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Nachdem der Astronaut Perry Rhodan im Jahr 2036 auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff entdeckt hat, einigt sich die Menschheit – es beginnt eine Zeit des Friedens. Doch 2049 tauchen beim Jupiter fremde Angreifer auf. Es sind Maahks, und sie planen einen Krieg gegen das Imperium der Arkoniden. Rhodan spürt dieser Bedrohung nach, und es verschlägt ihn mit der CREST in den Leerraum außerhalb der Milchstraße. Dort begegnet er den Posbis. Die mächtige Roboterzivilisation will sämtliches "unwahre" Leben auslöschen. Rhodan kann die Maschinenwesen letztlich zu Freunden der Menschen machen. Danach reist Rhodan zurück in die Milchstraße. Was ist dort während seiner Abwesenheit geschehen? Seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten sich, als er die Heimat der Arkoniden erreicht: Dort entbrennt die Schlacht um Arkon ...
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Seitenzahl: 220
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Band 121
Schlacht um Arkon
Michael H. Buchholz
Nachdem der Astronaut Perry Rhodan im Jahr 2036 auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff entdeckt hat, einigt sich die Menschheit – es beginnt eine Zeit des Friedens. Doch 2049 tauchen beim Jupiter fremde Angreifer auf. Es sind Maahks, und sie planen einen Krieg gegen das Imperium der Arkoniden.
Rhodan spürt dieser Bedrohung nach, und es verschlägt ihn mit der CREST in den Leerraum außerhalb der Milchstraße. Dort begegnet er den Posbis. Die mächtige Roboterzivilisation will sämtliches »unwahre« Leben auslöschen. Rhodan kann die Maschinenwesen letztlich zu Freunden der Menschen machen.
Danach reist Rhodan zurück in die Milchstraße. Was ist dort während seiner Abwesenheit geschehen? Seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiten sich, als er die Heimat der Arkoniden erreicht: Dort entbrennt die Schlacht um Arkon ...
Prolog:
CREST, 3. Juli 2049
Nachtarbeit
Das Schlagzeug hämmerte dröhnend. Gitarren kreischten auf wie berstende Stahlseile. Ein klecksiger Synthesizer gab den Rhythmus vor. Wie kochend heißes Metall zischten jaulende Tontropfen herab, schlugen kreuz und quer, wandelten sich zu einem stakkatohaften Nieselregen aus zerplatzendem Widerhall-Gegluckse. Alles gab vor, Melodie zu sein. Darüber wand sich eine männliche Stimme, die anklagend-weinerlich und aufrüttelnd-vorwurfsvoll zugleich war.
Doktor Larry Cheng hörte Neo-Klassik. Ein Werk eines 2016 verstorbenen Sängers und Komponisten. Seiner Meinung nach eines der größten Musikgenies überhaupt.
Aus den Akustikfeldern des Labors explodierte der Song »Fame«. Mit einer Brachialgewalt, die knapp unterhalb der Schmerzgrenze lag.
David Bowie pulsierte Cheng akustisch ins Blut.
Cheng sang ebenso laut wie falsch mit: »Fame puts you there where things are hollow ...«
Seit es die CREST in den Leerraum verschlagen hatte, war dies sein Lieblingssong. Nichts spiegelte Chengs tief empfundene Wut besser wider als Bowies Zorn über die Welt, die er sich in diesem Lied aus dem Hals schrie.
Ruhm bringt dich dahin, wo alles hohl und leer ist!, dachte Cheng gequält. In meinem Fall in den Leerraum, die größte Hohlheit und Leere, die es geben kann!
Tatsächlich war die Aussicht auf Ruhm und Ehre Chengs Motiv gewesen, um auf dem größten Raumschiff der Erde anzuheuern. Auf Perry Rhodans Schiff, dem bisher einzigen Ultraschlachtschiff der Menschheit, dem Protektor persönlich unterstellt. Eine Reise, hatte sich Cheng gesagt, nur eine Reise mache ich mit ... Aber sie würde seine Karriere nach der Rückkehr beflügeln. Sein Leben an Bord würde angefüllt sein mit wichtigen Forschungen, sensationellen Untersuchungen, jeder Menge Gelegenheiten, sich zu profilieren und später vom erworbenen Ruhm zu profitieren.
Nichts hatte sich als weiter von der Wahrheit entfernt herausgestellt als diese infantilen Erwartungen.
