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Nachdem der Astronaut Perry Rhodan im Jahr 2036 auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff entdeckt hat, einigt sich die Menschheit – es beginnt eine Zeit des Friedens. Doch 2049 tauchen beim Jupiter fremde Raumschiffe auf. Es sind Maahks, und sie planen einen Krieg gegen das Imperium der Arkoniden. Als später 100.000 Kampfraumschiffe der Maahks das Arkonsystem verheeren, können Perry Rhodan und die Menschen nur hilflos zusehen. Nach der fürchterlichen Schlacht schickt Rhodan Kundschafter aus, die den Angreifern nachspüren. Auch der Wissenschaftler Eric Leyden und seine Begleiter sind mit diesem Auftrag unterwegs. Sie wollen über ein uraltes Transmitternetz zur Erde vorstoßen und ihre Bewohner warnen. Doch sie stranden in unbekannten Welten – und suchen einen Ausweg aus der Kaverne des Janus ...
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Seitenzahl: 219
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Band 124
Kaverne des Janus
Susan Schwartz
Nachdem der Astronaut Perry Rhodan im Jahr 2036 auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff entdeckt hat, einigt sich die Menschheit – es beginnt eine Zeit des Friedens. Doch 2049 tauchen beim Jupiter fremde Raumschiffe auf. Es sind Maahks, und sie planen einen Krieg gegen das Imperium der Arkoniden.
Als später 100.000 Kampfraumschiffe der Maahks das Arkonsystem verheeren, können Perry Rhodan und die Menschen nur hilflos zusehen. Nach der fürchterlichen Schlacht schickt Rhodan Kundschafter aus, die den Angreifern nachspüren.
Auch der Wissenschaftler Eric Leyden und seine Begleiter sind mit diesem Auftrag unterwegs. Sie wollen über ein uraltes Transmitternetz zur Erde vorstoßen und ihre Bewohner warnen. Doch sie stranden in unbekannten Welten – und suchen einen Ausweg aus der Kaverne des Janus ...
1.
Die lebenden Wasser
6. Juli 2049
»Also, das sieht wirklich nicht gut aus«, bemerkte Abha Prajapati.
Luan Perparim, deren Nerven blank lagen, schrie ihn an: »Das haben wir alle verstanden, du brauchst es nicht zum tausendsten Mal zu wiederholen!«
Ihre Stimme wurde vom Rauschen des Regens verzerrt, der von der Decke herabfiel. Korrektur: durch die Decke herabfiel.
Das Wasser kam nicht gleichmäßig, da es sich durch das poröse Gestein kämpfen musste, durch Ritzen und Risse, Spalten und Löcher. Zum Teil waren es große Einzeltropfen, zum Teil reihten sie sich aneinander wie Bindfäden. An einigen Stellen prasselten sogar Wasserfälle, deren Sprühgischt bis zu den Kletterern herüberwehte.
Der grünlich leuchtende Ozean unter ihnen toste in aufgebrachten Wirbeln, als könne er den Zustrom von oben kaum mehr erwarten. Immer wieder bäumten sich Wellen auf und schlugen gegen die Turminsel, einen Stalagmiten, der etwa fünfzehn Meter aus dem Wasser ragte. Er befand sich exakt unter dem Pyramidenende, das nun seiner Spitze beraubt war.
Eric Leydens Team war am Ende seiner Kräfte. Durch die hiesigen Abschirmungsfelder waren, ähnlich wie seinerzeit auf Taui, die Anzugsysteme meistenteils ausgefallen. Daher mussten sich die vier Menschen allen Anforderungen aus eigener Kraft stellen – hier einer skurrilen »Gegenwelt«. In der Gigantkaverne des Planeten Janus war die Liduuripyramide »kopfunter« errichtet worden. Statt also wie üblich hinaufzusteigen, hatten die Forscher sich abseilen müssen, nachdem sie einen Weg durch eine an dieser Stelle nur zwei Kilometer dicke Planetenkruste hatten suchen müssen – um in einen gewaltigen Hohlraum des Planeteninnern zu gelangen.
Messungen hatten ergeben, dass ganz Janus von solchen Kavernen durchzogen war wie das löchrige Innere eines Schwamms, gestützt von mächtigen, teils Dutzende Kilometer dicken Säulenkämmen. Und das war noch nicht alles. Unterhalb der Pyramidenspitze breitete sich ein riesiger Süßwasserozean aus.
