Perry Rhodan 89: Sie suchen Menschen (Silberband) - Clark Darlton - E-Book

Perry Rhodan 89: Sie suchen Menschen (Silberband) E-Book

Clark Darlton

0,0

Beschreibung

Es ist das Jahr 3582 - Perry Rhodan treibt die Befreiung der Milchstraße von der Herrschaft der Laren mit allen Mitteln voran. Dieses Vorgehen bringt ihn unweigerlich in Konflikt mit seinem ehemaligen Weggefährten Atlan. Sicher geglaubte Bastionen geraten ins Wanken, und als Atlans Geheimwaffe innerhalb kürzester Zeit vernichtet wird, droht der entstehende Strudel beide Männer in den Untergang zu reißen. Der Arkonide glaubt, den Schuldigen zu kennen: Perry Rhodan. Atlan lässt Rhodans Raumschiff, die SOL, von seiner Kampfflotte umzingeln. Der Bruderkrieg zwischen den beiden Unsterblichen scheint unabwendbar ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 760

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.

Beliebtheit




Nr. 89

Sie suchen Menschen

Es ist das Jahr 3582 – Perry Rhodan treibt die Befreiung der Milchstraße von der Herrschaft der Laren mit allen Mitteln voran. Dieses Vorgehen bringt ihn unweigerlich in Konflikt mit seinem ehemaligen Weggefährten Atlan. Sicher geglaubte Bastionen geraten ins Wanken, und als Atlans Geheimwaffe innerhalb kürzester Zeit vernichtet wird, droht der entstehende Strudel beide Männer in den Untergang zu reißen. Der Arkonide glaubt, den Schuldigen zu kennen: Perry Rhodan. Atlan lässt Rhodans Raumschiff, die SOL, von seiner Kampfflotte umzingeln. Der Bruderkrieg zwischen den beiden Unsterblichen scheint unabwendbar ...

Vorwort

Biotechnik, Menschen aus der Retorte, Züchtung menschlicher Ersatzteile – das sind Schlagworte, die uns immer wieder bewegen. Doch das ist zweifellos erst der Anfang einer Entwicklung, an deren Ende sehr viel mehr stehen wird, als wir uns heute noch träumen lassen. Dabei ist die Konstruktion von Nanomaschinen, die unsere Adern von Ablagerungen freihalten, Krankheitserreger beseitigen und entartende Zellen vernichten, zweifellos eine der angenehmsten Folgerungen. Geißeln der Menschheit wie Kreislauferkrankungen, Infarkte und Tumoren wären für immer ausgemerzt. Auch der Ersatz amputierter Gliedmaßen durch körpereigene Implantate bringt verlorene Lebensqualität zurück.

Kritisch wird es jedoch, sobald die Frage gestellt werden muss, wie diese Ersatzteile gewonnen werden. Religion und Ethik können dazu nicht schweigen; Menschlichkeit ist oberstes Gebot.

In einer Welt der Zukunft, wie wir sie schildern, ist es möglich, nicht nur Organe und Gliedmaßen durch gleichwertige oder sogar verbesserte Züchtungen aus körpereigenem Gewebe zu ersetzen, sondern – und dieser Gedanke geistert spätestens seit Mary W. Shelleys »Frankenstein« durch die Literatur – gleich den ganzen Menschen neu zu erschaffen. Aber der Mensch sollte sich nicht anmaßen, Gott zu spielen und der Natur derart ins Handwerk zu pfuschen.

In diesem Buch erleben wir, dass die Multi-Cyborgs, künstlich »gezüchtete« Menschen, sich keineswegs nur als die Maschinen sehen, als die sie von ihren »Schöpfern« betrachtet werden. Aber was geschieht, wenn sie anfangen, sich selbst als Menschen zu verstehen, vielleicht sogar als die besseren Menschen?

Die in diesem Buch enthaltenen Originalromane sind: Die Flucht der Kelosker (755) von H. G. Ewers; Ein Stern funkt SOS (756) von H. G. Francis; Kampf der Diplomaten (760) von Ernst Vlcek; Traum eines Cyborgs (761) von Hans Kneifel; Aufstand der Cyborgs (762) von H. G. Ewers; Inferno im Kosmos (763) von H. G. Ewers; Der Wall um die Welt (764) von Clark Darlton; Fehde der Mächtigen (765) von William Voltz; Kinder der Unendlichkeit (769) von H. G. Francis sowie Sie suchen Menschen (770) von Ernst Vlcek.

Zeittafel

1971/84 – Perry Rhodan erreicht mit der STARDUST den Mond und trifft auf die Arkoniden Thora und Crest. Mit Hilfe der arkonidischen Technik gelingen die Einigung der Menschheit und der Aufbruch in die Galaxis. Das Geistwesen ES gewährt Rhodan und seinen engsten Wegbegleitern die relative Unsterblichkeit. (HC 1–7)

2040 – Das Solare Imperium entsteht und stellt einen galaktischen Wirtschafts- und Machtfaktor ersten Ranges dar. In den folgenden Jahrhunderten folgen Bedrohungen durch die Posbis sowie galaktische Großmächte wie Akonen und Blues. (HC 7–20)

2400/06 – Entdeckung der Transmitterstraße nach Andromeda; Abwehr von Invasionsversuchen von dort und Befreiung der Völker vom Terrorregime der Meister der Insel. (HC 21–32)

2435/37 – Der Riesenroboter OLD MAN und die Zweitkonditionierten bedrohen die Galaxis. Nach Rhodans Odyssee durch M 87 gelingt der Sieg über die Erste Schwingungsmacht. (HC 33–44)

2909 – Während der Second-Genesis-Krise kommen fast alle Mutanten ums Leben. (HC 45)

3430/38 – Das Solare Imperium droht in einem Bruderkrieg vernichtet zu werden. Bei Zeitreisen lernt Perry Rhodan die Cappins kennen. Expedition zur Galaxis Gruelfin, um eine Pedo-Invasion der Milchstraße zu verhindern. (HC 45–54)

3441/43 – Die MARCO POLO kehrt in die Milchstraße zurück und findet die Intelligenzen der Galaxis verdummt vor. Der Schwarm dringt in die Galaxis ein. Gleichzeitig wird das heimliche Imperium der Cynos aktiv, die am Ende den Schwarm wieder übernehmen und mit ihm die Milchstraße verlassen. (HC 55–63)

3444 – Die bei der Second-Genesis-Krise gestorbenen Mutanten kehren als Bewusstseinsinhalte zurück. Im Planetoiden Wabe 1000 finden sie schließlich ein dauerhaftes Asyl. (HC 64–67)

3456 – Perry Rhodan gelangt im Zuge eines gescheiterten Experiments in ein paralleles Universum und muss gegen sein negatives Spiegelbild kämpfen. Nach seiner Rückkehr bricht in der Galaxis die PAD-Seuche aus. (HC 68–69)

3457/58 – Perry Rhodans Gehirn wird in die Galaxis Naupaum verschlagen. Auf der Suche nach der heimatlichen Galaxis gewinnt er neue Freunde. Schließlich gelingt ihm mit Hilfe der PTG-Anlagen auf dem Planeten Payntec die Rückkehr. (HC 70–73)

3458/60 – Die technisch überlegenen Laren treten auf den Plan und ernennen Perry Rhodan gegen seinen Willen zum Ersten Hetran der Milchstraße. Rhodan organisiert den Widerstand, muss aber schließlich Erde und Mond durch einen Sonnentransmitter schicken, um sie in Sicherheit zu bringen. Doch sie rematerialisieren nicht am vorgesehenen Ort, sondern weit entfernt von der Milchstraße im »Mahlstrom der Sterne«. Den Terranern gelingt es nur unter großen Schwierigkeiten, sich in dieser fremden Region des Universums zu behaupten. (HC 74–80)

3540 – Auf der Erde greift die Aphilie um sich, die Unfähigkeit des Menschen, Gefühle zu empfinden. Perry Rhodan, die Mutanten und andere gesund Gebliebene beginnen an Bord der SOL eine Reise ins Ungewisse – sie suchen den Weg zurück in die Milchstraße. (HC 81)

3578 – In Balayndagar wird die SOL von den Keloskern festgehalten, einem Volk des Konzils der Sieben. Um der Vernichtung der Kleingalaxis zu entgehen, bleibt der SOL nur der Sturz in ein gewaltiges Black Hole. (HC 82–84)

3580 – Die Laren herrschen in der Milchstraße, die freien Menschen haben sich in die Dunkelwolke Provcon-Faust zurückgezogen. Neue Hoffnung keimt auf, als der Verkünder des Sonnenboten die Freiheit verspricht. Lordadmiral Atlan sucht die Unterstützung alter Freunde, die Galaktische Völkerwürde-Koalition (GAVÖK) wird gegründet. (HC 82, 84, 85)

Auf der Erde im Mahlstrom zeichnet sich eine verhängnisvolle Entwicklung ab. (HC 83)

3581 – Die SOL erreicht die Dimensionsblase der Zgmahkonen und begegnet den Spezialisten der Nacht. Um die Rückkehr zu ermöglichen, dringt ein Stoßtrupp in die Galaxis der Laren vor und holt das Beraghskolth an Bord. (HC 84, 85)

Nur knapp entgeht die SOL der Vernichtung; die Entstehung des Konzils wird geklärt. (HC 86)

Monate nach der SOL-Zelle-2 erreicht Perry Rhodan mit der SOL die Milchstraße und wird mit einer falschen MARCO POLO und dem Wirken eines Doppelgängers konfrontiert. Die Befreiung vom Konzil wird vorangetrieben. (HC 87, 88)

Im Mahlstrom halten der geheimnisvolle Plan der Vollendung und die PILLE die Menschen im Griff. Die Erde stürzt in den »Schlund«. (HC 86)

3582

Prolog

Die Menschheit des zu Ende gehenden 36. Jahrhunderts erlebt die schwerste Krise ihrer ohnehin bewegten Geschichte. Seit die Laren, ein Volk des Konzils der Sieben Galaxien, in der Milchstraße herrschen, existiert das Solare Imperium nicht mehr. Überall sind Menschen gezwungen, sich dem Kampf ums Überleben zu stellen.