Stattdessen hatte er Gefechte erlebt, deren Zeuge er allein auf Livestreamholos geworden war. Es hatte gewirkt wie irgendwelche Hollywoodfilmsequenzen, positronisch aufbereitete Bilder, die mit der tatsächlich stattfindenden Wirklichkeit außerhalb des Stahlriesen nicht das Mindeste zu tun hatten. Cheng hatte sich beständig erinnern müssen, dass er nicht nur Zuschauer, sondern auch potenziell Betroffener war – buchstäblich. Denn jeder Wirkungstreffer konnte der letzte sein.
Dann hatte es Expeditionen auf unwirtliche Planeten gegeben, ohne dass er diese Fremdwelten anders kennenlernen durfte als abermals mittelbar durch aufbereitete Videos.
Dazu immer wieder eintönige Refraktionszeiten, die an den Nerven zerrten.
Dann die Gefangenschaft. Der Horror, den die P'Kong verbreiteten. Die endlosen Quälereien, die sie den Menschen zufügten. Auf diese Erfahrungen, auf all den Gestank, die Schmerzen, die Angst, hätte er gern verzichten können.
Als es endlich hatte nach Hause gehen sollen, war die CREST stattdessen im Leerraum gestrandet, erst mit der bedrückenden Perspektive auf eine Jahre währende Rückkehr, dann sogar ohne jegliche Aussicht auf eine Heimreise aus eigener Kraft. Immer weiter in diese die Seele fressende Leere war es gegangen, und am Ende mitten hinein in einen Konflikt mit Robotern, die mit ihren Emotio-Anteilen bessere Ausgeburten der Hölle waren.
Ruhm und Ehre! Gottverfluchte Scheiße! Eine Höllenangst hatte er gehabt, als er einem dieser Implantat-Leute begegnet war, einem von der Crew der BRONCO. Erst recht, als dieser Nabad Aashra an ihm vorbeigestakst war, mit nichts Geringerem im Gepäck als Invasionsplänen für die Milchstraße.
Cheng lachte schrill. Es konnte ihn ja niemand hören. Er war allein. Fame puts you where things are hollow ...
Dass die CREST sich inzwischen auf dem Rückweg befand, wundersamerweise den Konflikt mit den Robotern irgendwie bewältigt und nunmehr den Heimweg angetreten hatte, wie es die Schiffsführung so euphemistisch umschrieb, das war doch nichts anderes als hohle Phrasendrescherei! Gedacht, um gute Stimmung zu verbreiten.
Aber Cheng ließ sich nichts mehr vormachen. Bis sie die Erde wieder erreichten, würden noch Wochen, wenn nicht Monate vergehen. Mit wer weiß was für Widrigkeiten längs des eingeschlagenen Weges.
Zuvor stand nämlich Arkon auf dem Reiseplan. Und dort, das galt als so gut wie sicher, würde man auf die M...
Cheng glaubte, etwas zu hören, das nicht Teil von Bowies Song war. Das Schott hatte er mit seinem persönlichen Kode verschlossen. Wieso zischten dann die Türen? Es waren doch die Türen? Er machte eine heftige Bewegung in Richtung des Servosensors.
Die Laborpositronik interpretierte Chengs Geste korrekt. David Bowies Klage erstarb jäh.
Und in Chengs klingelnde Ohren mischte sich das unverkennbare Geräusch von Schritten, die sich näherten. Er hatte sich nicht getäuscht. Noch jemand befand sich im Labor.
Das ist unmöglich!, dachte er. Verflucht noch mal. Ich habe schließlich nicht umsonst alle anderen zur Freischicht in die Kabinen geschickt. Damit ich endlich allein bin und konzentriert arbeiten kann. Wer zum Henker stört mich jetzt?
»Guten Abend, Doktor«, sagte eine Frauenstimme in seinem Rücken. Er fuhr herum.
Sehen konnte Cheng die Frau nicht, nur punktuelle Helligkeit umgab ihn. Wie überall in der CREST erzeugte die Zentralpositronik den Anschein von Tag und Nacht. Derzeit herrschte Nacht, der frühe 3. Juli war angebrochen. Zwischen den wenigen Lichtbahnen und dicht bei ihm schwebten Dutzende Holos, deren Anzeigen sich permanent veränderten. Cheng ließ die aktuellen Hochrechnungen bei seiner Arbeit gern als Textkode mitlaufen, endlose Zeilen von Programmkennungen und formelhaften Befehlsclustern, die ihm suggerierten, dass in den Rechenkernen tatsächlich etwas vor sich ging. Die farbigen Schriftschatten liefen über sein Gesicht wie Blut, das an einer Scheibe herabrann. Das sah er in der spiegelnden Fläche eines inaktiven Analysegeräts gegenüber. Das Gesicht der Frau erblickte er nicht.