Dessen Spiegel stieg durch die nun von oben hereinströmenden Wassermassen rasant an. In diesem tosenden Chaos zu überleben, war ausgeschlossen, selbst wenn die Anzüge funktioniert hätten. Es gab nur einen Weg hinaus. Die Menschen mussten so schnell wie möglich aus dieser unterplanetaren Umgebung zurück an die Oberfläche. Droben mussten sie hoffen, dass ihre Anzugsysteme wieder funktionierten, bevor sich in wenigen Stunden auch dort alles veränderte. Statt mit überbordendem Leben bedeckt zu sein, würde sich der Planet in eine lebensfeindliche Hölle verwandeln. Das Zurückfluten des Wassers war nur der erste Vorbote.
Aber daran wollten sie im Augenblick nicht denken. Sie mussten zurück. Sofort.
»Beruhigt euch!«, forderte Eric, der das mehrere Kilo schwere Pyramidion in seinem Rucksack verstaut und diesen doppelt gesichert hatte. Für ihn machte dies die Kletterpartie noch anstrengender. »Wir sind schnell hier runtergekommen, gesichert ist bereits alles, wir müssen also nur dem Herweg wieder zurück folgen!«
»Aber nach oben!«, rief Belle McGraw. »Ich habe als Geologin zwar schon einiges an unwegsamem Gelände bewältigen müssen, und ich kenne mich auch im Klettern aus, aber ich bin absolut nicht im Training!«
»Also ich bin im Training«, stieß Abha hervor, während er sich nach oben zog, einen Karabiner aushakte, ihn über sich im Anker wieder einhakte, mit einer Hand nach Halt suchte, ein Bein nachzog, dann das andere und schließlich das nächste Stück aufwärts bewältigt hatte. »Aber das ist etwas anderes, dazu braucht man wirklich Übung, die hierfür benötigten Muskeln gut ausgebildet und das richtige Know-how.«
Luan schwieg seit ihrem Anschnauzer und kämpfte sich verbissen weiter nach oben. Genau wie Abha war auch sie sportlich aktiv und hielt viel von Fitness. Seit sie mit Eric unterwegs war, hatte sie ebenso wie die anderen gegen vielfältige Gefahren, aber auch körperliche Herausforderungen antreten müssen. Deshalb war das gesamte Team gestählter und ausdauernder als vormals.
Diese Herausforderung indessen war neu und übertraf alles, was Luan bisher hatte durchmachen müssen. Neben der körperlichen Anstrengung kam noch die Angst vor dem Ertrinken hinzu. Ihre aufsteigende Panik war instinktiv und kaum zu kontrollieren. Doch gerade nun kam es darauf an, möglichst gleichmäßig zu atmen und immer wieder innezuhalten, um einer Übersäuerung der Muskeln vorzubeugen.
Die Pyramide war von der Basis bis zur Spitze nur 146 Meter tief – hoch konnte man hier kaum sagen –, doch sie hatten bedeutend mehr Weg vor sich, weil sie nicht senkrecht hinaufklettern konnten. Die Forscher mussten eine Schrägseite nehmen, woraufhin es ein Stück – genau gesagt, mindestens 1800 Meter – unterhalb der Decke, zwischen Stalaktiten hindurch, entlangging, bis sie den nächsten Krustenriss erreichten, um durch diesen weitere zwei Kilometer nach oben zurücklegen zu müssen.
Das alles in der Ungewissheit, ob die Wege trotz des einströmenden Wassers überhaupt noch passierbar waren.
Luan konnte Abhas Klagen deshalb gut verstehen, doch sie waren kontraproduktiv und zogen die Stimmung nur weiter herunter. Zweifellos wäre extremer Optimismus genauso falsch gewesen. Aber dazu war keiner aufgelegt. Luan war beinahe erstaunt, dass nicht einmal Belle und Abha mehr ihre gewohnten Kabbeleien hatten. Auch auf Eric, der sie wieder einmal in eine solche Lage gebracht hatte, schimpfte zurzeit keiner der beiden.
Am besten war es, sie kletterten alle ruhig weiter, ungeachtet dessen, was um sie herum passierte. Nur so hatten sie einigermaßen eine Chance, heil oben anzukommen. Doch das war leichter gesagt als getan.
Das Rauschen des Wassers verstärkte sich, und es kamen immer mehr Fontänen und sprudelnde Fluten durch die Öffnungen im Gestein. Auch das grünliche Licht wurde intensiver und verstärkte die gespenstischen Ausblicke.