In der Milchstraße sind sie über Hunderte von Welten verstreut, von den Laren und ihren Helfern, den Überschweren, verfolgt und unterdrückt. Unter der Führung des Arkoniden Atlan ist währenddessen im Schutz der Dunkelwolke Provcon-Faust das Neue Einsteinsche Imperium der Menschheit herangewachsen. Atlan vermeidet die offene Auseinandersetzung mit dem Konzil, er taktiert und spielt auf Zeitgewinn.

Nun ist Perry Rhodan aus dem Mahlstrom der Sterne in die Milchstraße zurückgekehrt. Während ihrer langen und gefahrvollen Odyssee wurden der Terraner und die Besatzung des Fernraumschiffs SOL mit den führenden Völkern des Konzils konfrontiert. Perry Rhodan konnte das Konzil bereits schwächen, nun will er die Laren unverzüglich aus der Milchstraße vertreiben.

Im Mahlstrom der Sterne

1.

Als Bob Bays aus der Haustür trat, wehte ein eisiger Ostwind, der eine dichte Schneewand vor sich hertrieb. Obwohl es bereits später Morgen war, herrschte nur ein schwaches Dämmerlicht. Bays schnallte sich die Schneegleiter an. In der Stadt Hildenbrandt wurde es nur selten kalt, und ebenso selten fiel Schnee. Wenn es aber so weit war, dann sanken die Temperaturen extrem tief, und der Schnee türmte sich bis über die Dächer der Stadt.

Während Bob Bays über den Schnee glitt, blickte er aufmerksam um sich. Die Sicht reichte nicht weit, weil der Schnee so dicht fiel. Nur mit dem größten Unbehagen erinnerte er sich an den vergangenen Winter, in dem er mehrmals von Schneekriechern angefallen worden war. Diese Tiere tauchten blitzschnell auf und griffen an, ihre Bisse waren fast immer tödlich.

Er lauschte konzentriert. Ein Angriff der Schneekriecher kündigte sich stets durch ein seltsames Knistern an, das entstand, sobald sie sich durch die Schneedecke bohrten.

Bays atmete auf, als er den Rand der Kernstadt erreichte. Hier standen die Häuser dichter beieinander und waren nicht mehr durch Waldzonen voneinander getrennt. Für einige Sekunden riss der weiße Vorhang vor ihm auf, und er konnte den Schweren Kreuzer GEMINI sehen, der am Stadtrand gelandet war.

Bob Bays tastete sich weiter voran. Er war seinem Ziel, dem Versorgungszentrum, schon nahe.

Einzelne Rufe wiesen ihm den Weg. Das glaubte er jedenfalls, bis er vor einem brennenden Gleiter stand. Bays bemerkte einige Gestalten auf der anderen Seite des Wracks. Eilig umrundete er das Feuer.

»He, was ist da los?«, brüllte er.

Endlich erkannte er, dass die Unbekannten miteinander kämpften. Ein Mann lag offenbar bewusstlos im Schnee.

»Halt du dich raus!«, schrie eine Frau.

Er packte eine der Gestalten an der Schulter und riss sie zu sich herum. Eine Faust fuhr auf ihn zu und traf ihn am Kinn. Da Bays jedoch instinktiv ausgewichen war, nahm er dem Schlag die volle Wucht. Und er schlug zurück. Der andere ging zu Boden und blieb liegen.

»He, Bob Bays, bist du das?« Eine Frau zog sich die Mütze vom Kopf und trat lächelnd auf ihn zu. »Da muss ich mich wohl bedanken.«

»Was ist hier überhaupt los?«, fragte er, während die beiden ohnmächtigen Männer in einen Gleiter gezerrt wurden. »Was treibt ihr hier, Mary Aixn?«

»Nichts von Bedeutung«, antwortete sie. »Es wird dich kaum interessieren.«

»Ich wüsste trotzdem gern, was hier geschieht. Habt ihr den Gleiter angesteckt?«

»Es war ein Unglücksfall.«

Er spürte, dass sie log. Unsicher ging er auf den Gleiter zu, der die beiden bewusstlosen Männer mittlerweile aufgenommen hatte. Mary Aixn hielt ihn am Arm fest. »Schon gut, Bob. Es ist nichts weiter.«

»Ihr habt euch zwei von den Kerlen aus der GEMINI geschnappt, wie?«, erkundigte er sich.

Mary Aixn krauste die Stirn. Dann lächelte sie und nickte, da sie fühlte, dass er gegen diesen Raub nichts einzuwenden hatte.

»Anders kommt man an keinen heran«, erwiderte sie. »Bull hält seine Männer so kurz, dass sie sich nicht einmal in der Stadt amüsieren dürfen. Mich wundert, dass sie noch nicht meutern.«

Bob Bays überlegte kurz. »Ihr könntet mich mitnehmen«, sagte er dann. »Es ist nicht angenehm, bei diesem Wetter auf Schneegleitern zu gehen.«

»Okay, Bob, steig ein.«

Er schnallte sich die Kunststoffbretter ab, befestigte sie auf dem Dach des Gleiters und ließ sich dann in die Polster sinken. Aufatmend nahm er die Mütze ab und öffnete sich den Mantel. In der Kabine war es angenehm warm. »Verdammtes Wetter«, sagte er. »Damit habe ich überhaupt noch nicht gerechnet.« Er musterte die beiden Frauen, die ihm gegenübersaßen. Die jüngere wachte über die beiden bewusstlosen Männer, die mit dem Gesicht nach unten auf den Polstern lagen.

»Du kannst erst mit zu uns kommen«, sagte Mary Aixn. »Wenn der Schneesturm nachlässt, hast du es nicht mehr weit bis zum Versorgungszentrum. Das ist doch dein Ziel, nicht wahr?«

Er nickte nur.

Mary lachte. »Wir kompromittieren dich nicht, Bob. Keine Angst. Du wirst keine Schwierigkeiten mit deinen Frauen haben.«

»Dann bin ich beruhigt«, sagte er.

Der Gleiter schwebte sanft in einen Unterstand an einem doppelstöckigen Gebäude ein, das vor mehr als vierzig Jahren aus unzerstörbarem Material errichtet worden war. Bob Bays half den beiden Frauen, die Männer aus dem Gleiter zu ziehen und ins Haus zu bringen. Dort legte er sie ab.

»Verdammt, Mary«, sagte er keuchend vor Überraschung. »Das ist doch ... ist ... Reginald Bull.«

»Was?«, fragte sie entsetzt und warf sich förmlich neben Bull auf die Knie. »Tatsächlich«, sagte sie dann. »Das ist doch nicht möglich!«

»Er ist es«, bestätigte die andere Frau. »Das ist Reginald Bull.«

»Teufel auch. Sollte der andere Roi Danton sein?«, fragte Mary.

»Nein, das ist kein bekannter Mann«, antwortete Bob Bays. »Ich kenne ihn nicht.«

»Ich schlage vor, dass wir Bull sofort wieder zu dem brennenden Gleiter bringen«, sagte die Jüngere.

»Unsinn«, entgegnete Mary Aixn. »Dort sind inzwischen Suchkommandos von der GEMINI. Vielleicht ist unsere Polizei auch schon eingetroffen. Und was sollen wir dann sagen?«

»Die Wahrheit. Wir erklären, dass die Einsamkeit und die Sehnsucht nach einem Mann uns verrückt gemacht haben. Wir wollen ...«

»Du willst auf Paragraf 777 plädieren?«, fragte Mary Aixn heftig. »Vielleicht sind wir wirklich durchgedreht, weil wir es satt haben, allein zu sein. Aber noch hat man uns nicht erwischt, und so bald werden sie uns nicht finden.«

»Hoffentlich hält Bob dicht.«

»Bestimmt. Ich kenne ihn. Kann ich mich auf dich verlassen, Bob?«

»Ich denke schon, Mary. Allerdings geht das bestimmt nicht gut, Mary. Man kann Reginald Bull nicht einfach klauen.«

»Er ist ein Mann wie jeder andere auch. Was meinst du, Kats?«

»Er ist nur ein Mann, weiter nichts.«

»Danke«, sagte Bob.

»Wofür?«

»Für das: Er ist nur ein Mann, weiter nichts.«

Mary Aixn lächelte weich. »Nimm's nicht so tragisch, Bob. Du bist immerhin ein ganz besonderer Mann, wenn du auch unglaublich hässlich bist.«

»Wiederum danke.«

Stöhnend schlug Reginald Bull die Augen auf. Er blickte verwirrt von einem zum anderen.

»Wie wollt ihr euch die Männer teilen?«, fragte Bob Bays, als wäre nichts vorgefallen. »Wollt ihr etwa jede einen für euch?«

»Wir werden schon noch Frauen finden«, erwiderte Mary.

»Was zum Teufel ist hier los?«, fragte Bully schnaufend. Er saß auf dem Boden und versuchte, auf die Beine zukommen, aber diese fügten sich seinem Willen noch nicht.

Mary Aixn lächelte freundlich. »Du bist in einem gemütlichen Heim, Bully, und hier wirst du auch bleiben.«

Reginald Bulls Augen weiteten sich. Er wandte sich an Bays. »He, Meister, sind Sie wenigstens genügend bei Verstand, um mir erklären zu können, was ich hier soll?«

»Ich könnte es natürlich kurz und drastisch sagen«, entgegnete Bob Bays grinsend, »aber das ist vielleicht nichts für Ihr empfindliches Gemüt. Sie ...«

»Haben Sie den Verstand verloren?«

»Es ist einfach so, dass Jungfrau Aixn Sie ...«

»Jungfrau«, unterbrach Mary Aixn ihn empört. »Was fällt dir ein? Willst du, dass mir Bully gleich durch die Lappen geht?«

»Hör zu, Mary«, fuhr Bob Bays fort. »Ich bin kein Vermittler, und Reklame mache ich auch nicht für dich. Also, Mr. Reginald Bull. Diese Frau hier ist der Ansicht, dass sie lange genug auf Mutterfreuden verzichten musste. Deshalb hat sie Sie ...«

»Nein, Bob, es war purer Zufall, dass wir Bully und den anderen erwischt haben«, begehrte Mary Aixn auf. »Wir wussten doch gar nicht, wer in dem Gleiter war, als er landete. Wir sahen nur zwei Männer, und da haben wir zugeschlagen, ohne lange zu überlegen.«

»Das schmeichelt mir ungeheuerlich«, sagte Bully seufzend. »Vor allem, dass ich sozusagen nur als Zufallsprodukt ...«

»Unsinn, Zufallsprodukt«, warf Mary Aixn heftig ein. »Wenn ich gewusst hätte, dass du, mein lieber Bully, in dem Gleiter bist, dann wäre ich etwas vorsichtiger vorgegangen.« Ihre Stimme wurde lauter. »Aber ich hätte noch rascher und konsequenter gehandelt. Eine solche Chance lässt sich keine Frau entgehen.«

Reginald Bull lachte jetzt dröhnend. Mary Aixn fuhr auf ihn zu und versetzte ihm zwei schallende Ohrfeigen. Er versuchte, die Schläge abzuwehren, aber die Arme gehorchten ihm nicht voll, da er von einem Paralysatorschuss gestreift worden war.