»Wer sind Sie? Was wollen Sie?«
Die im Dunkeln verharrende Frau sagte es ihm. »Und lassen Sie die Musik ruhig weiterlaufen«, fügte sie hinzu. »Nur zu. Sie ist – etwas ungewöhnlich, finden Sie nicht? So schrill und voller Angst ...«
Cheng tat, wie ihm geheißen. Er gab dem Servosensor einen Wink. David Bowies Stimme setzte von Neuem ein. Die wippende Klinge des langen und gebogenen Messers vor Chengs Augen ließ ihm keine andere Wahl, als zu gehorchen.
Erst nun wurde ihm bewusst, dass er die Worte über den in seinem Ohr implantierten Translator vernommen hatte. In welcher Sprache die Unbekannte mit ihm redete, war ihm völlig entgangen.
Zögerlich stand er auf, mit ruckenden Bewegungen, als wäre er eine Marionette, die an Fäden hing, und leistete den Befehlen Folge.
1.
CREST, 3. Juli 2049
Abschied
Conrad Deringhouse wechselte einen bejahenden Blick mit dem Protektor der Terranischen Union – mit seinem Freund Perry Rhodan.
Du bist auf Sendung!, hieß das. Rhodans Oberkörper wurde von mehreren Protokollkameras erfasst und als Livebild schiffsweit übertragen. Er stand in der Mitte der Zentrale, effektvoll umrahmt von einem Holo, das die heimatliche Milchstraße zeigte, wie sie in diesem Augenblick von den Außenbordlinsen eingefangen wurde. Es war ein atemberaubender Anblick – die CREST befand sich rund 300.000 Lichtjahre tief im Leerraum. Noch ...
»Dann bring uns nach Hause, Conrad!«, gab Rhodan lächelnd das Startzeichen. Wie so häufig, war er betont unmilitärisch in seiner Wortwahl und fast jungenhaft in seiner Ausstrahlung. Sein weinroter Bordanzug bildete einen warmen Kontrast zu den glitzernden Lichtern und dem samtenen Schwarz des umgebenden Alls. Die Anspannung der vergangenen Wochen war ihm nicht anzusehen; er wirkte zuversichtlich und ernst zugleich, ein Mann, der sich seiner Sache völlig sicher war.
Selbstredend war nach Hause relativ gemeint.
Das vorläufige Ziel des Ultraschlachtschiffs CREST war noch nicht die Erde, sondern das rund 34.000 Lichtjahre davon entfernte Arkon. Doch vom Leerraum aus gesehen war ihr Zuhause die Milchstraße, und dazu zählte bereits der Kugelsternhaufen M 13, Thantur-Lok, die Heimat der Arkoniden.
Hinter Rhodan baute sich ein zweites Holo auf. Es zoomte die Doppelsonne des Anichmisa-Sonnentransmitters zu halbmetergroßen Globen heran. Vom Umfang und bis in die Strahlungswerte hinein waren es identische, dicht beieinanderstehende Sterne vom G-Typ. Sie hätten Geschwister der irdischen Sonne sein können.
Der Name Anichmisa entstammte der von den Posbis überlassenen Transmitter-Datenbank. Der Begriff ging wie fast alle Posbibezeichnungen auf das Altägyptisch-Liduurische zurück und bedeutete so viel wie »Das Herbeischaffen für Anich«, was die besondere logistische Bedeutung dieses Sonnentransmitters für die Posbi-Zentralentität unterstrich.
»Transferdaten von der Steinstadt bestätigt«, meldete Major Schimon Eschkol, der Chef der Ortungs- und Funkabteilung, in die erwartungsvolle Stille hinein. Wie um seine Worte zu unterstreichen, flammte im Holo als anfangs noch chaotischer Bereich jene Zone wabernder Energien auf, die zwischen den beiden Sonnen am Ende das eigentliche Transmissionsfeld generieren würde.
Rhodan drehte sich zu dem entstehenden Sonnentor um und lächelte noch eine Spur breiter.
Deringhouse nickte erleichtert. Es war eine Sache, zu wissen, dass die Menschen von der Posbi-Zentralentität Anich die vollständigen Nutzungsdaten des Sonnentransmitternetzes erhalten hatten. Doch es war etwas vollständig anderes, wirklich zu erleben, dass diese Transmissionsdaten – Kodeschlüssel, Anwähladresse, Zieltransmitterkennung, Energiebereitstellung, Massenfeldflussgröße und ein halbes Tausend anderer Subparameter mehr – von den uralten Rechenzentren der ebenso uralten Steinernen Städte akzeptiert und tatsächlich befehlsgemäß verarbeitet wurden.
Der Kommandant der CREST wusste von den Schiffspsychologen, wie schwer es vielen Besatzungsmitgliedern fiel, zu begreifen, dass ihre Heimkehr nach bangen Wochen endlich doch möglich geworden war.
