Perry Rhodan 8: Festung Atlantis (Silberband) - Clark Darlton - E-Book

Perry Rhodan 8: Festung Atlantis (Silberband) E-Book

Clark Darlton

0,0

Beschreibung

Eine geheimnisvolle Macht bedroht die bewohnten Welten der Milchstraße: Immer wieder werden Planeten attackiert, ohne dass sich der Gegner zeigt. Zurück bleiben entvölkerte Städte ohne Leben. Die schreckliche Gefahr sorgt für eine Allianz, die vorher undenkbar schien: Der Robotregent von Arkon, ehemals die größte Gefahr für die Erde, wendet sich an Perry Rhodan und bittet die Menschheit um Unterstützung. Spezialisten des Solaren Imperiums gelingt es, tatsächlich eine Spur des unsichtbaren Gegners zu finden - sie führt in einen anderen Raum und in eine andere Zeit. Der Kampf gegen die gewaltigen Überlappungsfronten einer fremden Dimension beginnt. Atlan, der unsterbliche Arkonide, erinnert sich an die ferne Vergangenheit: Die Erde stand bereits vor zehntausend Jahren dieser Gefahr gegenüber. Zu dieser Zeit existierte noch der Kontinent Atlantis, eine arkonidische Kolonie - Atlantis ging unter, als die Unbekannten aus dem Universum angriffen. Können die Terraner nun verhindern, was den Arkoniden damals nicht gelang?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 631

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Nr. 8

Festung Atlantis

Eine geheimnisvolle Macht bedroht die bewohnten Welten der Milchstraße: Immer wieder werden Planeten attackiert, ohne dass sich der Gegner zeigt. Zurück bleiben entvölkerte Städte ohne Leben. Die schreckliche Gefahr sorgt für eine Allianz, die vorher undenkbar schien: Der Robotregent von Arkon, ehemals die größte Gefahr für die Erde, wendet sich an Perry Rhodan und bittet die Menschheit um Unterstützung.

Spezialisten des Solaren Imperiums gelingt es, tatsächlich eine Spur des unsichtbaren Gegners zu finden – sie führt in einen anderen Raum und in eine andere Zeit. Der Kampf gegen die gewaltigen Überlappungsfronten einer fremden Dimension beginnt.

Einleitung

Zeit ist gemeinhin der Ablauf des Geschehens, den wir als Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft am Entstehen und Vergehen der Dinge erfahren. Das Zeiterlebnis ist von der Zeitordnung als geschichtliche Zeiteinteilung und von der Zeit im physikalischen Sinn (Raum und Zeit) zu unterscheiden. Unserer unmittelbaren Wahrnehmung und Beurteilung sind Zeiteinheiten zugänglich, die von etwas unter einer Sekunde bis zu Jahrzehnten reichen – kein Wunder, dass die Zahl der Science-fiction-Romane, deren Autoren darüber spekulieren, was Zeit über unser subjektives Empfinden hinaus sein könnte, Legion ist. Auch dieses PERRY-RHODAN-Buch befasst sich mit einigen spekulativen Aspekten der Zeit: Die Existenz von Welten mit einem völlig unterschiedlichen Zeitablauf wird als gegeben vorausgesetzt, um eine reizvolle Handlung zu entwickeln. Da niemand mehr die von Albert Einstein nachgewiesene Zeitdilatation bestreiten wird, sollte man sich davor hüten, alle in diesem Buch gemachten Aussagen von vornherein ins Reich der Fabel zu verweisen. Wer sich in dieses Thema vertiefen möchte, findet in modernen Kosmologien, aber auch in vielen philosophischen Werken Hypothesen, die nicht weniger phantastisch anmuten als der Inhalt dieses Buches, in das folgende PERRY-RHODAN-Romane aus den frühen sechziger Jahren aufgenommen wurden (in der Reihenfolge ihres ehemaligen Erscheinens, unberücksichtigt der vorgenommenen Kürzungen und Bearbeitungen): Attacke aus dem Unsichtbaren von Clark Darlton; Rückkehr aus dem Nichts von Kurt Mahr; Festung Atlantis von K. H. Scheer; Die Mikro-Techniker von Clark Darlton; Im Zeit-Gefängnis von Clark Darlton und Ein Hauch Ewigkeit von Clark Darlton.

Mein Dank gilt Christa Schurm, Franz Dolenc und G. M. Schelwokat, die mich bei der Bearbeitung der Originalbände unterstützten.

Vorwort

Die Geschichte des Solaren Imperiums in Stichworten:

1971 – Die Rakete STARDUST erreicht den Mond, und Perry Rhodan entdeckt den gestrandeten Forschungskreuzer der Arkoniden.

1972 – Aufbau der Dritten Macht gegen den Widerstand der irdischen Großmächte und Abwehr außerirdischer Invasionsversuche.

1975 – Die Dritte Macht greift erstmals in das galaktische Geschehen ein. Perry Rhodan stößt auf die Topsider und versucht das »galaktische Rätsel« zu lösen.

1976 – Die STARDUST II entdeckt den Planeten WANDERER, und Perry Rhodan erlangt die relative Unsterblichkeit.

1982/83 – Die Springer kommen, um die Erde als potentielle Konkurrenz im galaktischen Handel auszuschalten.

1984 – Perry Rhodans erster Kontakt mit Arkon und dem regierenden Positronengehirn im Kugelsternhaufen M 13.

Um den Heimatplaneten der Menschheit vor der Vernichtung zu bewahren, die durch die Streitkräfte der Springer und Aras droht, hat Perry Rhodan ein riskantes Täuschungsmanöver eingeleitet. Ein unbewohnter Planet wird anstelle der Erde vernichtet – Rhodan gilt als tot.

2040 – Das Solare Imperium der Menschheit ist entstanden. Atlan, der Einsame der Zeit, taucht auf. 10.000 Jahre lang schlief er in einer Unterwasserkuppel auf dem Grund des Atlantiks. Nach anfänglicher Gegnerschaft wird er zum Verbündeten Perry Rhodans.

1.

Gemessen an den Jahren, die sie bereits gelebt hatten, waren die meisten der im großen Konferenzraum des Regierungsgebäudes von Terrania versammelten Menschen sehr alt. Trotzdem sahen sie jugendlich aus und wirkten entschlossen. Dieser Anachronismus war die Folge der Zelldusche, die die Betroffenen auf dem Planeten Wanderer von ES, jenem geheimnisvollen Geisteswesen, erhalten hatten.

Perry Rhodan, der am Kopfende des Tisches saß und die Lagebesprechung, zu der auch viele Mutanten gekommen waren, leitete, wäre ohne diese Zelldusche ebenfalls ein alter Mann gewesen.

Ein Gefühl des Unbehagens beschlich ihn, als er die anderen beobachtete und an seine eigene relative Unsterblichkeit dachte. Manchmal fragte er sich, ob er nicht eines Tages einen hohen Preis dafür würde bezahlen müssen, dass er Alter und Tod überlistet hatte.

Er gab sich einen Ruck und richtete seine Gedanken auf näherliegende Dinge. Dann stand er auf und wandte sich an die Versammelten.

»Sie wissen, dass wir der Galaxis und besonders dem Robotregenten von Arkon vor sechsundfünfzig Jahren die Vernichtung der Erde vortäuschten, um Zeit zu gewinnen. Heute sind wir mächtig genug, dem ebenfalls erstarkten Regenten unsere Bedingungen zu stellen. Die Wiederentdeckung der Erde erfolgte durch Talamon, den Überschweren. Er erkannte mich, als ich vor einigen Wochen Fellmer Lloyd von Volat abholte. Der Regent wurde sofort davon unterrichtet und sendet seit jener Minute ununterbrochen einen Funkruf an uns. Ich soll mich mit ihm in Verbindung setzen. Die Robotpsychologen glauben, dass sich der Regent in Schwierigkeiten befindet, da er sonst anders reagieren würde. Wir werden also dem Ruf Folge leisten und uns melden. Das wäre die Lage.«

Die anderen wussten natürlich längst, dass Rhodan einen Verband größerer Schiffe in den Herrschaftsbereich des Robotregenten von Arkon schicken wollte. Rhodan hatte oft genug davon gesprochen. Nun warteten alle gespannt darauf, wer an dem geplanten Unternehmen teilnehmen sollte. Rhodan hatte lange darüber nachgedacht, aber da er nicht wusste, was sie an Gefahren erwartete, war die Auswahl der Mitglieder eines Einsatzkommandos im Grunde genommen eine Glückssache.

Rhodan sagte: »Ich gebe nun die endgültige Aufstellung der Teilnehmer bekannt. Als Hauptgruppe fungiert diesmal das Mutantenkorps, vertreten durch den Telepathen John Marshall, den Telekineten Tama Yokida, den Orter und Telepathen Fellmer Lloyd, den Teleporter Ras Tschubai, den Teleoptiker Ralf Marten und Gucky. Außerdem die Offiziere und Mannschaften der DRUSUS. Die DRUSUS ist ein Kugelraumer vom Typ der TITAN, anderthalb Kilometer Durchmesser, eintausendfünfhundert Mann Besatzung, vierzig Kaulquappen mit je sechzig Meter Durchmesser an Bord und einer Hypersprung-Kapazität von dreißigtausend Lichtjahren. Alle anderen Daten sind durch die TITAN bekannt. Die DRUSUS wurde auf der Erde gebaut, ist also kein Beutegut. Ich glaube, damit werden wir den Regenten beeindrucken. Während unserer Abwesenheit führt Reginald Bull die Regierungsgeschäfte.«

»Hm«, machte Bully, gab aber keinen weiteren Kommentar.

