Perry Rhodan Neo 16: Finale für Ferrol - Christian Montillon - E-Book + Hörbuch

Perry Rhodan Neo 16: Finale für Ferrol E-Book und Hörbuch

Christian Montillon

4,3

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Beschreibung

Im August 2036 brechen Perry Rhodan und seine Gefährten zum ersten interstellaren Flug der Menschheit auf - doch dieser führt ins Chaos eines Krieges. Die Menschen erreichen das System der blauen Riesensonne Wega, wo die echsenartigen Topsider die Welten der Ferronen angreifen. Rhodans Raumschiff wird abgeschossen, seine Mannschaft getrennt. Für Rhodan und seine Gefährten beginnt ein erbitterter Kampf ums Überleben - und er scheint aussichtslos: Die Topsider sind absolut überlegen. Schließlich sieht Rhodan nur noch eine letzte Chance: Er gibt sich als der "Lichtbringer" der ferronischen Überlieferung aus und stößt in das Flaggschiff der Invasoren vor. Auf der Erde droht in der Zwischenzeit der Konflikt zwischen den beutegierigen Fantan und den Menschen zu eskalieren - in einen Krieg, den die Menschheit nur verlieren kann. Die einzige Hoffnung: ein uraltes arkonidisches Raumschiff, das auf dem Grund des Atlantiks liegt ...

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Zeit:5 Std. 50 min

Sprecher:Axel Gottschick
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Band 16

Finale für Ferrol

von Christian Montillon

Im August 2036 brechen Perry Rhodan und seine Gefährten zum ersten interstellaren Flug der Menschheit auf – doch dieser führt ins Chaos eines Krieges. Die Menschen erreichen das System der blauen Riesensonne Wega, wo die echsenartigen Topsider die Welten der Ferronen angreifen. Rhodans Raumschiff wird abgeschossen, seine Mannschaft getrennt.

Für Rhodan und seine Gefährten beginnt ein erbitterter Kampf ums Überleben – und er scheint aussichtslos: Die Topsider sind absolut überlegen. Schließlich sieht Rhodan nur noch eine letzte Chance: Er gibt sich als der »Lichtbringer« der ferronischen Überlieferung aus und stößt in das Flaggschiff der Invasoren vor.

»Das Muster der Sterne ist gefrorene Musik.«

Der erste Thort, als er zum letzten Mal in den Himmel sah.

Prolog

Feuerlicht

Der Funke, der zündete, war winzig, aber er wuchs an. Im nahezu selben Augenblick glich er einer Streichholzflamme und weniger als einen Lidschlag später der Lohe eines Flammenwerfers.

Damit endete es nicht. Natürlich nicht. Iwan Goratschin wusste, dass die Macht seiner Psi-Gabe viel weiter ging.

Genau wie damals.

Der Feuerball blähte sich auf. Die mörderische Hitze schmolz den Sand, und nicht nur das. Wesen, die eben noch lebten, verpufften und starben, ohne es auch nur zu merken. Sie wurden bis zuletzt betrogen: Ihren Gehirnen blieb keine Zeit, das eigene Ende zu fühlen, ehe sie sich in atomare Fetzen auflösten.

Alles wiederholte sich. Iwan hatte schon einmal zerstört und vernichtet, ohne es eigentlich zu wollen, und danach hatte ihm das Leben nur eine kurze Zeit des Friedens gegönnt. Frieden, dem er so sehr nachjagte und von dem er geglaubt hatte, ihn bei Ishy Matsu zu finden. Aber das Leben riss ihn zurück, zwang ihn erneut an denselben grausamen Punkt.

»Now, I am become Death, the destroyer of worlds.« – »Jetzt bin ich der Tod geworden, der Zerstörer der Welten.« Der Physiker J. Robert Oppenheimer, der Mann, der als der Vater der Atombombe galt, hatte diese Worte aus dem Bhagavadgita, einer zentralen heiligen Schrift des Hinduismus, zitiert, als er zum ersten Mal die Zündung einer Atomwaffe erlebte und die Folgen beobachtete.