Das lautlose Wogen und Wallen der Sonnenenergien schlug um in ein geordnetes Kreisen von Partikelströmen, in deren Zentrum eine Zone völliger Lichtlosigkeit größer und größer wurde.
Wie die Pupille eines Auges, die sich weitet!, assoziierte Deringhouse in Gedanken. Im Kern des kreisenden Plasmas entstand das Transmittertor – eine im All schwebende Zone von hoher Wirksamkeit und noch höherer Unbegreiflichkeit.
Deringhouse schwindelte bei der Vorstellung, was in Kürze mit ihnen geschehen würde. Und er musste sich im Stillen eingestehen, dass auch er erst bereit war, an ihre Rückkehr zu glauben, sobald sie faktisch eingetreten war.
Ganz ihm Gegensatz zu ihm!, dachte der Admiralleutnant bewundernd. Perry Rhodan stand unerschütterlich im Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit und verströmte Zuversicht und Optimismus. Inständig hoffte Deringhouse, niemand möge seine eigenen Zweifel bemerken.
Die gesamte fremdartige Technik der Sonnentransmitter ging auf die Liduuri zurück. Auf jene geheimnisvollen Ersten, die vor über 50.000 Jahren das irdische Sonnensystem aufgegeben und sich in ein geheimes Refugium namens Achantur zurückgezogen hatten. Die positronisch-biologische Roboterzivilisation der sogenannten Posbis oder Bakmaátu, wie sie sich selbst bezeichneten, beherrschte mittels der Sonnentransmitter Teile des Leerraums zwischen den Nachbargalaxien Milchstraße und Andromeda. Die Erschaffung dieser empfindungsfähigen Roboter war die letzte Tat der Liduuri kurz vor ihrem Exodus gewesen. Obwohl das so nicht ganz stimmte, korrigierte sich Deringhouse sofort. Es war die Tat eines Einzelnen gewesen, eines liduurischen Forschers namens Dorain di Cardelah, wie die Menschen in Erfahrung gebracht hatten. Und so unglaublich diese Vorstellung letzten Endes war – Perry Rhodan war diesem Mann erst vor Kurzem in der Vergangenheit persönlich begegnet.
Und wir hätten Perry beinahe an die Vergangenheit verloren! Deringhouse schüttelte den Gedanken ab und gab dem Piloten der CREST, Captain Mirin Trelkot, ein aufforderndes Handzeichen.
»Traktorkopplung mit der LI-KONNOSLON etabliert und stabil«, sagte Trelkot bestätigend. »Vektorautorität auf CREST übertragen. Beschleunige Schiffsverbund Richtung Zentrum. Eintauchkoordinaten liegen an.«
Deringhouse fragte sich, wie ein außenstehender Beobachter den Anflug der beiden so unterschiedlichen Raumschiffe auf das Transmissionsfeld wohl erleben würde. Was genau geschah, entzog sich nach Ansicht des Kommandanten nämlich weiterhin jeglicher wissenschaftlichen Erklärung, auch wenn Professor Ephraim Oxley wenig überzeugend das Gegenteil behauptete. Denn wie die Sonnen – über die Steinernen Städte auf den Justierungsplaneten – gesteuert wurden, wusste niemand. Blähten sich die Sonnen auf, wenn das zu transportierende Objekt den Ereignishorizont des schwarzen Auges erreichte? Löste sich das einfliegende Schiff vor den Augen des Betrachters langsam auf – oder verschwand es einfach von einem Moment zum anderen? Was geschah, wenn es geschah?
Deringhouse blinzelte vor Aufregung. Deshalb verpasste er den entscheidenden Augenblick.
Übergangslos erfüllten drei Sterne anstelle der beiden Sonnen das Holo. Die Hauptpositronik analysierte die Oberflächentemperaturen und erzeugte ein Falschfarbenbild. Drei exakt identische, grünlich leuchtende Sonnen, in einem perfekt gleichseitigen Dreieck zueinander angeordnet, hatten den Platz der gelben Zwillingssonnen eingenommen.
Deringhouse stieß den angehaltenen Atem aus. Er erkannte das künstlich geschaffene Sonnensystem wieder.
Ohne merkbare Begleiterscheinungen, ohne Entzerrungsschmerzen oder auch nur leichtes Unwohlsein hatten sie die unglaubliche Distanz von rund 150.000 Lichtjahren überbrückt. Mittels einer Technik, die auch nach 50.000 Jahren immer noch funktionierte.
Mir gehen allmählich die Superlative aus, dachte Deringhouse. Diese ganze Reise ist eine einzige Aneinanderreihung von Unglaublichkeiten.