»Ich habe dieses Schiff auch für Demonstrationszwecke konstruieren und erbauen lassen«, fuhr Rhodan fort. »Trotzdem ist es bestens ausgerüstet, auch mit den beiden Fiktivmaterietransmittern. Der Start erfolgt bereits morgen Vormittag. An Bord gebe ich die letzten Einzelheiten bekannt. Noch Fragen?«

Ras Tschubai, der stämmige Afrikaner, nickte. »Ist das Robotgehirn auf Arkon davon unterrichtet, dass wir ihm einen Besuch abstatten?«

»Natürlich nicht.« Rhodan lächelte. »Wir werden morgen einen kürzeren Sprung in den Raum durchführen – mit eingeschalteten Strukturkompensatoren selbstverständlich – und dann Verbindung aufnehmen. Der Regent kann den Sendeort dann ruhig anpeilen. Seine Logik wird ihm sagen, dass wir niemals von der Erde aus einen Hyperfunkspruch senden.«

Weitere Fragen wurden nicht gestellt.

»Also morgen«, schloss Rhodan die Besprechung und verließ den Raum. Bully folgte ihm, denn er hatte noch einige Fragen.

Die Mutanten sahen den beiden Männern nach.

2.

In fast allen Sektoren der Milchstraße standen die Strukturtaster der Arkoniden. Sie hatten die Aufgabe, jede Transition von Raumschiffen zu registrieren. So kam es, dass der Regent im Zentrum des Imperiums über jede Transition genau orientiert war und seine Schlüsse ziehen konnte.

Die erste Transition der DRUSUS erfolgte im Schutz der Strukturkompensatoren. Niemand in den Tiefen der Milchstraße erfuhr, dass ein gewaltiges Schiff den normalen Raum verließ und an anderer Stelle wieder in ihn zurückkehrte. Niemand erfuhr somit die Position des Planeten Terra.

Aber jeder wusste Stunden später, dass dieses Schiff existierte und wer der Kommandant war.

Die Sterne erschienen auf den Bildschirmen in der Zentrale DRUSUS.

Oberstleutnant Baldur Sikermann, der 1. Offizier des Kugelraumers, ein untersetzter, dunkler Typ mit bulligem Gesicht, atmete erleichtert auf. Er saß neben Rhodan vor den Kontrollen und bemühte sich, mit keiner Miene zu verraten, dass dieser Flug sein erster ernsthafter Einsatz war.

»Befohlene Position erreicht, Sir. Entfernung von der Erde exakt dreihundert Lichtjahre, neunzig Grad zum Zentrum der Galaxis. Jetzige Geschwindigkeit: 0,98 Licht.«

»Danke, Sikermann. Kurs und Geschwindigkeit werden beibehalten.«

Rhodan nickte dem 1. Offizier aufmunternd zu, erhob sich und verließ mit energischen Schritten die halbrunde Kommandozentrale. Jeder dieser Schritte, so wusste er, brachte ihn der Entscheidung näher – und es würde eine schwere Entscheidung werden.

Vor der Tür zur Funkzentrale wartete jemand auf ihn. Die schlanke Gestalt war ein wenig nach vorn gebeugt und verriet das Alter des Mannes, dessen schneeweiße Haare im Schein der Deckenlampen aufleuchteten. Zwei goldrote Augen in dem durchgeistigten Gesicht verrieten den Albino. Alle reinrassigen Arkoniden waren Albinos, und Crest machte da keine Ausnahme.

»Der Ruf des Regenten ist bisher nicht verstummt, Perry«, sagte Crest und lächelte ein wenig zaghaft. »Wir haben das Robotgehirn lange warten lassen.«

»Es hat viel Zeit, Crest«, gab Rhodan zurück. »Wir müssen so tun, als hätten wir die auch.«

Zusammen mit dem Freund betrat er die geräumige Funkzentrale, in der auch die Hyperanlage ihren Platz hatte. Obwohl es Mittel und Wege gab, das Anpeilen von Hypersendungen unmöglich zu machen, hatte Rhodan es vorgezogen, nicht von der Erde aus Verbindung mit Arkon aufzunehmen. Niemand konnte wissen, welche Erfindungen inzwischen von den Arkoniden gemacht worden waren. Crest jedenfalls hatte geraten, erst im Raum Kontakt mit dem Regenten aufzunehmen.

Leutnant David Stern, ein dunkelhaariger, mittelgroßer Israeli, begrüßte die beiden Männer. »Funkzentrale – alles in Ordnung.«

»Danke, Stern«, sagte Rhodan und zeigte auf die Anlage. »Was macht unser Freund?«

Stern schaltete die Empfänger ein. »Ruft immer noch. Der Text wurde inzwischen unbedeutend geändert und scheint mir persönlicher geworden zu sein. Wollen Sie ihn hören?«

»Es wäre vielleicht angebracht. Schalten Sie auch das Bild hinzu, falls eins gesendet wird.«

Es dauerte Minuten, bis der ovale Schirm aufleuchtete. Es entstand darauf das wohlbekannte Bild des arkonidischen Regenten – eine gewaltige Stahlkuppel, die auf ihrer Schnittfläche ruhte. Bewegliche Antennen und Messinstrumente unterbrachen die glatte Schale.

Ruhig und ohne Gefühlsregung kam die Botschaft des Positronengehirns aus dem Lautsprecher: »Ich weiß, dass du lebst, Perry Rhodan von Terra! Warum erfüllst du nicht meine Bitte und nimmst Kontakt mit mir auf? Ich sichere dir zu, dass wir nicht über das Vergangene reden werden. Nur die Zukunft zählt, Perry Rhodan. Deine und meine Zukunft! Melde dich!«

David Stern nickte. »Den Text sendet das Gehirn alle zwei Minuten. Sicher schon seit Tagen. Soll ich umschalten?«

»Auf Empfang bleiben, Stern. Aber schalten Sie den Sender hinzu.«

Das war der große Augenblick. Crest stand ein wenig abseits und versuchte, seine Erregung zu meistern. Er war Arkonide und hatte einmal zur regierenden Schicht gehört. Nun aber regierte das von den Arkoniden selbst geschaffene Robotgehirn.

Rhodan wartete, bis das Robotgehirn eine Pause machte, dann sagte er mit ruhiger und fester Stimme: »Hier spricht Perry Rhodan, Planet Terra. Ich habe deine Botschaft vernommen, Regent. Wir Terraner sind bereit, den Kontakt mit dir aufzunehmen. Darf ich um Bestätigung bitten.«

Der regelmäßig wiederkehrende Funkspruch blieb aus. Das Stahlgebilde auf dem Bildschirm schien plötzlich in grelles Licht getaucht zu werden, das Bild wurde heller.

»Du stehst weit von Arkon entfernt, Rhodan«, kam die mechanische Stimme des Regenten ohne jede Verwunderung oder Freude. »Ich erwarte dich.«

Rhodan lächelte kalt, als er fragte: »Wo soll der Treffpunkt sein?«

»Ich schlage den dritten Planeten der Sonne Mirsal vor. Dort gibt es eine junge Zivilisation, die meinen Berechnungen zufolge von einer Gefahr bedroht ist. Dorthin werde ich einen Vertreter entsenden.«

»Ich schlage den überschweren Talamon vor, weil ich ihn kenne«, antwortete Rhodan. »Er war es ja auch, der mich zuerst wiederfand.«

Das Robotgehirn schwieg einige Sekunden. Rhodan wusste, dass der gigantische Roboter in dieser Zeitspanne mehr nachdenken oder Berechnungen anstellen konnte, als ein menschliches Hirn in zehn Jahren.

»Gut, ich erkläre mich mit Talamon einverstanden, aber ich stelle eine Bedingung: Jeder darf nur mit einem einzigen Schiff erscheinen – und zwar muss dieses Schiff auf dem Heimatplaneten erbaut worden sein. Meins auf Arkon, deins auf Terra.«

Rhodans Lächeln vertiefte sich. »Einverstanden, Regent. Es werden also nur zwei Schiffe sein, die sich auf Mirsal III begegnen.«

»Ich werde Talamon als meinen Vertreter entsenden und gebe dir die Koordinaten von Mirsal.«

»Wann treffen wir uns mit Talamon?«, fragte Rhodan und warf Crest einen schnellen Blick zu. Crests Gesicht war völlig ausdruckslos.

»In zehn deiner Stunden, Rhodan. Ende der Verbindung.«

Das war sehr abrupt, aber schließlich konnte man von einem Robotgehirn nicht verlangen, dass es sich höflich verabschiedete und nichtssagende Redensarten austauschte.

David Stern schaltete die Anlage auf einen Wink Rhodans hin ab.

Draußen auf dem Gang wandte sich der Terraner an den Arkoniden.

»Nun?«, fragte er.

Crest zuckte kaum merklich mit den Schultern und meinte: »Eins steht fest, Perry: Der Regent sitzt dick in der Tinte, wenn ich die irdische Redensart gebrauchen darf. Glaubst du, er hätte sonst ein Treffen arrangiert?«

»Nein«, gab Rhodan zu. »Das glaube ich allerdings nicht. Was aber kann passiert sein? Im Imperium scheint alles in bester Ordnung zu sein. Keiner unserer kosmischen Agenten berichtete von Schwierigkeiten.«

»Vielleicht sind es Schwierigkeiten«, sagte Crest ruhig, »von denen außer dem Robotgehirn niemand etwas weiß.«

Rhodan sah Crest lange an, dann nickte er und ging dem anderen voran.

Die DRUSUS fiel immer noch mit annähernd Lichtgeschwindigkeit dem Zentrum der Milchstraße entgegen und würde es in etwa dreißigtausend Jahren erreichen.

So lange aber hatte niemand Zeit, auch nicht Perry Rhodan.

Sechsmal glitt die DRUSUS in den Hyperraum, um dann wieder zu materialisieren. Die Sprünge führten in unterschiedliche Richtungen, geschahen stets unter dem Schutz der Strukturkompensatoren und führten zur Überbrückung unvorstellbarer Distanzen.

Lediglich der siebte und letzte Sprung wurde ohne Schutz und Vorsicht ausgeführt. Er brachte die DRUSUS bis in das System der Sonne Mirsal hinein. Wenn jemand diesen Sprung und die nachfolgende Materialisierung beobachtete und ortete, so würde er zu der erstaunlichen Erkenntnis gelangen, dass der Planet Terra irgendwo jenseits des Milchstraßenzentrums zu finden sein müsse.

Ein verzeihlicher Rechenfehler.

Die Sonne Mirsal sah genauso aus wie Sol, die irdische Sonne.