»Mein liebes Kind«, sagte er, als sie von ihm abließ. »Du glaubst doch wohl nicht im Ernst, dass du mich zwingen kannst, den Rest meines Lebens an deiner Seite zu verbringen?«

»Warum nicht?«, fragte Mary zornig. »Vom Rest deines Lebens kann man wohl nicht reden, nur von dreißig oder vierzig Jahren.«

Sie erhob sich, verließ den Raum und kehrte wenig später mit einem Doppelstahlband zurück. Bevor Bull es verhindern konnte, legte sie es ihm um die Beine. Dann nahm sie ihm das Armfunkgerät ab. Kats hatte sich mittlerweile um den Begleiter Bullys gekümmert. Sie traf nun die gleichen Vorkehrungen wie Mary, um zu verhindern, dass ihr der Mann davonlief.

Bob Bays sah schmunzelnd zu.

»Das gibt ein böses Nachspiel«, kündigte Bully an. »Niemand wird dafür Verständnis haben.«

»Niemand?« Mary lächelte ihm ins Gesicht. »Ganz im Gegenteil. Die Bevölkerung von Ovarons Planet wird sich halb totlachen, sobald bekannt wird, dass du entführt worden bist, Bully.«

»Es schneit nicht mehr«, stellte Bob Bays fest. »Ich werde euch jetzt verlassen, Kinder. Amüsiert euch gut.«

»Sie bleiben hier!«, befahl Reginald Bull schneidend.

Bays rückte seine Nickelbrille zurecht, zupfte sich am rechten Ohrläppchen und setzte sich die Pelzmütze auf. »Meinen Sie wirklich?«, fragte er.

»Sie werden größte Schwierigkeiten bekommen, wenn Sie mir nicht helfen.«

»Warum sollte ich das tun? Befinden Sie sich in akuter Gefahr? Nein. Ist Ihr Leben bedroht? Nein. Stehen Ihnen Unannehmlichkeiten bevor? Nein. Was also stört Sie?«

»Verflucht noch mal. Ich bin es gewohnt, über mich selbst zu bestimmen«, antwortete Bully lautstark. »Was die Weiber hier auf Ovarons Planet mit euch machen, geht mich nichts an. Ich jedenfalls bleibe, was ich bin.«

»Das dürfen Sie nicht sagen«, erklärte Mary Aixn entrüstet. »Bob Bays führt eine mustergültige Ehe, und ein ganzer Kerl ist er obendrein.«

»Er ist verheiratet?«, fragte Bull ungläubig.

»Er hat drei Frauen«, antwortete Mary. »Und er benimmt sich nicht so störrisch wie du.«

»Also dann!« Grinsend lüftete Bob Bays seine Mütze und stapfte in den Schnee hinaus.

Bob Bays stellte seine Schneegleiter in der Vorhalle des Regierungsgebäudes an die Wand und klopfte sich den Schnee aus dem Pelz. Hinter ihm traten drei Männer ein. »Ah, Monsieur Danton«, sagte Bays. »Ich hätte Sie und Ihre Freunde beinahe nicht erkannt.«

Roi Danton deutete eine Verneigung an. »Sagen Sie mir, bitte, wo der Sitzungssaal ist, in dem wir mit der Ministerin sprechen können.«

»Mit welcher Ministerin sind Sie verabredet?«

»Mit Vay Bays. Kennen Sie die Frau?«

»Allerdings. Ich führe Sie.« Bob ging voraus. Er öffnete eine breite Holztür und trat als Erster ein. An einem hufeisenförmigen Tisch saßen sieben Frauen. Vor ihnen lag umfangreiches Aktenmaterial. Vay Bays führte den Vorsitz. Sie blickte kurz auf, als die Männer eintraten.

Die Ministerin ließ mehrere Sekunden verstreichen, dann schloss sie die Konferenz mit einigen belanglosen Worten ab und schickte ihre Mitarbeiterinnen hinaus. Erst als sie allein war, wandte sie sich Danton zu. Sie schien völlig zu übersehen, dass ihr Mann ebenfalls anwesend war.

»Was führt Sie zu mir?«, fragte sie kühl.

»Ein unerfreulicher Zwischenfall.« Danton verzichtete auf alle Schärfe und bemühte sich um Sachlichkeit. »Reginald Bull hat mit einem Offizier heute Morgen die GEMINI verlassen. Er ist in Hildenbrandt gelandet und entführt worden.«

»Reginald Bull?«, fragte Vay Bays erstaunt. »Das ist nicht Ihr Ernst.«

»Es ist aber so.«

Sie schüttelte lächelnd den Kopf. »Um alles in der Welt, ich glaube nicht, dass jemand einen Mann wie Bully einfach so entführen kann.«

»Wir haben seinen Gleiter gefunden. Er ist ausgebrannt. Mehrere Anzeichen deuten auf eine Entführung hin. Bulls letzter Funkspruch brach schlagartig ab. Wo ist er?«

»Ich habe keine Ahnung.« Vay ließ sich in ihrem Sessel nach hinten sinken. »Und ich denke nicht daran, Ihnen bei der Suche zu helfen. Bully kann nur Frauen in die Hände gefallen sein, die einen Ehemann suchen. Forschen Sie nach einem ebenfalls verschwundenen Priester oder Ehevertragsbeamten, und Sie finden Bully.«

»So kommen wir nicht weiter«, sagte Roi Danton wesentlich ernster. »Dieser Vorfall ist alles andere als ein Spaß. Wir können Reginald Bull über die Impulse seines Zellaktivators aufspüren. Allerdings sind meine Männer jetzt schon außer sich vor Zorn und Empörung.«

Vay zuckte mit den Schultern. »... weil Sie ihnen nicht erlauben, sich auf unserer Welt eine oder mehrere Frauen zu nehmen. Sie halten Ihre Besatzung wie Gefangene.«

»Die Schiffe müssen einsatzbereit bleiben. Dafür ist ein Minimum an Disziplin unumgänglich.«

»Was haben Sie und Bull vor?«, forschte Vay, die plötzlich sehr ernst und kühl wirkte. »Es wird gefährlich, wenn Sie nicht endlich Ihre Karten aufdecken.«

»Wollen Sie uns erpressen?«

»Keineswegs, Mr. Danton. Wir verlangen nur mit allem Nachdruck Offenheit und Zusammenarbeit. Wenn Sie dazu nicht bereit sind, können Sie Ovarons Planet verlassen.«

»Sie stellen mir ein Ultimatum?« Roi Danton wich Vay Bays' bohrenden Blicken nicht aus. Sie wusste genau, worauf es ankam, und er hatte längst erkannt, dass er bei ihr auf Granit beißen würde.

»Nun gut«, sagte er einlenkend. »Bully und ich haben den Plan entwickelt, Perry Rhodan oder anderen Terranern, die nach uns suchen, ein kosmisches Zeichen zu setzen. Es soll auf uns aufmerksam machen und unsere Freunde zu uns führen.«

»Was auch immer Sie sich ausgedacht haben, Sie werden unsere Zustimmung nicht erhalten.«

»An Bord der GEMINI befindet sich ein Zusatzgerät, ein Inmestronischer Anregungs-Feldpulsator«, führte Roi Danton ungerührt aus. Er schien Vays Einwand gar nicht gehört zu haben. »Sie wissen, dass sich im Verlauf der Jahrhunderte aus strategischen Notwendigkeiten heraus die Forderung ergeben hat, einige Sonnen in der Milchstraße zu kosmischen Leuchtfeuern aufzuheizen.«

»So etwas haben wir befürchtet«, erklärte Vay.

»Diese Leuchtfeuer arbeiten auf reiner 5-D-Basis und dienen als Orientierungspunkte für Raumschiffe der Solaren Flotte«, fuhr Danton fort. »Selbstverständlich musste darauf verzichtet werden, die betreffenden Sterne aufzublähen oder ihre Leuchtkraft zu erhöhen, da die ausgestrahlten Impulse überlichtschnell sein müssen. Die Signalsterne sind nur dann von Nutzen, wenn die Impulse ohne Zeitverlust über beliebige Entfernungen hinweg geortet und angepeilt werden können. Unser InAF-Gerät erzeugt, beschleunigt und strahlt überlichtschnelle Inmestronen ab. Im abgewandelten Wiezold-Effekt wird ein bestimmter Oberflächenausschnitt einer Sonne derart aufgeheizt, dass im Bereich dieses Sektors eine bis zu tausendfach angereicherte 5-D-Strahlung ausgeschickt wird. Da die Sonnen rotieren, werden mehrere Oberflächenausschnitte in hochgradig verstärkte 5-D-Strahler verwandelt.«

»Warum?«

»Damit im Verlauf der Rotation Buchstaben des altterranischen Morsealphabets abgestrahlt werden. Auf diese Weise lässt sich beispielsweise das Signal SOS ausschicken, ein Signal, das Perry sofort verstehen würde, sonst aber niemand«, erklärte Danton.

Drei Stunden lang hatte Roi Danton in teilweise hitziger Diskussion versucht, die Frauen von der Ungefährlichkeit des SOS-Plans zu überzeugen. Vay Bays hatte mehrere Staatssekretärinnen hinzugezogen, doch ein Ergebnis war nicht erzielt worden.