Eine schreckliche, entsetzliche Erkenntnis; und doch war Oppenheimer nie der Tod selbst gewesen, hatte diesem höchstens den Weg geebnet, indem er die Grundlagen für den Bau der Atombombe lieferte. Anders als Iwan Goratschin. Er war der Tod. Die Macht, Feuer zu entfachen, die Atome zu zerreißen und eine verheerende Explosion auszulösen, steckte in ihm. In seinem Gehirn. In seiner ... Gabe.

Ihm blieb keine andere Wahl. Er musste es tun. Nur dass er dieses Mal den Weg der Vernichtung freiwillig einschlug. Kein Clifford Monterny zwang ihn mit der Macht seines eigenen entarteten Geistes dazu. Es gab keinen Mutanten, der Iwan als sein Werkzeug missbrauchte.

»Ishy«, flüsterte Goratschin. »Ich bin der Tod.«

Die Worte lösten sich kaum hörbar über seine Lippen, und doch weckten sie ihn auf.

In seiner Halsschlagader pochte das Blut schmerzhaft, und das Rauschen in den Ohren schien lauter als ein Wasserfall mitten im Zimmer. Es dauerte ein wenig, bis sein Blick das verschwommene Etwas an der Wand scharfstellen konnte: Die Projektion des Weckers zeigte ihm, dass es 2:09 Uhr war in der Nacht vom 5. auf den 6. August 2036.

Das Neonblau der Digitalanzeige tauchte den Raum in fahles, geisterhaftes Licht. In der Dunkelheit tanzte noch immer die Hölle der atomaren Explosion, die Iwan Goratschin im Schlaf gesehen hatte. Er konnte die Bilder nicht vertreiben, denn sie waren viel mehr als nur ein Traum gewesen. Nur noch wenige Stunden, und sie würden in die Realität überwechseln.

Iwan blinzelte und versuchte die Visionen zu verscheuchen. Es gelang erst, als er einen scharfen Schmerz fühlte. Seine Zähne hatten sich in die Zungenspitze gebohrt. Es schmeckte metallisch. Ein Tropfen Blut rann über die Lippen und das Kinn.

Ishy lag neben ihm, die Arme zur Seite gestreckt, das dunkle Haar hing ihr halb übers Gesicht; jeder Atemzug ließ eine kleine Strähne vor den Lippen tanzen. Tagsüber trug sie es meistens zu einem Zopf gebunden. Sie lag auf dem Bauch, die Decke bis zur Hüfte hinabgerutscht.

Iwan schaute dem Spiel der Haare vor dem Mund zu. Es war unglaublich beruhigend. So friedlich.

Ganz anders als das, was sie in wenigen Stunden tun würden. Iwan, hatte sie gesagt, ehe sie einschlief, nackt in seinen Armen, du weißt, was wir tun müssen? Eine Träne hatte in ihrem Augenwinkel geglitzert.

Natürlich wusste er es. Ja, Ishy. Ich weiß es. Und ich danke dir. – Wofür? – Dass du sagst, wir müssen es tun, obwohl es ganz allein meine Sache ist.

»Ich bin der Tod, Ishy«, flüsterte er wieder.

Ihre Augenlider flatterten. Sie drehte sich um, noch halb im Schlaf gefangen. Aber hatte da nicht ein Lächeln auf ihren Lippen gelegen?

Er schloss die Augen. Die Bilder kehrten zurück: Die Feuerlohe, entfacht von dem Tod in seinem Kopf. Die atomare Explosion, die die Gobi in ein Inferno verwandelte. Schmelzender Sand und sterbende Lebewesen.

Doch aus dem Feuer trat eine Gestalt. Ishy streckte ihm die Arme entgegen. Sie lächelte.

Es war richtig. Er musste es tun. Letztlich hieß es, dass wenige starben, damit viele lebten. Damit es endlich ein Ende fand. Die Lage eskalierte überall auf der Erde. Als die Fantan die Golden Gate Bridge stahlen, war das Fass endgültig übergelaufen. Wie viele mochten dabei gestorben sein?

Er war Iwan Goratschin, und er musste es tun. Er tötete nur, um zu retten.

Die Toten in der Gobi, Fantan zumeist, auf der einen Seite ... gegen Frieden auf der Erde, ehe der merkwürdige Beutezug der Fremden alles mit sich in den Abgrund riss und endgültig Anarchie und Chaos ausbrachen. Ehe vielleicht die gesamte Menschheit ausgelöscht wurde.

