Perry Rhodan 642: Die Flotte der Selbstmörder - H.G. Francis - E-Book

Perry Rhodan 642: Die Flotte der Selbstmörder E-Book

H. G. Francis

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Beschreibung

Der Raytscha sucht den Tod - und ein Terraner spielt Schicksal Auf Terra und den anderen Menschheitswelten schreibt man Mitte Februar des Jahres 3458. Das Spiel, das die beiden Geisteswesen ES und sein Gegenpart Anti-ES seit einiger Zeit um die Zukunft und die Bestimmung der Menschheit spielen, geht weiter. Atlans Komplott war erfolgreich! Das von Anti-ES manipulierte Androidengehirn im Körper Rhodans konnte ausgeschaltet werden, und ein nahezu perfekter Roboter soll die Rolle des Großadministrators bis zu dem Augenblick spielen, da Rhodans Gehirn wieder in seinen angestammten Körper zurückkehrt und diesen wieder mit Leben erfüllt. Doch während dies sich im Bereich des Solaren Imperiums abspielt, beginnt für Rhodans Gehirn - unermesslich weit von seinem Körper entfernt und im Körper eines fremden Wesens lebend - eine neue Phase des Wirkens. Heltamosch, durch Rhodans Hilfe zum neuen Raytscha der Galaxis Naupaum geworden, startet die Expedition in die Nachbargalaxis Catron, und Perry Rhodan, der eigentliche Initiator des Planes, der den unerträglich gewordenen Bevölkerungsdruck in Naupaum lindern soll, ist natürlich mit von der Partie. Die fremde Galaxis zeigt sich nicht von der besten Seite, und die ersten Erlebnisse der Teilnehmer des Fluges nach Catron sind bereits schlimm genug. Doch dann geschehen Dinge, die die Expeditionsteilnehmer verzweifeln lassen - und Heltamoschs Flotte wird zur FLOTTE DER SELBSTMÖRDER ...

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Nr. 642

Die Flotte der Selbstmörder

Der Raytscha sucht den Tod – und ein Terraner spielt Schicksal

von H. G. FRANCIS

Auf Terra und den anderen Menschheitswelten schreibt man Mitte Februar des Jahres 3458. Das Spiel, das die beiden Geisteswesen ES und sein Gegenpart Anti-ES seit einiger Zeit um die Zukunft und die Bestimmung der Menschheit spielen, geht weiter.

Atlans Komplott war erfolgreich! Das von Anti-ES manipulierte Androidengehirn im Körper Rhodans konnte ausgeschaltet werden, und ein nahezu perfekter Roboter soll die Rolle des Großadministrators bis zu dem Augenblick spielen, da Rhodans Gehirn wieder in seinen angestammten Körper zurückkehrt und diesen wieder mit Leben erfüllt.

Doch während dies sich im Bereich des Solaren Imperiums abspielt, beginnt für Rhodans Gehirn – unermesslich weit von seinem Körper entfernt und im Körper eines fremden Wesens lebend – eine neue Phase des Wirkens.

Heltamosch, durch Rhodans Hilfe zum neuen Raytscha der Galaxis Naupaum geworden, startet die Expedition in die Nachbargalaxis Catron, und Perry Rhodan, der eigentliche Initiator des Planes, der den unerträglich gewordenen Bevölkerungsdruck in Naupaum lindern soll, ist natürlich mit von der Partie.

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Ein Terraner spielt Schicksal.

Gayt-Coor und Zeno – Perry Rhodans Freunde und Gefährten.

Heltamosch – Der Raytscha sucht den Tod.

Ilanosch – Ein Priester singt das Todeslied.

Schan

1.

Es war die ungewöhnliche Ruhe, die ihn wach werden ließ.

Rhodan fühlte sich keineswegs frisch und ausgeschlafen. Zu kurz war die Ruhepause gewesen. Er blickte auf sein Chronometer und schloss die Augen wieder, doch er schlief nicht ein.