»Wir treffen uns morgen wieder in diesem Saal«, sagte Vay schroff. »Ich werde Sie rechtzeitig wissen lassen, zu welchem Zeitpunkt.«

Roi Danton verabschiedete sich nicht minder kühl als die Ministerin. Als er den Raum verlassen hatte, lachte Bob Bays auf. Vay blickte ihn überrascht an. »Ich finde die Vorschläge von Roi Danton und Reginald Bull ganz und gar nicht komisch«, stellte sie fest.

»Ich auch nicht«, erwiderte Bob. »Das ist gar keine Frage.«

»Warum lachst du dann?«

»Weil ich weiß, wo Bully ist.«

Ihre Augen weiteten sich. Geradezu entsetzt blickte sie ihren Mann an. »Du weißt es, aber du hast nichts gesagt? Bob, ich begreife dich nicht.«

»Es soll öfter vorkommen, dass Frauen ihre Männer nicht verstehen.«

»Keine dummen Witze, Bob.«

»Entschuldige, du hast Recht.« Er strich sich über seinen fast kahlen Schädel.

»Also, wo ist Bully?«, fragte Vay.

Als Bob es ihr sagte, lehnte sie sich in ihrem Sessel zurück und lachte.

»Das geschieht ihm recht«, entgegnete sie schließlich. »Bob, ich bin dir dankbar, dass du mir nicht gesagt hast, wo Bully ist.«

»Habe ich das nicht?«, forschte er erstaunt.

Sie blickte ihn unschuldig an. »Falls doch, dann haben wir beide es vollkommen vergessen. Und meine Mitarbeiterinnen haben nichts gehört – oder?«

»Du kleines Biest«, sagte Bob. »Wenn Bully das je erfährt, bringt er dich um.«

In dem Moment flog die Tür krachend auf. Reginald Bull stürmte herein. Seine Augen glühten vor Zorn, auf seinen Wangen zeichneten sich Kratzspuren ab, und an einem Fußgelenk baumelte noch eine Stahlfessel.

Bully stürmte auf Vay Bays zu. »Was bildet ihr Weibsbilder euch eigentlich ein?«, brüllte er. »Seid ihr vollkommen übergeschnappt?«

Bob erhob sich und schlich auf Zehenspitzen zur Tür.

»Sie vergreifen sich im Ton, Mr. Bull.« Vay heuchelte die Überraschte. »Was ist überhaupt in Sie gefahren?«

»Ich wurde entführt«, schimpfte er.

Vay schüttelte den Kopf. »Erstens, Mr. Bull, sind Sie unter diesen Umständen bei mir nicht an der richtigen Adresse«, erklärte sie mit leiser Ironie. »Für solche Dinge ist das örtliche Polizeikommissariat zuständig. Ich gebe Ihnen gern den Namen des leitenden Beamten.«

»Mein liebes Kind«, Bully machte Anstalten, nach Vay zu greifen, »glauben Sie nur nicht, dass Sie einen Narren aus mir machen können. Ich bin durchaus nicht Ihr ...«

»Was sind Sie nur für ein Mann?«, fragte sie.

»Wie bitte?« Bully griff sich an den Kopf und stöhnte. »Wie meinen Sie das?«

»Jeder andere Mann auf dieser Welt würde sich glücklich schätzen, entführt zu werden.«

»Sie wissen also, was geschehen ist?« Bullys Augen verengten sich.

»Sagen wir: Ich kann es mir denken. Wenn auf Ovarons Planet ein Mann entführt wird, gibt es dafür nur ein Motiv. Das dürfte bei Ihnen auch der Fall gewesen sein, Mr. Bull. Und dagegen wehren Sie sich? Seltsam.«

»Wenn ich mich amüsieren will, dann bestimme ich, wann und wie das ...« Hinter ihm ertönte ein spitzer Schrei; er wirbelte herum.

Bob Bays hatte mittlerweile die Tür erreicht, doch sein Fluchtversuch war an Bulls Begleiter gescheitert. Der hatte ihn kurzerhand am Kragenaufschlag gepackt.

»Ach nein«, sagte Bully überrascht. »Welch ein interessantes Wiedersehen.«

»Nicht wahr?«, erwiderte Bob mit stockender Stimme. »Ich hätte nicht gedacht, dass Sie schon so bald Ausgang bekommen.«

»Ausgang?«, fragte Bully mit nahezu erstickter Stimme und schlug zu. Bob Bays wich jedoch blitzschnell aus.

»Stopp!«, befahl Vay. Sie kam um ihren Arbeitstisch herum und eilte auf Reginald Bull zu. »Hören Sie sofort auf, oder Ihr Plan SOS-Stern wird nicht einmal diskutiert werden!«

Bully ließ die Fäuste sinken und wandte sich Vay zu. Dabei übersah er jedoch, dass Bob bereits zum Gegenangriff angesetzt hatte. Bays' Faust traf ihn seitlich am Kinn und schickte ihn zu Boden. Benommen richtete er sich wieder auf.

Bob Bays reichte ihm die Hand. »Verzeihung, Sir. Ich konnte nicht ahnen, dass Sie Ihre Deckung derart vernachlässigen würden.«

Bully warf ihm einen wütenden Blick zu. »Sagen Sie das noch einmal!«, wandte er sich an Vay. »Ich habe mich hoffentlich verhört.«

»Sie haben mich schon richtig verstanden«, erwiderte die junge Frau energisch. »Entweder Sie benehmen sich wie ein zivilisierter Mensch, oder Sie finden sich damit ab, dass es ab sofort keine Zusammenarbeit mehr zwischen uns geben wird.«

»So ist das also«, bemerkte Bully verbittert. »Sie finden eine Entführung sowie die Zerstörung eines Gleiters erheiternd. Und meine Reaktion auf solche Unverschämtheiten behagt Ihnen nicht. Sie wussten durch diesen Mann«, er deutete auf Bob, »von dem Überfall, haben aber dennoch nichts unternommen, um mir zu helfen.«

»Ich ging von der fälschlichen Annahme aus, dass Sie Manns genug sind, sich selbst zu helfen«, erwiderte Vay mit einem boshaften Lächeln. »Würden Sie nun so freundlich sein, uns allein zu lassen.«

»Wir sind noch nicht am Ende, Mrs. Bays. Täuschen Sie sich nicht. Roi Danton und ich respektieren die Gesetze. Das gibt Ihnen die Möglichkeit, sich dreist und provozierend zu benehmen. Es könnte jedoch auch zu viel des Guten werden.«

»Wollen Sie mir drohen?«

»Keineswegs. Ich erwarte nur, dass Sie die Gesetze ebenso achten wie wir. Nur dann können wir miteinander auskommen.«

»Und wir erwarten, Mr. Bull, dass Sie endlich Ihren bevölkerungspolitischen Beitrag leisten. Nur dann können wir mit Ihnen auskommen und Sie als Mann respektieren.«

»Ich entscheide immer noch selbst, was ich tue. Lassen Sie mich jetzt zur GEMINI zurückfliegen?«

»Aber gern, Mr. Bull«, entgegnete Vay freundlich. »Ich hoffe, Sie nutzen die Gelegenheit, sich wieder zu beruhigen.«

Als es dunkelte, lag der Schnee so hoch in den Straßen von Hildenbrandt, dass Tunnel in den weißen Berg gegraben werden mussten.

»Die Regierung hat einen Beschluss gefasst«, sagte Vay Bays zu ihrem Mann und seinen weiteren Ehefrauen Chris und Arysha. »Ich wurde beauftragt, die GEMINI zu stürmen und im Handstreich einzunehmen. Die notwendigen Waffen erhalten wir heute Nacht.«

»Waffen?«, fragte Bob besorgt. »Ist das notwendig?«

»Wir müssen uns den Weg ins Schiff vielleicht freikämpfen.«

»Das ist gefährlich.«

»Nicht für uns. Glaubst du im Ernst, dass einer der Männer an Bord der GEMINI auf eine Frau schießen würde?«

Bob Bays schüttelte den Kopf.

Zwei Stunden später saßen sie in einem kleinen Gleiter, der langsam in Richtung der GEMINI flog. Vay deutete nach unten.

»Man kann nichts sehen«, sagte sie. »Die im Schiff können nicht feststellen, dass sich etliche Frauen unter dem Schnee nähern.«

Bob Bays rückte seine Brille zurecht und blickte nach unten. Die Schneedecke verbarg alles, was darunter geschah. Die GEMINI ragte als mächtige Halbkugel aus dem Weiß empor.

Vay stellte eine Funkverbindung her. Das Gesicht eines Offiziers erschien auf dem Holoschirm.

»Ich möchte Mr. Bull und Mr. Danton sprechen«, erklärte Vay knapp. »Sofort!«

Bob wandte sich um. Hinter ihnen flogen zwei weitere Gleiter.

»Na also«, sagte Vay zufrieden. Wenige Meter über der Schneedecke öffnete sich ein großes Schott.

»Landen Sie in Hangar IX«, bat der Offizier.

»Danke.« Vay nickte knapp.

Die drei Gleiter flogen ein. Die erste Maschine landete im Hangar selbst, in dem schon mehrere Offiziere warteten. Die zweite Maschine setzte in der inneren Schleusenöffnung auf, die dritte in der äußeren, und damit blockierten beide die Schleusenschotten.

»Mrs. Bays, was soll denn das?«, rief einer der Offiziere.

Vay stieg lächelnd aus. »Wovon sprechen Sie?«, fragte sie harmlos.

Bob verließ die Maschine auf der anderen Seite und feuerte sofort seinen Paralysator ab. Die Offiziere brachen zusammen, bevor sie zur Waffe greifen konnten.

Mittlerweile hatten die Frauen die anderen Gleiter verlassen. In aller Eile befestigten sie Antigravprojektoren vor der Schleuse, mit denen sie ein aufwärts gepoltes Feld erzeugen konnten, das am Boden begann. Sekunden später brachen unten bereits Hunderte von Frauen aus dem Schnee hervor.

Bob Bays grinste spöttisch, als der Schutzschirm des Schiffs aktiviert wurde. Diese Maßnahme kam zu spät, etwa fünfhundert Frauen befanden sich bereits im Innenbereich.

