der Arkonide wirkte sehr nachdenklich, seine albinotisch rötlichen Augen glänzten feucht, aber außer dem Augensekret war ihm nichts von Erregung anzumerken.

»Ich hatte noch von der Zentrale aus den Maschinenleitstand um eine energetische Ausmessung der Hauptaggregate gebeten«, erklärte er leise.

Perrys Muskeln spannten sich. Er sah seinen arkonidischen Freund fragend an.

Atlan hob die Hand mit seinem Armbandminikom.

»Unterwegs nach hier erreichte mich ein erster Bericht. Danach senden die Kraftstationen für die Schutzschirme eindeutig eine Streustrahlung im Sextadimbereich aus, Perry.«

»Also doch«, meinte Perry bestürzt. »Ich hatte bis jetzt gezögert, den Befehl zum Verlassen des Sonnenrandes zu geben, weil wir dann unseren Ortungsschutz verlieren würden. Aber jetzt ...«

Ingwar Bredel näherte sich ihm langsam und sah ihn fest an.

»Sir, ich denke, dass ich begriffen habe, worum es geht.« Er massierte gedankenverloren seine fleischige Nase. »Wenn es dem Ganjo hilft, dann sollten wir den Ortungsschutz dieser Sonne verlassen und alle Aggregate stilllegen.«

»Dann werden die Takerer uns früher oder später entdecken«, widersprach Fellmer Lloyd. »Wahrscheinlich früher.« Er seufzte und sah Ovaron mit Bedauern an. »Dr. Bredel, Sie sollten es mit anderen schmerzstillenden Mitteln versuchen.«

Ein hohes Wimmern kam von Ovaron, stieg hinauf bis in eine Tonlage, die in den Ohren schmerzte.

Perry wurde blass.

»Ich habe noch nie einen Freund im Stich gelassen, Fellmer«, sagte er düster. »Ovaron hat ein Recht darauf, dass wir ein gewisses Risiko eingehen, um ihm helfen zu können.«

Er fasste Guckys Hand.

»In die Zentrale, Kleiner!«

Kaum war er mit Gucky in der Kommandozentrale rematerialisiert, wandte er sich an den Kommandanten der MARCO POLO, Oberst Elas Korom-Khan.

»Wir verlassen den Ortungsschutz der Sonne, Oberst«, befahl er, »gehen in den freien Raum und schalten sämtliche Maschinen ab, die auf Kernfusionsbasis arbeiten.«

Korom-Khan wandte sich langsam mitsamt seinem breiten Kontursessel um. Er blickte Rhodan mit gefurchter Stirn an.

»Sir, unsere Beiboote haben eine takerische Flotte geortet ...«

»Das weiß ich«, entgegnete Rhodan. Seine Stimme klang verärgert. »Aber wir können Ovaron nur so helfen. Bitte, beeilen Sie sich.«

Der Oberst presste die Lippen zusammen. Sein dunkelbraunes Gesicht wurde grau. Er reagierte nicht auf den Befehl.

Mit dem schweren Sessel zur Rechten Korom-Khans schwang Oberst Hartom Manis herum. Der Ertruser saß wie ein Koloss in seinem Sessel.

»Ihr Befehl gefährdet die Sicherheit des Schiffes, Sir!«, dröhnte er, dass es durch die ganze Zentrale schallte. »Bei aller Hochachtung vor Ihnen, aber es ist die Pflicht der Schiffsführung, derartige Befehle zu verweigern.« Im Gegensatz zu seinen sonstigen cholerischen Reaktionen sprach Manis mit erzwungener Ruhe.

Perry Rhodan hob die Fäuste, beherrschte sich aber und entgegnete ebenfalls ruhig:

»Ich weiß, dass meine Anordnung die MARCO POLO gefährdet, Oberst Manis. Leider können wir Ovaron nur dann von seinen fürchterlichen Qualen erlösen, wenn wir die Maschinen abschalten. Von außen kommende sechsdimensionale Impulse regen die Fusionsaggregate zur Aussendung einer Strahlung an, die für Ovarons Zustand verantwortlich ist und sich auch – allerdings schwächer – auf unsere Mutanten auswirkt.«

In diesem Moment rematerialisierte Tschubai, Lokoshan und Lloyd neben ihm.

»Vergessen Sie nicht, Hartkopf Manis«, sagte Fellmer eindringlich, »dass es Ovaron war, der das Solsystem und alle Solarier vor dem Todessatelliten rettete ...!«

Manis' von Natur aus rotbraunes Gesicht lief tiefrot an.

»Das ist mir bekannt«, sagte er unwirsch zu Lloyd. Zu Rhodan gewandt, fuhr er fort: »Ich wusste nicht, dass der Ganjo durch unsere Maschinen gefährdet ist, Sir. Das ändert natürlich die Lage. Verstehen Sie bitte, dass ich ...«

Perry machte eine wegwerfende Handbewegung. Plötzlich lächelte er.

»Oberst Manis – und Oberst Korom-Khan. Sie befänden sich nicht auf der MARCO POLO, wenn Sie mir nach dem Munde reden würden. Vergessen wir das also.«

Elas Korom-Khan grinste.

»Dann werde ich jetzt die notwendigen Befehle geben, Sir.«

Er schwenkte seinen Kontursessel in die Normallage zurück und aktivierte seine Kommunikationsgeräte. Hartom Manis tat es ihm nach. Innerhalb von Sekunden liefen die Aktionen an Bord so reibungslos ab, als hätte es niemals eine Auseinandersetzung gegeben.

Die Schiffszelle wurde ein wenig durchgerüttelt, als das mächtige Trägerschiff seine Impulstriebwerke einsetzte, um sich von der Sonnenatmosphäre und aus dem unmittelbaren Schwerefeld dieses einsamen Sterns zu entfernen.

Perry Rhodan verfolgte das Manöver mit größter Aufmerksamkeit. Die Bildschirme der Panoramagalerie waren gegen das unvorstellbar grelle Sonnenlicht abgefiltert. Dennoch wirkte der Anblick dieses natürlichen Atomofens bedrückend.

Gucky schaltete seinen Armbandminikom auf die Welle des Bordsenders, der ausschließlich Unterhaltung sendete. Gedämpft erklang moderne Musik.

Major Mentro Kosum, Zweiter Kosmonautischer Offizier der MARCO POLO und berühmt-berüchtigt durch seine Knüttelverse, betrat die Kommandozentrale. Seine üppig wuchernde rostrote Haarmähne glänzte von reichlich verwendetem Haarlack, und sein sommersprossiges Gesicht trug ein spöttisches Grinsen zur Schau.

Die MARCO POLO ließ die Sonnenfläche jetzt schneller unter sich zurück. Die dunklen Strudel und Flächen niedrigerer Temperatur wurden undeutlicher.

Perry Rhodan und Gucky begaben sich wieder zum Ganjo.

Rhodan aktivierte seinen Armbandminikom und hörte die Befehle ab, die Oberst Korom-Khan an die einzelnen Schiffssektionen gab. Wie er erfuhr, war die MARCO POLO unterdessen zweiundvierzig Millionen Kilometer von dem einsamen Stern entfernt. Die ersten Kraftstationen wurden stillgelegt. Nach und nach wurde die MARCO POLO zu einem energetisch ziemlich toten Haufen Metall.

Rhodan beugte sich über den Ganjasen, als dieser die Augen aufschlug.

Ovaron schien keine Schmerzen mehr zu haben, dennoch vergingen einige Sekunden, bis er wieder halbwegs klar denken konnte.

»Was war los, Perry?«, fragte er matt. »Mir ist, als sei ich aus einer Hölle wiederaufgetaucht.«

»Wir haben sämtliche Maschinen stillgelegt«, antwortete der Terraner.

Ovaron lächelte schwach.