Trotz aller Widrigkeiten – sie hatten Greengate erreicht. Die Hälfte der gewaltigen Entfernung, bewältigt binnen eines Atemzugs.
Ich brauche dringend ein neues Wort. »Unglaublich« lässt sich einfach nicht mehr steigern.
»Kontakt zur hiesigen Steinstadt hergestellt«, verkündete Eschkol kurz darauf. »Umpolung erfolgt laut Kennungsdaten binnen zwei Stunden.«
»Sie haben es alle gehört«, wandte sich Rhodan direkt an die Besatzungen beider Schiffe. »Die nächste Etappe unseres Rückwegs erfolgt in hundertzwanzig Minuten.«
Von der Mutantenlounge näherte sich jemand in einer roten Lederkluft und trat neben den Kommandanten.
»Was kann ich für Sie tun, Empona?«, fragte Deringhouse die Submatriarchin der Leerfischer. Die Mehandorfrau befand sich als Gast an Bord der CREST, seit sie von Pharaduat aufgebrochen waren. Zusammen mit vier Sippenangehörigen, die sich irgendwo die Zeit vertrieben.
»Ich habe von dem Wald erfahren, den Sie an Bord haben«, sagte Empona. »Wenn ich darf, würde ich ihm während der Wartezeit gerne einen Besuch abstatten. Wir Leerfischer haben etwas in der Art auch auf der LI-KONNOSLON – ein Habitat für lange Reisen. Vielleicht ähnlich dem Ihrigen. Ich würde gern einen Vergleich anstellen, wenn es Ihnen recht ist.«
»Von mir aus gern«, gestattete Deringhouse ein wenig verwundert. »Möchten Sie eine fachmännische Begleitung haben? Einen Biologen vielleicht?«
»Eine fachfrauliche Leibwächterin, wenn überhaupt«, erwiderte sie humorlos. Sie warf den Kopf mit der über der Stirn herabhängenden Haarsträhne spöttisch zurück. Für einen Sekundenbruchteil entblößte sie so die darunter verborgene Narbe, die ihre linke Gesichtshälfte ober- und unterhalb ihres Auges prägte. »Aber nur, falls Ihr Wald ein Urwald ist und darin reißhungrige Bestien lauern.«
»Es ist ein Erholungswald«, korrigierte Deringhouse irritiert, der mehr auf Rhodan achtete als auf die Frau in der roten Lederkluft.
»Danke. Dann rufe ich meine Leute dazu.«
»Gehen Sie nur, und amüsieren Sie sich. Am See ist es besonders schön.« Er sah auf. »Perry? Hast du noch einen Moment?«
Er ließ die Mehandor stehen und bat Rhodan mit einem Kopfnicken in die nun verwaiste Mutantenlounge.
Die beiden Männer setzten sich. Rhodan musterte ihn mit einem Stirnrunzeln. »Was ist los, Conrad?«
»Ich mache mir Sorgen um die Mannschaft, Perry. Mir liegen Berichte vor, die mir dazu Anlass geben.« Per Blicksteuerung aktivierte Deringhouse ein akustisches Abschirmfeld um sie herum.
»Leerraumstress?« Rhodan kannte also den neu geprägten Fachbegriff ebenfalls. Damit bezeichneten die Bordpsychologen seit Kurzem die verschiedenen Angstsymptome, die aus dem Bewusstsein heraus entstehen konnten, in den endlosen Weiten des Leeraums ohne Aussicht auf Rückkehr verloren zu sein. »Das dürfte ja jetzt massiv zurückgehen, nehme ich mal an.«
Deringhouse nickte erst; dann allerdings winkte er verneinend ab. »Nicht nur. Es ist die körperliche und psychische Gesamtbelastung, die seit März permanent auf meinen Leuten liegt. Erst die Gefechte im Taktissystem mit den Maahks, dann die Diagonalroute ohne Begleitflotte bis Hamtar Rhag Nar Rhug. Dort hat die Gefangennahme durch die P'Kong viele bis an den Rand ihrer Kräfte getrieben. Die meisten erhofften sich eine anschließende Rückkehr zur Erde, planten schon ihren Genesungsaufenthalt oder zumindest ihren Heimaturlaub, das Wiedersehen mit ihren Familien und Freunden.