Luan zuckte zusammen, als irgendwo ein faustgroßes Loch aufbrach und dicht neben ihr ein armdicker Wasserstrahl in den Ozean rauschte. Sie wich zur Seite und beobachtete teils fasziniert, teils erschauernd den unaufhörlich strömenden Fluss. Innerhalb der Flut glaubte sie, Schemen und Bewegungen auszumachen – Fauna und Flora, die sich nach der Zeitrafferentwicklung während der zweiundsiebzig Stunden Phoberus-Sichtbarkeit wieder zurückziehen mussten. Diese Lebensformen hier wurden allerdings eher mitgerissen und schienen, den Bewegungen nach zu urteilen, nicht damit einverstanden zu sein.
Die Exolinguistin konnte gerade noch einen Schrei unterdrücken, als plötzlich ein wurmartiges Tier mit Flossen durch den Wasserstrom brach und sich heftig windend durch die Luft kämpfen wollte. Obwohl Janus nur eine Schwerkraft von 0,9 Gravos hatte, reichte die Bewegung des Tiers nicht aus, um sich in der Luft zu halten. Während es stürzte, riss es das zähnestarrende Maul auf und schnappte anscheinend wütend in alle Richtungen – vielleicht suchte es auch nur nach einem Halt, um den Sturz zu stoppen.
Luan presste sich an die Wand, das Tier verfehlte sie nur um Haaresbreite, und sie hörte trotz der unterschiedlich klingenden Wassertöne ein scharfes Klicken. Dann war es schon vorbei.
In einem Gedankenblitz sah Luan sich selbst, wie sie dem Tier hinterherstürzte, verschlungen wurde von den tobenden Gewässern dort unten, um die sechzig Meter unter ihr. Fast war es ein verlockender Gedanke, der zusehends an Bedeutung gewann, je intensiver sie nach unten blickte. Alles in ihr begann sich zu drehen, zu kreisen, passte sich den Strudeln an, drehte abwechselnd links und rechts. Wie wäre das, alles hinter sich zu lassen? Sich einfach ausklinken, die Sicherung lösen, fallen lassen. Hinunter, hinab. Sie brauchte sich ums Ertrinken vermutlich keine Gedanken zu machen, denn aus dieser Höhe würde ihr Körper trotz Schutzanzug, aber ohne Antigrav und Prallfeld, ohnehin zerschmettert.
Oder auch nicht, denn einer der Strudel wirkte auf einmal besonders einladend, er schien sogar seine Rotationsgeschwindigkeit zu verlangsamen und eine Art ... Bett für sie zu formen, um Luan aufzufangen. Das war sehr nett.
Diesmal schrie Luan, als sie plötzlich angerempelt wurde, und jemand brüllte sie an. Es dauerte eine Weile, bis sie ihre Benommenheit abgeschüttelt hatte und die Worte verstand.
»Luan! He, Luan, komm zu dir! Ich bin es, Eric!«
»Eric!«, rief sie. »Scheiße, ich ... Verdammt ...« Endlich gelang es ihr, den Blick von dem kreisenden Strudel dort unten loszureißen. Sie blinzelte den Astrophysiker verstört an. »Beinahe hätte ich mich hinuntergestürzt ...«
»Das ist mir nicht entgangen«, versetzte er. »Los, weiter, wir haben schon genug Zeit verloren. Die Welt wird nicht schöner, während wir warten.«
Schweigend arbeiteten sie sich einige Etappen nach oben. Abha und Belle waren voraus, auch sie hatten sich mittlerweile ganz der Routine verschrieben, Hand vor Hand, Fuß vor Fuß. Ausklinken, hoch, einhaken, steigen, und dasselbe von vorn. Wie am Fließband, stets der gleiche Handgriff, dieselbe Abfolge, ohne nachzudenken, der Körper wusste schon, was er tat.
Weitere Schleusen brachen auf und ergossen das Wasser nach unten. Der Ozeanspiegel stieg und stieg, der Stalagmit war bereits in den Fluten verschwunden. So schnell die Menschen auch kletterten, der Abstand verringerte sich zusehends. Horrorvisionen machten sich breit, wie das Wasser sie einholte, immer weiter nach oben spülte und zuletzt gegen die Kavernendecke drückte, um sie dann durchs Gestein nach oben ins Zeitrafferleben zu pressen. Wie es seit Äonen mit Flora und Fauna geschah.