»Danke. Vielen Dank, Perry.« Er runzelte die Stirn. »Aber wieso haben die Maschinen sechsdimensionale Impulse ausgestrahlt?«

»Moment, bitte!«, sagte Perry, als der Melder seines Minikoms summte.

Er schaltete das Gerät ein und hielt es an sein Ohr.

»Ja«, sagte er. »Tatsächlich. Das sieht mir nach einer geplanten Aktion aus. Jedenfalls vielen Dank.«

Er schaltete das Gerät aus und wandte sich wieder dem ehemaligen Ganjo zu.

»Die Ausstrahlung der Maschinen wurde von sechsdimensionalen Impulsen hervorgerufen«, erklärte er ernst. »Wenige Sekunden, nachdem wir unsere Maschinen abschalteten, setzten auch die Impulse aus. Können Sie sich das erklären, Ovaron?«

Der Ganjase schloss die Augen, dachte einige Sekunden nach und meinte dann zögernd:

»Jemand war sehr neugierig, Perry. Lassen Sie die Angelegenheit bitte positronisch und psychologisch auswerten. Dahinter steckt mehr, als es den Anschein hat.«

Perry Rhodan nickte bedächtig.

»Das kommt mir auch so vor. Ich habe ein ganz eigenartiges Gefühl bei dieser Geschichte. Sie erinnert mich an etwas, das weit, sehr weit zurückliegt ...«

Die MARCO POLO schaltete ihre Kraftwerke wieder ein, beschleunigte mit ihren starken Impulstriebwerken und strebte dem Punkt zu, an dem sie im Linearraum untertauchen konnte.

Die Sombrero-Galaxis war groß – aber die Verfolger waren nah und zahlreich. Sie orteten die MARCO POLO sofort.

Und, was am schlimmsten war: Seit die Takerer ihre Halbraumspürer einsetzten, gab es nicht einmal während des Linearfluges Sicherheit.

Ein einzelner Mann steuerte das Schiff: Oberst Korom-Khan, Erster Emotionaut des Solaren Imperiums. Geboren in der terranischen Region Pakistan, einem Land, das vor rund anderthalbtausend Jahren wahrscheinlich nur ein kümmerliches Dasein mit ständigem Hunger und einer menschenunwürdigen Existenz hätte bieten können. Die Überbevölkerung der Erde, die zunehmende Verschmutzung von Luft und Wasser und die ständigen Kriege hatten sich unaufhaltsam einem verhängnisvollen Höhepunkt genähert, bevor der Menschheit der Sprung ins All gelang. Heute, im 35. Jahrhundert, gab es auf der Erde keine Kriege, keine Verschmutzung, keine Überbevölkerung und keinen Hunger. Die Erde war zwar kein Paradies, aber eine angenehme Heimstatt für ihre Bewohner.

Korom-Khan hatte daran gedacht, bevor die SERT-Haube sich über seinen Schädel senkte. Es war ihm seltsam vorgekommen, ausgerechnet in diesen Augenblicken an Dinge zu denken, die längst alte Geschichte waren. Doch instinktiv hatte er erkannt, dass diese Geschichte nicht tot war, dass ihr Kennen erst den heutigen Menschen dazu befähigte, in vielen Lagen unter den möglichen Entscheidungen die nützlichste zu treffen.

Mit fast traumhafter Sicherheit steuerte Korom-Khan die MARCO POLO in den Linearraum, vollführte Manöver, die die Maschinen des Schiffes bis an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit belasteten.

Nach viereinhalbstündigem Flug hatte er die Verfolger abgehängt. Die MARCO POLO ging in den Normalraum zurück und trieb im freien Fall über den zerfransten Rändern einer leuchtenden Nebelwolke dahin. Gleich Leuchtfeuern blakten helle Sonnen durch den Nebel. Aber es waren keine Leuchtfeuer, die der MARCO POLO einen Weg zum Geheimnis der Galaxis Gruelfin wiesen.

Niemand an Bord kannte den Weg: nicht der Kommandant, nicht Perry Rhodan, weder der Arkonide Atlan, der Ganjase Ovaron und auch nicht der »Wissende« Schekonu.

Bisher hatte man alle möglichen Völker und Splittervölker kennengelernt, aber nicht das Volk, das man suchte: das ganjasische Volk.

Kein Wunder, dass es zu Auseinandersetzungen darüber kam, in welche Richtung man sich nun wenden sollte.

»Ich spreche hier nicht als Sonderoffizier Guck«, erklärte Gucky energisch. Er saß am Kartentisch neben Rhodan, Atlan und Ovaron sowie den übrigen Mutanten. »Ich vertrete hier die Meinung der Besatzungsmehrheit. Wir sind der Ansicht, dass die MARCO POLO sich vollständig von den Takerern absetzen sollte und sich auf passive Ortung zu beschränken hat.«

»Wir müssen vor allem stärker als bisher nach Überlebenden meines Volkes suchen«, forderte Ovaron. Der Ganjo war beschwerdefrei geblieben, auch als die Maschinen der MARCO POLO ihre Arbeit wieder aufgenommen hatten.

Perry Rhodan schüttelte den Kopf. »Das kann immer nur ein Nebenprodukt unserer Aktivität sein, Ovaron. Unsere Aufgabe ist fest umrissen und heißt: beobachten und die Pläne des Takerischen Reiches hinsichtlich der Menschheitsgalaxis auskundschaften.«

Er wandte sich an den Mausbiber.

»Dein Vorschlag geht auf eine Verringerung unserer Aktivität hinaus, Kleiner. Wir werden genau das Gegenteil davon tun, nämlich dicht am Ball bleiben. Sonst erfahren wir nichts.«

»Das bedeutet Kampf, Perry!«, protestierte der Ilt. »Aber ein solcher Kampf wäre sinnlos und würde uns nur bei der Erfüllung unserer eigentlichen Aufgaben behindern. Du kannst dich nicht einfach über die Meinung deiner Partner hinwegsetzen. Das Prinzip ist doch anerkannt: Mitbestimmung bei der Planung und inneren Ordnung; Unterordnung im aktiven Einsatz.«

Der Großadministrator lächelte.

Atlan verzog das Gesicht und sagte:

»In der arkonidischen Flotte wäre so etwas völlig undenkbar gewesen ...«

»Deshalb gibt es auch keine arkonidische Flotte mehr«, entgegnete der Kleine hitzig, »und kein Großes Imperium.«

»Ich schlage einen Kompromiss vor«, warf Ras Tschubai ein. Der Afroterraner hatte die Auseinandersetzung gelassen verfolgt. »Wir warten passiv ab, ob das ›Galaktische Abitur‹ tatsächlich weitergeht und wenn, wie es endet. Danach sehen wir weiter.«

»Akzeptiert!«, schrillte Gucky.

Perry überlegte eine Weile angestrengt, dann sagte er:

»Einverstanden. Wenn Professor Eysbert recht behält, müsste die nächste Aufgabe bald kommen.« Er lächelte undurchsichtig. »Unser Chefpsychologe glaubt ja, dass wir es mit einer Reihe von Tests zu tun haben, von denen wir den ersten gerade bestanden haben. Dass Ovarons Problem nur zu lösen war, indem ich mein eigenes Flaggschiff – und damit auch mein Leben – wissentlich einer Gefahr aussetzte, soll darauf hindeuten, dass vielleicht sogar weniger Ovaron als hauptsächlich ich getestet werden sollte. Wir werden versuchen, brave Prüflinge zu sein.«

Der Arkonide lachte ironisch.

»Wenn es an Prüfungen ging, warst du schon immer der Klassenbeste, Perry. Aber diese Prüfungen oder Tests sind anders, sie sind lebensgefährlich. Außerdem gefällt es mir nicht, die Aktivität anderen zu überlassen.«

»Uns bleibt keine andere Wahl – zumindest keine bessere«, sagte Ovaron. »Ich schließe mich deshalb Tschubais Vorschlag an.«

2.