Die Waage lieferte ein eindeutiges Ergebnis.

Die Frage war nur, ob nicht dennoch jedes einzelne Leben unendlich schwer wog.

1.

Letzte Hoffnung

Wega-System, an Bord der LAST HOPE

»Hier spricht Perry Rhodan. Ich bringe eine Botschaft für Genkt-Tarm, den Oberbefehlshaber der topsidischen Invasionsflotte. Sie lautet: Wir besitzen, was Sie suchen. Ich wiederhole: Wir besitzen, was Sie suchen ...«

Es waren mutige Worte gewesen.

Kühne Worte.

Vielleicht auch törichte Worte.

Denn er besaß nichts. Er wusste nicht einmal, ob zutraf, was er sich über die Hintergründe der Invasion der echsenartigen Topsider im Wega-System zusammengereimt hatte. Waren sie überhaupt in dieses Sonnensystem gekommen, um etwas zu suchen? Und wenn ja, was? Die Transmitter, jene geheimnisvolle Transporttechnologie, die die Ferronen nutzten, woher auch immer die Geräte ursprünglich stammen mochten?

Die Mannschaft der RUGR-KREHN zog die kleine LAST HOPE mit der Hilfe eines Traktorstrahls ins Innere des Raumgiganten. Es war ein grotesker Anblick: Die RUGR-KREHN war ein arkonidisches Schlachtschiff, von den Topsidern erbeutet. Eine stählerne Kugel mit einem Durchmesser von achthundert Metern. Die LAST HOPE mit ihrem Umfang von sechzig Metern wirkte wie ein Spielzeugmodell des Riesenraumers.

Im Ringwulst der RUGR-KREHN stand eine riesige Schleuse offen, wie ein Maul, das darauf wartete, sie zu verschlingen. Dahinter wallte Schwärze, dunkler noch als das All, in dem wenigstens die fernen Sterne für Licht – und Hoffnung – sorgten.

Thora hatte zuversichtliche Worte gefunden, hatte betont, dass Rhodans Bluff offenbar funktionierte – Genkt-Tarm oder andere hohe militärische Führer der Topsider schleusten die LAST HOPE ein.

Die Arkonidin sah es positiv. Er brachte weniger Optimismus auf, fragte sich, wozu man sie einschleuste? Um sie gefangen zu nehmen? Und sie zu verhören? Oder zu verhandeln? Zu hören, welche Lügen die Fremden vorbringen konnten? Oder um sie einfach zu erschießen und die LAST HOPE als Beute zu übernehmen?

»Wir werden uns vorbereiten«, sagte er. »Thora übernimmt die Führung. Ich stelle mich den Topsidern, während ...«

»Wir verstecken uns!« Thora lächelte, wie er es von ihr kannte, doch es verströmte nicht mehr die eisige Kälte wie noch vor Kurzem. »Tschubai, Sie springen mit uns an einen geeigneten Ort. Ich führe das Einsatzteam an – nicht umsonst kenne ich mich an Bord eines Arkonidenraumers besser aus als alle anderen. Die RUGR-KREHN mag von den Topsidern erobert und besetzt worden sein, aber sie ist nach wie vor ein Schiff meines Volkes. Und wir mögen es nicht, wenn uns etwas gestohlen wird.«

Sie schaute kurz jeden Einzelnen ihrer kleinen Gruppe an: den Teleporter Ras Tschubai, den Spähermutant Wuriu Sengu, der durch feste Materie sehen konnte, die beiden Ferronen Chaktor und Lossoshér; zuletzt sah sie Perry Rhodan in die Augen. »Notfalls weiß ich, wie man ein Schiff wie dieses von innen her zerstört. Und genau das werden wir gemeinsam vorbereiten, falls alle sonstigen Pläne scheitern.«

Er widersprach nicht. Natürlich nicht. Thora entwickelte exakt das, was richtig und notwendig war: Den alternativen Plan. Den ... Notausstieg, der den Gegnern einen empfindlichen Schlag versetzen würde, wenn Rhodans Vorhaben misslang. Wenn das nicht schon längst geschehen ist.