Als uns der Sonnentransmitter stattdessen in die entgegengesetzte Richtung weit in den Leerraum zwischen Milchstraße und Andromeda katapultierte, war das schon jenseits der Grenze des Erträglichen. Die ersten Zusammenstöße mit den Posbis waren ja noch real, waren etwas, an denen sich Gefühle wie Treue, Loyalität, Mut, aber auch die verschiedenen Fähigkeiten abarbeiten und beweisen konnten. Das gab den Leuten, so verrückt das klingen mag, wieder etwas Auftrieb. Aber die Begegnung mit der entführten Crew der BRONCO – zu sehen, nein, zu erleben, was aus ihren Kameraden geworden war: gequälte Kreaturen und zugleich fremdgesteuerte, mit Implantaten vollgestopfte Geschöpfe, die zunehmend selbst zu seelenlosen Robotern wurden –, das war den meisten zu viel, Perry! Das Entsetzen, das die Überlebenden der LEPARD mit auf die CREST brachten, will ich nur am Rande erwähnen.«
Deringhouse holte kurz Luft, bevor er fortfuhr: »Nun, wir haben das alles überlebt, haben es irgendwie und zur Verwunderung aller überstanden. Aber jetzt, wo es endlich nach Hause gehen könnte, heim zur Erde, da ist eben nicht die Erde unser Ziel, sondern Arkon. Und jeder im Schiff ist sich der ungeheuren Gefahr bewusst, die dort entweder noch lauert oder schon entfesselt ist. Was ich sagen will: Du ziehst mit einer Mannschaft in den Krieg, die längst müde ist, Perry. Sie folgen dir, weil du es von ihnen verlangst. Aber sie wollen nicht wirklich dorthin. Es gibt kaum jemanden an Bord, der nicht während der Besatzungszeit Freunde oder Angehörige im Widerstandskampf gegen Arkon verloren hat. Auch wenn das über zehn Jahre her ist, die Narben sind noch vorhanden. Und jetzt sollen sie ihr Leben ausgerechnet für jene aufs Spiel setzen, die diese Wunden einst aufgerissen haben?
Natürlich kennen alle die Zusammenhänge, können deine und meine Beweggründe nachvollziehen. Thora und Crest sind beliebt, Atlan ist ein charismatischer Mann, den viele bewundern, und unsere Leute verstehen deren Sorgen. Jeder an Bord sieht die Notwendigkeit ein, den Maahks Einhalt zu gebieten, aber ... die Mannschaft kann bald nicht mehr. Die Leute brauchen dringend Zeit und Gelegenheit, das Erlebte zu verarbeiten. Sie sind erschöpft, und das solltest du bei allen deinen künftigen Entscheidungen mit berücksichtigen.«
Deringhouse hielt inne. Am Ende waren die Worte nur so aus ihm herausgesprudelt, während Rhodan dagesessen und zugehört und hier und da stumm genickt hatte.
»Conrad, ich bin mir all dessen zwar bewusst«, antwortete Rhodan langsam. »Aber ich erkenne dank deiner mahnenden Worte, dass das wohl nicht ausreicht. Es zu wissen, genügt nicht. Ich muss es unseren Leuten auch zu verstehen geben. Das habe ich verabsäumt. Danke, dass du mich daran erinnerst.«
Rhodan stand auf und streckte Deringhouse die Hand entgegen. »Ich sage es hier und heute und zunächst dir, und ich bitte darum, dass du mich eifrig zitierst: Auch ich sehne mich nach Hause. Aber das eine ist der Wunsch, das andere ist die Notwendigkeit. Arkon braucht jetzt unsere Hilfe.«
»Gib der Mannschaft eine Perspektive«, bat Deringhouse. »Etwas, an dem unsere Leute sich aufrichten können. Niemand glaubt hier wirklich, eine einzelne Transformkanone könne hunderttausend Kampfraumer der Maahks aufhalten!«
Zwei Stunden später erfolgte der geplante Durchgang durch den Greengate-Sonnentransmitter. Das Empfangssystem war Trapeza, so genannt wegen der vier zu einem Trapez angeordneten Sterne, zwei gelbe Normalsonnen und zwei Weiße Zwerge.