Er hatte in seiner Kabine keinen Schlaf finden können. Deshalb begab sich Patulli Lokoshan in die Kommandozentrale. Als er dort ankam, sah er, wie Ovaron auf eine Antigravtrage gelegt wurde. Ein Halbkreis von Männern bildete sich um den Ganjasen und die beiden Medoroboter.

Ovaron schrie. Sein Körper zuckte konvulsivisch. Hinter Patulli kam Dr. Ingwar Bredel in der Zentrale an, lief schwer atmend auf den Ganjasen zu – und erstarrte plötzlich, als Ovarons Körper sich zu einer wabernden und auseinanderlaufenden Zellmasse verformte.

Im nächsten Moment schrie der Kosmomediziner gellend auf, wankte, stürzte zu Boden und wand sich unter starken Schmerzen. Die Anwesenden standen schreckensbleich dabei und vermochten kein Glied zu rühren. Offenbar hatten sie erkannt, dass sie der Sache völlig hilflos gegenüberstanden.

Bredel stieß einen neuen gellenden Schrei aus – und lag plötzlich ganz ruhig. Dafür wälzte sich Oberst Korom-Khan schreiend am Boden.

Ingwar Bredel schlug die Augen auf und sagte leise:

»Er hatte mich übernommen.«

Atlan half ihm auf und fragte:

»Und Sie spürten seine Schmerzen, nicht wahr?«

Bredel nickte.

»Es war grauenhaft. Aber als ich mich gegen die Übernahme wehrte, verschwand er.«

Korom-Khan beruhigte sich. Der Ganjo hatte ihn wieder verlassen und übernahm Major Mentro Kosum.

»Er sagte vorher noch, dass er einen innerlichen Zwang zum Transferieren spürte«, erklärte Perry Rhodan, sich gewaltsam zur Ruhe zwingend. »Anscheinend aber sind seine Fähigkeiten der Pedotransferierung so geschwächt, dass jeder ihn mit einiger Willenskraft abwehren kann.«

»Was können wir tun, Sir?«, fragte Lokoshan.

Bevor Rhodan antworten konnte, wechselte Ovaron auf Tolot über. Der halutische Gigant wirbelte plötzlich mit allen vier Armen, brüllte auf und raste geschossgleich auf das Panzerschott der Zentrale zu. Er prallte dagegen und einige Meter weit zurück. Dann sackte er zusammen. Hätte er seine Molekularstruktur kristallin verhärtet, wäre er sicher glatt durch das schwere Schott geschossen.

Patulli erkannte noch, dass Ovaron den Haluter verlassen hatte, da brach der Geist des Ganjasen gleich einer Sturzflut aus flüssigem Metall über ihn herein. Wie durch eine dicke Mauer hörte er seine eigenen Schreie, und sekundenlang durchzuckte ihn die Erkenntnis, dass seine Parafähigkeit der Psychokopierung zu einer unlösbaren Verschmelzung seiner und Ovarons ÜBSEF-Konstante führen würde.

Mit äußerster Willenskraft stemmte er sich gegen Ovarons Ich-Anteil – und war im nächsten Augenblick frei.

Er kam jedoch erst endgültig zu sich, als zwei Personen ihn aufrichteten und Ingwar Bredel ihm ein Injektionspflaster auf den Nacken presste.

»Es hat ihn fast so schlimm erwischt wie Tolot«, hörte er jemand flüstern. Als der andere sprach, erkannte er Atlans Stimme. »Aber wenigstens ist er wieder in Ordnung.«

Blinzelnd schaute Patulli sich nach dem Lordadmiral um.

»Was ist denn mit Tolot, Sir?«

»Niemand weiß es bis jetzt«, erwiderte der Arkonide. »Er rührt sich nicht und sein Körper ist so schlaff, wie wir es bei ihm noch nie gesehen haben.«

Dr. Bredel hastete zu dem Haluter hinüber, öffnete ihm den Kampfanzug und tastete die lederähnlich aussehende schwarze Haut ab.

»Hoffentlich hat sein Metabolismus nicht die Fähigkeit der Strukturveränderung verloren«, sagte er.

»Wo befindet sich Ovaron jetzt?«, fragte Lokoshan. »Sein Geist, meine ich.«

»Vor einer Minute war er im Körper des Leitenden Ingenieurs«, antwortete Perry Rhodan.

Jemand rief ihm etwas zu.

»Ah!«, sagte er daraufhin. »Jetzt hat es meinen Herrn Schwiegersohn gepackt.«

»Sieh dich nicht um, ein Cappin springt um«, deklamierte Mentro Kosum.

Niemand lachte über den neuesten Knüttelvers des Emotionauten. Die Lage war viel zu ernst dazu. Der Ganjo, auf der Flucht vor seinen Schmerzen von Transferierung zu Transferierung rasend – und die Gefahr, dass die MARCO POLO von den Takerern wieder geortet werden könnte.

Alle fuhren zusammen, als Merceile einen erstickten Schrei ausstieß. Das Cappin-Mädchen war, obwohl ebenfalls Pedotransferer, verschont geblieben.

Patulli dachte zuerst, das Unbekannte hätte jetzt auch sie gepackt, doch dann sah er, wie der quallenförmige Eigenkörper Ovarons sich schwankend aufrichtete und zur normalen Gestalt zurückformte.

Er atmete – gemeinsam mit vielen anderen – auf.

Ovaron war erlöst.

Aber alle irrten.

Kaum hatte der Ganjo seine normale Gestalt wiedergewonnen, da brüllte er vor wahnsinnigen Schmerzen auf – und Sekunden später fiel sein Körper wieder zu einem unförmigen Zellhaufen zusammen.

Jemand schrie.

Die Prüfung war noch nicht zu Ende. Das grausame Spiel ging weiter.

Perry Rhodan biss sich auf die Unterlippe.

»Ich weiß zwar nicht ...«, sagte er so leise, dass es kaum jemand verstand, »... wie Unbekannte aus sicherlich großer Entfernung die Vorgänge innerhalb der MARCO POLO bis ins Detail verfolgen können, aber wäre es nicht so, ergäbe der Test keinen Sinn.«

Er hob die Stimme.

»Wenn es richtig ist, dass ich getestet werden soll, dann erwartet man etwas von mir, dann darf ich nicht passiv zuschauen.«

»Ich ahne, was du beabsichtigst, Perry«, bemerkte Atlan ernst. »Aber ich bin dagegen, dass wir uns die Testbedingungen eines unbekannten Wesens oder einer Gruppe von Wesen aufzwingen lassen.«

»Was sollen wir dagegen unternehmen?«, fragte Perry mit resignierendem Lächeln.

»Es ist gegen die Menschenwürde, was hier geschieht«, erwiderte der Arkonide.

»Vieles, was im Universum geschieht, ist gegen die Menschenwürde«, argumentierte Perry. »Unter anderem auch die Tatsache, dass wir gehetzt werden und dass wir manchmal in der Absicht zurückschießen, andere Intelligenzen zu töten. Aber es ist auch ein unumstößliches Naturgesetz, dass jede Aktion eine Reaktion erzeugt, und da mag denken, wer und wie er will, er kann sich diesem Gesetz nicht entziehen. Außer er gibt sich selbst auf.«

Atlan sah deprimiert zu Boden.

»Man erwartet offenbar von mir, dass ich Ovarons ÜBSEF-Konstante in mich aufnehme und Ovarons Qualen erdulde. Ich würde den Betreffenden am liebsten in eine Isolierzelle sperren, aber da ich es nicht kann, muss ich – zu Ovarons und unserem Besten – auf dieses Spiel eingehen.«

Roi Danton drängte sich durch die Menge, sein Dreispitz war verrutscht, und die Perücke hing schief. Er packte seinen Vater am Arm und sagte: »Lass mich diesen Teil übernehmen! Ich will mich dem Ganjo zur Verfügung stellen! Da ich von deinem Fleisch und Blut bin ...«

Perry schüttelte den Kopf.