Ob künstlich hervorgerufen oder nicht – die Lebensformen von Janus waren diesem Rhythmus angepasst. Die Menschen nicht. Letztere lebten zum einen sehr viel länger, zum anderen waren sie keine Mollusken oder andere Weichtiere, sondern sie besaßen ein hartes Endoskelett, das aus Kalzium, Eisen, Magnesium und anderen Mineralien bestand.
Die Weichtiere von Janus konnten vermutlich ihr Exoskelett abwerfen, bevor sie zusammen mit dem Wasser oder auch im Trockenen durch die Spalten und Ritzen drangen, um dann möglicherweise bis zur nächsten Vitalphase im Dörrzustand auszuharren. Die Menschen hingegen würden zerquetscht und zerrieben werden, ohne in eine neue Phase treten zu können. Keine angenehme Vorstellung.
»Hurtig, hurtig!«, rief Abha. »Mir ist da gerade etwas eingefallen.«
»Nicht nur dir«, brummte Eric. »Wir alle dürften denselben Gedanken gehabt haben.«
»Was würden wir nur ohne Zeitdruck machen! Uns langweilen und Däumchen drehen. Am Ende sogar noch knutschen.«
Na endlich lief Abha zur Höchstform auf, und diesmal war Luan ihm dankbar. Denn damit blieb sie bei ihren Gefährten und schweifte nicht wieder ab zu dem saugenden Nichts dort unten, das sie nicht freigeben wollte, sondern permanent ihren Blick einforderte, um ihn erneut zu bannen. Um sie hinunterzuziehen, einzusaugen und zu verschlingen.
So kannte sie sich gar nicht, und es verstörte sie. Nicht dran denken, auch nicht daran, was für einen weiten Weg du noch vor dir hast. Du hast keine Wahl.
Da sah sie etwas Dunkles über ihr vorbeihuschen, und Belle schrie auf.
*
Belle McGraw war fest entschlossen, kein Gejammer von sich zu geben. Sie wollte auch nicht die Letzte sein, die hinauskletterte, sich keuchend und schnaufend hinterherkämpfte, nur um zu sehen, wie der Abstand immer größer wurde. Am Ende würde sie aufgeben, ihr Körper würde rundheraus erklären, es nicht mehr weiterzuschaffen. Deshalb musste sie voraus, damit sie nicht entmutigt wurde oder versuchte, über sich selbst hinauszuwachsen. Die anderen mochten vorerst schneller sein als sie, aber auch deren Kräfte würden irgendwann nachlassen.
Eine Stimme unterbrach ihre Gedanken. »Du legst ein ganz schönes Tempo vor«, stellte Abha fest. Keiner seiner üblichen Scherze; er schätzte die Situation sicher genauso ein wie sie.
»Das liegt daran, dass ich die Theorie gut verinnerlicht habe«, antwortete sie, dankbar für den Zuspruch. »Mein Gedächtnis hat übernommen und steuert meinen Körper.«
Da sich bedeutende geologische Funde nicht immer auf dem Silbertablett servierten, gehörte die Bewältigung unwegsamen Geländes zum Grundstudium dazu. Das hatte Belle ganz zu Beginn, bevor sie in den Teufelskreis des Kampfes mit ihrem Körpergewicht geraten war, keinerlei Schwierigkeiten bereitet. Sie hatte mit Feuereifer die Theorie in die Praxis umgesetzt. Deshalb wusste sie, dass sie diese Situation bewältigen konnte. Und es half ihr auch, dass sie darin den Teamgefährten etwas voraus hatte. Die anderen mochten körperlich besser drauf sein als sie, aber sie hatten keine Klettererfahrung – und somit auf ihre Weise ebenso Schwierigkeiten wie Belle. Die Muskeln und Sehnen gerade in Händen und Füßen mussten sich an die Erfordernisse erst anpassen. Zum ersten Mal also waren alle ziemlich gleichauf.
»Das kommt davon, wenn man sich zu sehr auf Technik verlässt«, fügte sie schwach lächelnd hinzu.
»Das wäre auch zu einfach«, kam es von Abha zurück.
Sie trugen Anzüge, die für fast alles taugten; besonders bei diesem Abenteuer hätten sie den Einsatz normalerweise in einem Bruchteil der Zeit bewältigen können. Aber natürlich gab es immer einen Haken, und die Liduuri hatten ein Faible dafür, Hindernisse in den Weg zu legen. Sie machten sich offenbar einen Spaß aus Geheimnissen und Rätselspielen.
Eric fuhr voll drauf ab, das konnte man nicht anders sagen. Je mehr Hinterlassenschaften der Liduuri er auf die Spur kam, desto verbissener und fanatischer schien er zu werden.
Diesmal allerdings hatte er sich mit seinem hirnrissigen Plan – den er zuvor nicht in allen Einzelheiten präsentiert hatte, weil er fraglos schon gewusst hatte, dass seine Gefährten ihn für verrückt erklären würden – selbst übertroffen.
Das Problem war – Eric Leyden hatte das Team schon von Anfang an in die Bredouille gebracht. Und trotzdem machten sie alle weiter. Ohne ihn hätten die anderen drei sicherlich längst aufgegeben. Mit Eric aber blieben sie entschlossen, weiterzumachen.
Weil wir, und das darf nicht vergessen werden, nun einmal alle Wissenschaftler sind. Wir haben uns der Forschung verschrieben – und die größte überhaupt mögliche Chance erhalten. Damit werden wir Geschichte schreiben und in den Lehrbüchern stehen. Und genau deshalb werden wir es auch diesmal wieder schaffen!
Belle nickte sich selbst bekräftigend zu und war dabei, das Seil im nächsten Anker einzuhaken. Vor wenigen Augenblicken war in ein paar Metern Entfernung eine neue Wasserfontäne aus dem Gestein gebrochen. Luan hatte es beinahe erwischt, wohingegen Belle nur den Sprühnebel abbekommen hatte, der sich in einem feinen Film auf der Sichtscheibe ihres Helms absetzte.
Dann war dieses merkwürdige kleine Tier aus dem Wasser aufgetaucht. Auch davon hatte die Geologin sich nicht ablenken lassen.
Doch nun schoss plötzlich etwas anderes aus der Fontäne hervor, zwei oder drei Meter über ihr, und kam geradewegs auf sie zu.
2.
Die CREST im Snarfsystem
7. Juli 2049
Perry Rhodan wanderte im Besprechungsraum auf und ab. Er war allein, deswegen gestattete er sich für einen kurzen Moment diese Unruhe, das Unvermögen, still zu stehen.
Sie hatten die Space-Disk gefunden. Ein stellenweise stark beschädigtes Wrack, mit jedoch weitgehend intaktem Innenbereich – Spuren der Insassen hatte es aber keine gegeben, weder verletzt noch tot. Ein winziger Hoffnungsschimmer, dass Thora und Crest noch lebten.
Rhodan wollte sich nicht ausmalen, was seine Frau und sein Schwiegervater durchgemacht hatten. Beide waren im Brennpunkt der Schlacht um Arkon gewesen, als Agaior Thoton seinen Hauptschlag gegen das Imperium geführt und seine »Antrittsrede« als »leuchtender Retter« gehalten hatte.
Warum nur hatten sie sich direkt in den Hexenkessel begeben? Und sich nicht als Beobachter am Rand aufgehalten? Hatten sie vorgehabt, während der Schlacht näher an den Kriegsherrn zu kommen?
Thora hatte sehr persönliche Motive, Agaior Thoton zu jagen; einer davon war die Entführung ihres Sohns Thomas. Umso mehr, da der Maghan'athor und sie ein kleines Stück gemeinsame Vergangenheit besaßen. Als Perry und Thora sich vor Sorge um Tom fast aufgerieben hatten, nachdem der Name des Entführers bekannt geworden war, hatte Thora ihrem Mann in einer verzweifelten Minute anvertraut, dass sie Thoton bereits kannte. Nicht gut, es war nicht mehr als eine kurze Begegnung gewesen – trotzdem prägend.
Sieben Jahre vor der Havarie auf Luna waren Thora und Thoton einander auf der Freihandelswelt Geesen begegnet. Thotons Charme hatte Thora weich gemacht, sie hatte ihn als attraktiv empfunden, war zu dem Zeitpunkt ohne Beziehung und auch ein wenig einsam gewesen. Also waren sie miteinander ausgegangen, hatten einen fröhlichen Abend verbracht, und zum Abschied hatte sie ihn geküsst.
Für Thoton hatte das mehr bedeutet, für Thora hingegen nicht. »Ich habe nichts gespürt«, hatte sie Rhodan erzählt. »Außer ... Kälte. Eine schöne Schale ohne Herz. Ich konnte das keinesfalls vertiefen.«
Thoton hingegen schien doch irgendwo ein Herz zu haben, denn er schenkte es Thora; an diesem Abend, nach diesem Kuss, hatte er sie ganz besitzen wollen und ihr einen Antrag gemacht.
Thora hatte ihn abgewiesen.
»Dann ist es Rache?«, hatte Rhodan damals vermutet. War das ein Motiv für die Entführung von Thoras Sohn?
Thora hatte hart gelacht. »Niemals«, hatte sie geantwortet. »Seine Ziele sind ganz andere. Über persönliche Herzensangelegenheiten ist er längst erhaben.«
Damit hatte sie recht behalten. Thotons Ziele waren viel höher gesteckt. Dafür aber entwickelte Thora einen Hass gegen ihn – für das, was er ihr und ihrem Sohn angetan hatte, und vor allem, weil viele Menschen den Tod gefunden hatten, als sie Tom befreiten.
Herauszufinden, dass Thoton als Maghan'athor auftrat und das arkonidische Imperium an die Maahks verriet, dass er die Maahks benutzte, um sich zum neuen Herrscher aufzuschwingen – das hatte ob der früheren Begegnung und Beinahe-Beziehung sowie der jüngsten Ereignisse tiefe negative Emotionen in der stolzen Arkonidin hervorgerufen.
Perry Rhodan machte sich Vorwürfe, nicht sorgsamer auf das Verhalten seiner Frau geachtet zu haben. Wenn er rechtzeitig bemerkt hätte, was sie und Crest vorhatten, hätte er vielleicht verhindern können, dass sie ohne Unterredung verschwanden, um auf die Jagd zu gehen. Um Agaior Thoton das Handwerk zu legen. Zu zweit! Einer der beiden war alt und geschwächt, und Thora ... war schwanger.
Das bedrückte Rhodan am meisten. Eigentlich hatten Thora und er dieser Tage öffentlich machen wollen, dass sie ihr zweites Kind erwarteten, so unpassend der Zeitpunkt auch sein mochte. Aber wann war er schon passend bei Leuten in ihrer Position? Tom hatte es als Erster erfahren sollen, und sie hatten gerade geplant, mit ihm zu reden.
Stattdessen hatte der Protektor seinem Sohn erklären müssen, dass seine Mutter zu einer geheimen Mission aufgebrochen – und dabei vielleicht sogar umgekommen war.
Inzwischen wussten sie immerhin, dass sie nur verschollen war, was dennoch alles bedeuten konnte: Sie war an einem anderen Ort gestorben. Sie war verletzt. Sie war gerettet worden und würde bald zurückkehren. Oder sie war entführt und gefangen genommen worden.
Rhodan richtete ein Gebet ans Universum, dass Crest und vor allem Thora mit dem Ungeborenen wohlauf waren. Selbst wenn sie Gefangene wären, fände sich in jedem Fall ein Weg, sie zu befreien.
Ach, was dachte er da? Selbst wenn ... – natürlich waren sie das! Hätte jemand sie gerettet, wären sie längst wohlbehalten zurück an Bord. Die Möglichkeit des Todes wies Rhodan von sich. Die beiden Arkoniden hatten sich nicht mehr an Bord der Space-Disk befunden, und wo sonst hätten sie sterben sollen? Sie waren entführt worden, daran klammerte er sich fest. Von wem und zu welchem Zweck, das herauszufinden, war der nächste Schritt nach dem Auffinden der Spur.
Und die würden sie finden. Es gab immer eine Spur.
Rhodans Gedanken rasten, die strategischen Überlegungen überschlugen sich fast. Untätig herumzusitzen, machte ihn halb verrückt. Er hatte seine Gefühle kaum mehr unter Kontrolle, weil es ihm nicht schnell genug ging. Das Einzige, was ihn einigermaßen beruhigte, war Thoras Erfahrung. Sie war zudem klug, gewitzt und sehr kämpferisch. Ihr starker Wille war nicht so leicht zu brechen.
Wahrscheinlich sollte ich mir eher um ihre Entführer Sorgen machen, machte Rhodan für sich selbst einen Witz, um sich aufzuheitern, doch das wollte kaum gelingen. Ihm ging Thoras Notruf, ihr letztes Lebenszeichen vor dem Verschwinden, nicht aus dem Kopf.
»... spricht Thora ... Crest ist ... müssen sofort ... treffen ... Snarfsystem ... um den Fortbestand ... Imperiums ... weiß nicht, was ... Hilfe ...«
Der einzig verwertbare Hinweis war das Snarfsystem gewesen, der Schauplatz einer Schlacht zwischen Maahks und Arkoniden. Leider hatten die Menschen wertvolle Zeit dadurch verloren, dass sie vor der Transition dorthin die CREST erst hatten geeignet abschotten müssen, um jeglicher Schadsoftware der Maahks den Zugang in die Positroniksysteme an Bord zu versperren. Bei aller Ungeduld und Sorge setzte Rhodans Verstand niemals aus. Ein blindes, gedankenloses Vorstürmen kam nicht infrage.
Leider hatte sich auch Agaior Thoton bisher als eiskalter Logiker erwiesen, der sein Vorgehen minutiös plante. Er war stets um mehrere Schritte voraus, seine Vorgehensweise konnte nicht berechnet werden, weil es zu wenige Anhaltspunkte gab.
Insofern empfand Rhodan den überstürzten Aufbruch seiner Frau und ihres Ziehvaters als unbedacht. Milde ausgedrückt. Doch es lag nicht in seiner Natur, sich zu viele Gedanken über Unabänderliches zu machen, sondern er richtete vielmehr das Augenmerk nach vorn, um weiteren Schaden zu verhindern oder Gefahren abzuwenden.
Allmählich wurde er ruhiger. Es war gut, dass er etwas früher und vor allen anderen hierhergekommen war, um seine Gedanken zu ordnen und sich zu sammeln. Anderswo hätte er sich nicht so sehr Luft machen können – auch wenn es nicht mehr als ein Rennen im Kreis gewesen war. Denn möglicherweise hätte Tom ihn entdeckt, und der Junge brauchte nun Stabilität und Sicherheit, um darauf zu vertrauen, dass Hoffnung bestand und seine Mutter genauso befreit werden konnte wie einst er selbst.
Rhodan sah auf die Uhr; noch etwa fünf Minuten bis zur angesetzten Besprechung. Also rief er in der Zentrale an. »Conrad ... Ich weiß, die Frage ist überflüssig, weil du mich längst in Kenntnis gesetzt hättest, dennoch wollte ich mich nach dem aktuellen Stand erkundigen.«
Das kleine Tischholo zeigte einen aufmunternd lächelnden Schiffskommandanten. »Ich habe mich schon gewundert, dass du dich nicht viel früher gemeldet hast. Nach der Besprechung hätte ich dich ohnehin angerufen. Wir sind nach wie vor im gesamten Snarfsystem unterwegs und untersuchen alle Spuren und Hinweise, was auch immer uns ungewöhnlich vorkommt, und sei es ein Flohhusten in einem Vulkan.«
»Doch bisher ohne Ergebnis ...«
»Ohne relevantes Ergebnis. Die Spurensuche bringt zwar das eine oder andere, das vielleicht verwertbar ist, doch daraus können wir leider noch nicht die Geschehnisse herleiten.«
»Hierbei kann vielleicht ich helfen.« Eine dritte Stimme.
Rhodan wandte sich um. Die Tür glitt leise zurück. Professor Ephraim Oxley hatte offenbar vor wenigen Sekunden den Raum betreten und dabei die letzten Worte mitbekommen. Der schwergewichtige Hyperphysiker steuerte einen Sessel beim Tisch an und ließ sich darin nieder. Langsam strich er sich durch den gepflegten Schnauzbart, dann über den Kahlkopf.
»Professor Oxley, mein Pulsschlag hat sich soeben erheblich erhöht«, äußerte Rhodan ungeduldig, während er sich ebenfalls setzte. Er kannte Oxleys kapriziöse Vorliebe für effektvolle Auftritte zur Genüge.
In diesem Moment traf Atlan ein und setzte sich nach einem kurzen Grußaustausch Oxley gegenüber.
»Wenn Sie gestatten, fange ich gleich an«, schlug der Professor vor. Einer Einleitung bedurfte es nicht, sie wussten alle, warum sie hier waren. Er wies auf das weiterhin aktivierte Tischholo. »Kommandant Deringhouse wird sich auch dafür interessieren.«
»Legen Sie los«, forderte Rhodan ihn knapp auf. Der Privatmann in ihm war vollständig gewichen; er zeigte nun wieder die erforderliche nüchterne Haltung, wie sie vom Protektor der Terranischen Union erwartet wurde.