Nachdem er einige Minuten konzentriert gelauscht hatte, erhob er sich, wobei er versuchte, sich selbst zu beruhigen. Er befand sich an Bord des Großraumschiffes ROTAP, mit dem sie vor wenigen Stunden von dem Planeten Plimt geflohen waren. Jetzt bewegte sich das Flaggschiff ziellos vom Nortema-Tain-System weg. Entscheidungen über die nächsten Schritte waren noch nicht gefallen. Heltamosch hatte sich noch nicht entschließen können.

Rhodan stellte sich in die Duschkabine und überließ sich dem Programm, das die Müdigkeit sehr schnell vertrieb.

Er sagte sich, dass die ungewöhnliche Stille im Schiff daher rührte, dass die gesamte Besatzung schlief. Vielleicht hatte man sich auch nur zurückgezogen, um mit den erschütternden Neuigkeiten fertig zu werden.

Er kleidete sich an und wählte ein kräftiges Frühstück, das er rasch verzehrte. Immer wieder horchte er, und je mehr Zeit verstrich, desto mehr sagte er sich, dass alles in Ordnung sei. Aber sein Unbehagen blieb.

Schließlich verließ Rhodan seine Kabine und trat auf den Gang hinaus. Er war leer.

Langsam schritt Rhodan auf einen Antigravlift zu. Dabei kam er an einer offenen Tür vorbei. Unwillkürlich blickte er hinein. Er sah einen Offizier in verkrümmter Haltung auf einem Bett liegen.

Rhodan blieb stehen, zögerte und ging hinein. Er entdeckte einen winzigen Brandfleck an der Schläfe des Mannes. Betroffen beugte er sich über ihn. Der Mann hielt noch den Energiestrahler in der Hand, mit dem er sich getötet hatte.

Rhodan drückte die Ruftaste am Interkom und wartete, doch die Zentrale meldete sich nicht. Er entschloss sich dann, von seiner eigenen Kabine aus zu sprechen. Aber auch von dort aus hatte er nicht mehr Glück. Die Hauptleitzentrale hüllte sich in Schweigen.

Rhodans Unruhe wuchs.

Er wählte die Verbindung zur Kabine von Heltamosch.

Auch der Raytscha gab keine Antwort.

Ein schrecklicher Gedanke stieg in ihm auf. Sollte der Schock über die Erkenntnisse, die sie auf Plimt gewonnen hatten, so groß sein, dass auch Heltamosch Selbstmord verübt hatte? Hatten sich alle Offiziere und Mannschaften der ROTAP umgebracht, während er in seiner Kabine schlief?

Rhodan eilte zum nächsten Antigravschacht. Direkt unter dem Einstieg hatte sich eine Platte in die Röhre geschoben. Es bestand also kein Antigravfeld mehr. Er trat durch die Öffnung und geriet in eine schwerelose Zone. Das überraschte ihn keineswegs, da er wusste, dass die ROTAP antriebslos durch den Raum glitt. Er stieß sich sanft ab und schwebte nach oben, bis er die nächste Querplatte erreichte. Um das nächste Deck erreichen zu können, musste er den Schacht verlassen und über eine Notleiter hinaufsteigen. Danach konnte er in den Lift zurückkehren und zwei weitere Decks im schwerelosen Flug überwinden.

Erregt eilte er über einen matt erleuchteten Gang auf die Kabine zu, in der Gayt-Coor, das Echsenwesen, untergebracht worden war. Die Tür zu dem Raum öffnete sich, kurz bevor Rhodan sie erreichte. Der Petraczer starrte ihn mit seinen großen Facettenaugen an. In seinem runden »Gesicht« war keine Regung zu erkennen. Er trug einen lindgrünen Anzug aus einem weichen Stoff, der sich um seinen Körper spannte und seine mächtigen Muskeln deutlich sichtbar machte.

»Was ist passiert, Toraschtyn?«, fragte er mit heiserer Stimme.

Rhodan berichtete.

»Wo ist Zeno?«, erkundigte er sich.