»Es würde nichts nützen, glaube mir, Mike. Man will mich. Außerdem ...«, er grinste matt, »... habe ich schon früher meine Prüfungsaufgaben allein gemacht.« Er seufzte. »Jedenfalls danke ich dir, Mike.«

Roi ließ den Arm seines Vaters los und trat mit gesenkten Schultern zurück. Plötzlich riss er impulsiv Perücke und Dreispitz von seinem Kopf und schleuderte sie fort.

»Ich werde ...«

Er kam nicht mehr dazu, seine Absicht kundzutun, denn zum zweiten Mal kehrte Ovarons Geist in seinen Körper zurück und stellte die ursprüngliche Form wieder her.

Bevor der Ganjo schreien konnte, rief Perry Rhodan ihm zu:

»Nimm mich! Ovaron, in meinen Körper.«

Der Ganjase gehorchte – wahrscheinlich instinktiv.

Die folgenden drei Stunden waren das schlimmste, was Patulli Lokoshan und die anderen Personen in der geräumigen Kommandozentrale je mitgemacht hatten.

Perry Rhodan litt unsägliche Qualen. Kein Mittel der modernen Medizin half. Aber der Terraner wehrte den ganjasischen Freund nicht ab. Seine Willenskraft war so groß, dass er trotz wahnsinnigen Tobens und der Umnebelung seines Geistes, die der Schmerz hervorrief, keinen Widerstand gegen Ovarons Ich-Anteil leistete.

Nach jenen grauenhaften drei Stunden beruhigte er sich plötzlich wieder. Langsam kehrte er ins normale Leben zurück – und Ovarons Körper belebte sich erneut. Der zweite Test war beendet.

Geisterhafte Lichter huschten durch den Raum, Reflexe folgten ihnen wie lautlose immaterielle Schattenwesen.

»Sofort in die Klinik!«, sagte eine Stimme. »Sie sind total erschöpft.«

Etwas, das Ähnlichkeit mit einem Trivideokubus terranischer Fabrikation hatte, aber auf ganz anderer Basis arbeitete, zeigte einen großen Raum. Zwei Roboter hoben soeben zwei schlaffe, humanoide Lebewesen auf eine frei schwebende breite Trage. Zahlreiche Personen standen darum herum, darunter ein kleingebautes Wesen mit zu kleinen Zöpfen geflochtenem grünem Haar.

»Wer immer das getan hat!«, schrie der kleine Grünhaarige mit tiefer Stimme. »Er soll mich, Patulli Shangrinonskowje Batulatschino Sagrimat Lokoshan, kennenlernen!«

Eine Hand kam aus dem Schatten unterhalb der Projektion. Die Projektion erlosch.

Langsam folgten der Hand ein Kopf, ein Paar Schultern, der Oberkörper, dann stand der ALTE aufrecht in seiner Zentrale, in der außer ihm nur die energetische Aktivität von Maschinen lebte.

Summend huschte ein gelbes Leuchten auf oder unter einem blanken Streifen um die Wände. Es hüllte den ALTEN in eine Aura aus mattem Licht.

Und er enthüllte ein uraltes Gesicht, weißes, bis zu den Schultern fallendes Haar und einen langen weißen Bart, wie ihn anderswo vor vielen Jahrhunderten die biblischen Propheten getragen haben mochten.

Die Bekleidung des ALTEN bestand aus einer Art weitem Kleid mit halben Ärmeln, das von einem breiten Hüftgürtel zusammengehalten wurde, dazu Sandalen, deren Schnürriemen bis dicht unter die Knie reichten.

Das gelbe Leuchten erlosch – und der ALTE stand wieder im trüben Dämmerlicht seiner Zentrale.

Ein rotes Auge blinkte ihm gegenüber in kurzen Intervallen auf und enthüllte jeweils für die Dauer eines Herzschlags das faltige Gesicht.

Der ALTE lächelte.

Die Furcht schlich durch die MARCO POLO, die Furcht vor dem, was der nächste Test bringen würde.

Jeder versuchte, sich seine Angst nicht anmerken zu lassen und seine Arbeit so zu tun, als sei nichts geschehen und als würde nichts geschehen, was ihn erschrecken könnte.

Als Perry Rhodan und Atlan zusammen mit dem Mausbiber in die Kommandozentrale zurückkehrten, saßen oder standen die Männer der Zentralebesatzung unbeweglich da und erweckten den Eindruck, als lauschten sie auf irgend etwas. Ovaron blickte beharrlich auf das Kommandogerät an seinem Unterarm.

»Was ist ...«, begann Perry, wurde aber von einer metallisch hallenden lauten Stimme unterbrochen, die aus dem Übertragungsgerät des Hyperkoms schallte. Sie sprach Gruelfin.

»Ich wiederhole die galaktischen Positionsdaten des gesuchten terranischen Raumschiffs!«, verkündete die Stimme. Umfangreiche Koordinatenangaben folgten. Dann schwieg die Stimme wieder.

Perry war blass geworden. Er rannte zum Kartentisch, schaltete den Interkom ein und rief:

»Rhodan an Funkzentrale! Woher kommt der Spruch? An Ortungszentrale! Was melden die Hypertaster? An Navigation! Stimmen die Koordinaten mit dem tatsächlichen Standort der MARCO POLO überein?«

Zuerst beantwortete der Chefkosmonavigator die an ihn gerichtete Frage. Danach hatte der unbekannte Sender tatsächlich die exakten Positionsdaten der MARCO POLO genannt!

Aber weder die Funkzentrale konnte sagen, woher der Spruch kam, noch meldete die Ortungszentrale die Anmessung fremder Raumschiffe im Umkreis von zehn Lichtjahren.

Der Interkom wurde ausgeschaltet. Rhodan sah hilflos zu Ovaron hinüber.

»Empfangen Sie die Sendung auch mit Ihrem Armband?«

Der Ganjase erwachte wie aus einem schlechten Traum.

»Wie? – Ja, ich empfange sie ebenfalls, Perry. Ich möchte wissen, wer da unsere Position an die Takerer verrät.«

Abermals dröhnte die fremde Stimme aus dem Hyperkom.

Perry Rhodan wartete, bis diese Sendung vorüber war, dann stellte er eine Hyperkomverbindung zum Hyperphysikalischen Hauptlabor her und verlangte Geoffry Abel Waringer zu sprechen.

Sein Schwiegersohn kam erst nach anderthalb Minuten. Ungehalten fragte er:

»Warum rufst du mich an? Du weißt, dass ich mitten in komplizierten Versuchen stecke.«

»Eben deshalb, Geoffry. Unbekannte haben über einen starken Sender die genauen Positionsdaten unseres Schiffes verraten. Du musst versuchen, das Störgerät, an dem ihr arbeitet, schnellstens einsatzbereit zu machen, und wenn es nur provisorisch ist.«

Waringer holte tief Luft.

»Die Positionsdaten sind verraten!« Er lachte grimmig. »Was meinst du, was wir hier tun? Genau das, was du verlangst. Mehr als ein Provisorium hatte ich nicht geplant. Wir arbeiten wie die Wahnsinnigen, aber das Gerät gegen die Halbraumspürer der Takerer ist noch nicht fertig.«

»Wie lange noch?«, drängte Perry.

»Ich weiß nicht. Ich versuche, die Sache zu beschleunigen, aber viel schneller als bisher geht es wirklich nicht.«

»Gut, danke. Ende.«

Rhodan schaltete ab und sah sich bedeutungsvoll um.

»Wir sollten unsere Position wechseln, Sir!«, rief Oberst Korom-Khan drängend.