»Es hat geklappt!«, rief er Vay zu. »Alles in Ordnung.«

Die ersten Frauen betraten die Schleuse. Bob Bays nahm einen schweren Desintegrator von seiner Frau Chris entgegen und lief zum nächsten Schott, das er mit mehreren gezielten Schüssen zerstäubte.

Mit dem Desintegrator in der Armbeuge stürmte er vor den Frauen her tiefer ins Schiff hinein. Ein zweites Schott versperrte den Weg. Der grüne Energiestrahl fraß sich mühelos durch die Wand. Bays schnitt eine große rechteckige Öffnung hinein. Als er weiterstürmte, rissen ihn Paralysestrahlen von den Beinen. Vay feuerte fast gleichzeitig einen Impulsstrahler ab. Der sonnenhelle Energiestrahl zuckte über die Köpfe der Verteidiger hinweg und schlug in die Decke ein. Glutflüssiges Material verspritzte nach allen Seiten.

Die Besatzungsmitglieder zogen sich zurück. Keiner von ihnen schien überhaupt auf den Gedanken zu kommen, mit gleicher Waffe zurückzuschießen.

»Chris, du kümmerst dich um ihn!« Vay zeigte auf ihren paralysierten Ehemann.

Weiter ging es. Über Funk erfuhr Vay Bays, dass den anderen Gruppen ebenfalls der Durchbruch gelungen war. Allerdings waren etwa dreißig Frauen paralysiert worden.

Bevor Vay das nächste Schott mit dem Desintegratorstrahler angreifen konnte, glitt die Absperrung zur Seite. Der Weg bis zum Antigravschacht war frei. In ihrer Nähe leuchtete ein Holoschirm auf. Reginald Bull schaute grimmig auf sie herab.

»Bevor Sie meine Männer umbringen, gebe ich Ihnen den Weg in die Zentrale frei, Vay«, sagte er zornig. »Ihnen scheint nicht klar zu sein, was mir die Gesundheit meiner Besatzung bedeutet. Verzichten Sie also lieber auf Gewaltakte. Ich könnte mich sonst versucht sehen, Sie in einem Alarmstart mit in den Weltraum zu nehmen, und dort, meine Liebe, würde alles sehr viel anders für Sie und Ihre Begleiterinnen aussehen.«

»Mein Kompliment, Mr. Bull«, erwiderte sie. »Sie scheinen doch nicht ganz so störrisch zu sein, wie ich vermutet habe.«

Bully schaltete ab.

Vay Bays schwang sich als Erste in den Antigravschacht und ließ sich nach oben tragen. Nur wenige Frauen folgten ihr noch. Die meisten eilten in verschiedene Richtungen davon und besetzten das Schiff. Dabei stießen sie nicht auf Widerstand.

Roi Danton und Reginald Bull kamen Vay entgegen, als sie die Hauptzentrale der GEMINI betrat.

»Ich weiß nicht, was Sie sich dabei gedacht haben, Mrs. Bays«, sagte Bully ernst. »Vielleicht kommt Ihnen das alles witzig und ungeheuer schlau vor. Das ist es aber nicht. Was Sie geleistet haben, ist unentschuldbar.«

»Ich nehme für mich Notwehr in Anspruch«, erwiderte Vay nicht weniger kühl.

»Notwehr?«, fragte Roi Danton verblüfft. »Niemand bedroht Sie.«

»Sie irren. Wie würden Sie Pläne nennen, deren Ausführung die Existenz der gesamten Bevölkerung dieses Planeten gefährdet?«

»Das ist maßlos übertrieben.« Bully seufzte. »Wir sollten in Ruhe darüber reden. Kommen Sie bitte mit in die Messe.«

Er führte Vay und ihre Begleiterinnen in die Offiziersmesse. Sie nahmen einander gegenüber Platz. Roi Danton und Reginald Bull auf der einen Seite, Vay und zwei ihrer Mitarbeiterinnen auf der anderen Seite.

»Mrs. Bays, ich habe bereits versucht, Ihnen zu erklären, dass ein SOS-Stern keine Gefahr für Ovarons Planet bedeutet. Viele Sonnen senden scheinbar ohne physikalische Ursache fünfdimensionale Impulse aus. Die Ausstrahlung ist häufig regelmäßig und rhythmisch. Wenn bald eine der Sonnen in unserer Nähe SOS signalisiert, dann wird das niemandem im Mahlstrom auffallen. Nur Terraner werden aufmerksam werden.«

»Das mag alles sein«, entgegnete Vay. »Die Regierung lässt Ihnen dennoch mitteilen, dass sie keine Genehmigung für Ihren Plan erteilen wird.«

»Warum nicht?«

»Ich habe es bereits gesagt, Mr. Bull. Die Gefahr ist uns zu groß.«

Bully seufzte verzweifelt. »Das stimmt so nicht, Mrs. Bays. Die Ploohns können nicht auf Ihre Spur gebracht werden.«

»Und was ist, falls sie eines Tags doch über dieser Welt erscheinen?«

»Ich verstehe Ihre Beweggründe allmählich, Mrs. Bays«, sagte Roi Danton. »Gegen den Plan, eine SOS-Sonne zu schaffen, haben Sie im Grunde genommen nichts einzuwenden. Ist das richtig?«

»Allerdings, Mr. Danton.«

»Nun brat mir einer 'nen Storch«, sagte Bully stöhnend.

»Sie sind nur der Meinung, dass unsere Verteidigungsposition für den Notfall zu schwach ist«, fuhr Danton ruhig fort.

»Auch richtig«, stimmte die Frau zu.

»Sie glauben, dass wir zu wenig Raumschiffe haben und uns bei einem eventuellen Überfall nicht wehren können.«

»Genau das ist unser Problem«, erwiderte Vay. »Habe ich das nicht schon immer gesagt?«

»Leider nein«, sagte Roi Danton, »sonst hätten wir uns vielleicht schon eher besser verstanden.«

»Welchen Vorschlag haben Sie uns zu machen?«, fragte Vay und schuf damit eine neue Distanz.

»Wir könnten Raumschiffe beschaffen, wenn Sie uns dabei unterstützen«, antwortete Bully.

Sie beugte sich überrascht vor. »Wie, Mr. Bull?«

»Vor sehr langer Zeit stürzte eine Flotte lemurischer Raumschiffe durch den Transmitter, von dem auch die Erde in den Mahlstrom geschleudert wurde«, erklärte Bully. »Ich kenne die Position dieser Flotte, die noch heute besteht. Etwa 22.000 Raumschiffe treiben durch den Mahlstrom; sie sind unbesetzt, aber nach wie vor funktionstüchtig.«

Vay musterte ihn argwöhnisch. »Woher wissen Sie das?«, fragte sie.

»Ich habe es von Zeus erfahren.«

»Warum haben Sie die Schiffe nicht längst geholt? Wir hätten unsere Verteidigungskraft mit ihnen außerordentlich stärken können.«

»Flottenbewegungen können schnell geortet werden«, erklärte Roi Danton. »Das sollte Ihnen bewusst sein. Wir haben bislang verzichtet, um niemanden auf Ovarons Planet aufmerksam zu machen.«

»Ich unterbreite Ihnen folgenden Vorschlag, Mrs. Bays«, sagte Bully. »Auf Ihrer Welt gibt es viele ausgebildete Raumfahrer. Roi Danton wird mit ihnen eine Expedition zusammenstellen und mit der PHARAO aufbrechen.«

»Sie wollen Raumschiffe auf Ovarons Planet bringen?«

»Das will ich, Mrs. Bays. Wir könnten bei entsprechender Vorbereitung und Planung mehrere hundert Raumer bergen.«

Vay nickte. »Diese Idee hat etwas Faszinierendes. Das muss ich zugeben. Mit einer Raumflotte wären wir wesentlich besser gegen Angriffe aus dem Raum gefeit. Ich werde mit der Regierung darüber sprechen.«

»Okay, dann sind wir uns ja einig«, sagte Bully erleichtert. »Bitte sorgen Sie dafür, dass alle Frauen die GEMINI wieder verlassen.«

2.

Vay Bays rief Bully schon nach wenigen Stunden an und teilte ihm mit, dass die Regierung von Ovarons Planet einverstanden war. »Wir werden Ihnen die persönlichen Daten der geeigneten Frauen und Männer in den nächsten Tagen übergeben«, kündigte sie an. »Sie können dann die Mannschaften für die lemurischen Raumschiffe zusammenstellen.«

»Wie viele Personen werden Sie uns zur Verfügung stellen können?«, fragte Bully.

»Etwa tausendfünfhundert. Genauer: vierundneunzig Männer und eine noch ungewisse Zahl von Frauen.«

Bully runzelte die Stirn. »Wieso kennen Sie die Zahl der Männer, die der Frauen aber nicht?«

»Weil ein Teil der in Frage kommenden Frauen in anderen Umständen ist, Mr. Bull«, antwortete Vay. »Nichts steht uns höher als das werdende Leben. Geben Sie sich also keine Mühe. Nicht eine einzige Schwangere wird an der Expedition teilnehmen, selbst dann nicht, wenn sie in der Lage wäre, ein lemurisches Raumschiff ganz allein zu fliegen.«

»Also gut«, murmelte Bull. »Ich warte auf die Daten.«

Zwei Tage später ließ Vay ihm die Datenspeicher zukommen. Danach stand fest, dass 94 Männer und 1376 Frauen für die Expedition abgestellt werden konnten.

Missmutig blickte Bully auf die junge Frau, die im Wechsel mit zwei anderen die Zentrale überwachte. Weitere Posten waren an den strategisch wichtigen Punkten der GEMINI aufgestellt.

Bully ging zu der Frau hin. »Das war's dann wohl«, sagte er. »Wollen Sie nicht endlich unser Schiff verlassen?«

»Warum?«, fragte sie überrascht. »Ich habe keinen Befehl dazu erhalten.«

Bully blickte sie wütend an und wandte sich ab. Noch nie in seinem Leben hatte er sich so hilflos gefühlt wie in diesen Tagen. Solange er keine Gewalt anwenden wollte, und das wollte er auf keinen Fall, waren ihm die Hände gebunden.

Am nächsten Morgen startete die PHARAO unter dem Kommando von Roi Danton. Reginald Bull setzte sich danach umgehend mit der Ministerin in Verbindung, aber nur Bob Bays erschien in der Projektion. Er blinzelte Bully durch die dicken Gläser seiner Brille an, als könne er ihn nicht erkennen.