Der Petraczer ging quer über den Gang und legte seine Hand an eine Kontaktscheibe neben einer Tür. Sekunden später trat der Accalaurie heraus. Er wirkte sehr unruhig. Auch er hatte bemerkt, dass etwas anders war als sonst. Rhodan sagte ihm, was er vorgefunden hatte.

»Wir steigen zur Hauptleitzentrale auf«, erklärte der Terraner. »Ich will wissen, wie es dort aussieht. Von dort aus können wir uns über alle Vorgänge an Bord informieren.«

Die drei Freunde kehrten zum Antigravschacht zurück und stiegen in ihm auf. Die Querschotte, die aus Sicherheitsgründen ausgefahren waren, verhinderten, dass sie rasch vorankamen. Hin und wieder versuchte Rhodan, Heltamosch mit Hilfe seines Armbandfunkgerät zu erreichen, er bekam keine Antwort.

Seine Unruhe wuchs.

Der Aufstieg war mühsam und kräftezehrend. Nur Gayt-Coor schien keine Erholungspausen nötig zu haben.

Den letzten Schachtabschnitt vor der Zentrale konnten sie nicht betreten. Die Leiche eines Raytaners schwebte in ihm. Der Mann hatte sich die Schlagadern geöffnet. Eine Wolke zu winzigen Tröpfchen geronnenen Blutes umgab ihn, so dass er nur durch einen Nebel zu erkennen war.

»Es ist ein Wissenschaftler«, stellte der Petraczer fest. »Ich kannte ihn. Er war einer von Heltamoschs besten Männern.«

Er wollte sich zu ihm begeben, aber Rhodan hielt ihn zurück.

»Wir lassen ihn, wo er ist«, bestimmte er. Er blickte Gayt-Coor und Zeno an und fragte: »Es gibt wohl keinen Zweifel daran, dass er Selbstmord verübt hat?«

»Nein«, entgegnete der Accalaurie. »Er hat sich selbst umgebracht.«

Sie wählten einen Umweg, auf dem sie mühsam bis vor die Hauptleitzentrale gelangten. Zögernd näherten sie sich dem Hauptschott. Sie alle fürchteten, Heltamosch, den neuen Raytscha des Naupaumschen Raytschats, dort ebenfalls tot vorzufinden.

Rhodan spürte die Unsicherheit seiner beiden Freunde. Während er immer noch die Hoffnung hegte, dass vielleicht doch ein anderes, unerwartetes Ereignis für das seltsame Verhalten Heltamoschs verantwortlich sein könnte, schienen sie nunmehr fest davon überzeugt zu sein, dass bereits alles vorbei war.

Er öffnete das Schott. Lautlos glitt es zur Seite und gab den Blick in die Zentrale frei.

»Kein Wunder, dass niemand geantwortet hat«, sagte er.

»Sauerstoffversorgung, Umwälzanlagen, Wasserkreislauf, Energieversorgung, Gesamtschwerefeld, Innenstabilisation – alles in Ordnung«, stellte Gayt-Coor fest.

»Radar, Außenerfassung, Waffensysteme – alles, was über das Schiff hinausgeht, mit Ausnahme des Bildschirms, ist tot. Alles ist abgeschaltet worden«, fügte Zeno hinzu. Er zupfte sich an einem Ohr und schüttelte den Kopf. »Was soll das, Toraschtyn?«

Rhodan wählte die Nummer für Heltamosch. Als er eine Taste drückte, wusste er, dass im gleichen Augenblick ein unüberhörbares Signal durch die Kabinen schrillte, die der Raytscha bewohnte. Wenn dort irgend jemand war, musste er es hören. Doch niemand meldete sich.

»Er ist nicht in seinen Räumen«, sagte Gayt-Coor.

»Sieh nach«, bat Rhodan. »Du bist am schnellsten von uns. Komm anschließend wieder hierher.«

»Ich bin schon unterwegs«, erwiderte der Petraczer und rannte los. Er würde nur wenige Minuten brauchen, während Rhodan oder Zeno erheblich länger unterwegs gewesen wären. Der Terraner verzichtete bewusst darauf, die Antigravitatoren der Liftschächte wieder einzuschalten, da er nicht wusste, wie es darin aussah. Er vermutete, dass sich noch mehr als nur ein Toter darin befand. Zusammen mit dem Accalaurie durchsuchte er die Waffenleit- und die Funkzentrale. Auch dort bot sich ihnen das gleiche Bild. Die Offiziere hatten ihre Posten verlassen, nachdem sie alle Geräte ausgeschaltet hatten, die für einen Außenkontakt notwendig waren.

»Wenn das Schiff in diesem Zustand angegriffen wird, ist es verloren«, sagte Zeno. »Selbst wenn alle sofort auf ihren Platz zurückkehren würden, hätten wir keine Chance.«

Rhodan setzte sich in einen Sessel, schaltete die Funkgeräte ein und wendete sich an die anderen Raumschiffe der Flotte. Er erhielt keine Antwort.

Gayt-Coor kehrte zurück. Er hob die Hand und machte eine verneinende Geste.

»Wie erwartet«, berichtete er. »Die Räume sind leer. Weder Heltamosch, noch seine Offiziere sind da.«

»Sollten sie das Schiff verlassen haben?«, fragte Zeno.

Rhodan drückte eine Taste. Einige Lichter leuchteten auf.

»Womit, Zeno? Alle Beiboote sind noch da.«

»Sie sind also noch an Bord«, stellte der Petraczer fest. »Aber wo?«

»Das muss sich doch feststellen lassen, wenn sie noch leben«, sagte Rhodan nachdenklich. Er blickte die beiden Freunde an. »Fällt euch nichts ein?«

»Wir müssen das Schiff Abschnitt für Abschnitt durchsuchen«, schlug der Accalaurie vor.

Rhodan schüttelte den Kopf.

»Dann hätten wir einige Wochen zu tun«, entgegnete er. »Bis dahin wäre längst alles zu spät. Nein, wir müssen sie schnell finden.«

»Ich wüsste nicht, wie wir das anstellen sollen«, sagte der Petraczer. Ratlos ließ er sich in den Andrucksessel des Kommandanten sinken. Er legte die Füße auf das Instrumentenpult.

Rhodan ging einige Schritte auf und ab. Suchend sah er sich um, dann blieb er kopfschüttelnd stehen und sagte: »Ganz einfach. Wir hätten schon viel früher darauf kommen können.«

»Worauf?«

»Wir müssen herausfinden, wo im Schiff am meisten Sauerstoff verbraucht wird.«

»Das ist nicht schwer«, erklärte Zeno. Er eilte zu den positronischen Steuer- und Kontrollanlagen der Innenversorgung. Sekunden später erschien eine transparente Gitterzeichnung auf einem Bildschirm vor ihm. Ein großer Bereich im unteren Teil des Schiffes leuchtete grün auf, während die anderen Abschnitte des Raumers Normalwerte anzeigten.

»Da sind sie«, rief der Accalaurie erregt. »Sie haben sich in den Triebwerkshallen versammelt. Und sie leben, denn sie atmen!«

»Kommt. Wir steigen nach unten«, sagte Rhodan.

*

Die Hallen mit den Cenproktontriebwerken waren überfüllt. Offiziere und Mannschaften saßen, wo sie gerade Platz gefunden hatten.

Als Rhodan, Gayt-Coor und Zeno durch die offenen Schotte hereinkamen, hörten sie einen seltsamen, monotonen Gesang, wie sie ihn niemals zuvor vernommen hatten. Die Gesichter der Raytaner schienen zu Stein erstarrt zu sein. Mit untergeschlagenen Beinen hockten die Männer und Frauen auf dem Boden und auf den Maschinen. Alle wandten sich Heltamosch und seinen höchsten Offizieren zu, die in verkrampfter Haltung auf einer schnell errichteten Plattform kauerten. Hinter dem Raytscha stand ein untersetzter Mann, der sich in violette Tücher gehüllt hatte und sein Gesicht hinter dunklen Schleiern verbarg.

»Der Verkünder des Todes«, sagte der Petraczer flüsternd zu Rhodan.

Der Terraner zögerte. Um zu Heltamosch zu kommen, musste er etwa einhundert Meter weit durch die Menge vordringen. Dabei musste er die Zeremonie zwangsläufig stören.

»Was hat das zu bedeuten, Gayt-Coor?«, fragte er leise.

Der Petraczer hatte unwillkürlich Rhodans Arm gepackt, um ihn zurückzuhalten.

»Sie wollen sterben«, erklärte er stockend. »Sie wollen sich alle umbringen, und der Priester bereitet sie darauf vor. Er nimmt ihnen die Angst vor dem Ende.«

»Das ist doch Wahnsinn«, sagte Rhodan.

Er spürte den geradezu suggestiven Einfluss des Singsangs. Eine Lähmung schien seinen Körper allmählich zu erfassen und ihn unempfindlich zu machen.

»Wir müssen etwas unternehmen, Toraschtyn«, sagte Zeno heftig, »sonst ist es zu spät.«

Seine Worte rüttelten Rhodan auf. Er befreite sich von der paralysierenden Wirkung des Todesliedes. Seine Blicke fielen auf Fernsehkameras, die auf Antigravplattformen dicht unter der Decke der Halle schwebten. Sie waren auf Heltamosch, den Priester und die Offiziere gerichtet.

»Sie übertragen das Todesfest zu den anderen Schiffen«, stellte Zeno fest. »Deshalb hat uns niemand geantwortet. Sie konzentrieren sich auf das Ende. Nur das interessiert sie noch. Wir müssen etwas tun, Toraschtyn, oder wir werden diese Galaxis niemals mehr verlassen.«

»Was können wir tun?«, fragte Rhodan.

»Geh hin zu Heltamosch«, empfahl der Accalaurie. »Sprich mit ihm. Auf dich wird er hören.«

»Wenn du die Zeremonie störst, werden sie dich töten«, warnte Gayt-Coor.

»Es ist der einzige Weg, etwas zu erreichen«, erwiderte Rhodan. »Wir müssen es riskieren.«

Er blickte sich um. Niemand schien bisher bemerkt zu haben, dass sie die Halle betreten hatten. Dabei waren sie kaum zu übersehen, da sie, sah man von dem Priester ab, die einzigen Personen waren, die standen.

»Gib mir Deckung«, bat Rhodan und deutete auf den Energiestrahler am Gürtel des Petraczers.

»Du kannst dich auf mich verlassen, Toraschtyn.« Gayt-Coor nahm die Waffe in die Hand und überprüfte sie.

Der Terraner schob sich an zwei Männern vorbei, die auf dem Boden hockten. Ihre Körper gaben widerstandslos nach. Sie schienen überhaupt nicht zu bemerken, dass etwas geschah, was nicht zu der Feier gehörte. Auch die nächsten Männer reagierten nicht. Sie hielten Rhodan nicht auf, und sie gaben auch keinen Laut von sich, als er einigen von ihnen versehentlich auf die Hände trat. Je weiter er kam, desto weniger Rücksicht nahm er. Er wollte schnell vorankommen, da er nicht wusste, wann der Priester das Ende einleitete.

Rhodan war etwa dreißig Meter weit gekommen, als eine Hand nach seinem Fuß griff und ihn festhielt. Er stürzte zwischen zwei Männer, die ihn umklammerten und gegen den Boden pressten. Dabei blickten sie mit starren Gesichtern nach vorn, als hätten sie ihn überhaupt nicht wahrgenommen.

Rhodan warf sich wütend hin und her, bis es ihm gelang, einen Arm freizubekommen. Mit kräftigen Faustschlägen verschaffte er sich Luft. Dabei schreckte er die Raytaner aus ihrer Meditation auf. Unruhe entstand. Gayt-Coor konnte nicht eingreifen, da er zu weit entfernt war.

Rhodan sprang auf und schnellte sich über mehrere Männer hinweg, die auf dem Boden kauerten. Er stürzte abermals, kam jedoch sofort wieder hoch und lief weiter.

Der Priester unterbrach sein Todeslied. Rhodan sah, dass seine Hand unter die Tücher glitt, die seinen Körper verhüllten.

»Wenn der Priester schießt, dann werde ich ihn töten«, rief Gayt-Coor mit mächtiger Stimme. Sie füllte die ganze Halle aus.

Rhodan fuhr durch den Kopf, dass diese Drohung eigentlich niemanden schrecken konnte, da alle ohnehin bereit waren, sich das Leben zu nehmen. Doch er konnte beobachten, dass der Priester seine Hand von der verborgenen Waffe zurückzog.

Heltamosch richtete sich auf.

»Was geschieht?«, fragte er in einem Ton, der deutlich erkennen ließ, wie weit er sich bereits in Todesträume zurückgezogen hatte. Er schien Schwierigkeiten zu haben, in die Wirklichkeit zurückzufinden.

Die Unruhe wuchs.

Mehr und mehr Männer und Frauen erwachten aus ihrer Starre. Der Bann schien bereits gebrochen zu sein.

»Die Strafe der Unendlichkeit wird dich treffen, Toraschtyn«, rief der Priester. »Niemals zuvor in der Geschichte unserer Völker hat es jemand gewagt, das Lied des Todes zu unterbrechen.«

Heltamosch strich sich mit den Händen über das Gesicht. Unwillig musterte er Rhodan.

»Was willst du, Toraschtyn? Warum störst du uns?«

Rhodan drängte sich bis zu dem Raytscha vor, ohne dass ihn jemand aufhielt.

»Ich möchte wissen, was hier geschieht«, sagte er mit harter Stimme.

»Warum fragst du, Toraschtyn? Siehst du es nicht, und hörst du es nicht? Wir haben beschlossen, in den Tod zu gehen. Alle.« Heltamosch erhob sich. Er blickte Rhodan fest in die Augen. »Ich hoffe, du wirst nicht versuchen, uns davon abzuhalten.«

»Warum sollte ich?«, fragte Rhodan. »Es ist eure Sache, euer Leben wegzuwerfen. Nur ich möchte gern noch ein bisschen leben.«

»Du scheinst uns nicht ernst zu nehmen, Toraschtyn«, sagte Heltamosch ruhig.

»Ich gebe zu, dass mir das schwerfällt«, erwiderte Rhodan in der Absicht, den Raytscha zu provozieren. »Ich sehe keinen Grund für ein Massensterben.«

»Das erinnert mich daran, dass du fremd bist in unserer Galaxis. Vielleicht wirst du uns niemals verstehen können.«

»Vielleicht«, gab Rhodan zu. »Dennoch möchte ich dich bitten, Heltamosch, mir zu sagen, warum dies alles geschehen soll.«

»Kannst du es dir nicht denken?«

Rhodan schüttelte den Kopf.

»Nein«, sagte er. »Ich habe lange darüber nachgedacht, aber mir ist nach wie vor rätselhaft, warum ihr euch töten wollt.«

»Dabei ist alles so einfach.« Heltamosch schien ratlos zu sein. Die Haltung des Ceynach-Gehirns war ihm unverständlich. Sie entsprach einer ganz anderen Mentalität.

Niemals hatte Rhodan diesen Mann so verzweifelt und niedergeschlagen gesehen. Der Herrscher hatte bereits mit dem Leben abgeschlossen, und es schien nichts zu geben, was ihn davon abbringen konnte, in den Tod zu gehen.

»Was geschieht in den anderen Raumschiffen?«, fragte Rhodan.

»Das gleiche wie hier«, erwiderte Heltamosch. »Die wichtigsten Wissenschaftler und Offiziere haben sich versammelt. Auch auf den anderen Schiffen erklingt die Stimme des Todes. Niemand wird überleben.«

Er sagte diese Worte in einem so eigenartigen Tonfall, dass Rhodan unwillkürlich fragte: »Wie meinst du das?«

»So, wie ich es gesagt habe. Wenn das Lied des Todes verklingt, wird es kein Leben mehr geben in der Galaxis Naupaum. Auf allen Planeten wird Ruhe einkehren. Der Große Krieg ist zu Ende.«