»Einverstanden«, antwortete Rhodan. »Fliegen Sie vorerst vier Stunden lang irreführende Manöver. Wir müssen Zeit gewinnen, damit Waringer den Störsender fertigstellen kann. Danach dürften unsere derzeitigen Probleme gelöst sein.«

Er schaltete zur Ortungszentrale durch.

»Was sagt der Halbraumspürer?«

»Bisher keine Verfolger, Sir«, antwortete Major Ataro Kusumi, der Cheforter. Er war höflich und gelassen wie immer.

Perry wandte sich um, als sich hinter ihm jemand räusperte. Er lächelte, als er den Moritator Schekonu erkannte, den man vor rund zwei Monaten vom Planeten Mysyscher gerettet hatte.

Schekonu trug den Ehrentitel »der Wissende« und war ein sympathischer junger Mann, hochgewachsen und von kräftigem Körperbau. Außer einem hochgezüchteten Gehirn und großer Intelligenz besaß er die Parafähigkeiten, Tryzome zu orten und andere Lebewesen parasuggestiv zu beeinflussen. Letztere Gabe war jedoch nur schwach ausgeprägt. Was unter der Besatzung des Schiffes oft Anlass zur Heiterkeit gab, den Moritator andererseits sehr menschlich machte, war sein Unvermögen, manuelle Tätigkeiten technischer Art auszuführen. »Setzen Sie sich, Schekonu!«, bat Rhodan freundlich.

Der Wissende lächelte und sagte:

»Ich habe gehört, dass Unbekannte die Position Ihres Schiffes verraten, Großadministrator.«

Perry nickte und forschte in Schekonus Gesicht.

»Sagen Sie einfach Rhodan, Schekonu. Und nun nehmen Sie bitte Platz und berichten Sie, was Sie vermuten. – Trinken Sie eine Tasse Kaffee oder mögen Sie lieber Tee?«

Schekonu wirkte verwirrt. Zögernd setzte er sich.

»Kaffee, Rhodan. Ich wundere mich, dass Sie so ruhig bleiben, während jemand Ihnen die takerische Flotte nachschickt.«

Perry Rhodan lächelte kühl. Er sah die am Kartentisch Versammelten der Reihe nach an. Man kannte diesen speziellen Blick und antwortete durch Nicken. Rhodan bestellte eine Runde Kaffee.

»Warum sollte ich nicht ruhig bleiben, Schekonu«, sagte er dann. »Die verratene Position stimmt längst nicht mehr. Aber nun ...«

Er verstummte und presste die Lippen zusammen.

Vor wenigen Sekunden war die MARCO POLO zu einem Orientierungsmanöver in den Normalraum zurückgekehrt. Nun ertönte die metallisch hallende Stimme erneut aus dem Hyperkom-Übertragungsgerät.

»Das terranische Schiff«, dröhnte es aus den Lautsprechern, »hat seine Position verändert und befindet sich zur Zeit im Unterlichtflug bei folgenden Koordinaten ...« Es folgte eine exakte Angabe.

»Daten stimmen, Sir«, meldete der Chefnavigator wenig später.

Atlan stieß eine Verwünschung aus.

Rhodan holte tief Luft, wandte sich wieder an den Moritator und fragte:

»Sie wollen mir Ihre Vermutungen mitteilen, Schekonu ...?«

Der Wissende hob seine Tasse an, verschüttete etwas auf seine Hose und erwiderte:

»Keineswegs, Rhodan. Ich bin nur gekommen, um Genaueres über die Sendungen zu erfahren.«

Er setzte die Tasse ab und stellte sie in die Luft. Sie fiel auf den Boden und rollte unter den Kontursessel, auf dem Schekonu saß.

»Das ist mir sehr peinlich«, stammelte der Wissende, kroch unter den Sessel und stieß sich am Untergestell. Er kam mit der leeren Tasse wieder hoch, rutschte auf der Kaffeepfütze aus und landete auf Atlans Knien.

Gucky zeigte seinen Nagezahn und meinte:

»Er hat nicht nur zwei ›linke Hände‹, sondern auch zwei ›linke Füße‹.«

Er hob Schekonu telekinetisch an und setzte ihn auf seinen Platz zurück.

»Entschuldigen Sie bitte die Ungeschicklichkeit, Rhodan«, wandte Schekonu sich an Perry. »Ich scheine heute einen besonders schlechten Tag zu haben. – Oh!« Er griff sich an die Stirn und verzog das Gesicht.

»Fühlen Sie sich nicht wohl?«, fragte Rhodan besorgt.

Die MARCO POLO tauchte wieder in den Linearraum und begann mit der nächsten Linearetappe.

»Diese Blumen, Rhodan«, flüsterte er und sah auf das Brustteil von Rhodans Bordkombination. »Sie verwirren mich. Ihre Farben haben eine hypnotische Ausstrahlung.«

Perry sah an sich herab, entdeckte jedoch keine Blumen. Er wusste außerdem genau, dass er sich keine angesteckt hatte.

»Und diese leuchtende Kugel auf Ihrer Schulter«, flüsterte der Moritator. »Warum verlassen wir die Grotte nicht? Die Luft hier ist heiß und drückend. Das Wasser riecht faulig.«

Rhodan wollte etwas sagen, überlegte es sich aber anders. Er stellte eine Interkomverbindung zur Psychiatrischen Abteilung des Schiffes her und forderte zwei Spezialroboter an.

»So ist es besser!«, rief Schekonu und wandte den Kopf, das Gesicht seltsam verklärt. »Freie Luft! Freiheit!« Seine Augen wurden dunkel. »Aber die schwarzen Vögel! Ihre Schwingen verdunkeln die Sonne. Ihre Schnäbel verschlingen das Aphraneit.« Er wimmerte.

Die beiden Spezialroboter erschienen, hüllten den Wissenden in ein Transportfeld und verschwanden mit ihm durch das Panzerschott.

»Was ist das ›Aphraneit‹?«, fragte Perry den Ganjo.

»Eine alte ganjasische Mythologie nennt die Vitalkraft des Universums so«, antwortete er stirnrunzelnd. »Ich fürchte um Schekonus Verstand, Perry. Ein Mann wie er befindet sich ja immer auf der schmalen Grenzlinie zwischen Normalität und Wahnsinn.«

Der Terraner wiegte zweifelnd den Kopf.

»Diese Grenze wird im allgemeinen nur bei seelischer Überbelastung überschritten, Ovaron. Ich glaube nicht, dass die Sendungen des oder der Unbekannten für Schekonu eine solche Überbelastung darstellten.«

»Fühlen Sie sich wohl, Ovaron?«, fragte Atlan plötzlich. »Und die Mutanten, wie geht es ihnen?«

Die Mutanten schüttelten den Kopf.

Der Ganjo erklärte nach kurzer Überlegung:

»Sie denken an einen weiteren Test, Atlan. Ich spüre nichts. Ich fühle mich im Gegenteil sehr wohl. Aber ...«

Er sprach nicht weiter, als der Interkommelder vor Rhodans Platz summte.

Perry drückte die Aktivierungstaste.

»Rhodan hier.«

»Psychiatrische Abteilung, Professor Wutz. Schekonus Zustand verschlechtert sich. Der Wissende tobt, aber seine Beschwerden scheinen rein psychischer Natur zu sein.«

»Ist sein Verstand gefährdet?«

»Das lässt sich noch nicht sagen. Wir bereiten eine Psychoerfassung vor.«

»Gut. Berichten Sie mir, sobald das Ergebnis vorliegt. Ende.«

Die Alarmsirenen heulten auf.

Perry Rhodan blickte auf die Panoramagalerie und sah, dass die MARCO POLO sich wieder im Normalraum befand.