Perry Rhodan trat wieder vor die Kameras. »Meine Damen und Herren, hiermit haben wir im kosmischen Sinne wieder heimische Gefilde erreicht. Wir befinden uns ab sofort wieder im Schwerefeld der Milchstraße, genauer gesagt im Sternhaufen Hamtar Rhag Nar Rhug, rund sechstausend Lichtjahre von Arkon entfernt. Die restliche Distanz bis Thantur-Lok werden wir ebenfalls mit einem Sonnentransmitterdurchgang zurücklegen. Zuvor aber verabschieden wir uns von unseren Begleitern, der Besatzung der LI-KONNOSLON. Ab hier trennen sich unsere Wege.«
Er ging zu der wieder in die Zentrale zurückgekehrten Submatriarchin hinüber und reichte ihr die Hand. »Empona, ich wünsche Ihnen und Ihren Leuten eine einträgliche Ausbeute an den Ihnen zur Verfügung gestellten Koordinaten. Die Hinterlassenschaften der Fabrik, die ich vor Jahren dort fand, dürfte Sie für alle Strapazen entschädigen. Und manche der damals von mir entdeckten Robotkomponenten sind durchaus mit denen der Posbis vergleichbar. Machen Sie das Beste daraus. Nehmen Sie meinen Dank für die Rettung meiner Leute entgegen. Ihnen allen eine glückliche und reichhaltige Heimreise. Meine Empfehlung an Ihre Matriarchin. Es war mir eine Ehre, die Leerfischer an unserer Seite zu wissen.«
Empona nahm die dargebotene Hand. »Leben Sie wohl, Protektor. Und nehmen Sie meinen Rat, wenn nicht als Gegengeschenk, so doch als ernst gemeinten Hinweis mit auf Ihren Weg: Soi Gondusgor okonlun Arkondor. – Nur Narren vertrauen den Arkoniden. Vergessen Sie das nie, Mensch!«
Damit drehte sie sich um und ging im Gefolge ihrer vier Begleiter aus der Zentrale. Die drei anwesenden Arkoniden, Thora, Crest und Atlan, würdigte sie keines Blicks.
Zehn Minuten später waren die Mehandor zurück auf dem Leerfischerschiff. Fast im selben Augenblick, als drüben die Schleusentore zuglitten, setzte sich die LI-KONNOSLON in Bewegung. Die Instrumente der CREST maßen die größtmögliche Beschleunigung an. Etwa fünfzehn Minuten später erreichte das Raumschiff die Sprunggeschwindigkeit und verschwand in einer Transition.
»Ein tränenreicher Abschied war das nicht gerade«, bemerkte Deringhouse. »Ehrlich gesagt, bin ich froh, dass sie weg sind.«
»Auch wenn sie keine Freunde wurden – sie haben uns Eric Leyden und sein Team zurückgebracht«, erinnerte ihn Rhodan.
»Nur weil es am Ende satten Profit versprach«, meldete sich Atlan zu Wort. »Sie sind Erpresser, Technojäger und Waffenhändler. Opportunisten reinsten Wassers, das sollten wir nie vergessen. Ich will mir gar nicht ausmalen, wie viel gewisse Mehandor allein in den zurückliegenden Jahren an Arkons Rüstung verdient haben. Diese Fabrik, die du ihnen geschenkt hast ... Werden sie dort Waffen vorfinden?«
»Wahrscheinlich. Aber darunter sind weder Transform- noch Konverterkanonen.«
»Das wäre auch das Letzte, was ich mir in der Hand dieser mehr oder weniger kriminellen Sippe wünsche.«
»Diesen Krieg werden wir ohnehin nicht mit Kanonen gewinnen können. Wir sind vielmehr aufgefordert ... Was ist?« Rhodan blickte auf ein hektisch blinkendes Holosignal, das zwischen ihnen erschienen war.
Deringhouse nahm die Meldung entgegen. Kurz darauf ließ er sich in seinen Kontursitz sinken. »Wiederholen Sie das«, sagte er und hob die akustische Absperrung auf.
Atlan und Rhodan traten näher, auch der Aulore Tuire Sitareh wurde aufmerksam und gesellte sich hinzu.
»Sir, es hat einen Toten gegeben«, drang eine knarzige Stimme aus dem Kommunikationsholo. Es zeigte das Gesicht eines schon älteren Mannes. Eine abgegriffene Baseballkappe bedeckte kurzes, braunes Haar. Deringhouse konnte sich nicht erinnern, schon mal mit diesem Besatzungsmitglied zusammengetroffen zu sein.
»Wer spricht?«, fragte Rhodan prompt, dem es wohl ebenso erging.
»Leutnant Pete Roofpitter, Sir«, hörten sie. »Bordpolizei. Der Tote ist ein Doktor Larry Cheng, Abteilung Exo-IT.«
»Hat es einen Unfall gegeben?« Rhodans Frage galt sowohl Deringhouse als auch dem Bordpolizisten. Deringhouse schüttelte den Kopf. Genau deshalb hatte er den Polizeileutnant aufgefordert, das Gesagte zu wiederholen.
2.
CREST, 3. Juli 2049
Endstation
Übergangslos erschien ein Kommunikationsholo über seiner Konsole. Gleichzeitig begann es, enervierend zu summen. Der Mann mit der blauen Baseballkappe knurrte etwas Unwirsches in seinen Dreitagebart. Er warf einen mürrischen Blick auf das Chronometer über der Tür und korrigierte sich im Stillen: Viertagebart. Der 3. Juli 2049 war schon seit Stunden angebrochen. Er hatte es nicht mitbekommen.