Was konnten sie schon ausrichten? Sie waren ein halbes Dutzend Verzweifelter, die von drei verschiedenen Planeten stammten. Tschubai und Kakuta würden dank ihrer Mutantengaben in der Lage sein, die Topsider zu überraschen. Aber weder er selbst noch Thora oder die beiden Ferronen vermochten vergleichbare Wunder zu bewirken. Schlimmer: Lossoshér, der alte Transmitterwächter, war am Ende seiner Kräfte. Die Invasion der Echsenwesen, die Enthüllungen des uralten, wahnsinnig gewordenen Arkoniden Kerlons über die Geschichte seines Volkes – dies alles setzte dem alten Mann zu. Er konnte sich kaum noch auf den Beinen halten. Chaktor, der ehemalige Raumfahrer, der aus einfachen Verhältnissen stammte, kümmerte sich um Lossoshér, sorgte dafür, dass er trank, sich trotz der Sorgen, die ihn nicht losließen, ausruhte. Der Anblick rührte Rhodan an. Chaktor hatte bislang kaum eine Gelegenheit ausgelassen, den aus der Elite stammenden, seiner Meinung nach verweichlichten Transmitterwächter seine Verachtung spüren zu lassen. Jetzt pflegte er ihn. Ein Zeichen für seine Menschlichkeit – und dafür, wie verzweifelt es um sie stand. Es ging dem Ende zu.

Rhodans Plan war der nackten Verzweiflung entsprungen, seiner Unfähigkeit, auch nur einen Augenblick dem Sterben im Wega-System tatenlos zuzusehen. Rhodan wollte sich stellen und mit den Topsidern sprechen, idealerweise ihrem Anführer Genkt-Tarm. Es galt, sie so lange aufzuhalten, wie seine Freunde benötigten, im Geheimen die Übernahme des Schiffes vorzubereiten. Diese Verzögerungstaktik sollte Thora und den anderen die Zeit verschaffen, zentrale Stellen der RUGR-KREHN auszuschalten und aus dem Verborgenen heraus in einem Blitzangriff die Gewalt über den Raumer an sich zu reißen. Das arkonidische Schlachtschiff war den topsidischen Einheiten haushoch überlegen. Gehörte es erst ihnen, konnten sie das Ende der Invasion erzwingen. Die bloße Drohung, die Waffen der RUGR-KREHN zu entfesseln, würde genügen.

Doch Rhodan gab sich keinen Illusionen hin. Thoras letzte Alternative war der beste Ausgang, den sie realistischerweise erhoffen konnten. Die RUGR-KREHN würde sich in einen Flammenball verwandeln, der jeden an Bord tötete.

Inmitten des Traktorstrahls verschwand die LAST HOPE im arkonidischen Schlachtschiff. Alle an Bord beobachteten es in einem Hologramm, das die Aufnahmen der Außenkameras zusammenrechnete und ein Bild erstellte, als könnten sie das Geschehen aus einiger Entfernung beobachten. Doch diese Gnade war ihnen nicht vergönnt; sie steckten buchstäblich mittendrin.

Die LAST HOPE tauchte in die Lichtlosigkeit ein wie in die Finsternis einer seit Anbeginn der Zeit versiegelten Höhle, in die nie ein Strahl der Sonne hineingefallen war. Oder wie in ein Schwarzes Loch, ging es Rhodan durch den Sinn, das im All alle Materie in sich hineinfrisst, sie verschlingt, um sie nie wieder herzugeben.

Es blieb nicht bei der umfassenden Dunkelheit. Als die LAST HOPE teilweise ins Innere des Hangars ragte, stellte sich dieser als weite, fast unangenehm grell erleuchtete Halle dar. Offenbar schützte ein lichtabsorbierendes Energiefeld die offen stehende Schleuse. Roboter und Topsider eilten als winzige Punkte am Boden entlang, klein wie Insekten, die ihrer Wege zogen, um sich Nahrung zu suchen.

Ich bin genau wie sie nur eine bedeutungslose Ameise oder ein Wurm, der sich mit seinen Lügen windet, ehe er unausweichlich zerquetscht wird.