Sie stand 14.480 Lichtjahre von Terra entfernt, etwa zwischen Sol und Arkon. Mirsal wurde von fünf Planeten umkreist. In den Katalogen der Arkoniden stand verzeichnet, dass nur der dritte Planet bewohnt war. Die menschenähnlichen Wesen dort hatten eine gewisse Frühkultur entwickelt, standen aber noch weit von der Raumfahrt entfernt. Gelegentliche Besuche aus dem Raum waren ihnen allerdings bekannt.

Die DRUSUS materialisierte sieben Stunden vor dem mit dem Regenten verabredeten Zeitpunkt. Mit Lichtgeschwindigkeit eilte sie weiter, auf Mirsal III zu. Die Mannschaft war auf Gefechtsstationen geeilt und jeden Augenblick bereit, das Feuer eines möglichen Angreifers zu erwidern.

In der Kommandozentrale hatte Rhodan die Mutanten um sich versammelt. Die Reihenschirme gaben das Bild des Weltraums wieder. Oberstleutnant Sikermann saß reglos vor den Kontrollen.

In der Luft schien es förmlich zu knistern.

»Strukturtaster eingeschaltet«, meldete David Stern aus der Funkzentrale.

Der Raum war leer. Nicht ein einziges Schiff weilte in diesem System – außer der DRUSUS.

»Ob der Regent uns angreifen lässt?«, fragte Fellmer Lloyd im Hintergrund. »Es wäre die beste Gelegenheit für ihn.«

»Nein, Lloyd.« John Marshall schüttelte den Kopf, als Rhodan nicht antwortete. »Warum sollte man uns angreifen? Ich bin davon überzeugt, dass die Robotpsychologen recht behalten. Arkon befindet sich in einer Klemme, aus der wir es befreien sollen.«

Sie sprachen nur wenig, während die Sekunden verrannen, zu Minuten und schließlich zu Stunden wurden.

Endlich, nach insgesamt zehn Stunden des Wartens, erschien der Abgesandte des Robotregenten.

Die Erschütterung des Raum-Zeit-Kontinuums war nur mit den empfindlichen Geräten festzustellen, rein äußerlich blieb alles still und ruhig, als plötzlich keine zwei Lichtsekunden von der DRUSUS entfernt ein gigantischer Körper materialisierte und auf den Bildschirmen sichtbar wurde.

Rhodan stieß ein befriedigtes Lachen aus, als er das andere Schiff erkannte. Es war ein Kugelraumer vom Typ der TITAN – und der DRUSUS. Also hatten die Arkoniden in den vergangenen Jahrzehnten keine Neuerung einführen können. Das ließ einige Rückschlüsse auf ihre Lage zu.

Der Regent wollte Rhodan beeindrucken und schickte ihm ein Schiff, wie sie auf der Erde bereits konstruiert und gebaut wurden. Aber das konnte Arkon natürlich nicht wissen. Nun, sehr lange würde der Regent jedenfalls nicht so unwissend bleiben. Schließlich besaß Talamon Augen ...

»Verzögerung Richtung Mirsal III, Sikermann.«

Die Antigravfelder verhinderten jeden Andruck, und es dauerte kaum eine halbe Stunde, bis die DRUSUS keinen Kilometer von dem bereits gelandeten Riesen von Arkon aufsetzte. Beide Schiffe waren auf einer weiten Hochebene niedergegangen.

Rhodan betrachtete das andere Schiff. Deutlich erkannte er den Namen des arkonidischen Sendboten: ARC-KOOR.

»Stern«, sagte er in den Interkom. »Funkverbindung herstellen und in die Zentrale legen. Direkter Sichtkontakt.«

Gespannt sah er auf den rechteckigen Bildschirm neben den Navigationskontrollen. Das Rillenmikrofon diente gleichzeitig als Lautsprecher für die Interkomleitung.

Der Schirm glühte langsam auf, ein Gesicht entstand. Rhodan erkannte es sofort wieder, wenn es auch bereits 56 Jahre her war, dass er dem überschweren Talamon gegenübergestanden hatte – von jener winzigen Sekunde auf Volat abgesehen, in der Talamon ihn erkannt hatte.

»Perry Rhodan – ich bin froh, dass Sie leben.«

Rhodan nickte und sagte etwas spöttisch: »Und Ihre Freude, Talamon, war so gewaltig, dass Sie sie nicht für sich behalten konnten. Sie hatten nichts Eiligeres zu tun, als den Regenten zu unterrichten.«

»Sie müssen das verstehen«, versuchte Talamon sich zu verteidigen. »Ich war so überrascht und befürchtete Verwicklungen. Im Imperium ist Friede, Rhodan. Ich wusste nicht ...«

»... ob ich den Frieden störe – das wollten Sie doch sagen, nicht wahr? Keine Sorge, Talamon. Niemand ist über den Frieden glücklicher als ich. Wenn es nach mir geht, wird es zwischen Terra und Arkon niemals zu Meinungsverschiedenheiten kommen. Darum bin ich Ihnen dankbar, dass Sie mir die Entscheidung abnahmen und den Regenten unterrichteten, dass ich noch lebe. Nun stehen wir beide uns gegenüber – Sie als Vertreter Arkons, ich als Vertreter des Solaren Imperiums.«

»Was ist das Solare Imperium?«

»Terra und seine Kolonialplaneten«, erwiderte Rhodan ungerührt. »Berichten Sie mir von Arkon, oder ist es besser, wenn wir uns persönlich gegenüberstehen?«

»Die Atmosphäre ist atembar«, sagte Talamon und nickte eifrig. »Wir werden uns mitten zwischen den beiden Schiffen treffen. Ich nehme einige meiner Offiziere als Zeugen mit, außerdem den persönlichen Vertreter des Regenten.«

»Sind Sie nicht der Vertreter?«

»Doch, aber nur der menschliche. Der Regent hat es vorgezogen, auch einen mechanischen Vertreter zu entsenden, damit er über den Verlauf unserer Unterredung direkt unterrichtet wird.«

»Einverstanden. Ich werde ebenfalls einige Leute mitbringen. Aber ich denke schon, wir können uns gegenseitig Vertrauen schenken. Wie geht es Ihnen finanziell, Talamon?«

Das war eine reine Zweckfrage. Talamon hatte Rhodan das größte Geschäft seines Lebens zu verdanken.

»Es geht mir gut, Rhodan. Und wenn Sie es wissen möchten, ich habe noch nicht vergessen, dass ich meinen Wohlstand Ihnen verdanke. Sie werden sich erinnern, dass ich vor sechs Jahrzehnten nicht an der Aktion der Springer und Aras gegen Terra teilnahm.«

»Schon gut.« Rhodan lächelte. »In zehn Minuten werden wir uns persönlich gegenüberstehen.«

Die Verbindung brach ab. Rhodan erließ seine letzten Befehle und winkte den sechs Mutanten und Crest.

»Wir nehmen keinerlei Waffen mit. Die DRUSUS bleibt aber gefechtsklar. Sikermann, Sie übernehmen das Kommando über das Schiff und bleiben mit mir in Funkverbindung. So sind Sie über das Geschehen unterrichtet und können notfalls entsprechend handeln.«

Die Schleuse war bereits geöffnet. Noch während drüben die Luken der ARC-KOOR in die Wandung glitten, schritten Rhodan und die ihn begleitenden Männer bereits die breite Rampe hinab und gingen dem verabredeten Treffpunkt entgegen. Gucky watschelte eifrig hinterher und bemühte sich, den Abstand nicht zu groß werden zu lassen.

Etwa vierhundert Meter von der DRUSUS entfernt gab Rhodan das Zeichen zum Anhalten. Hier etwa war die Mitte der Strecke zwischen beiden Schiffen. Einige Felsblöcke luden zum Sitzen ein. Die gelbliche Sonne stand hoch am Himmel und wärmte wohltuend. Im Westen standen die Silhouetten der Gebirge im blassen Himmel. Nach allen anderen Seiten hin erstreckte sich die Ebene mit Wäldern, Tälern und Steppen. Von Ansiedlungen war nichts zu bemerken.

Am unteren Teil der ARC-KOOR schob sich erst jetzt die Rampe auf den Boden hinab. Eine wuchtige Gestalt erschien oben in der Schleusentür und sah zu den acht Menschen herüber. Der Vollbart wehte im leichten Wind.

Talamon.

Er hob die rechte Hand und winkte. Dann kam er die Rampe heruntergeschritten. Ihm folgten fünf Männer mit normaler Statur. Zwei von ihnen waren Springer, die anderen zweifellos Arkoniden.

Als die Gesandten des Regenten unter dem Kugelraumer standen, geschah etwas sehr Merkwürdiges, das Rhodan sofort alarmierte. Deutlich konnte er sehen, wie sich die Schleusenluke weiter vergrößerte und zu einem riesigen Spalt wurde, durch den man ein Beiboot schieben konnte.

Wollte Talamon Panzer landen?

Aber dann, ehe er Baldur Sikermann einen entsprechenden Befehl zu geben vermochte, erinnerte Rhodan sich der Ankündigung Talamons, der Regent habe auch einen mechanischen Vertreter geschickt.

Aufmerksam beobachtete er die vergrößerte Luke, während Marshall flüsterte: »Talamon hat keine bösen Absichten. Das kleine Positronengehirn verlässt jetzt das Schiff.«

Sie sahen es nun alle.

Auf Antigravfeldern schwebte eine mächtige Halbkugel aus der Schleuse und sank langsam zum Planetenboden herab, um in einem halben Meter Höhe anzuhalten. Rhodan konnte feststellen, dass es sich um ein fast naturgetreues Nachbild des Regenten auf Arkon handelte, wenn auch die Maße kleiner waren. Der Ableger des Regenten besaß einen Durchmesser von knapp dreißig Metern, Antennen auf der Kugelschale, dazu Bildschirme und einen Fiktivschirm, auf dem sich positronische Impulse sichtbar machen ließen.

Auf einem dieser Bildschirme erblickte Rhodan das eigentliche Positronengehirn auf Arkon. Es musste eine direkte Übertragung durch den Hyperraum sein, denn Arkon war Lichtjahrtausende entfernt.