»Achtung, Fremdortung!«, meldete sich Major Kusumi. »Eine takerische Flotte, viertausendeinhundertzehn schwere und mittelschwere Einheiten, dreißig Millionen Kilometer Steuerbord Rot. Eben aus dem Linearraum aufgetaucht. Starke einfallende Ortungsimpulse, Sir.«

Rhodan bedankte sich, befahl Korom-Khan, die Verfolger im Linearraum abzuhängen und lehnte sich dann in seinem Kontursessel zurück.

Es ist wie verhext!, dachte er.

3.

Ataro Kusumi verneigte sich, als Rhodan die Ortungszentrale betrat. Der aus dem terranischen Bundesstaat Japan stammende Offizier neigte dazu, die Höflichkeit bis zum Extrem zu treiben.

Die übrigen Besatzungsmitglieder der O-Zentrale grinsten den Großadministrator offen an. Sie achteten Kusumi zwar, aber das hinderte sie nicht daran, sich gelegentlich über sein Verhalten zu amüsieren.

Perry wartete geduldig, bis Major Kusumis Gesicht wieder oben war und erwiderte das maskenhafte Lächeln mit einem kurzen Kopfnicken.

»Ich sehe mir nur unsere Verfolger an«, erklärte er und trat zu dem Schirmsektor, auf den der Halbraumspürer die takerische Flotte übertrug.

Die Raumschiffe wirkten wie ein Schwarm leuchtender Tiefseefische. Manchmal wurde ihr Leuchten von eigentümlichen Entladungen überdeckt, die, soviel man wusste, das unterschiedliche Energiepotenzial zwischen dem Hyperraum und dem vierdimensionalen Raum-Zeit-Kontinuum ausglichen.

Ein andermal wurden die Leuchtblasen zu nachtschwarzen Strichen. Dann wieder ging von ihnen ein Feuerwerk masseloser Lichtblitze und Funkenschwärme aus. Rhodan vermutete, dass es sich dabei um statische Auf- und Entladungsvorgänge der Strukturschirme handelte, die sowohl die MARCO POLO als auch ihre Verfolger gegen die Einflüsse des Zwischenkontinuums schützten.

Immer aber blieben die Verfolger in etwa gleicher Entfernung. Sie vollzogen jeden Kurswechsel des Trägerschiffes innerhalb von Sekunden nach.

»Ein beeindruckendes Bild, Sir«, sagte Ataro Kusumi mit gedämpfter Stimme.

»Gewiss«, versicherte Rhodan höflich.

»Ein vorzügliches Gerät, dieser Halbraumspürer, Sir«, sagte Kusumi. »Nichts entgeht ihm.«

»Leider besitzen wir kein Monopol darauf, Major.«

»Ein äußerst beklagenswerter Umstand, Sir. Wie ich erfuhr, arbeitet Professor Waringer an einem Störsender, der die gegnerischen Halbraumspürer ›blind‹ machen soll ...!«

»Er ist ein Schlingel, Major«, sagte plötzlich die Stimme Roi Dantons. Rhodans Sohn war unbemerkt in die Ortungszentrale getreten. »Er weiß genau, was Onkel Waringer tut. Die Idee mit den Überladungsmodulatoren für den Störsender stammt doch von Ihm, nicht wahr?«

Kusumis linkes Auge zuckte ein wenig, aber er verbeugte sich auch vor Danton und antwortete:

»Ich bin sehr glücklich, dass Professor Waringer meine ganz und gar unwichtige und minderwertige Idee verwenden kann, Sir.«

»Nenne Er mich Majestät!«, fuhr Roi auf. »Und bringe Er etwas mehr Leben in Sein Porzellangesicht!«

»Mike ...!«, sagte Rhodan streng.

Kusumis Höflichkeit war plötzlich wie weggewischt.

»Einen Dreck nenne ich Ihn, du aufgeblasener arroganter Affe!«, schrie er aufgebracht. »Und wenn du nicht sofort verschwindest, werde ich dich in den ... äh ... hinauswerfen!«

»Ich gehe ja schon freiwillig. Auf Wiedersehen, Porzellangesicht.«

Tänzelnd machte sich Roi Danton davon.

Sofort veränderte sich Major Kusumis Verhalten wieder. Er verneigte sich abermals vor dem Großadministrator.

»Es tut mir leid, Sir, dass Sie Zeuge dieser Szene werden mussten. Ich bitte um Vergebung für das, was Ihnen in meiner Abteilung widerfahren ist.«

»Sie haben richtig gehandelt, Major.«

»Das spielt keine Rolle, Sir.«

Perry Rhodan seufzte.

»Ich werde meinen Sohn zurechtweisen, Major.«

»Nein, Sir«, widersprach der Major. »Das ist allein meine Sache, denn es geschah in meiner Abteilung.«

»Wie Sie wollen«, meinte Rhodan resignierend. »Mich ruft die Pflicht. Auf Wiedersehen.«

»Beehren Sie mich recht bald wieder, Sir«, erwiderte Ataro Kusumi und verneigte sich.

Perry Rhodan fuhr mit dem Antigravlift zur Bordklinik und suchte die Psychiatrische Abteilung auf. Inzwischen war auch Professor Thunar Eysbert eingetroffen.

»Schekonus Enzephalogramm ist verheerend, Sir«, berichtete er. »Seltsamerweise gibt es Pausen, in denen er – bis auf die Abweichungen, die durch seine parapsychischen Fähigkeiten bedingt sind – völlig normal ist.«

Perry überlegte.

»Welcher Schluss lässt sich daraus ziehen, Professor?«

Eysbert war unschlüssig.

»Entweder ist Schekonu schizophren, aber dagegen spricht die bisher beobachtete Grundstimmung – oder er reagiert auf äußere Einflüsse, von denen wir nichts merken.«

»Hm!«, machte Rhodan nachdenklich. Er trat an das Bett, in dem der Moritator lag. Zahlreiche Elektroden bedeckten Kopf und Körper.

Schekonu flüsterte etwas vor sich hin, das zu leise und zu schlecht artikuliert war, um es verstehen zu können.

Plötzlich richtete er sich auf, sein Blick klärte sich. Er sah Perry Rhodan an und sagte deutlich:

»Es sind die Pralitzschen Wandeltaster. Sie geben ...« Sein Mund schloss sich, über den Augäpfeln erschien ein glasiger Film, dann sank der Wissende stöhnend zurück.

Perry Rhodan stand wie erstarrt.

Die Pralitzschen Wandeltaster waren wichtige Nebenaggregate des Dimesextatriebwerks. Ihre Aufgabe bestand darin, dimensionale normale Energieeinheiten in übergeordneten Sextadimhalbspurimpulse umzusetzen.

Aber weder diese Nebenaggregate noch das Dimesextatriebwerk der MARCO POLO waren in Betrieb. Sie wurden nur zum so genannten Brückenschlag von Galaxis zu Galaxis gebraucht.

Über Interkom bat er den Leitenden Ingenieur, die Geräte überprüfen zu lassen. Danach begab er sich selbst in den Kontrollstand des Dimesextatriebwerks.

Der Leitende Ingenieur, Oberstleutnant Nemus Cavaldi, befand sich bereits in der geräumigen Kontrollkabine. Zusammen mit zwei anderen technischen Offizieren verfolgte er die Leuchtskalen einiger Messgeräte.

Perry blickte durch die transparente Wand aus Panzertroplon und sah eines der kugelförmigen, achteinhalb Meter durchmessenden Geräte im Verankerungsfeld über dem oberen Polanschluss des Dimesextatriebwerks schweben. Zwei Roboter standen darunter und warteten offenbar auf Anweisungen Cavaldis.