Was tat er in diesen Augenblicken überhaupt? Ein Bluff? Das mochte passen, wenn er mit Reg zu Hause in Terrania saß und Poker spielte, aber wenn es um Hunderttausende oder Millionen Leben ging, um das Schicksal eines gesamten Sonnensystems? Wie hatte er sich diesen Irrsinn nur überlegen können? War das nicht Hybris, eine völlige Selbstüberschätzung, die zu einem grandiosen Scheitern führen musste?

Plötzlich stand Thora direkt neben ihm. »Nicht, Rhodan«, flüsterte sie ihm zu. Ihr Atem strich über seine Wange, hinterließ einen Hauch von Feuchtigkeit. »Sie dürfen nicht zweifeln. Nicht vor unseren Begleitern in diesem Raum und schon gar nicht vor den Topsidern, denen Sie bald gegenüberstehen. Fordern Sie! Zeigen Sie sich stark. Wenn Sie innerlich einbrechen, Rhodan, sind Sie tot. Dann sind wir alle tot. Wir brauchen Sie. Ich brauche Sie.«

Thora mochte kein Mensch sein und von einer Welt stammen, die von seiner Heimat unendlich weit entfernt lag, aber ihre Gegenwart tröstete Rhodan, und ihre Willenskraft verlieh ihm Mut. Als sie sich einen Schritt von ihm entfernen wollte, hielt er sie fest. Seine Hände umklammerten ihren Oberarm. Sie ließ es zu.

»Ich weiß«, flüsterte er zurück. »Und ich weiß auch, dass viel mehr auf dem Spiel steht als nur unser eigenes Schicksal.«

Sie tauschten einen kurzen Blick, der Mensch und die Arkonidin, und er fühlte sich von Thora so tief verstanden wie noch nie, seit sie sich auf dem irdischen Mond zum ersten Mal begegnet waren.

Geradezu befremdlich sanft setzte die LAST HOPE im Hangar der RUGR-KREHN auf.

»Ich beschreibe Ihnen eine Umgebung, Tschubai«, sagte Thora. »Ein Wartungsraum, wie er jenseits des Schleusenraums liegen muss.«

»Ich muss zweimal springen, um vier Personen zu transportieren.«

»Zuerst nehmen Sie Wuriu Sengu und mich mit«, bestimmte die Arkonidin. »Wir werden den Raum notfalls säubern und sichern. Sengu kann zudem durch die Außenwände sehen, ob sich jemand in der Nähe aufhält. In dieser Zeit holen Sie die beiden Chaktor und Lossoshér nach.« Sie streckte die Arme aus, damit die anderen den für einen gemeinsamen Teleportersprung notwendigen Körperkontakt herstellen konnten. »Also, wir haben keine Zeit zu verlieren.«

»Trker-Hon ... Weiser.« Genkt-Tarm, der Oberbefehlshaber der Invasion im Wega-System, betrat die Zelle, in die er Trker-Hon hatte abführen lassen. Ein schlichter Raum, viel zu kalt, als dass ein Topsider sich darin wohlfühlen könnte. Wahrscheinlich gab es in der ganzen RUGR-KREHN keinen unangenehmeren Ort, von der zentralen Recycling-Anlage sämtlicher Hygienezellen einmal abgesehen.

Der Gefangene saß am Boden, den Echsenschwanz zur Seite gelegt und eine Decke über dem Körper. Mit dem Rücken lehnte er gegen die kahle Wand. »Sie nennen mich einen Weisen? Einen, der geachtet sein sollte, weil er die sozialen Weisungen nicht nur kennt, sondern fähig ist, sie so zu interpretieren, dass sie im alltäglichen Leben angewendet werden können?«

Genkt-Tarm blieb vor dem anderen stehen. Am liebsten hätte er ihm die affektierte Klappe über dem linken Auge vom Kopf gerissen oder dafür gesorgt, dass er gänzlich blind durch den Rest seines Lebens ging. Verdient hätte der alte Topsider es gehabt. Trker-Hon hatte ihm getrotzt, in aller Öffentlichkeit, hatte Genkt-Tarm daran gehindert, den Thort der Ferronen zu erschießen, der sein Volk zum Aufstand gegen die Topsider aufgehetzt hatte. Es durfte nicht ungesühnt bleiben.