Talamon beeilte sich, mit dem Vertreter des Regenten Schritt zu halten. Fast gleichzeitig mit dem Robotgehirn erreichte er die Felsbrocken, die Rhodan als Treffpunkt ausersehen hatte. Mit ausgestreckten Händen kam der Überschwere Rhodan entgegen.

»Ich freue mich, Sie zu sehen, Rhodan«, dröhnte seine Stimme durch die klare Luft. »Ich freue mich wirklich.«

»Ich müsste lügen, wollte ich das Gegenteil behaupten«, erwiderte Rhodan freundlich. »Der Regent hätte mir keinen besseren Unterhändler senden können.« Er nahm Talamons Hände und erwiderte den sanften Druck. »Sie sind nicht alt geworden in den vergangenen Jahrzehnten.«

Der Überschwere rollte mit den Augen, die unter den buschigen Brauen kaum zu sehen waren. »Wenn man reich ist, kommt man gut mit den Aras zurecht – und die haben allerlei Mittelchen gegen den frühen Tod. Auch das habe ich Ihnen zu verdanken. Aber Sie sehen auch nicht schlecht aus. Wo ist Ihre Lebensquelle?«

Rhodan lächelte hintergründig. »Auf einem unbekannten Planeten, den man die Welt des ewigen Lebens nennt. Ich fand ihn rein zufällig.«

»Nein!«, dröhnte Talamon und wollte sich ausschütten vor Lachen. »Sie binden anderen Leuten immer noch gerne Bären auf.« Er vergaß das heikle Thema und zeigte zur DRUSUS. »Sie wollen doch nicht behaupten, das Schlachtschiff auf Terra gebaut zu haben? Ist es nicht der gleiche Typ wie meine ARC-KOOR?«

»Das schon. Aber es wurde auf der Erde gebaut. Wir haben einige davon. Ich gebe zu, die TITAN war unser Vorbild, aber immerhin erfülle ich die Bedingung, mit einem eigenen Schiff zu kommen.«

»Das gebe ich gern zu.« Talamon schmunzelte. »Darf ich nun Ihre Begleiter begrüßen und Ihnen die meinen vorstellen?«

Es folgte allgemeines Händeschütteln, bis das unbeweglich abseits schwebende Robotgehirn an die Reihe kam. Da war es natürlich aus mit dem Händeschütteln. Lediglich Gucky wollte die Gelegenheit ergreifen, mit dem persönlichen Vertreter des Regenten Kontakt aufzunehmen.

Aber noch ehe er das Wort an die Maschine richten konnte, was sicherlich zu einigen Komplikationen geführt hätte, ergriff der Regent die Initiative.

»Ich begrüße dich, Perry Rhodan«, drang es in kalten und mechanischen Worten aus einem verborgenen Lautsprecher. »Ja, ich selbst bin es, der Regent, der zu dir spricht. Das, was du vor dir siehst, ist nichts als eine Relaisstation. Wir stehen somit in direkter Verbindung, und es ist genauso, als wärest du hier auf Arkon – oder ich dort bei dir.«

»Mein Gruß gilt auch dir, Regent von Arkon«, entgegnete Rhodan und verbarg seine Erregung.

Er sah, dass seine Mutanten sich mit Talamon und dessen Begleitern auf den nahen Felsen gesetzt hatten. Crest stand bei einem anderen Arkoniden und unterhielt sich angeregt mit ihm. Drüben ruhte die gewaltige DRUSUS – abwartend und drohend. Aber ihr gegenüber lag ihr Pendant. Genauso drohend.

»Es hat sich viel ereignet«, klang die Stimme des Regenten erneut auf.

»Ich weiß«, sagte Rhodan.

»Deine Agenten haben viel herausgefunden, Rhodan, aber ich glaube nicht, dass sie alles wissen.«

Die Unterhaltung wurde so laut geführt, dass die Delegationen jedes Wort verstanden. Aufmerksam hörten Marshall und die anderen Mutanten zu, was gesprochen wurde. Auch Talamon interessierte sich für den Verlauf der Verhandlung.

»Was sollte ihnen entgangen sein, Regent? Ich weiß, dass du das Imperium der Arkoniden wieder zu einem Machtfaktor in der Milchstraße gemacht hast. Im Imperium herrschen Ordnung und Friede. Das alles weiß ich, Regent. Ich frage mich nur, was du von mir und Terra weißt.«

»Nicht viel«, gab das Robotgehirn zu. »Eine ganze Zeit lang glaubte man, Terra sei vernichtet worden. Du selbst warst verschollen. Und nun tauchst du plötzlich wieder auf. Damit stehen wir vor neuen Tatsachen, mit denen ich mich abfinden muss.«

»Du wunderst dich nicht, wie es geschah?«

»Warum sollte ich? Du lebst, Rhodan, das allein zählt. Vielleicht hast du mich absichtlich täuschen wollen. Wenn ja, so gelang es dir. Die Vergangenheit ist erledigt, nur die Gegenwart ist wichtig. Und natürlich die Zukunft. Deshalb wollte ich mit dir zusammentreffen.«

Rhodan wusste, dass drüben in der DRUSUS die Robotpsychologen jedes Wort mithörten, das hier gesprochen wurde. Die Auswertungen liefen automatisch, und die Ergebnisse lagen jetzt bereits vor. Er zögerte, überwand dann aber das Verlangen, sie sich durchgeben zu lassen. Auf keinen Fall wollte er den Verdacht des Regenten erregen.

»Du willst also nicht wissen, Regent, wie es mir gelang, dich und die ganze Galaxis zu täuschen?«

»Später vielleicht, aber jetzt gibt es wichtigere Probleme. Wie du weißt, herrschen Ordnung und Friede im Imperium und damit in dem uns bekannten Teil der Milchstraße. Ich kenne kein Verständnis für jene, die den Krieg wollen.«

»Ich stelle eine Gleichheit unserer Gedankengänge fest«, sagte Rhodan lächelnd und sah genau auf den Bildschirm, hinter dem er auch die Kamera vermutete, die sein Bild nach Arkon sandte. »Das drängt mir die Frage auf, warum wir nicht zusammenarbeiten.«

»Wir werden zusammenarbeiten müssen, Rhodan, wenn unsere Existenz nicht gefährdet sein soll.«

Diesmal zeigte die Stimme des Regenten zum ersten Mal eine Spur von Anteilnahme. Es war Rhodan, als schwinge Sorge in den Worten des Gehirns mit – und zwar Sorge um die nackte Existenz.

»Ich bin dazu unter gewissen Voraussetzungen bereit, Regent. Auf keinen Fall werde ich zustimmen, dein Diener zu werden.«

»Das verlange ich nicht, wenn auch ein solcher Zustand besser wäre als zu sterben. Und die Gefahr, Rhodan, besteht.«

Rhodan spürte erneut den Ernst.

»Welche Gefahr?«, fragte er einfach.

»Sie ist nicht zu definieren, aber sie ist bereits seit zehn Jahren vorhanden. Niemand außer mir weiß von ihr, denn wenn sie irgendwo auftrat, gab es hinterher niemanden, der über sie hätte berichten können. Verstehst du, Rhodan? Es gab keine Überlebenden.«

Rhodan spürte, wie etwas Kaltes nach seinem Herzen griff. Drohte der Milchstraße ein Krieg? Gab es einen mächtigen Gegner?

»Lässt sich aus der Art der Waffen, die angewendet werden, nicht ein Rückschluss ziehen, Regent?«

»Waffen?«, kam die Frage des Regenten kalt und nüchtern. »Der unbekannte Gegner hat bisher seine Waffen noch nicht verraten. Vielleicht habe ich mich nicht deutlich ausgedrückt, Rhodan. Ich sagte, es gäbe keine Überlebenden. Vielleicht sollte ich besser sagen: Es gibt nach einem Angriff der unheimlichen Gegner kein lebendes Wesen mehr.«

»Sie werden zerstrahlt, vernichtet?«

»Auch das nicht. Sie verschwinden einfach. Ganze Planeten wurden so entvölkert. Sie gehörten unserem Imperium an, besaßen eine richtige Zivilisation, erfreuten sich einer gut entwickelten Natur mit Pflanzen und Tieren. Und dann, eines Tages, waren auf diesen Planeten nur noch die Pflanzen. Die Menschen und Tiere waren verschwunden, als hätte es sie nie gegeben. Es gelang mir bis heute nicht, eine Erklärung für das Phänomen zu finden. Jede Vorsichtsmaßnahme hat sich bisher als fruchtlos erwiesen. Es gibt keinen Schutz wider den Gegner.«

Rhodan warf seinen Leuten und der Delegation des Regenten einen schnellen Blick zu. An der Reaktion Talamons erkannte er, dass auch der Überschwere von der Gefahr noch nichts gewusst hatte. Talamon war bleich geworden und starrte fast hilflos auf das Robotgehirn. Die Springer und Arkoniden zeigten Verwirrung und Furcht. Lediglich Rhodans Mutanten blieben ruhig. Sie hatten etwas Ähnliches erwartet, schienen die ungeheure Gefahr jedoch noch nicht vollständig begriffen zu haben, die ihnen allen drohte.