»Geben Sie mir Ihre Frau!«, forderte Bully frostig.

»Welche?«, fragte Bays.

»Das wissen Sie doch genau«, fuhr Bully auf.

Bays grinste. »Ich habe immerhin einige Variationsmöglichkeiten«, entgegnete er anzüglich. Sekunden später erschien Vay.

»Die PHARAO ist gestartet«, sagte Bully, obwohl die Ministerin das bereits wissen musste. »Geben Sie Ihren Frauen den Befehl, die GEMINI zu verlassen.«

»Warum denn?«, fragte Vay lächelnd. »Wie ich erfahren habe, gefällt es den Betreffenden recht gut an Bord. Einige haben sich angeblich mit Ihren Männern angefreundet.«

»Mrs. Bays, meine Geduld ist zu Ende.«

»Und meine Frauen bleiben vorläufig noch an Bord.«

»Wie bitte?«, fragte Bully. »Ich denke, ich habe mich verhört.«

»Wir wollen den Erfolg der PHARAO-Expedition abwarten. Sobald die lemurischen Raumschiffe hier sind, ziehen wir unsere Posten ab.«

Bully stand dicht vor einem Wutausbruch und beherrschte sich nur mühsam. Mit einer solchen Entscheidung hatte er nicht gerechnet.

»Ich gebe zu, dass ich nicht damit gerechnet habe, dass Sie wortbrüchig würden«, sagte er schließlich. »Aber gut. Schließlich spielt es keine Rolle, ob die ausgewählte Sonne einige Tage früher oder später die vorgesehenen Signale abstrahlt.«

»Ebendieser Meinung sind wir auch, Mr. Bull«, sagte Vay erleichtert. »Ich freue mich, dass wir uns verstehen.« Sie schaltete ab.

Bully erhob sich, streckte die Arme zur Seite und gähnte herzhaft. Er ging auf das Ausgangsschott zu. Die Frau schaute ihn mit einem triumphierenden Lächeln an. Es erlosch jedoch jäh, als Bully blitzschnell zupackte und ihr die Waffe entwand. Er legte ihr eine Hand auf die Schulter.

»Das konnte ja nicht ewig so weitergehen«, sagte er freundlich. Dann rief er den Ersten Offizier.

»Lizan, die Schleusenschotten dicht! Geben Sie den Sonderbefehl Peilfeuer Mahlstrom aus!«

Bully öffnete das Schott. Auf dem Gang standen zwei bewaffnete Frauen einer Gruppe von sieben Männern gegenüber. Die Frauen wandten ihm den Rücken zu. Offensichtlich erwarteten sie aus seiner Richtung keine Gefahr.

»Legt die Waffen weg!«, sagte er. »Das Spiel ist vorbei.«

Sie fuhren herum.

»Was soll der Unsinn?« Er schüttelte den Kopf. »Wollen Sie wirklich Ihr Leben riskieren?«

»Treten Sie zurück, Mr. Bull!«, verlangte eine von ihnen. Sie sah außergewöhnlich gut aus. »Andernfalls schieße ich.«

»Wenn Sie das tun, wird der Waffenleitoffizier mit den Bordgeschützen auf Hildenbrandt feuern.«

»Sie wollen die Stadt vernichten?«

»So weit würde ich nie gehen. Es genügt, eine Hitzewelle auszulösen. Der Schnee wird schmelzen und bald darauf wieder gefrieren. Hildenbrandt wäre dann unter einer Eisschicht begraben.«

Er machte den letzten Schritt vorwärts und nahm beiden Frauen die Waffen ab.

»Gehen Sie von Bord!«, befahl er. »Die GEMINI startet in wenigen Minuten.«

Eine halbe Stunde später waren alle Vorbereitungen getroffen. Die Frauen aus Hildenbrandt sammelten sich in Hangar acht, um gemeinsam das Schiff zu verlassen.

Reginald Bull suchte die wissenschaftliche Station von Dr. Maud I Haka auf. Die Hyperphysikerin arbeitete mit ihren Assistenten am Inmestronischen Anregungs-Feldpulsator. Sie blickte kaum auf, als Bully eintrat.

»Ich habe gehört, dass es endlich losgeht«, sagte sie.

»Absolut richtig«, antwortete er. »Ist das InAF-Gerät in Ordnung und einsatzbereit?«

»Wir warten nur noch darauf, dass wir anfangen können. Welche Sonne haben Sie ausgesucht?«

»Einen Roten Riesen, 102,57 Lichtjahre von Ovarons Planet entfernt.«

»Ist das nicht ein bisschen weit?« Sie legte ihre Instrumente zur Seite. Dr. Maud I Haka war noch jung, aber das beeinträchtigte ihre weibliche Ausstrahlung keineswegs.

»Das ist weit genug entfernt, aber zugleich doch so nah, dass wir alle Raumschiffe orten können, die sich der Sonne nähern«, antwortete Bully. »Sie erhält den Namen Peilfeuer Mahlstrom.«

Das Schott öffnete sich. »Ist Reginald Bull hier?«, fragte eine markante Stimme.

»Mrs. Bays?« Bully verschluckte sich fast. »Wie kommen Sie an Bord?«

Vay Bays trat ein. Bob folgte ihr auf dem Fuß.

»Sie verlassen sofort das Schiff!«, sagte Bully eisig. »Alle beide. Ich denke nicht daran, mich noch länger aufhalten zu lassen.«

»Das habe ich nicht vor«, erwiderte Vay sanft. »Ich will mich nur überzeugen, dass Sie eine Sonne wählen, die wirklich weit genug entfernt ist. Im Übrigen weiß ich, wann ich verloren habe.«

Reginald Bull überlegte. Er konnte die beiden sofort aus dem Schiff entfernen lassen. Aber damit wären die Spannungen zwischen ihm und der Regierung des Planeten wohl noch größer geworden.

»Falls Sie unbedingt wollen, können Sie an Bord bleiben«, lenkte er ein. »Als meine Gäste. Sollten Sie aber versuchen, den Bordbetrieb zu stören, werde ich Sie sofort in Haft nehmen lassen.«

»Ich will nur beobachten, weiter nichts«, versprach Vay.

»Gut. Sie können sich hier umsehen, wenn Sie wollen. Ich muss in die Hauptzentrale zurück. – Ich kann Ihnen wirklich vertrauen?«

Vay Bays nickte knapp.

Als Bully die Hauptzentrale betrat, meldete Lizan: »Wir sind startbereit, Sir. Die Frauen sind bis auf einen kleinen Rest von Bord.«

»Kleiner Rest?«, fragte Bully erstaunt. »Was soll das heißen?«

»Ungefähr zwanzig von ihnen haben sich auf Deck 3 in einer Waffenkammer verschanzt. Wir können sie nur herausholen, wenn wir Gewalt anwenden.«

Bully schüttelte den Kopf. »Das kommt überhaupt nicht in Frage. Wir starten trotzdem. Lassen Sie sie Frauen scharf überwachen!«

»Das ist bereits veranlasst, Sir.«

Wenig später kam der Startbefehl. Die Hauptaggregate liefen an. Die GEMINI löste sich vom Boden und raste mit hoher Beschleunigung in den Raum.

Reginald Bull stellte eine Interkomverbindung zur wissenschaftlichen Station von Dr. Maud I Haka her. »Geben Sie mir Mrs. Bays!«, verlangte er, als einer der Assistenten im Bild erschien.

Vay hielt sich tatsächlich noch in der Station auf. »Wir haben ein kleines Problem«, sagte Bully. »Sie können es für uns lösen.«

»Worum geht es?«

»Einige Frauen haben sich an Bord verschanzt. Veranlassen Sie die Betreffenden, ihren Widerstand aufzugeben.«

»Natürlich werde ich das tun«, erwiderte Vay sofort.

Bully schaltete erleichtert ab. Dann wandte er sich an den Ersten Offizier. »Ich will, dass das InAF-Gerät mit allen Mitteln geschützt wird.«

»Rechnen Sie mit Sabotage?«

»Möglich ist alles.«

Wegen der besonderen Verhältnisse im Mahlstrom führte Commander Rik Radik die PHARAO in mehreren Überlichtetappen vorsichtig an den Raumsektor heran, in dem Roi Danton die 22.000 lemurischen Raumschiffe wusste.

In der Hauptzentrale befanden sich außer den Dienst tuenden Offizieren zwei Frauen: Arik la Bainx und Firda Heyll. Sie waren von Mayk Terna, der Administratorin von Ovarons Planet, als Führungskräfte für die Bergung der lemurischen Raumschiffe abgestellt worden. Beide waren über neunzig Jahre alt und hatten als Kommandantinnen Raumschiffe befehligt, bevor sie im Rahmen des von Rhodan organisierten Projekts Lady Emotion von der Erde auf Ovarons Planet evakuiert worden waren.

Arik la Bainx war eine kahlköpfige Frau. Sie trug stets eine Offiziersmütze, obwohl es sie nicht sonderlich störte, dass sie ihr Haar verloren hatte. Konzentriert versah sie ihre Aufgaben.

Firda Heyll wirkte gegen sie ungemein fraulich. Von ihr wusste Roi Danton, dass sie über einen sehr hohen Ausbildungsstand verfügte.

Von beiden Frauen waren Schwierigkeiten nicht zu erwarten. Danton hatte schon vor dem Start bemerkt, dass sie den Erfolg der Expedition wollten.

»Letzte Etappe läuft ab«, meldete Attra Rauent, der Zweite Offizier. In wenigen Sekunden mussten die Ortungsreflexe der Raumschiffe auf den Schirmen erscheinen.

Schlagartig wechselte die Wiedergabe.

Roi Danton hatte das Gefühl, eine Schlinge lege sich um seinen Hals.

»Das sind höchstens drei- oder vierhundert, aber nicht mehr«, sagte Firda Heyll. »Wie ist das möglich?«

»Die Energiealgen!«, stieß Radik hervor. »Es müssen die Energiealgen gewesen sein.«

»Das ist die einzige Möglichkeit«, bekräftigte Danton. »Nur die Energiealgen können die anderen Raumer vernichtet haben. Unsere Informationen über die Größe der Flotte waren zuverlässig.«

»Die GEMINI wird ihr Ziel in fünf Stunden erreichen.« Vay Bays blickte sich in der Offiziersmesse um. Sie und ihr Mann konnten den Raum nach Belieben betreten und auch wieder verlassen. Die zwanzig Frauen hingegen waren hier arrestiert, seit sie das Waffenarsenal verlassen hatten.