Nach einiger Zeit drehte sich Cavaldi zu Rhodan um. Auf seinem runden Gesicht lag der Ausdruck milden Erstaunens. Er strich sich über seinen schwarzen, zu Zöpfen geflochtenen »Argyris-Bart« und erklärte:

»Das Aggregat funkt ununterbrochen auf der Sextadimhalbspur, Sir. Es nimmt seine Energie offensichtlich aus den Fesselfeldern, denn während deren Verbrauch gestiegen ist, haben wir die direkte Zuführung zum PWT gesperrt.«

»Lassen Sie das Aggregat auf den Boden sinken und schalten Sie die Fesselfelder ab!«, befahl Rhodan.

Cavaldi wandte sich an seine Begleiter und rief:

»Runter mit dem Teufelsball, Jungs! Aber vorsichtig, das Ding ist so wertvoll, als bestünde es aus massivem Ynkelonium.« Er grinste, wurde aber schnell wieder ernst und sagte zu Rhodan: »Ich habe auch die Überprüfung der drei Reserve-PWTs angeordnet, Sir. Der Bericht müsste eigentlich ... Ah, da kommt er schon!«

Er bewegte sich flink zum Interkom und fragte:

»Nun ...?«

»Die Aggregate arbeiten als Sextadimsender!«, schrie eine panikerfüllte Stimme.

»Ganz ruhig, mein Junge«, erwiderte Nemus Cavaldi. »Es ist jetzt wichtig, dass wir die Nerven behalten. Wenn ich richtig verstanden habe, dann senden die drei PWTs trotz fehlender Energiezufuhr Impulse auf der Sextadimhalbspur?«

»Ja, Sir, es ...«

»Das genügt vollkommen, mein Junge. Trinke eine Tasse Tee oder geh mal auf die Toilette oder so etwas, damit deine Seelen-Stabilisatoren wieder laufen. Ende.«

»Fertig!«, meldeten die beiden technischen Offiziere wie aus einem Mund. »PWT steht. F-Felder abgeschaltet.«

Cavaldi grinste ihnen zu, blickte gespannt zu einer Leuchtskala und nickte. »Wie ich es gedacht hatte. Die MARCO POLO wird von so vielen Feldern durchzogen, dass der PWT immer genügend FE erhält.« Er blickte Rhodan wieder an. »Das wäre es, Sir. Wahrscheinlich ziehen wir eine strahlende Ortungsspur hinter uns her. Soll ich die Teufelsdinger demontieren lassen?«

Unwillkürlich musste Perry über Cavaldis Ausdrucksweise lächeln.

»Vorerst nicht. Jedenfalls vielen Dank für die prompte Arbeit.«

»Nichts zu danken, Sir«, erwiderte Cavaldi grinsend. »Im Maschinenleitstand wird immer prompte Arbeit geleistet.« Er winkte seinen Begleitern zu. »Hievt das Ding wieder hoch, Jungs!«

Kopfschüttelnd verließ Perry den Kontrollstand. Dieser Cavaldi war schon ein verrückter Kerl. Aber er war ein As auf seinem Gebiet – und nur darauf kam es an.

Seine Gedanken kehrten jedoch sehr schnell zu Schekonu und zu den Verfolgern zurück. Offenbar waren es die Sextadimimpulse der Pralitzschen Wandeltaster, die Schekonus Psyche beeinflussten.

Im Augenblick aber war es noch viel bedeutsamer, dass die jeweilige Position der MARCO POLO nicht nur durch die Meldungen der oder des Unbekannten verraten wurde, sondern dass sie sich durch die pausenlos abgestrahlten Sextadimimpulse selbst verriet.

Nicht einmal Waringers Störsender würde die Takerer von der unübersehbaren Spur abbringen.

Sie würden schlussendlich die MARCO POLO einkesseln und durch massiertes Wirkungsfeuer vernichten.

Es gab nur eine Möglichkeit, das zu verhindern – oder auch zwei, je nachdem, ob man die zweite akzeptierte.

Er wusste, wie er vorzugehen hatte.

Perry hob den Arm mit seinem Minikom, als der Summer ertönte.

»Bitte?«

»Hier Robotposten Zentraleschleuse, Sir«, erscholl eine unmodulierte Stimme. »Oberstleutnant Restonov mit vier Begleitern möchte Sie dringend sprechen.«

»Einlassen!«, befahl Rhodan dem Roboter.

Er erhob sich von seinem Platz, als Pawo Restonow mit vier anderen Schiffsoffizieren eintrat. Der Chef der Fünften Kreuzerflottille trug eine ernste Miene zur Schau, zeigte jedoch keinerlei Unsicherheit.

Er salutierte knapp und sagte:

»Oberstleutnant Restonow mit einer Abordnung, die etwa sechshundert Offiziere vertritt. Wir sind beauftragt, Ihnen zu sagen, dass das Offizierskorps der MARCO POLO nicht mit Ihrem Befehl einverstanden ist, die Pralitzschen Wandeltaster auszustoßen, Sir. Wir ersuchen Sie, diesen Befehl zurückzunehmen.«

Perry atmete tief durch, um ruhig zu bleiben. Er wusste, dass Restonow zu seinen besten Flottillenchefs zählte. Es wäre falsch gewesen, ihm Vorwürfe zu machen.

»Ist mein Befehl unmoralisch?«, fragte er leise.

»Das nicht, Sir ...«

»Ist er etwa verbrecherisch?«

»Nein, keineswegs. Wir wollten ...«

»Verstoße ich damit gegen die Interessen der Menschheit?«

»Nein.«

»Sie kennen Ihre und meine Rechte und Pflichten, Oberstleutnant«, fuhr Perry unerbittlich fort. »Berührt mein Befehl jenen Teil des Flottenrechts, der besagt, dass ein Kommandant oder Kommandeur unverzüglich seines Kommandos zu entheben und festzusetzen ist, wenn er gegen die Gesetze des Solaren Imperiums verstößt?«

»Nein, Sir!«, antwortete Restonow verzweifelt. »Es geht hier nicht um die Gesetze ...«

»Worum es geht, weiß ich«, erwiderte Perry Rhodan mit leichtem Lächeln. »Und ich weiß auch, dass Ihre Gründe, hier vorzusprechen, ehrenhaft sind.«

Er hob die Stimme ein wenig.

»Aber ich weiß auch, dass meine Entscheidung nach bestem Gewissen gefällt wurde. Informieren Sie die Männer, die Sie delegiert haben, dass ich meinen Entschluss nicht ändere und dass Ihre Argumente nicht schwer genug wiegen.«

»Zum Teufel!«, rief ein junger Major. »Willst du dich damit abspeisen lassen, Pawo!« Er wandte sich an Rhodan. »Sir, Sie haben sich unsere Argumente überhaupt nicht angehört!« Er glühte vor Empörung.

Perry lächelte, aber seine Stimme war eiskalt, als er entgegnete:

»Ich kenne Ihre Argumente, Major. Ich habe sie mir nämlich selbst entgegengehalten – und noch einmal in einer Führungskonferenz angehört, bevor ich meinen Befehl erteilte.

Und nun gehen Sie auf Ihre Plätze zurück. Im Augenblick höchster Gefahr für das Schiff gibt es nur einen Mann an Bord, der befiehlt, und achttausend, die seine Befehle auszuführen haben!«

Der Major atmete schwer.

Pawo Restonow dagegen beherrschte sich ausgezeichnet.

»Wir werden gehorchen, Sir«, verkündete er fest, »aber anschließend noch einmal darüber sprechen.«

Er salutierte übertrieben exakt, machte kehrt – auch das mit einer übertriebenen Exaktheit, wie sie in der Flotte längst unpopulär geworden war – und verließ an der Spitze der Abordnung die Zentrale.

Atlan lächelte.

»Deine Terraner sind ein verteufelt selbstbewusster Menschenschlag, Barbar.«

Auch Perry zeigte ein Lächeln.

»Das sollen sie wohl sein, Arkonidenfürst.« Schlagartig wurde er wieder ernst. »Hoffentlich tritt das ein, was ich erwarte.«

Atlan sah ihn forschend an.