Erneut wandte Rhodan sich dem Roboter zu. »Was gedenkst du zu unternehmen, und wie kann ich dir dabei helfen?«

Ohne zu zögern, sagte die Maschine: »Wir müssen unsere Kräfte und unsere Intelligenz zusammentun, um der Gefahr entgegentreten zu können. Du bist in dieser Hinsicht zumindest beweglicher als ich. Dir stehen, das gebe ich zu, lebendigere und fähigere Kräfte zur Verfügung. Ich habe vielleicht die größere Macht. Weder das eine noch das andere allein wird genug sein, den Feind zu stellen oder gar zu besiegen. Gemeinsam haben wir Erfolg – wenn überhaupt.«

»Wenn überhaupt ...?«, dehnte Rhodan verwundert. »Du wirst doch nicht bereit sein, die Hoffnung aufzugeben?«

»Ich habe zehn Jahre erfolglos gegen die unsichtbare Gefahr gekämpft, Rhodan. Zehn Jahre sind eine kurze Zeit, aber sie ist lang genug, um eine Einsicht zu vermitteln. Wenn es uns nicht gelingt, zumindest die Natur des grauenhaften Angreifers zu erkennen, sind wir verloren. Der Feind wird die gesamte Milchstraße entvölkern.«

»Du übertreibst«, sagte Rhodan hart. Eine so große Gefahr, wie das Robotgehirn sie schilderte, konnte es einfach nicht geben. »Ich werde dir helfen, Regent. Und zwar als gleichberechtigter Partner. Wenn es notwendig erscheint, verlange ich die Befehlsgewalt über deine Schlachtflotten und Kampfroboter.«

»Das geht nicht«, lehnte der Regent ab. »Ich kann dir nicht die Macht über die Arkoniden in die Hand geben.«

»Du stehst vor einer schweren Entscheidung, das gebe ich zu. Aber entweder stimmst du zu und vertraust mir, oder die unsichtbare Gefahr wird eines Tages dein gesamtes Reich entvölkert haben. Du hast persönlich nichts zu befürchten, denn du bestehst aus anorganischer Materie.«

»Ich trage eine Verantwortung über alles Leben in diesem Teil der Milchstraße ...«

»Dann handle danach, Regent. Übertrage mir einen Teil deiner Macht, damit ich den Gegner bekämpfen kann.«

Es entstand eine kleine Pause. Baldur Sikermann nutzte sie und schaltete sich ein. Das Labor der DRUSUS meldete sich. Flüsternd erklärte einer der Wissenschaftler: »Unsere Analysen ergeben, dass das Robotgehirn die Wahrheit spricht. Es wird mit der aufgetauchten Gefahr nicht fertig und ist froh, einen Helfer zu finden. Es wird auf alle Ihre Bedingungen eingehen, daran kann kein Zweifel bestehen.«

Leise gab Rhodan zurück: »Danke, Dr. Ali el Jagat.« Laut sagte er: »Sikermann, ich halte es für richtig, wenn Sie einige kleine Patrouillenboote ausschleusen, die den Raum um Mirsal III beobachten. Die Arkoniden werden unserem Beispiel folgen.«

»Wird gemacht, Sir.«

Talamon nickte. Er gab seinen Offizieren in der ARC-KOOR identische Anordnungen. Eine Minute später stiegen die wendigen Beiboote senkrecht in den Himmel und schossen in die Kreisbahn.

Rhodan atmete erleichtert auf. Die Gefahr eines Überraschungsangriffs war weitgehend beseitigt. Für eine Sekunde fragte er sich erschauernd, wer sie wohl angreifen könne, dann wandte er sich erneut dem Robotgehirn zu. »Hast du eine Entscheidung getroffen, Regent?«

»Gleichberechtigung, Rhodan, mehr kann ich dir auf keinen Fall zusichern, ohne den Bestand des Imperiums zu gefährden.«

Rhodan nickte. »Ich könnte mehr erreichen, aber ich verzichte darauf. Ich nehme nur, was ich freiwillig von dir erhalte. Vielleicht kommt der Zeitpunkt, da du gern bereit bist, mir mehr Verantwortung aufzubürden. Nun erkläre mir deinen Plan.«

»Ich habe keinen Plan, Rhodan. Wir warten auf den nächsten Angriff, damit du dir ein Bild machen kannst. Dann wirst du mir deine Vermutungen mitteilen, und wir werden beraten, was zu tun ist.«

»Vermutungen?«

»Ja, ich meine Vermutungen über den Gegner, wer er sein könnte, und wie er arbeitet. Ich werde dir meine nicht mitteilen, um dich in deiner Entscheidung nicht zu beeinflussen. Wenn du unabhängig von mir zu den gleichen Schlüssen gelangst, besteht die Möglichkeit, dass wir die Wahrheit gefunden haben. Ich warne dich, Rhodan. Es kann gut sein, dass diese Wahrheit dich zerbrechen wird. Dein Gehirn wird sie nicht ertragen können. Sie ist reiner Wahnsinn ...«

Rhodan blieb gelassen. »Ich bin auf das Schlimmste gefasst, Regent. Ist unsere Unterredung nun beendet, oder hast du noch Vorschläge?«

»Im Augenblick nicht. Du kannst dich mit Talamon zusammensetzen und die Art der Zusammenarbeit beraten. Ich werde die Verbindung mit dir aufnehmen, sobald der unbekannte Gegner wieder angreift. Zum ersten Mal hoffe ich, dass er nicht lange auf sich warten lässt.«

Das Bild der unterirdischen Halle mit der stählernen Halbkugel erlosch. Reglos verharrte der Robotgesandte auf seinen Schwerkraftfeldern. Zweifellos hielt er auch weiterhin Kontakt mit dem Regenten, griff aber nicht mehr aktiv in das Geschehen ein.

Wenigstens vorerst nicht.

Rhodan trat zu Talamon. »Sie haben gehört, was der Regent sagte. Wussten Sie nichts von der Gefahr?«

»Nicht die geringste Ahnung hatte ich bis heute«, erwiderte der Überschwere, und Rhodan erkannte, dass er nicht log. »Was sollen das für Wesen sein, die unsere Welten entvölkern?«

»Ich habe nicht die kleinste Vermutung, Talamon. Jedenfalls sieht es so aus, als könnten wir alle unsere bisherigen Sorgen zu den Akten legen. Da ist etwas aufgetaucht, das schlimmer und gefährlicher ist als alles, was wir kennen. Wir wissen nicht, was es ist. Eine unbekannte Gefahr ist immer tödlicher als eine, die ihrem Charakter nach erkannt wurde.«

Talamon wollte antworten, wurde aber daran gehindert.

An Rhodans Arm summte der winzige Empfänger, dann rief Sikermanns Stimme aufgeregt: »Alarm, Sir! Eine der Kaulquappen hat Alarm gegeben!«

Fast in derselben Sekunde begann die Relaisstation des Regenten auf die ARC-KOOR zuzugleiten. Talamon sah es, gab aber keinen Kommentar. Einer der Arkoniden seiner Begleitung zog einen kleinen Kasten aus der Tasche und drückte einen Knopf ein. Laut und deutlich sagte eine Stimme: »Kehren Sie ins Schiff zurück! Alarm! Dieser Planet wird überfallen!«

Rhodan war für Sekunden völlig überrascht und verwirrt. War er einem abgekarteten Spiel zum Opfer gefallen? Dann aber sah er Talamons erbleichendes Gesicht und wusste, dass sie alle urplötzlich in den Mittelpunkt von Geschehnissen geraten waren, die niemand vorausgesehen hatte.

Hastig rief er in das Armbandgerät: »Was ist los? Ich erwarte nähere Einzelheiten!«

»Unsere Beiboote haben fremde Raumschiffe orten können, sie aber wieder verloren. Die Kommandanten behaupten, die anderen Schiffe hätten sich unsichtbar machen können.«

»Unsichtbar?«, wiederholte Rhodan und bekam einen furchtbaren Schock. »Unsichtbar?«

John Marshall und Talamon eilten herbei.

»Ich muss zurück in mein Schiff«, erklärte der Überschwere, »um meine neuen Befehle abzuwarten. Mit diesem Zwischenfall konnte niemand rechnen. Was ist eigentlich geschehen?«

»Ich weiß es ebensowenig wie Sie«, gab Rhodan zurück, während seine Gedanken sich überschlugen und sich an das zu erinnern versuchten, was der Regent ihm über die unheimlichen Angreifer berichtet hatte. »Jedenfalls steht fest, dass dieser Planet von Unbekannten besucht wird.«

Talamon wurde noch blasser. »Unbekannte? Vielleicht jene, von denen der Regent sprach?« Er richtete sich auf und sah zu seinem Kugelraumer hinüber. »Aber – warum greifen sie dann nicht an?«

Rhodan winkte Marshall und den anderen zu. »Es ist jetzt keine Zeit, darüber zu diskutieren, Talamon. Sie haben gehört, was der Regent sagte – wir sind gleichberechtigte Partner. Hoffentlich ist die Partnerschaft diesmal beständiger als damals vor sechs Jahrzehnten. Wir werden also die künftigen Schlachten gemeinsam schlagen. Ich fürchte, wir sind mittendrin in der ersten. Wir starten und warten ab. Unsere Funkzentralen bleiben permanent in Verbindung. Leben Sie wohl, Talamon. Die nächsten Stunden werden ergeben, wie dauerhaft unsere künftige Freundschaft sein wird.«

»Viel Glück, Rhodan«, gab der Überschwere zurück, wandte sich dann ohne ein weiteres Wort um und schritt in Richtung der ARC-KOOR davon. Seine Begleiter folgten ihm schweigend. Ihre Gesichter wirkten ernst.

Rhodan blieb mit den Mutanten allein zurück. Gucky war bereits zur DRUSUS gesprungen, während Crest nun zu ihnen trat und sagte: »Wir müssen zum Schiff, Perry. Die ARC-KOOR bereitet sich schon auf den Blitzstart vor. Ich rate zur Eile.«

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, setzten sie sich in Bewegung. Hinter ihnen glitt der Roboter wieder in seine Luke, Talamon und seine Begleiter folgten. Sekunden später erhob sich der riesige Raumer und strebte lautlos in den klaren Himmel hinauf. Als er nur noch ein kleiner Punkt war, erreichte Rhodan mit seinen Begleitern die DRUSUS.

Baldur Sikermann erwartete sie in der Zentrale.

»Start!«, befahl Rhodan und gab einige weitere Anweisungen. Dann eilte er in den Funkraum und verlangte Verbindung mit den Erkundungsbooten.

Als er Minuten später in die Kommandozentrale zurückkehrte, war sein Gesicht starr wie eine Totenmaske.

Crest erschrak unwillkürlich und setzte sich in den nächsten Drehsessel. John Marshall warf den anderen Mutanten einen hilfesuchenden Blick zu und wusste gleichzeitig, dass er noch nie in seinem Leben einen so fassungslosen und schreckerfüllten Perry Rhodan gesehen hatte.

Es musste Grauenhaftes geschehen sein.

»Die DRUSUS geht auf eine Kreisbahn, eine Lichtminute von Mirsal III entfernt«, sagte Rhodan mit tonloser Stimme zu Sikermann. »Geben Sie Befehl, dass Beiboot K-13 startklar gemacht wird. Marshall, Ras Tschubai und Gucky begleiten mich, dazu die normale Besatzung von fünfzig Mann. Ich möchte in fünf Minuten die DRUSUS verlassen.«

Es war selbst dem Telepathen Marshall bisher nicht möglich gewesen, Rhodans abgeschirmte Gedanken zu erforschen.

»Was haben Sie vor?«, fragte Marshall.

Rhodan sah an ihm vorbei. »Wissen Sie, was passiert ist, John? Die Unsichtbaren haben das System Mirsal angegriffen. Die Gefahr, von der das Robotgehirn gesprochen hat, greift nun nach uns. Wenn wir nicht mit ihr fertig werden ...«

Er schwieg.

3.

Die Beiboote waren raumtüchtige Schiffe in Kugelform, hatten sechzig Meter Durchmesser, sprangen über Lichtjahre hinweg durch den Hyperraum und trugen Bordwaffen.

In der verhältnismäßig kleinen Zentrale der K-13 hatten nicht viele Männer Platz, aber wenn man die Tür zum benachbarten Funkraum aufstieß, änderte sich das überraschend.

Hinter den vielen Fahrtkontrollen saß Stepan Potkin, ein untersetzter, muskulöser Russe mit hellblonden Stachelhaaren. Er war Leutnant und galt als einer der besten Piloten für kleinere Raumfahrzeuge.

Auf einer Couch hockte Gucky und tat höchst gelangweilt, obwohl er innerlich dem Abenteuer entgegenfieberte. Der Kampf mit Unsichtbaren reizte ihn, obwohl er ein gewisses Unbehagen nicht unterdrücken konnte.

Marshall und Tschubai standen dicht neben der Tür, während Rhodan neben Potkin vor den Kontrollen saß und auf die Bildschirme starrte.

Längst schon war die DRUSUS im Weltraum zurückgeblieben und auf einen Kreisbahnkurs gegangen. Von der ARC-KOOR war ebenfalls nichts zu sehen. Rhodan spürte wieder das Grauen, als er sich darüber klar wurde: Jetzt sind wir allein, und irgendwo lauert die unfassbare Gefahr auf uns.

Mirsal III wurde wieder größer, als die K-13 mit halber Lichtgeschwindigkeit auf den Planeten zueilte und dabei langsamer wurde, um nicht in der Atmosphäre zu verglühen. Die Nachtseite war dunkel und zeigte nur hier und da hell beleuchtete Städte. Für Rhodan war das beruhigend, denn er wusste, dass dort noch Leben sein musste. Hätten die Unbekannten auch hier zugeschlagen, wären alle Lichter erloschen.

Aber zuerst galt es, die Tagseite zu untersuchen.

Vor Rhodan lag der aufgeschlagene Katalog der arkonidischen Astronauten. Seine Angaben waren verlässlich und aktuell – wenigstens behauptete Crest das.

Mirsal III war demnach eine von menschenähnlichen Intelligenzen bewohnte Welt. Die Ureinwohner wurden kaum größer als anderthalb Meter und lebten in einer Zivilisation, die etwa dem Mittelalter der Erde entsprach. Raumfahrt kannten sie nicht, wohl aber die hin und wieder landenden Schiffe der Arkoniden, die sie als halbe Götter verehrten. Es gab auf Mirsal III noch Staaten und Nationen, wie das auf allen Welten üblich war, die das kosmische Stadium noch nicht erreicht hatten. Fürsten und Könige regierten über den gemeinen Bürger, den sie mit ihren Söldnern unterdrückten und ausbeuteten. Die Herrscher saßen in ihren befestigten Burgen und lebten gut. Der Bürger musste hart arbeiten, wenn er leben wollte.

Rhodan legte den Katalog beiseite. Die Entwicklung war überall gleich, Mirsal machte keine Ausnahme.

Die K-13 schoss hinab und glitt pfeifend in die Atmosphäre.

»Ich verstehe nicht, warum sich niemand sehen lässt«, bemerkte Marshall zwei Minuten später, als sie dicht über eine kleine Ansiedlung dahinflogen. Die Geschwindigkeit war stark abgesunken und betrug kaum noch zweihundert Kilometer in der Stunde. »Selbst wenn eine Invasion erfolgte, müsste man doch Spuren davon entdecken.«

Rhodan schüttelte langsam den Kopf. »Sie vergessen, was der Regent berichtete. Es gibt keine Spuren.«

Niedrige Häuser duckten sich um einen Berg, auf dem eine Art Burg stand. Primitive Fahrstraßen wanden sich durch bebaute Felder. Auf dem Marktplatz standen noch die Karren mit den Erzeugnissen der Bauern, aber es waren keine Lebewesen zu erblicken.

Rhodan hatte eng zusammengekniffene Augen, als er befahl: »Potkin, fliegen Sie westlich und verlangsamen Sie die Geschwindigkeit, wenn wir uns einer größeren Stadt nähern. Ich möchte sie mir ansehen.«

Sie brauchten nicht lange zu warten.

Die Stadt tauchte schräg vor ihnen im Schein der Nachmittagssonne auf. Die sauberen Dächer blitzten und funkelten, als habe man sie mit Gold und Silber belegt, aber es waren nur die dünnen Metallziegel, wie sie hier allgemein benutzt wurden. Die Straßen waren breiter als auf den Dörfern, zeigten jedoch nicht die geringste Spur von Leben.

Selbst aus dieser Höhe wirkte die Stadt wie ausgestorben.

»Landen Sie dort unten auf dem freien Platz«, ordnete Rhodan an.

Er wusste nicht warum, aber ein unheimliches Gefühl ergriff von ihm Besitz. Noch nie in seinem Leben hatte er einer solchen Situation gegenübergestanden, wie er sie hier vorzufinden befürchtete. Die Andeutungen des Regenten schienen nicht übertrieben gewesen zu sein.

»Ich kann keinerlei Gedanken empfangen«, sagte Marshall plötzlich. »Die Wesen, die diese Hütten erbauten, müssen doch denken können.«

Rhodan gab keine Antwort. Er verfolgte das Landemanöver auf den Schirmen und wartete, bis ein leichter Ruck durch das Schiff ging. Dann nickte er Marshall und Tschubai zu.

»Ihr und Gucky kommt mit. Potkin, Sie geben uns nötigenfalls Feuerschutz und lassen uns nicht aus den Augen.«

Der Russe legte den Antrieb still. »Sie können sich auf mich verlassen.«

Rhodan nickte und verließ mit den drei Mutanten die Zentrale. Bevor sie die Schleuse erreichten, nahmen sie handliche Strahler und einige Atomgranaten aus dem Waffenschrank. Dann, wenige Minuten später, betraten sie zum zweiten Mal die Oberfläche von Mirsal III.

Die K-13 war mitten auf einem freien Platz gelandet. Er zeigte Spuren primitiver Bearbeitung und diente wahrscheinlich Versammlungen und Märkten. Dicht neben dem Schiff stand ein Fahrzeug, das offensichtlich von einem Tier gezogen worden war. Die Zügel hingen lose herab, als sei das Pferd – oder was hier an der Stelle eines Pferdes benutzt wurde – aus ihnen geschlüpft, um sich selbständig zu machen.

Rhodan betrachtete die Zügel mit zusammengekniffenen Augen, sagte aber nichts. Marshall, der zufällig seine Gedanken aufgefangen hatte, warf ebenfalls einen Blick auf die Zügel. Ein fragender Ausdruck breitete sich auf seinem Gesicht aus. Aber er fand keine Zeit, das Rätsel der Zügel zu lösen, denn in diesem Augenblick zischelte Gucky aufgeregt: »Dort drüben – an der Mauer.«

Sie sahen es gleichzeitig. Ein Schatten huschte dort vorbei, verharrte für einen kurzen Moment – und war dann verschwunden.

Das alles konnte genausogut eine Täuschung gewesen sein.

»Nein«, sagte Rhodan sicher. »Das war keine Täuschung. Dort drüben war jemand – und es war kein Mirsalese.«

»Er kann sich unsichtbar machen«, sagte Gucky aufgeregt. »Er hat sich einfach vor unseren Augen in Luft aufgelöst.«

»Und seine Gedankenimpulse?«, fragte Rhodan.

»Sie waren nur wie ein Hauch zu spüren und erloschen wieder«, antwortete der Ilt.

Sie betraten mit bereitgehaltenen Strahlwaffen das nächste Haus und durchsuchten es. Zu ihrem Erstaunen fanden sie alles so vor, als könnten die Bewohner jeden Augenblick wieder zurückkehren. Nichts war zerstört oder in Unordnung gebracht worden, alles stand und lag an seinem Ort. Im primitiven Herd brannte noch das Feuer, wenn die schweren Holzscheite auch bereits verglühten und davon zeugten, dass seit Stunden nicht mehr nachgelegt worden war.

Aber sie begegneten keinem lebenden Wesen.

»Wo sind sie?«, hauchte Ras Tschubai, von einer abergläubischen Scheu ergriffen. »Sie können doch nicht einfach verschwunden sein.«

Gucky, der so gern spottete, schwieg sich aus. Stumm und verbissen starrte er auf die verlassenen Gegenstände, hinein in die leeren Räume und Gänge, durch die Fenster hinaus auf die menschenleeren Straßen. Sein Nackenfell sträubte sich und verriet die innere Erregung des Mausbibers.

Marshall legte dem Afrikaner die Hand auf den Arm. »Alles hat seine natürliche Erklärung, Ras. Wir werden noch erfahren, was das hier zu bedeuten hat. Sicher, es ist ungewöhnlich, keine Spuren eines Kampfes vorzufinden, keine Hinweise über das Wie und Warum.«

Es war, wie auch Rhodan zugeben musste, ein schwacher Trost. Aber er fand selbst keinen besseren.