»In fünf Stunden ist es zu spät«, sagte eine hochgewachsene Frau.

»Seid ihr sicher, dass uns niemand abhört?«, fragte Bob.

»Absolut«, antwortete eine Dunkelhäutige. »Ich habe alles lahm gelegt, was uns gefährlich werden könnte.«

»Hoffentlich wird Bull nicht misstrauisch.«

»Er hat andere Sorgen«, bemerkte Bob.

»Mayk Terna hat mich beauftragt, ihn zu behindern, bis Roi Danton mit genügend Raumschiffen zurückgekehrt ist«, erklärte Vay. »Alle Regierungsmitglieder sind der Meinung, dass wir erst dann das Risiko eingehen können.«

»Die Raumschiffe allein verbessern unsere Sicherheit noch nicht«, sagte Aca Ounice. »Sie brauchen eine Besatzung, und diese muss geschult und ausgebildet werden. Erst danach sind wir wirklich in der Lage, uns zu verteidigen.«

»So lange lässt sich Bull nicht aufhalten«, erwiderte Vay.

»Wenn wir wollen, schaffen wir auch das.«

»Ihr täuscht euch. Bis jetzt konnten wir uns durchsetzen, weil Reginald Bull Rücksicht genommen hat. Deshalb glauben einige von euch, dass es leicht ist, mit ihm fertig zu werden. Aber inzwischen ist ein Punkt erreicht, an dem Bull nicht mehr mit sich reden lässt. Ihn noch einmal herauszufordern wäre einfach töricht.«

»Was schlägst du vor, Vay?«, fragte Aca Ounice.

»Wir müssen Gewalt anwenden.

Nur so kommen wir noch weiter.

Wir müssen das Triebwerk lahm legen. Dann ist Bull gezwungen, die Expedition abzubrechen.«

»Jetzt verstehe ich«, bemerkte Aca Ounice. Sie hielt einen faustgroßen Gegenstand hoch. »Die Mikrobombe habe ich aus dem Waffenarsenal mitgenommen. Ich habe Vay gefragt, ob ich sie zurückgeben soll, aber das wollte sie nicht.«

»Warum auch?«, fragte Vay Bays. »Das soll unsere Überraschung für Bull werden.«

»Bob oder du müssen das machen«, erwiderte Aca Ounice.

Bob Bays rückte seine Brille zurecht, dann streckte er die Hand aus. Aca legte die Bombe hinein.

»Wie geht man damit um?«, fragte Bob.

»Es ist ganz einfach«, erklärte Aca Ounice. »Die grüne Taste macht die Bombe scharf. Dann kann sie über Funk gezündet werden. Die Frequenz stelle ich ein.«

»Weißt du, wie groß die Sprengkraft ist?« Eindringlich fixierte Bob das eiförmige Gebilde.

»Keine Ahnung«, erwiderte Aca. »Aber wir haben nur eine Mikrobombe, vergiss das nicht. Damit kannst du die GEMINI nicht gefährden.«

»Dennoch wäre es nicht schlecht, wenn wir mehr wüssten«, entgegnete er unsicher und ließ die Bombe in seiner Tasche verschwinden. »Schließlich müssen wir vorher dafür sorgen, dass der betroffene Bereich von allen Besatzungsmitgliedern geräumt wird.«

»Dafür sorge ich«, sagte Vay energisch. »Wenn es so weit ist, werde ich Bull informieren.«

»Dann kann's ja losgehen.« Bob verließ die Messe. Die Posten vor der Tür ließen ihn passieren, ohne ihn zu durchsuchen.

»Wir hätten viel früher hierher fliegen sollen«, sagte Attra Rauent, als das Beiboot sich der lemurischen Flotte näherte. »Sehen Sie sich das an. Viele Schiffe sind zerstört.«

»Viele, aber nicht alle«, erwiderte Firda Heyll.

Der Zweite Offizier steuerte den Kleinraumer an einem Schiff vorbei, das kaum mehr als ein Wrack war, und er näherte sich einem anderen, das vollkommen intakt zu sein schien.

»Da steht eine Schleuse offen«, sagte eine der fünf Frauen, die hinter ihm saßen. Rauent manövrierte das Beiboot in den betreffenden Hangar hinein. Er strahlte mehrere Funkbefehle auf verschiedenen Frequenzen ab, bis sich das äußere Schleusenschott schloss und das innere aufglitt.

»Eine atembare Atmosphäre ist noch vorhanden«, stellte er fest. »Wir behalten die Kampfanzüge an. Die Helme müssen noch nicht geschlossen werden.«

Firda Heyll stieg als Erste aus. Sie gab Rauent ein Zeichen, dass alles in Ordnung war.

Erst als alle zu ihr aufgeschlossen hatten, öffnete sie das nächste Schott. Der Gang dahinter führte direkt zur Hauptzentrale.

Minuten später waren sie dort. Mattes Licht hatte sich automatisch eingeschaltet. Rauent aktivierte die Hauptversorgung. Weite Bereiche der Zentrale erwachten daraufhin zu neuem Leben.

Rauent stellte eine Funkverbindung zur PHARAO her. Roi Danton meldete sich.

»Wir sind an Bord eines offensichtlich voll intakten Schiffs«, sagte der Zweite Offizier. »Wir können ...«

»Nein!«, schrie Firda Heyll. »Wir müssen verschwinden. Es sind Energiealgen an Bord!«

Rauent fuhr herum.

Firda Heyll saß am Funk- und Ortungsleitstand. Sie zeigte mit bebenden Fingern auf einen Holoschirm. Etliche leuchtende Gebilde waren zu erkennen, von denen Attra Rauent bisher nur gehört hatte. Es waren parainstabile, kommunal orientierte strukturelle Thermoüberladungsteiler, kurz Energiealgen genannt.

»Zurück zum Beiboot!«, befahl Rauent. »Schnell! Wir räumen das Schiff.«

Gemeinsam hasteten sie zum Ausgang und rannten den Gang zum Hangar entlang. Doch unvermittelt blieb Firda Heyll so abrupt stehen, dass Rauent gegen sie prallte. Fünf Meter voraus senkten sich leuchtende Gebilde aus der Decke auf den Gang herab.

Firda Heyll wirbelte herum, die Gruppe flüchtete in die Hauptzentrale zurück und verließ diese durch einen anderen Ausgang. Attra Rauent bildete den Abschluss. Er sah gerade noch, dass die Energiealgen das Hauptschott der Zentrale scheinbar mühelos durchbrachen. Eiskalt überlief es ihn.

Die Frauen hatten bereits einen Vorsprung von fast zwanzig Metern. Attra Rauent folgte ihnen. »Helme schließen!«, brüllte er, einer instinktiven Eingebung folgend.

Nur eine der Frauen kam dem Befehl nicht nach.

»Ihr Männer verliert zu schnell die Nerven«, sagte sie und legte ihre Hand auf die Kontaktscheibe des Schottes, vor dem sie stand.

»Tun Sie, was ich Ihnen gesagt habe!«, rief Rauent.

Doch es war zu spät. Das Schott glitt zur Seite, und explosionsartig wich die Luft aus dem Gang. Die Frau wurde mitgerissen. Attra Rauent konnte sie nicht mehr festhalten. Sie wirbelte durch einen Riss in der Schiffshülle in den freien Raum hinaus.

Tief unter sich entdeckte der Zweite Offizier der PHARAO mehrere Energiekommunen, die langsam zu ihm aufstiegen.

»Weg hier!«, befahl er über Helmfunk. »Wir versuchen, von außen an das Beiboot heranzukommen.«

Er schaltete das Fluggerät seines Raumanzugs an und schwebte in den freien Raum hinaus. Nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass ihm alle folgten, glitt er an der Schiffswandung entlang. Minuten später erreichte er das Schott, hinter dem das Beiboot stand. Es gelang ihm mühelos, es mit einem Funkbefehl zu öffnen.

Attra Rauent verlor keine Zeit. Nachdem die Frauen an Bord waren, startete er sofort. Seine Eile war berechtigt. Parainstabile Energiekommunen jagten förmlich auf die offene Schleuse zu. Das Beiboot entkam ihnen gerade noch.

»Was geschieht mit Teleha?«, fragte Firda Heyll. »Wollen Sie sie zurücklassen?«

»Wir müssen«, antwortete Rauent. »Später können wir versuchen, sie zu bergen.«

Er nahm erneut Verbindung mit der PHARAO auf und erstattete Bericht.

»Versuchen Sie es beim nächsten Schiff!«, ordnete Roi Danton an. »Drei absolut funktionstüchtige Raumer haben wir bereits.«

»Das ist nicht viel«, stellte Rauent enttäuscht fest.

Mit dem Gefühl größten Unbehagens näherte er sich dem nächsten Raumschiff. Die Energiealgen waren ihm unheimlich, weil es praktisch keine Waffe gegen sie gab.

Bob Bays lächelte freundlich, als ihm der Ingenieur entgegentrat. Umständlich rückte er seine Brille zurecht.

»Was treiben Sie hier?«, fragte der Ingenieur. »Hier haben Sie nichts zu suchen.«

»Warum so unfreundlich? Ich wollte mir nur einmal die Maschinen ansehen, die unsere GEMINI antreiben.«

»Dazu benötigen Sie die Genehmigung der Schiffsführung. Haben Sie die?«

Bob Bays blickte an dem Mann vorbei auf die großen Generatoren. Bis vor wenigen Sekunden hatten sich noch zwei weitere Ingenieure in der Nähe aufgehalten. Sie waren weggegangen.

»Schade«, sagte Bays kopfschüttelnd. »Unter Freunden sollten solche Umstände eigentlich nicht notwendig sein.«

Er wandte sich halb ab, fuhr dann aber herum, und seine Faust schoss auf das Kinn des Ingenieurs zu. Bays traf voll und schleuderte den Mann zurück. Dann schlug er noch einmal zu und traf wiederum voll. Das genügte. Der Ingenieur stürzte zu Boden und blieb bewusstlos liegen.