»Was erwartest du denn?«, fragte er flüsternd und im Verschwörerton.

Rhodan schüttelte den Kopf.

»Ich möchte nicht darüber sprechen – jetzt noch nicht.«

Er stellte eine Interkomverbindung zum Kommandanten her und fragte unpersönlich:

»Alles klar zum Ausstoßen der PWTs, Oberst?«

»Alles klar, Sir.«

»Ausstoßen!«

Sekunden später:

»PWTs ausgestoßen, Sir. Ortung meldet drei feindliche Flottenverbände. Ich gehe in den Linearraum.«

Die Triebwerke der MARCO POLO wurden hochgeschaltet. Mit der Maximalbeschleunigung von siebenhundertzwanzig Kilometer pro Sekundenquadrat nahm das gigantische Trägerschiff Fahrt auf. Seine zwölf Kraftstationen mit ihren jeweils acht Schwarzschild-Reaktoren brachten eine Effektivleistung von neunhundertsechzig Milliarden Kilowatt, um die Triebwerke und Schutzschirmprojektoren zu versorgen.

Mit ruhiger Stimme gaben die Ortungsoffiziere die Werte über Kurs, Geschwindigkeit und Position relativ zur MARCO POLO durch. Die Feuerleitzentrale meldete volle Gefechtsbereitschaft. Reibungsloser hätte das Zusammenspiel der einzelnen Abteilungen auch bei einem harmlosen Manöver nicht sein können.

Endlich tauchte das Schiff in den Linearraum. Die takerischen Flottenverbände folgten ihm mit größerer Verzögerung als sonst. Ihre vielen Einheiten erschwerten die Koordinierung. Aber sie kamen und verfolgten die MARCO POLO wie hungrige Wölfe.

Doch Oberst Korom-Khan wäre kein Meister seiner Kunst gewesen, wenn er die Verfolger nicht schließlich abgehängt hätte. Es dauerte zwar über siebzig Minuten, aber danach hatten die Takerer die Spur endgültig verloren. Und es gab keine Pralitzschen Wandeltaster mehr, deren verräterische Impulse die Verfolger erneut auf die Spur des Trägerschiffes führen konnten.

»Damit wären wir in der Sterneninsel Gruelfin gestrandet«, sagte Atlan lakonisch.

Perry wollte etwas entgegnen, wurde aber durch das Summen seines Interkoms daran gehindert.

Auf dem Bildschirm erschien das Gesicht von Major Ataro Kusumi. Es glänzte vor Schweiß, aber die schwarzen Augen des Cheforters blickten freundlich wie immer.

»Sir, ich weiß nicht, ob es von großer Bedeutung ist«, sagte er. »Aber ich habe da eine Beobachtung gemacht ...« Er zögerte, kämpfte anscheinend mit sich selbst.

»Ich warte!«, sagte Rhodan.

Ataro Kusumi holte tief Luft.

»Die Wandeltaster, Sir!«, rief er erregt. »Sie verschwanden spurlos, kaum dass sie die Verladeschächte des Schiffes verlassen hatten. Von einem Augenblick zum andern, Sir.«

Perry lächelte verstehend. Er sah seine Ahnungen und Hoffnungen bestätigt.

»Ich danke Ihnen, Major«, erwiderte er. »Ihre Beobachtung ist sehr wertvoll für uns.«

»Dunkel ist deiner Rede Sinn«, meinte Atlan, nachdem der Bildschirm erloschen war. »Wieso ist Kusumis Beobachtung sehr wertvoll für uns, für Gestrandete?«

»Weil sie beweist ...« erklärte Perry bedächtig, »... dass wir nicht gestrandet sind, sondern nur einen weiteren Test bestanden haben.«

Die Schaltzentrale war vom Raunen und Wispern der elektronischen Geräte und von blinkenden Lichtern und ihren Reflexen erfüllt. Drei leuchtende Kugeln umkreisten einander in Dreiecksformation unter dem kuppelförmig gewölbten Mittelpunkt der Decke.

Der ALTE stand inmitten dieses Ausdrucks technischer Aktivität und schien in sich hineinzulauschen. Sein Gesicht wirkte in diesen Augenblicken wie eine Totenmaske, auf der lediglich verschiedenfarbige Lichtreflexe Leben vortäuschten.

Eine dünne elektronische Stimme klang auf, schien sich in den unendlichen Abgrund des Alls zu schwingen und darin zu verwehen. Eine tiefere Stimme folgte, holte die hohe dünne zurück. Nach und nach fielen immer mehr dieser seltsamen Stimmen ein, vereinten sich zu einer rauschenden Melodie, an der nichts war, was an organisches Leben erinnerte.

Der ALTE lächelte verstohlen.

Eine zweite Melodie erklang, vermischte sich mit der ersten, dann kam eine dritte hinzu. Die drei leuchtenden Kugeln umkreisten einander schneller, ihr Leuchten verstärkte sich. Dann erlosch es langsam, während die Harmonie der drei vereinten Melodien abklang und zerflatterte.

Der ALTE öffnete die Augen. Langsam schritt er auf ein hufeisenförmig geschwungenes Pult zu, streckte die Hand aus und berührte einen Sensor.

Ein Servomechanismus bewegte einen Antennenblock in eine bestimmte Richtung.

Eine Reihe von Piepstönen erklang.

Ein uraltes Programm spulte sich ab ...

Der Kommunikationsraum im Innern der Biopositronik war von einem ständigen Raunen und Wispern erfüllt. Leuchtschaltbilder flammten auf und erloschen wieder. Vielfarbige Lichter huschten rings um die Innenwände des Gehirns.

Lordadmiral Atlan und Icho Tolot folgten dem Ganjo und Rhodan in den kuppelförmigen Innenraum der Biopositronik, der nur wenigen zugänglich war.

Ovaron drückte auf eine bestimmte Stelle seines Kommandoarmbandes und ließ einen winzigen Speicherkristall in seine hohle Hand rollen. Mit dem Kristall begab er sich zu einem geschwungenen Pult. Dort legte er ihn in eine schalenförmige Vertiefung.

»Ein neuer Test?«, fragte der Arkonide flüsternd.

Perry meinte dazu:

»Noch wissen wir es nicht. Ovarons Armband empfing vor dreißig Minuten eine Sendung in einem uralten Geheimkode der Ganjasischen Flotte. Wenn jemand getestet werden soll, so wird es vermutlich diesmal der Ganjo sein.«

Er trat neben Ovaron und half ihm bei der Bedienung des automatischen Analyseabfragepultes. Kontrolllampen leuchteten auf. Der winzige Kristall verschwand unter einer hellgrünen Lichtglocke.

Ovaron legte eine Hand auf die Schaltplatte der Kommunikationsaktivierung. Damit stellte er eine direkte Verbindung zum Gesamtkomplex der Biopositronik her, zu einem intelligenten, selbständig denkenden Wesen aus biologisch toter Materie, Milliarden koordinierter Kraftfelder und einem Minimum an aktivem Zellplasma.

Der Ganjo sprach schnell einige Sätze Gruelfin, der Verkehrssprache seiner Galaxis.

Die Biopositronik antwortete in der gleichen Sprache.

Etwa eine Stunde lang unterhielten sich die beiden Gesprächspartner miteinander. Ovaron wurde zum Schluss hin etwas nervös, versprach sich einige Male und legte immer längere Konzentrationspausen ein. Die Biopositronik hatte diese Schwierigkeiten nicht, kannte sie aber und stellte sich darauf ein.

Endlich schien der Dialog beendet zu sein. Das Leuchten um den Speicherkristall erlosch, und Ovaron schob ihn in sein Kommandoarmband zurück. Dann schaltete er das Pult aus, wandte sich um und erklärte lächelnd: