Perry Rhodan 727: Spezialisten der Nacht - H.G. Francis - E-Book

Perry Rhodan 727: Spezialisten der Nacht E-Book

H. G. Francis

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Beschreibung

Sie sind unangreifbar - denn sie leben zwischen den Dimensionen Rund 120 Jahre nach dem Tage, da Terra und Luna durch den Soltransmitter gingen, gibt es längst keine vereinte Menschheit mehr, und das künftige Schicksal der im Kosmos zersplitterten einzelnen Gruppen ist ungewiss. Das gilt sowohl für die in der Heimatgalaxis zurückgebliebenen Terraner und ihre Nachkommen als auch für die kosmischen Flüchtlinge und deren Nachkommen. Jene Terraner, die zusammen mit dem Heimatplaneten und seinem Trabanten den großen Sprung über eine halbe Unendlichkeit wagten, sind im Mahlstrom der Sterne zwar in Sicherheit vor der Macht des Konzils, aber sie gerieten dafür fast zur Gänze in den Bannkreis der Aphilie, die sie und ihre Kinder in Geschöpfe ohne einen Funken von Nächstenliebe verwandelt hat. Die anderen - abgesehen von den Menschen und Menschenabkömmlingen, die den Laren und ihren Vollzugsorganen, den Überschweren, in die Hände fielen - wurden durch Lordadmiral Atlan und Julian Tifflor gerettet und leben als Angehörige des "Neuen Einsteinschen Imperiums" im Schutz der Dunkelwolke Provcon-Faust. Von dort aus versuchen sie, die galaktischen Völker zu einigen, um den Befreiungskampf desto wirksamer führen zu können. Vom Geschehen in der Milchstraße, das Ende des Jahres 3580 einen dramatischen Höhepunkt erreichte, wenden wir uns nun ab und blenden um zu Perry Rhodan und seinem Raumschiff SOL, das während des Untergangs von Balayndagar durch den Dimensionstunnel in die Dakkarzone gelangte, in eine seltsame Zwischenwelt, die voller Gefahren und Geheimnisse ist. Das größte Geheimnis dieses "Zwischenraums" repräsentieren zweifellos die SPEZIALISTEN DER NACHT ...

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Nr. 727

Spezialisten der Nacht

Sie sind unangreifbar – denn sie leben zwischen den Dimensionen

von H. G. FRANCIS

Rund 120 Jahre nach dem Tage, da Terra und Luna durch den Soltransmitter gingen, gibt es längst keine vereinte Menschheit mehr, und das künftige Schicksal der im Kosmos zersplitterten einzelnen Gruppen ist ungewiss.

Das gilt sowohl für die in der Heimatgalaxis zurückgebliebenen Terraner und ihre Nachkommen als auch für die kosmischen Flüchtlinge und deren Nachkommen.

Jene Terraner, die zusammen mit dem Heimatplaneten und seinem Trabanten den großen Sprung über eine halbe Unendlichkeit wagten, sind im Mahlstrom der Sterne zwar in Sicherheit vor der Macht des Konzils, aber sie gerieten dafür fast zur Gänze in den Bannkreis der Aphilie, die sie und ihre Kinder in Geschöpfe ohne einen Funken von Nächstenliebe verwandelt hat. Die anderen – abgesehen von den Menschen und Menschenabkömmlingen, die den Laren und ihren Vollzugsorganen, den Überschweren, in die Hände fielen – wurden durch Lordadmiral Atlan und Julian Tifflor gerettet und leben als Angehörige des »Neuen Einsteinschen Imperiums« im Schutz der Dunkelwolke Provcon-Faust.

Von dort aus versuchen sie, die galaktischen Völker zu einigen, um den Befreiungskampf desto wirksamer führen zu können.

Vom Geschehen in der Milchstraße, das Ende des Jahres 3580 einen dramatischen Höhepunkt erreichte, wenden wir uns nun ab und blenden um zu Perry Rhodan und seinem Raumschiff SOL, das während des Untergangs von Balayndagar durch den Dimensionstunnel in die Dakkarzone gelangte, in eine seltsame Zwischenwelt, die voller Gefahren und Geheimnisse ist.

Die Hauptpersonen des Romans

Perry Rhodan – Der Terraner hört einen Bericht aus der Vergangenheit.

Galkon Erryog – Retter eines Planeten.

Olw Erryog – Ein Spezialist der Nacht.

Py – Olws Gefährtin.

Bassok – Begründer eines intergalaktischen Imperiums.

Pestnor

DAS ERSTE ERWACHEN

»Er hieß Olweiwk Pewwoogg Skeiyaellya Yaiskapy Galkon Erryog, aber für Sie, Rhodan, klingt das wohl zu fremd und kompliziert. Nennen wir ihn Galkon Erryog, so wie ich ihn immer genannt habe ...«

Vater

Aufmerksam wurde ich durch ein seltsames Geräusch, welches das gesamte Erryog-Gebäude zu durchdringen schien.

Schlaftrunken richtete ich mich auf und blickte mich in meinem Zimmer um. Ich war allein. Py hatte mich verlassen, und das war gut so. Vorläufig brauchte noch niemand zu wissen, welche wundervolle Hormonwirkungen wir gegenseitig bei uns hervorrufen konnten. Bei der Erinnerung an sie wurde mir heiß, und ich vergaß für einen kurzen Moment, weshalb ich aufgewacht war. Ich ließ mich in die Polster zurücksinken. Sofort vernahm ich das eigenartige Geräusch wieder.

Es stieg von tief unten zu mir herauf, und ich konnte es mit nichts vergleichen, was ich je gehört hatte. Erstaunt glitt ich von meinem Lager und ließ mich in das Becken mit dem Wasser gleiten, das sich direkt daneben befand. Als ich untertauchte, wurde alles noch deutlicher. Und plötzlich begriff ich.

Die singenden Schwerter von Grunacku!

Ein Schauer überlief mich bei dem Gedanken an den eiskalten Planeten, und ich schnellte mich aus dem Wasser empor. Ungeduldig verringerte ich mein Schritttempo, als ich die Heißluftschleuse passierte, die mich augenblicklich trocknete.

»Pewwo«, schrie ich, als ich auf den Gang hinaustrat, doch niemand antwortete mir. Ich raste zu den Räumen hinüber, die mein Freund und Bruder bewohnte. Als ich die Tür öffnete, sah ich, dass er nicht da war.

Nun verlor ich keine Zeit mehr damit, die anderen zu suchen. Ich rannte zum Lift und sprang in die Kabine. Mit einem Tastendruck löste ich sie aus der Halterung, und sie stürzte im freien Fall nach unten. Ich programmierte den Stopp ein und fing mich mit federnden Beinen ab, als die Stahlzelle an den seitlichen Führungsschienen aufgefangen wurde. Die Türen schnellten lautlos zurück, und ich raste durch die luxuriös ausgestatteten Gänge auf die Quelle der Geräusche zu. Sie waren hier unten viel lauter und schmerzten in meinen Ohren.

Die vielen Berichte, die ich für Gerüchte gehalten hatte, stimmten also. Mühsam kämpfte ich meine Ungeduld nieder und lief nicht dorthin, wo ich Vater wusste, sondern in die entgegengesetzte Richtung. Die Beine wollten mir den Dienst versagen. Die Schmerzen wurden unerträglich, und schließlich konnte ich kaum noch etwas sehen, weil nichts mehr in mir richtig zu funktionieren schien. Dennoch gelang es mir, irgendwie die Tür zum Medolabor zu öffnen und einen Schrank mit Medikamenten zu erreichen. Für einen kurzen Moment konnte ich mich vollkommen konzentrieren, und mit letzter Kraft injizierte ich mir ein das Nervensystem stabilisierendes Pharmakon. Nur wenig später schon fühlte ich mich besser.

Obwohl das Singen der Schwerter nicht leiser geworden war, erreichte es mich nicht mehr so intensiv wie vorher. Im sicheren Gefühl, es besiegt zu haben, verließ ich das Labor und stürmte nun in die Halle, aus der es ertönte.

In der offenen Tür blieb ich stehen. Eigentlich hätte ich wissen müssen, was hier geschah. Dennoch überraschte mich der Anblick maßlos. Schockiert blickte ich auf die fünf Schwertpriester, die Vater umringten. Sie beachteten mich nicht, weil sie annehmen mochten, dass es mir ebenso ergehen würde wie meinen Brüdern und Schwestern. Sie lagen bewusstlos auf dem Boden. Ihre Körper waren verkrümmt.

Die fünf Priester waren in rote, wallende Tücher gehüllt, in die kleine Schlitze eingelassen waren, durch die sie atmen und sehen konnten. Sie stemmten die Schwerter von Grunacku auf den Boden und ließen sie klingen. Das weißliche Metall blitzte im Licht von Arryad, deren Strahlen durch die Fenster einfielen. Die Schwerter gaben diese seltsamen Töne ab, unter deren Wirkung ich fast zusammengebrochen wäre und Vater zur Bewegungslosigkeit verurteilt war.

Sie hatten ihn an Armen und Beinen gefesselt und ihm die Insignien seiner Macht und Würde geraubt.

Unfähig, ein Wort über meine Lippen zu bringen, blickte ich die Frevler an. Seit Jahren schon bekämpften sie uns mit bösartigen Unterstellungen und Schmähungen. Sie hatten versucht, Vater lächerlich zu machen und ihn zu verteufeln. Damit hatten sie nichts erreicht.

Und jetzt wollten sie ihn töten!

Wie gelähmt beobachtete ich, wie einer der Priester sein singendes Schwert hob, während ein anderer Vater mit der Klinge seiner Waffe den Hals entblößte.

Sie wollten ihn teilen, so wie sie es vor kurzem angekündigt hatten. Niemand von uns hatte ihre Worte ernstgenommen.

»Halt«, schrie ich in höchstem Zorn. Gleichzeitig warf ich mich mit ganzer Kraft auf den Mann, der Vater den Kopf vom Rumpf trennen wollte. Das Grunacku-Metall sauste zischend herab, doch es verfehlte sein Opfer und bohrte sich kreischend in die Bank.

Der Priester stürzte zu Boden, sprang aber sofort wieder hoch. Er überragte mich weit, ebenso wie die anderen es taten. Entschlossen stieg ich auf die Bank und setzte meine Füße neben den Kopf Vaters. Ich sah, dass er zu mir aufblickte. Auf mir ruhte seine ganze Hoffnung.

»Hinaus«, befahl ich.

Die Priester richteten ihre Schwerter auf mich. Das Singen des Metalls wurde lauter. Selbst unter der Einwirkung der Droge empfand ich es als qualvoll, während sie und Vater kaum etwas davon zu spüren schienen. Entweder vermochten sie die geheimnisvollen Klänge genau zu steuern, oder nur wir Spezialisten der Nacht mussten so extrem unter ihnen leiden.

»Geh uns aus dem Weg«, entgegnete einer der Fremden.

»Ich kann euch töten, wenn ich will, und ich werde es tun«, erklärte ich. »Auf keinen Fall werde ich zulassen, dass ihr ihn ermordet.«

»Er muss sterben, Olw«, antwortete der Priester. Er kannte mich! Vielleicht war ihm auch bekannt, dass ich keine leere Drohung ausgesprochen hatte. Ich begann mich etwas sicherer zu fühlen.

»Ich werde verhindern, dass ihm etwas geschieht!« Sie standen alle so, dass ich sie sehen konnte. Zwei von ihnen aber versuchten, in meinen Rücken zu kommen. »Bleibt stehen, oder ich muss euch töten.«

Sie gehorchten.

»Warum wollt ihr ihn ermorden?«

»Das müsstest du wissen. Er ist ein Verderber der Massen. Seine bösartigen Theorien bedeuten für Millionen den Tod. Sie glauben an ihn und wollen ihm folgen, anstatt den sicheren Weg zu anderen Planeten anzutreten.«

»Ihr seid töricht«, erwiderte ich. »Galkon Erryog weiß genau, was er tut. Wenn er sagt, dass Grojocko überleben wird, dann wird Grojocko auch weiterexistieren. Was schert ihr euch um diejenigen, die nicht an ihm zweifeln? Flieht, solange ihr noch könnt, aber lasst uns in Ruhe.«

»Absomman-Pergh ist zu groß und zu mächtig für einen Narren wie Erryog«, behauptete der Priester. »Absomat, der Prophet von Grunacku, hat die Botschaft von Absomman-Pergh selbst erhalten. Er hat seine Worte gehört, und er weiß, dass die Geduld Perghs zu Ende ist. Der Mächtige hat das Volk der Zgmahkonen auf eine letzte Probe gestellt. Er hat verkündet, wenn sich auch nur ein einziger Gerechter auf unserem Planeten finden lasse, würde Grojocko vor dem Untergang bewahrt werden.«

»Du Verrückter«, schrie ich und zeigte auf Vater. »Das sagst du? Siehst du denn nicht, dass hier der eine Gerechte ist? Bist du so verblendet, nicht zu erkennen, dass Vater unsere Welt retten wird?«

»Er?«, fragte der Priester verächtlich. »Ihn kann doch niemand ernst nehmen.«

In diesem Moment geschah es. Ich spürte, dass die Wirkung des Medikaments nachließ, und gleichzeitig griff mich einer der Priester an. Er versuchte, mich mit seinem Schwert zu durchbohren. Geschmeidig sprang ich zur Seite. Die Klinge zuckte an mir vorbei. Die anderen Mörder mochten annehmen, dass dies eine gute Chance für sie war, Vater doch noch zu töten.

Ich machte von meiner Waffe Gebrauch. Meine Arme schleuderten nach vorn, und die an der Haut befestigten Pfeile lösten sich. Zwei von ihnen durchbohrten einen der Angreifer, und das an ihnen haftende Gift tötete ihn sofort.

Die anderen merkten, wie gefährlich es für sie geworden war. Feige zogen sie sich zurück.

»Verschwindet«, befahl ich mit zornbebender Stimme. »Geht sofort, oder ihr werdet alle sterben.«

Als sie nicht augenblicklich gehorchten, sprang ich von der Bank herunter und näherte mich ihnen. Sie fuhren herum. Einer von ihnen bückte sich und nahm das Schwert des Toten auf. Dann flohen sie in den Nebenraum und kletterten durch ein offenes Fenster in den Garten. Ich blickte ihnen nach, bis sie hinter den Bäumen und Büschen verschwunden waren. Dann verschloss ich das Fenster und kehrte zu Vater zurück. Eilig löste ich seine Fesseln.

Er strich mir dankbar mit der Hand über den Arm. Seine Augen leuchteten vor Stolz und Freude. Rasch wandte ich mich ab und kümmerte mich um meine Brüder und Schwestern. Es machte mich verlegen, Vater so zu sehen. Ich hatte doch nichts Ungewöhnliches getan. Jeder andere von meinen Brüdern und Schwestern hätte ebenso gehandelt.

Da die Schwerter schwiegen, kamen alle rasch zu sich. Als sie begriffen, was geschehen war, blickten sie mich voller Entsetzen und Trauer an. Wir wussten alle, dass ich schon bald vor dem Blinden stehen würde.

*

Ich kannte den Blinden!

Es war Oppol Abryok. Aber das war sein Name gewesen, als er noch nicht dieses hohe Amt eingenommen hatte. Für eine kurze Zeit hatte ich mit ihm die gleichen wissenschaftlichen Lehrgänge besucht, und ich war dabei gewesen, als man ihm nach der großen Abschlussprüfung die Augen geöffnet hatte.

Sehr gut erinnerte ich mich an diese Szene, bei der Oppol Abryok voller Stolz im Kreis seiner Lehrer gestanden hatte. Mit weit geöffneten Augen hatte er auf die Messer gewartet, und ich hatte nicht das geringste Zucken der Furcht bei ihm bemerkt, als es geschehen war.

Jetzt saß dieser Mann vor mir. Er konnte mich nicht sehen, weil seine Augenhöhlen leer waren. Er konnte mich lediglich hören, aber an meiner Stimme würde er mich nicht erkennen. Zgmahkonen nehmen hauptsächlich optisch auf, akustische Unterschiede können sie nur schwer feststellen. Daher wusste ich, dass der Blinde mich völlig objektiv beurteilen würde. Er würde selbst seinen eigenen Vater nicht identifizieren können und über ihn ebenso sachlich richten wie über jeden anderen.

An seiner Seite hatte der Zweiköpfige Platz genommen. Ihn fürchtete ich mehr als den Blinden, denn von ihm ging die eigentliche Gefahr aus. Vater befand sich neben mir. Meine Brüder und Schwestern mussten hinter der Schranke bleiben. Sie durften sich nicht äußern. Dem Zweiköpfigen aber stand eine Gruppe von fünf namhaften Wissenschaftlern zur Seite.

Als der Blinde mich aufforderte, den Vorfall zu schildern, berichtete ich von dem Singen der Schwerter von Grunacku. Alle hörten mir schweigend zu, bis ich ausgesprochen hatte.

»Du hast also getötet?«, fragte der Blinde.

»Ich habe den Mann getötet, der meinen Vater ermorden wollte.«

»Du glaubst also, dass deine Tat gerechtfertigt war?«, forschte der Zweiköpfige. Er sollte der eigentlich Gerechte sein, denn er sollte meine Rechte gegen die der Öffentlichkeit abwägen.

»Das glaube ich«, entgegnete ich. »Auf andere Weise hätte ich meinen Vater nicht retten können.«

»Warum sind diese Männer in das Erryog-Gebäude gekommen?«

Ich hatte gewusst, dass der Blinde es so wenden würde.

»Sie glaubten, dass mein Vater mit seinem wissenschaftlichen Werk die Rettung von Millionen von Zgmahkonen verhindert. In ihrer Verblendung meinten sie, es genüge, ihn zu ermorden, um damit seinen großen Plan zu verhindern. Sie meinten, wenn den Massen der Führer fehle, dann würden sie sich zur Flucht zu anderen Planeten entschließen.«

»Ich verstehe«, antwortete der Blinde. Dabei war ich überzeugt, dass er die Wahrheit noch lange nicht sah. »Zu allen Zeiten unserer Geschichte hat es Katastrophen gegeben, mit denen sich auch Männer verbanden, die als Propheten auftraten. Es gibt unter Hunderten kaum eine Handvoll, von denen man sagen könnte, dass sie die Wahrheit vorhergesagt haben.«

»Verzeih, Blinder, es waren mehr als acht.«

»Wir wollen uns nicht auf die Zahl festlegen.«

»Dann darf ich bemerken, dass mein Vater kein Prophet ist, sondern ein Wissenschaftler, der genau weiß, was er tut. Er hat echte Forschungsarbeit geleistet und arbeitet mit exakt nachweisbaren Daten. Er ist kein Prophet in historischem Sinn. Er ist auch kein verantwortungsloser Mann, sondern einer der größten und bedeutendsten Zgmahkonen, die je gelebt haben.«

»Das zu beurteilen, ist Sache dieses Gerichts«, erklärte der Blinde abweisend. »Sage mir jetzt, was will dein Vater eigentlich?«

»Du weißt es nicht?«

»Ich weiß es, aber ich will es erneut hören, und ich will den anwesenden Wissenschaftlern Gelegenheit geben, auf die Thesen von Galkon Erryog zu antworten.«

Ich holte tief Luft.

Jetzt endlich begriff ich. Sie planten, diese Verhandlung zu einer Art wissenschaftlichen Vernichtungsaktion zu machen, die sich nicht allein gegen mich, sondern auch gegen Vater richtete. Konnte der Zweiköpfige beweisen, dass mein Vater ein Wirrkopf war, dann musste der Blinde zu dem Schluss kommen, dass ich kein wirklich wichtiges und unersetzliches Leben gerettet hatte. Unter diesen Umständen wäre dann meine Verteidigungstat nicht gerechtfertigt gewesen, und die winzige Chance, die ich hatte, wäre vertan.

Ich spürte, dass sich mir mein Innerstes verkrampfte. Unwillkürlich blickte ich zu Py hinüber, und ich sah, dass sie jede Hoffnung verloren hatte.

Einen Zgmahkonen zu töten, war nun einmal das schwerste Verbrechen. Es war durch praktisch nichts zu entschuldigen und wurde mit dem Tode bestraft.

Ich war mir darüber klar, dass ich so gut wie verloren war. Aber um mich ging es nicht mehr. Es ging um das phantastische Werk Vaters. Darum musste ich kämpfen.

»Wir alle wissen, dass sich eine riesige Schwarze Sonne, ein Schwarzes Loch, seit Jahrhunderten langsam unserem Arryad-System nähert. Drei der äußeren Planeten werden in den nächsten Tagen von ihm angezogen und verschlungen werden«, begann ich. Alle hörten mir schweigend und konzentriert zu. Der Blinde beugte sich leicht vor, als wolle er mir meine Worte von den Lippen ablesen. Dabei erzählte ich diesen Männern nichts Neues. Diese Tatsachen waren seit Jahrhunderten bekannt. Seit vielen Generationen bereitete sich das Volk der Zgmahkonen auf die Evakuierung von Grojocko vor. Zahllose benachbarte Sonnensysteme waren nach geeigneten Besiedlungsplaneten durchforscht worden. Und jetzt kannte man genügend Welten, auf die man sich retten konnte.

»Die Mehrheit unseres Volkes glaubte fest daran, dass mit dem Sturz in das Schwarze Loch auch die letzte Stunde für Grojocko gekommen ist. Aber das ist ein Irrtum. Für Vater und für uns ist der Sturz zugleich der Beginn einer neuen Zeit.«

»Ich muss dich unterbrechen«, sagte der Blinde.

»Bitte.«

»Wir alle wissen doch, was ein Schwarzes Loch ist, oder nicht?«

»Selbstverständlich«, bemerkte der Zweiköpfige.

»Wissen wir das wirklich?«, fragte Vater provozierend laut. Er hatte das Recht, sich jederzeit in die Verhandlung einzumischen.

»Ich wiederhole: selbstverständlich!«

»Und ich erkläre: Nein!«

»Da Meinungsverschiedenheiten bestehen, müssen sie geklärt werden«, bestimmte der Blinde.

»Ein Schwarzes Loch entsteht durch den Zusammenbruch einer Sonne«, erläuterte Vater. »Eine Sonne produziert Energie, bis sich durch Kernverschmelzung ein bestimmter Teil des Sterns in Eisen verwandelt hat. Von diesem Moment an gibt sie keine Energie mehr ab, sondern verbraucht Energie. Und das ist der Anfang vom Ende. Wenn ein Stern auf diese Weise alle ihm zur Verfügung stehenden leichteren Elemente ausgenutzt hat, besitzt er keine eigene Energiequelle mehr, die ausreichen würde, seinen weiteren Gravitationszusammenbruch zu verhindern. Der Stern stürzt in sich zusammen. Bei manchen Sonnen endet dieser Vorgang, sobald sich alle Protonen in Neutronen umgewandelt haben. Dann haben wir den Neutronenstern. Bei vielen Sonnen aber geht der Zusammenbruch weiter, bis sie buchstäblich verschwinden.«

»Verschwinden?«, fragte der