In den übrigen Häusern war es nicht anders. Keine Menschenseele, kein Tier, nichts. Nur vorbildliche Ordnung in allen Räumen und die erwartungsvolle Atmosphäre einer baldigen Rückkehr der verschwundenen Bewohner.

Aber der Robotregent hatte ja gesagt, dass sie nie mehr zurückkehren würden ...

Rhodan drängte weiter. Sie durchschritten einige Seitengassen und erreichten die Außenbezirke der Stadt. Hier wurde es ländlicher und einfacher. Die großen Häuser wichen kleineren, hinter denen Gärten und Felder Platz fanden.

Und Viehställe.

Es war in einem dieser Ställe, wo sie zum zweiten Mal auf das Rätsel stießen.

In den Mauern waren Ketten eingelassen, die in Ringen endeten. Diese Ringe, so war klar ersichtlich, umschlossen einst die Hälse von Tieren. Und nun lagen sie leer und ungeöffnet auf dem Boden des Stalles, alle nebeneinander und derart, wie die Tiere gestanden haben mussten.

Wer hatte die Tiere von ihren Fesseln befreit, ohne den Metallring zu öffnen?

»Auch die Zügel waren noch geschlossen«, murmelte Marshall, als er an den verlassenen Pferdekarren dachte. »Es ist, als hätten sich die Tiere entmaterialisiert.«

Rhodan gab wieder keine Antwort. Mit nachdenklichem Gesicht schritt er hinaus in den Schein der sinkenden Sonne und trat den Rückweg zur K-13 an.

Er wusste, dass vor ihnen noch ein langer Weg lag.

Ganz sicher auch ein gefährlicher.

Leutnant Marcel Rous befehligte das Beiboot K-7 und näherte sich, aus dem Raum kommend, der Nachtseite von Mirsal III.

Marcel war ein dunkelhaariger und sehr lebhafter Mann, dessen Leidenschaft oft größer war, als sein Verstand gutheißen mochte. Seine Impulsivität hatte ihm schon manchen Streich gespielt, dessen Folgen schwer auszugleichen waren.

In einer Höhe von knapp fünfhundert Metern strich er über die Oberfläche des Planeten dahin. Aus dem Lautsprecher kamen pausenlos die Berichte der anderen Beiboote und die Anweisungen von der DRUSUS. Irgend etwas geschah auf der fremden Welt, aber niemand hätte zu sagen vermocht, was es war.

Die Ortungsinstrumente der K-7 registrierten mehr als einmal feste Körper in der Atmosphäre von Mirsal III, waren aber niemals in der Lage, sie länger als drei oder vier Sekunden zu halten. Dann wurden die Schirme wieder leer, und die elektronischen Impulse erstarben. Es war Marcel klar, dass auch Schiffe mit unvorstellbarer Beschleunigung nicht derart schnell wieder aus dem Bereich der Taststrahlen entkommen konnten. Für das Phänomen fehlte jede nur denkbare Erklärung.

Marcel Rous spürte das Geheimnisvolle und ließ sich von ihm in seinen Bann ziehen. Er ignorierte den Befehl von der DRUSUS und beschloss, Nachforschungen auf eigene Faust anzustellen. Zu diesem Zweck verließ er die Kreisbahn und stieß wie ein Raubvogel auf die Oberfläche von Mirsal III hinab.

Er wählte mit Absicht die Nachtseite. Hier fühlte er sich vor einer Entdeckung durch den unheimlichen Gegner sicherer als im hellen Licht der Sonne. Er konnte natürlich nicht wissen, ob die Unbekannten im Dunkeln vielleicht genauso gut sahen wie im Hellen. Marcel Rous wollte diesmal kein Risiko eingehen.

Eine Invasion im üblichen Sinn hatte nicht stattgefunden, das erkannte Rous auf den ersten Blick. Dort unten schien alles friedlich und normal.

In den großen Städten waren die schnurgeraden Straßen hell beleuchtet. Die Bewohner von Mirsal III kannten also die Elektrizität, obwohl sie doch in einem verhältnismäßig primitiven Entwicklungsstadium lebten. Vielleicht hatten die Arkoniden ihnen geholfen, wenigstens dieses Produkt moderner Zivilisation zu finden. Jedenfalls waren die Städte hell beleuchtet und verrieten scheinbar pulsierendes Leben.

Der Eindruck blieb, bis Rous sich entschloss, noch tiefer zu gehen und über dem Zentrum der Stadt anzuhalten. Die Bildschirme brachten die Häuser und Straßen noch näher an das Auge des Franzosen, der plötzlich den Atem anhielt.

Es dauerte fast zehn Sekunden, ehe er sich an den zweiten Mann wandte, der mit ihm die Zentrale teilte.

»Was fällt Ihnen daran auf, Becker?«

Der Kadett beugte sich vor und richtete seine Aufmerksamkeit auf das Bild, welches sich ihm bot. Es dauerte eine Weile, ehe seine Augen sich an die Helligkeit gewöhnt hatten, dann lehnte er sich langsam zurück und erwiderte: »Warum beleuchten sie ihre Städte, wenn alle schlafen?«

Rous nickte langsam. Genau das war es, was er sich auch fragte: »Es ist längst nach Mitternacht Ortszeit. Wozu noch Straßenbeleuchtung? Und nicht nur das, Becker! In fast allen Häusern brennt Licht. Wie etwa gegen neun Uhr abends, würde ich sagen. Übrigens ist weiter östlich ebenfalls alles hell erleuchtet, auch wenn es dort bereits vier Uhr morgens ist. Ja, sehr merkwürdig.«

Kadett Becker stand seinem Vorgesetzten hinsichtlich der Unternehmungslust in nichts nach. »Wenn wir landen würden, könnten wir vielleicht ...«

Rous tat unentschlossen. »Dazu fehlt uns die Erlaubnis, Becker. Wir dürfen nicht auf eigene Faust handeln. Und wenn, dann trügen wir die Verantwortung für die gesamte Mannschaft. Wenn etwas passiert ...«

»Was soll passieren?«, kam Becker mit der erwarteten moralischen Unterstützung. »Die Bewohner kennen nicht einmal Energiewaffen, von ihnen haben wir kaum etwas zu befürchten. Und was die angebliche Invasion der Unbekannten angeht – nun, ich habe davon noch nichts bemerken können.«

Rous zögerte deutlich. »Ich weiß nicht, vielleicht sollte ich Verbindung zur DRUSUS aufnehmen und die Genehmigung zur Landung einholen.«

»Wie Sie meinen, Sir«, sagte Becker förmlich. »Ich bin allerdings davon überzeugt, dass man uns die Genehmigung nicht erteilen wird. Der Chef geht keine unnötigen Risiken ein, und wenn, dann übernimmt er sie selbst.«

»Hm«, knurrte Rous, unsicher geworden.

Er wurde in seinen Überlegungen unterbrochen. Aus dem Lautsprecher kam die Stimme von David Stern, der Dienst im Funkraum der DRUSUS machte. »K-7, melden Sie sich! Standort bekanntgeben!«

Rous stieß einen leisen Fluch aus und schaltete den Sender auf Betrieb. »Hier Leutnant Rous! Nachtseite von Mirsal III.«

»Sie haben die Kreisbahn verlassen?«, kam es erstaunt zurück.

»Ja. Wir verfolgten ein fremdes Schiff, verloren es aber aus den Augen und Geräten. Es müsste in der unter uns liegenden Stadt gelandet sein. Sollen wir es verfolgen?«

Es dauerte eine Minute, ehe die Antwort kam. »Befehl von Oberstleutnant Sikermann: Sie landen an einer übersichtlichen Stelle und schleusen zwei Kampfroboter und drei Besatzungsmitglieder aus. Sie selbst bleiben an Bord der K-7 und starten beim geringsten Zeichen eines Angriffes. Verstanden?«

»Und meine Leute?«, fragte Rous. »Ich kann sie doch nicht einfach im Stich lassen.«

»Das Schiff darf nicht in die Hände des Gegners fallen. Um Ihre Leute werden wir uns schon kümmern.«

»Sonst noch Befehle?«

»Nein, Leutnant Rous. Bleiben Sie mit mir in Verbindung. Das ist alles. Ende.«

Marcel Rous sah Kadett Becker an, in dessen Augen es aufleuchtete.

»Wie es aussieht, habe ich Pech gehabt, Becker. Sie erhalten somit die Gelegenheit, sich auszuzeichnen. Nehmen Sie sich zwei Männer und zwei Roboter – und dann haben Sie Stadturlaub.«

Sie schwebten Minuten später über einem hell angestrahlten Platz und gingen schnell tiefer. Sanft setzte das Kugelschiff auf. Rous hatte alle verfügbaren Bildschirme eingeschaltet, um einen möglichst umfassenden Rundblick zu erhalten. Aufmerksam studierte er den Platz und die angrenzenden Häuser. Nichts rührte sich, und die Stadt schien in der Tat wie ausgestorben. Ihm fiel auf, dass einige Gegenstände auf dem unebenen Pflaster umherlagen, die hier nichts zu suchen hatten. Drüben dicht am Rinnstein lehnte ein breites Schwert gegen einen Mauersockel. Dicht daneben lag ein Schild. Es sah so aus, als habe sich eine Schildwache ihrer Waffen entledigt, um einfach davonzuspazieren. Ein Stück davon entfernt erblickte Rous eine umgestürzte Ritterrüstung, die Spuren eines harten Kampfes zeigte.

Es regte sich kein Hauch von Leben. Die hellbeleuchteten Räume hinter den Fenstern waren leer, kein Schatten zeigte sich auf den lichtüberfluteten Rechtecken.

»Fertig?«, fragte der Leutnant.

Aus der Schleuse kam über Funk die Antwort: »Kadett Becker mit zwei Mann und zwei Robotern fertig zum Einsatz.«

»Viel Glück!«, erwiderte Rous.

Becker atmete auf, wenn er sich plötzlich auch nicht mehr so wohl fühlte. Aber boten die beiden schwerbewaffneten Roboter nicht genügend Schutz? Sie würden ihn gegen eine ganze Kompanie angreifender Feinde verteidigen, wenn es sein musste. Die beiden Kadetten, die ihn begleiteten, waren zuverlässig. Die Impulsstrahler in ihren Händen zitterten nicht.

Die Außenluke schwang auf, und die Rampe glitt zu Boden. Becker schritt voran, gefolgt von den Robotern. Die beiden anderen Männer bildeten den Abschluss.

Um sie herum war die Stille der schlafenden oder toten Stadt. Bis auf die schweren Tritte der Roboter auf dem Steinpflaster war kein Laut zu hören. Becker spürte, wie die Furcht vor dem Unerklärbaren in ihm hochkroch und sich in seinem Gehirn einzunisten drohte. Über den hellen Straßenlampen war der schwarze Himmel der fremden Welt. Er war wie ein Loch, durch das der Feind kommen konnte, ehe man ihn bemerkte.

Der Feind? Welcher Feind? Gab es überhaupt einen Feind?

Becker hielt sich dicht neben den beiden Robotern.

»Ihr sichert nach hinten und zur Seite«, flüsterte er seinen Männern zu, die ihre Waffen schussbereit hielten. »Ich achte mehr auf das, was vor und über uns geschieht.«

Der Platz war nicht allzu groß, aber sie benötigten fast zwei Minuten, ehe sie die Häuserfront erreichten. In der Straße gab es viele Schlaglöcher.

Becker sah sich um. Keine zweihundert Meter entfernt ruhte die K-7 auf ihren Teleskopstützen. Er wusste, dass Leutnant Rous vor den Bildschirmen saß und jede seiner Bewegungen beobachtete. Sicher lagen seine Hände gleichzeitig auf den Feuerknöpfen der schweren Strahler.

Rein zufällig erfasste Becker aus den Augenwinkeln heraus eine schattenhafte Bewegung und fuhr herum. Dort oben, im zweiten Stock eines Hauses, war es gewesen. Das Licht, das aus dem Fenster fiel, war nicht ganz so hell wie bei den anderen. Es änderte sogar seine Intensität. Mal leuchtete es heller, mal dunkler. So, als ginge jemand vor der Lichtquelle auf und ab und verdecke sie in unregelmäßigen Abständen mit seinem Körper.

Becker fühlte den Andrang des Blutes zu seinem Herzen. Das war sie, die einmalige Gelegenheit. Er musste sie nutzen, koste es, was es wolle.

»Ihr wartet hier unten!«, befahl er flüsternd seinen Leuten und sah dann einen der Roboter an. »Du folgst mir, R-2.«

»Sollen wir nicht besser ...?«, begann einer der Kadetten, aber Becker schnitt ihm das Wort ab.

»Ich gehe allein. Warum uns alle in Gefahr bringen?«

»Becker!«, kam Marcel Rous' Stimme über Funk. »Seien Sie vorsichtig!«

»Keine Sorge, Leutnant. Ich nehme mich schon in acht.«

Unter der Last des Roboters knarrten die Treppenstufen erbärmlich, aber Becker war nun nicht mehr aufzuhalten. Er hatte etwas gesehen, und er wollte auch wissen, was er gesehen hatte. Wer ging dort oben in dem Zimmer einer verlassenen Stadt auf und ab? War ein Bewohner dort oben zurückgeblieben?

Becker beschloss, vorerst nicht den Versuch zu unternehmen, sinnlose Fragen zu beantworten. Er festigte seinen Griff um den Kolben der Waffe und stieg hinter dem Roboter her.

Die Tür zur Wohnung im zweiten Stock war offen. Der Flur dahinter lag im Halbdunkel, denn nur im Treppenhaus brannte Licht.

Kein Laut war zu hören, als R-2 stehenblieb und Becker herankommen ließ.

Aber dann knarrte laut und deutlich eine Tür.

Becker war zusammengezuckt, und seine Waffe kam hoch. Das war in der fraglichen Wohnung gewesen. Dort weilte also jemand. Zuerst das wechselnde Licht, jetzt das Knarren der Tür. Das konnte keine Täuschung mehr sein.

Becker gab R-2 einen Wink und ging voran. Vorsichtig folgte der Roboter.

Die Wohnungstür besaß ein primitives Schloss, das keinen Einbrecher aufgehalten hätte. Aber die Tür stand ja offen. Weiter hinten, so sah Becker nun, war eine zweite Tür geöffnet. Sie führte zu einem Raum, der auf den Platz hinausging. Vielleicht auch zu dem Fenster, hinter dem der Schatten hin und her wanderte.

Becker schlich weiter, bis er dicht bei der Tür stand. Er wartete, bis auch R-2 herbeigekommen war, dann stieß er mit dem Fuß die Tür vollends auf und trat in den erleuchteten Raum.

Er war leer.

Das Fenster war einen Spalt weit geöffnet, und erst jetzt spürte Becker den leichten Luftzug, der an ihm vorbeiströmte und die Tür hinter dem Roboter sacht bewegte. Sie knarrte.

Gleichzeitig wehte ein leichter Vorhang wie ein Gespenst rechts von der Lichtquelle, einer Nachttischlampe. Daneben standen zwei Betten. Sie waren zerwühlt und zeigten noch deutlich die Abdrücke zweier Körper.

Der wehende Vorhang vor den Betten ließ das Licht der Lampe einmal heller, einmal weniger hell durch das Fenster auf den Platz hinausfallen. Die Tür knarrte im Wind. Das Rätsel war gelöst.

Etwas enttäuscht ließ der Kadett die Waffe sinken. Er hatte sich von einem Bettvorhang narren lassen.

»Was ist?«, unterbrach Marcel Rous' ruhige Stimme die plötzliche Stille.

»Alles in Ordnung«, gab Becker knapp zurück und wandte sich zum Gehen. »Es war nur der Wind. Die Leute haben vergessen, die Fenster zu schließen, bevor sie auswanderten.«

»Keine Beobachtungen?«

Becker sah sich noch einmal um. »Nein, Leutnant. Normales Schlafzimmer. Sehr gemütlich eingerichtet. Möchte wissen, wo die Bewohner geblieben sind. Die Kleider hängen noch über den Stühlen. Sie müssen mondsüchtig geworden und im Nachthemd auf die Reise gegangen sein.«

»Mirsal III besitzt keinen Mond«, sagte Rous nüchtern. »Kommen Sie jetzt wieder heraus, Becker.«

»Ich komme«, gab Becker zurück und wandte sich zum Gehen.

Gerade, als er unten auf die Straße trat und die beiden wartenden Kameraden erblickte, geschah etwas, das er sich nicht erklären konnte. Und ein »Später«, das ihm Zeit dazu gelassen hätte, gab es nicht mehr.

Er sah zuerst das in zweihundert Meter Entfernung ruhende Raumschiff, hell angestrahlt von den vielen Straßenlampen und dem Schein der umliegenden Fenster. Dann erblickte er seine beiden Gefährten und den wartenden Roboter.

In der nächsten Sekunde begann alles vor seinen Augen langsam zu verschwinden.

Becker blieb mit einem Ruck stehen, als er die Veränderung bemerkte. Sein robotischer Begleiter kümmerte sich nicht darum, sondern ging weiter, an ihm vorbei. Aber noch während der Roboter ging, sah Becker, dass auch er sich in Luft aufzulösen schien.

Er stieß einen entsetzten Schrei aus, der auch von Rous gehört wurde. Schwach nur hörte Becker die Stimme seines Vorgesetzten an sein Ohr dringen: »... sofort zurück! Beeilen Sie sich, Sie werden sonst ...«

Mehr hörte Becker nicht mehr. Er starrte in die weit aufgerissenen Augen seiner beiden Männer. Einer von ihnen wollte nach ihm greifen, wandte sich aber dann zur Flucht. Er hatte den Mund weit geöffnet, als rufe er etwas, aber Becker hörte keinen Laut.

Die Welt um ihn herum versank nicht nur allmählich in völlige Finsternis, sondern auch in Lautlosigkeit.

Dann wurde es dunkel und ruhig. So musste es sein, wenn man in tausend Meter Tiefe unter der Meeresoberfläche dahintrieb. Nur fehlten jetzt auch sämtliche Empfindungen. Becker spürte nichts mehr.

Sein Nervensystem stellte die Funktionen ein.

Leutnant Marcel Rous sah Becker aus der Haustür kommen und wollte schon befreit aufatmen, als sich das Unheimliche vollzog.

Becker wurde zuerst durchsichtig, um dann völlig zu verschwinden. Er musste den Befehl zur Rückkehr schon nicht mehr gehört haben, wohl aber seine beiden Begleiter und die Roboter, denn sie setzten sich in Richtung des Schiffes in Bewegung.

Inzwischen gab es keinen Kadetten Becker mehr. Die Stelle, an der er eben noch gestanden hatte, war leer.

Die beiden Roboter ließen sich Zeit, während die Männer zu laufen begannen und versuchten, das rettende Schiff so schnell wie möglich zu erreichen.

Sie waren aber nicht schnell genug, denn die unheimliche Macht griff auch nach ihnen.

Zuerst verschwanden seltsamerweise die Beine, dann der Unterkörper. Für eine schreckliche Sekunde sah Marcel nur die Köpfe der beiden Männer durch die Luft fliegen, gute anderthalb Meter über dem Boden. Sie hoppelten in einer flachen Sinuskurve dahin, den Bewegungen der nicht mehr sichtbaren Körper folgend. Dann zerflossen auch sie in nichts.

Marcel Rous nahm das Geschehen in sich auf, ohne es zu begreifen. Unberührt schritten die beiden Roboter dahin, auf die geöffnete Luke der K-7 zu.

»K-7 an DRUSUS! Drei Mann von den Unsichtbaren angegriffen und – und ebenfalls unsichtbar gemacht!«, rief Rous in das Mikrofon. Er fand keine andere Erklärung für die Geschehnisse. »Sie sind verschwunden ...«

»Sofort starten!«, kam der Befehl.

»Die beiden Roboter sind noch ...«

»Starten!«

Rous erschrak über den Tonfall von Sikermanns Stimme. Mit einem Handgriff rammte er den Fahrthebel auf volle Beschleunigung, während er mit der anderen die Schleuse schloss.