Oxley richtete den Blick auf das Holo. »Ich nehme an, es hat sich nichts an der Vermutung geändert, dass Thora und Crest an Bord eines unbekannten Raumschiffs verbracht wurden, welches das System mit unbekanntem Ziel verlassen hat?«
»Korrekt«, bestätigte Deringhouse. »Wir haben bisher nichts gefunden, das einen anderen Schluss zulässt.«
»Welchen Grund auch immer dieses geheimnisvolle Schiff hatte, sich hier aufzuhalten, es ist in jedem Fall von einiger Bedeutung«, fuhr Oxley fort. »Kein Maahkraumer, kein arkonidisches Schiff. Deshalb sollten wir die Spur in jedem Fall aufnehmen, selbst wenn wir Thora und Crest vorher finden sollten.«
»Was ich für unwahrscheinlich halte«, warf Atlan ein.
»Dem stimme ich zu«, sagte Rhodan.
Der Professor winkte ab. »Solange wir keine Beweise haben, ist alles nur Spekulation. Dieses Schiff aber ... ist real. Und weil es genau zu diesem Zeitpunkt hier gewesen ist, müssen wir davon ausgehen, dass es etwas mit der Schlacht zu tun hat. Mein Interesse wurde vor allem durch die exotische Hyperstrahlung geweckt, mit der ich mich ausführlich beschäftigt habe.« Oxley hob die Hände. »Man möge mir den in Bezug auf den Weltraum falschen, aber in der Sache dennoch zutreffenden Ausdruck verzeihen. Das Schiff hinterlässt mit dieser unverwechselbaren Strahlung eine Duftspur. Eine Hyper-Duftspur. Es ist nicht einfach verschwunden. Wir können seinen Flug verfolgen.«
»Bis ...«, setzte Perry an, wurde jedoch unterbrochen.
»Ich war noch nicht fertig, Mister Rhodan. Genau aus dem Grund treffen wir uns ja, und nun nehme ich Bezug auf meine Worte zu Beginn. Ich kann diese Hyper-Duftspur auch nach einer Transition weiterverfolgen.«
Rhodan setzte sich auf. Atlan hob eine Augenbraue. Aus dem Holo drang ein überraschter Laut.
Oxley sonnte sich in dieser Aufmerksamkeit. »Nun, irgendwie muss ich ja meinen Ruf, ein Genie zu sein, verteidigen.« Er grinste kurz. »Meine Programme sind immer noch dabei, die vorliegenden Daten zu analysieren. Ich bin aber sicher, dass ich in der nächsten Stunde, höchstens zwei, zumindest einen groben Kursvektor und die zurückgelegte Entfernung des großen Unbekannten bestimmen kann.«
»Dann nichts wie hinterher!«, erscholl Conrads Stimme.
Rhodan nickte grübelnd. »Das wäre ein großer Schritt vorwärts – und erhöht unsere Chancen erheblich.«
»Stets zu Diensten, Protektor.« Oxley erhob sich. »Damit entschuldige ich mich auch schon wieder, ich habe zu tun. Je schneller das Ergebnis eintrifft, umso schneller können wir los.« Er ging zur Tür und drehte sich noch einmal kurz um. »Wenn Sie einverstanden sind, werde ich Tom zu mir ins Labor holen. Dann ist der Junge abgelenkt, er findet solche Sachen immer recht spannend. Das sollte ihn auch nicht zu sehr erschrecken oder aufregen, da es eine recht abstrakte Spurensuche ist. Wie eine Detektivarbeit.«
»Sehr gute Idee«, stimmte Rhodan erleichtert zu. »Vielen Dank, Professor.«
»Ich klinke mich ebenfalls aus«, sagte Deringhouse. »Auch auf mich wartet eine Menge Arbeit. Wir sprechen uns später, Perry.«
Das Holo erlosch, und der Protektor wandte sich dem Arkoniden zu.
»Wir waren auch nicht untätig«, eröffnete Atlan. »Zusammen mit deinen IT-Experten habe ich nach einem Weg gesucht, um die Maahkwürmer loszuwerden.«
Fünfzigtausend Kampfschiffe der Arkoniden waren auf einen Schlag matt gesetzt, fünftausend davon sogar zerstört worden. Im Grunde war ihr Kampf gegen die Maahks schon beendet gewesen, bevor die Schlacht richtig begonnen hatte. Atlan hatte sich in den vergangenen Stunden darauf konzentriert, einen Weg zu finden, um die Raumer zumindest manövrierfähig zu machen. Dann könnten sie abziehen, die Wunden lecken und wieder aufrüsten – für den Gegenschlag.
»Dann habt ihr eine Lösung gefunden?«, fragte Rhodan hoffnungsvoll.