»Es tut mir Leid, Junge«, sagte Bays mitfühlend. »Aber das musste sein.«

Er eilte auf den nächsten Generator zu, suchte ihn eilig nach einem Versteck ab und fand einen Schraubverschluss für einen Filter. Er öffnete ihn und drückte die aktivierte Bombe hinein. Dann verschloss er das Versteck wieder und eilte hinaus.

Zufrieden mit sich und seinem Erfolg, kehrte er zu den Frauen in die Kantine zurück. »Alles klar«, sagte er stolz. »Die Bombe liegt in einem guten Versteck.«

»Dann wollen wir keine Zeit mehr verlieren.« Vay rief die Hauptzentrale. »Geben Sie mir Reginald Bull!«, forderte sie, als sich ein Offizier meldete.

»Was ist los, Mrs. Vay?«, fragte Bully.

Vay Bays setzte ein triumphierendes Lächeln auf. »Ich habe ganz vergessen, Ihnen zu sagen, dass auf Deck 3 im Generatorsektor V eine Zeitbombe liegt.«

»Eine ... was?«, brüllte Bully.

»Eine Zeitbombe«, wiederholte Vay. »Und bis zur Explosion vergehen nur noch einhundertzwanzig Sekunden.«

»Sind Sie verrückt geworden?«, schrie Bully.

»Ich will Ihnen klar machen, dass ich nicht damit einverstanden bin, dass Sie ein Peilfeuer errichten, bevor Ovarons Planet von genügend Raumschiffen geschützt wird.«

»Sagen Sie schnell, wo die Bombe ist. Wir müssen sie entschärfen.«

»Das ist nicht mehr möglich, Mr. Bull. Die Zeit ist zu kurz. Bitte, geben Sie Alarm für Deck 3, damit es geräumt werden kann. Ich möchte auf keinen Fall Menschenleben gefährden.«

»Keine Menschenleben gefährden? Die GEMINI hat den Linearraum verlassen, wir nähern uns der Zielsonne. Unsere Geschwindigkeit beträgt fast 200.000 Kilometer in der Sekunde. Wenn die Bombe explodiert, rast die GEMINI in die Sonne hinein, und nichts mehr kann uns retten.«

»Geben Sie Alarm!«, forderte Vay unbeeindruckt und fest davon überzeugt, dass Bull bluffte.

Bully wandte sich zur Seite. Der Alarm heulte auf. Vay hörte die Stimme eines Offiziers, der die sofortige Räumung der Sektoren II bis VII auf Deck 3 anordnete.

Bulls Gesicht war schweißnass, als er sich wieder Vay zuwandte. »Sagen Sie mir, wo die Bombe ist!« Sein Gesicht verschwand und machte dem Abbild einer großen roten Sonne Platz.

Vay Bays war nicht im Mindesten beeindruckt. Sie schaltete ab.

»Es ist keine Zeitbombe«, erinnerte Bob.

»Ich weiß, Schatz«, erwiderte Vay. »Aber das muss ich Bully nicht auf die Nase binden. Aca, zünde die Bombe.«

»Und wenn es stimmt, Vay?«, fragte Aca Ounice. »Wenn wir uns wirklich der Sonne nähern?«

»Wir können noch gar nicht am Zielort sein«, antwortete Vay selbstsicher. »Bully hat nur geblufft. Zünden.«

»Du musst es wissen.« Aca Ounice schaltete an ihrem Armfunkgerät.

Im gleichen Moment schien das Schiff zu bersten. Bob Bays und die Frauen wurden emporgeschleudert und wirbelten hilflos durch die Messe. Schlagartig war die künstliche Schwerkraft ausgefallen.

Bob Bays schwebte unter einem Tisch hervor, als die Notbeleuchtung sich einschaltete. Er blutete aus einer Platzwunde an der Stirn.

Er stöhnte. »Die Bombe scheint gar nicht so klein gewesen zu sein, wie wir geglaubt haben.«

Er hangelte sich an den Tischen entlang zu Vay hinüber, die dicht unter der Decke hing. Sie war bewusstlos. Vorsichtig richtete er sich auf und zog sie zu sich herunter. Er blickte sich um und stellte fest, dass niemand ernsthaft verletzt war. Er ließ das Tischbein los, an dem er sich festgehalten hatte, und schwebte augenblicklich in die Höhe. Im gleichen Moment setzte die Schwerkraft wieder ein. Bob stürzte zu Boden. Als er sich wieder erhob, flog die Tür auf.

Reginald Bull stürmte herein. Sein Gesicht glühte vor Zorn. Er packte Bob Bays, der ihm am nächsten war, und versetzte ihm zwei schallende Ohrfeigen.

»Ihr Wahnsinnigen!«, brüllte Bully. »Ihr habt keine Ahnung, was ihr angerichtet habt!«

Bevor Bob sich in Sicherheit bringen konnte, ergriff Bully ihn am Kragenaufschlag. Mit der anderen Hand packte er Vay. Mühelos schleppte er beide aus der Messe heraus. Bob wehrte sich, aber das half ihm überhaupt nichts. Vay hatte ebenso wenig Erfolg, als sie aus ihrer Ohnmacht erwachte.

Erst in der Hauptzentrale ließ Bull die beiden los. Er stieß sie bis vor den Panoramaschirm.

»Sehen Sie sich an, in welche Situation Sie uns gebracht haben!«

Verwirrt blickte Vay von einem zum anderen, dann erst wandte sie sich der Bildwiedergabe zu. Sie erschrak sichtlich.

»Sie haben nicht geblufft?«

»Natürlich nicht«, antwortete Reginald Bull grimmig. »Sie haben verlangt, dass wir Ovarons Planet schützen, indem wir Raumschiffe heranschaffen. Und als Dank vernichten Sie das beste Raumschiff, das wir zurzeit haben. Glauben Sie jetzt, dass die GEMINI verloren ist?«

»Sie fliegt direkt in die Sonne.«

»Der Antrieb ist ausgefallen«, erklärte Bully bebend. »Ihre Bombe hat alles zerfetzt. Wir müssen das Schiff aufgeben.«

»Das habe ich nicht gewollt«, sagte Vay stammelnd. Sie presste die Hände vors Gesicht. »Bitte, Mr. Bull, das habe ich nicht beabsichtigt. Ich habe Ihnen nicht geglaubt, deshalb haben wir die Bombe gezündet.«

Bully wurde kreidebleich. Er begriff, dass er einem ungeheuren Bluff zum Opfer gefallen war. »Es war also gar keine Zeitbombe«, stellte er fest.

»Wir haben sie über Funk gezündet.«

»Wir wussten nicht, dass wir wirklich so nahe an der Sonne sind«, fügte Bob Bays leise hinzu.

»Raus!«, brüllte Bully. Im nächsten Moment überlegte er es sich anders.

»Nein«, sagte er scharf. »Sie bleiben hier bei mir. Alle beide.« Zugleich wandte er sich an den Ersten Offizier. »Sorgen Sie dafür, dass alle in die Beiboote gehen! An Bord bleiben nur noch Dr. I Haka, Sie und ich. Und natürlich das saubere Ehepaar Bays.«

»Was haben Sie vor?«, fragte Vay tonlos.

Bully funkelte sie zornig an. »Wir werden den Inmestronischen Anregungs-Feldpulsator einsetzen«, antwortete er. »Zwei Tage etwa bleiben uns noch.«

»Das ist nicht richtig, Sir«, wandte Lizan ein. »In zwei Tagen wird die GEMINI die Sonne erreichen. Dann darf niemand mehr an Bord sein. Uns bleiben höchstens anderthalb Tage.«

»Vielleicht genügt das«, sagte Bully.

»Für das InAF-Gerät benötigen Sie uns nicht«, erklärte Vay trotzig.

»Allerdings nicht. Aber Sie haben die GEMINI zerstört, und Sie werden auch mit ihr untergehen, falls wir es nicht schaffen.«

Attra Rauent konnte es nicht fassen, dass der unvorstellbar große Schatz der 22.000 Raumschiffe zu einem winzigen Rest zusammengeschmolzen war.

Wieder steuerte er das Beiboot in einen fremden Hangar.

»Hoffentlich haben wir dieses Mal mehr Glück«, sagte Firda Heyll.

»Bestimmt«, entgegnete Rauent zuversichtlich. Er war jedoch keineswegs so optimistisch, wie er sich gab. »Einer bleibt an Bord«, bestimmte er. »Das sind Sie, Ailke.«

Mit Firda Heyll und den anderen Frauen verließ er das Beiboot, nachdem die Außenschleuse sich wieder geschlossen hatte. In dem Hangar standen sieben lemurische Beiboote. Nirgendwo waren Zerstörungen zu erkennen. Auch hier hatte sich die Notbeleuchtung selbsttätig eingeschaltet.

»Das sieht günstig aus«, sagte Firda Heyll erfreut. »Die Beiboote können wir gut gebrauchen.«

Sie drangen tiefer in das Schiff vor. Diesmal waren sie ständig darauf gefasst, angegriffen zu werden. Doch nichts geschah.

Auch in der Hauptzentrale war alles ruhig.

Dennoch spürte Attra Rauent ein Gefühl außerordentlichen Unbehagens, als er die wichtigsten Kontrollen aktivierte. Die Bild- und Ortungsschirme erhellten sich. Sofort machten sich die Frauen daran, die einzelnen Sektoren und Decks zu kontrollieren. Niemand redete. Jeder fürchtete wohl unbewusst den Moment, in dem sie die erste Energiekommune entdeckten.

Doch der Aufschrei blieb aus. Nach über einer halben Stunde stand endlich fest, dass das Schiff bislang von den eigentümlichen Energiegebilden verschont worden war.

Attra Rauent nahm Verbindung mit der PHARAO auf. »Hier scheint alles in Ordnung zu sein«, meldete er.

»Prüfen Sie das Schiff durch«, erwiderte Roi Danton. »Wir müssen es schnellstmöglich aus der Nähe der anderen entfernen, damit nicht noch im letzten Moment Energiealgenkommunen überspringen.«

»Ich beeile mich«, versprach Rauent.