Pete Roofpitter, Militärpolizeileutnant und Chef der Bordpolizei der CREST, überlegte, ob er eingenickt war. Auszuschließen war das nicht. Nicht während der Nachtschicht, und schon gar nicht bei der antihektischen Betriebsamkeit, die in seiner Dienststelle herrschte. Den letzten Besucher hatte Roofpitter vor ereignislosen drei Tagen gesehen – einen dieser verrückten Wissenschaftler. Er hatte nach seiner Katze gesucht. Seitdem hatten nur Servoroboter den Staub gesaugt.
Das Summen des eingehenden Kom-Anrufs ignorierte Roofpitter beharrlich.
Er liebte die Nachtschichten. Da konnte er seinen Gedanken nachhängen und ging zugleich lästigen Gesprächen mit seinen Kollegen aus dem Weg gehen. Sie hatten einander ohnehin längst alles Erwähnenswerte gesagt – die fünf Polizisten unter seinem Kommando langweilten sich vermutlich ebenso wie er. Sie teilten sich die drei Schichten in Zweierteams, wobei Roofpitter oft von seiner Kommandogewalt Gebrauch machte und seine Schichtkollegin, Ella Paradise, zurück in ihre Kabine zum Schönheitsschlaf schickte. Wie auch in dieser Nacht.
So war er allein und konnte ungestört mit seinem Schicksal hadern. Oder lesen, wenn ihn die Langeweile überkam. Schlachtanalysen hauptsächlich: Alexander, Hannibal, Gaius Julius Caesar, aber auch Nelson, Grant, Lee, Custer. Am ergiebigsten empfand er den Zweiten Weltkrieg: Hier waren nahezu alle Schlachten gut dokumentiert. Das so gewonnene Wissen bildete die Basis für sein absurdes Hobby – er entwickelte in seiner Freizeit alternative Vorgehensweisen, modifizierte die Schlachtpläne, suchte und fand Auswege aus verfahrenen Situationen, ersann abweichende Strategien und übertrug sie in positronische Simulationen.
Eine Beschäftigung, der er sich seit Wochen ausgiebig hingab. Genau genommen, seit er an Bord gekommen war.
Von der Stelle auf der CREST hatte er sich weit mehr erhofft. Inzwischen machte er sich keine Illusionen mehr: Mit seinen sechsundfünfzig Jahren hatte er das Ende seiner Laufbahn bald erreicht, es würde keine weitere Herausforderung und keinen höheren Dienstgrad mehr für ihn geben. Vielleicht durfte er noch Strafzettel ausstellen in einem dieser aus dem Wüstenboden schießenden Vororte von Terrania, mehr war für ihn vermutlich nicht mehr drin – dumm gelaufen.
Sinnierend betrachtete er das geleerte Glas in seiner Hand. Es hatte diesen neuen synthetischen Nichtalkohol enthalten. Das Zeug sah aus wie Whisky, roch wie Whisky, schmeckte auch entfernt so, aber es hatte die berauschende Wirkung von Apfelsaft, dem man untersagt hatte, zu gären.
Roofpitter verzog angewidert das Gesicht. Sein Spiegelbild in der halbtransparenten Trennwand tat es ihm nach. Angeblich wies er mit seiner Körpergröße von einem Meter neunzig und seinem dichten Schnauzbart eine gewisse Ähnlichkeit mit einem längst verstorbenen amerikanischen Schauspieler auf; sinnigerweise jemand, der zeitlebens fast ausschließlich Detektive und Polizisten gemimt hatte, irgendwo auf Tahiti oder so. Dabei hatte Roofpitter sein Aussehen vielmehr von einem seiner Vorfahren geerbt, und der war tatsächlich Polizist gewesen, sogar ein ziemlich hohes Tier im LAPD.
Für Roofpitter aber war hier Schluss. Endstation CREST. Genau so musste man das realistischerweise sehen. Die rund 1500 Personen, die gegenwärtig die Besatzung des Protektorenschiffs bildeten, stellten von der Kopfzahl her nicht mehr dar als eine dieser verschlafenen Kleinstädte irgendwo in den Rocky Mountains. Zu wenig, als dass sie in irgendeiner Form hätten kriminalstatistisch auffällig werden können. Der Dienstbetrieb auf diesem größten Raumschiff der Terranischen Flotte war zudem bestens organisiert und entsprach damit keineswegs dem normalen Leben in einer typischen Kleinstadt mit deren Sorgen und Nöten – und kriminellen Problemlösungen.
»Seien wir ehrlich«, brummte Roofpitter bitter. »Niemand braucht uns hier.«