Aber alles hatte seine Zeit, und die Dinge hatten sich nun einmal geändert. Mittlerweile war Genkt-Tarm froh, dass der Thort noch lebte. Wer weiß, wozu ihm der Herrscher der Ferronen noch zu nütze sein würde? Der Oberbefehlshaber hatte ihn zusammen mit der seltsamen bleichen Frau, die sich Anne Sloane nannte, in einer anderen Zelle einsperren lassen. Er würde später darüber befinden, wie mit ihnen zu verfahren war.

»Warum sind Sie gekommen?«, fragte Trker-Hon. »Was hat Sie dazu gebracht, sich dazu herabzulassen, mich in meiner Zelle aufzusuchen?«

Genkt-Tarm reagierte nicht darauf. »Woher haben Sie die Decke?«

»Ich glaube nicht, dass Sie hier sind, um sich mit solchen Nichtigkeiten zu beschäftigen.« Trker-Hon strich sich über die Schuppenhaut seines Gesichts.

Ein sanftes, schabendes Geräusch hallte von den nackten, schmucklosen Metallwänden wider. Es weckte in Genkt-Tarm unwillkürlich die Assoziation an ein intimes Zusammensein mit einer Weiblichen nach getaner Arbeit; eine jene Topsiderinnen, wie es sie zu Dutzenden gab, wenn eine wichtige Mission wie diese erfolgreich abgeschlossen war. Sie boten sich ihm an, warteten nur darauf, dass er ausgerechnet sie erwählte. Manchmal konnte man glauben, sie wären nur Tiere.

»Nun?«, riss der Weise ihn aus seinen Gedanken.

»Überlassen Sie das Urteil mir, was ich als Nichtigkeit ansehe und was nicht.« Selbstverständlich war es eine Nichtigkeit, aber wenn er fragte, musste der andere antworten. Das war die Natur der Dinge. Er war nun einmal der Kommandant. »Denken Sie an die Rangfolge in diesem Schiff. Also – woher haben Sie diese Decke?«

Trker-Hon schob sie von seinem Körper. Die Decke blieb als zusammengeknülltes Etwas vor seinen Füßen liegen. »Einer der Wächter hat sie mir gegeben, ehe er mich hier eingeschlossen hat. Jemand, dem bewusst ist, was er einem Weisen schuldig ist.«

»Ich verstehe«, sagte Genkt-Tarm, und mit einem leichten Anflug von Scham ergänzte er: »Er hat gut gehandelt. Kommen wir nun zu wichtigeren Dingen.«

»Haben Sie über mein Schicksal befunden?« Seine Stimme klang gleichmütig, als interessiere ihn das Thema weniger als die Decke, über die sie zuvor gesprochen hatten.

»Noch nicht. Aber ich will Ihnen etwas zeigen.« Er zog ein kleines mobiles Abspielgerät aus einer Tasche seiner Uniform und drückte eine Sensortaste.

Eine Stimme ertönte – die eines Fremden, gesprochen vor wenigen Minuten auf einem Beiboot, das sie fast vernichtet hätten. Mit einem Augenblick Verzögerung baute sich ein holografisches Abbild auf, eine Gestalt, die den Ferronen sehr ähnelte, aber bleicher war als diese. Er erinnerte Genkt-Tarm an diese Anne Sloane, die sie zusammen mit dem Thort auf Pigell gefangen genommen hatten. »Hier spricht Perry Rhodan. Ich bringe eine Botschaft für Genkt-Tarm, den Oberbefehlshaber der topsidischen Invasionsflotte. Sie lautet: Wir besitzen, was Sie suchen. Ich wiederhole: Wir besitzen, was Sie suchen ...«

Trker-Hon verlor seinen Gleichmut. Er sah aus, als wären diese Worte für ihn ein Schlag ins Gesicht. »Dieses Wesen lügt!«

»So?«, fragte Genkt-Tarm. »Wieso sollte dieser Rhodan sich als der legendäre Lichtbringer der Ferronen ausgeben? Eine Lüge ergibt in seiner Situation nicht den geringsten Sinn. Er befindet sich an Bord eines Beiboots, das ich in diesen Augenblicken in den Hangar ziehen lasse. Meine Soldaten nehmen ihn in Empfang. Er ist chancenlos. Ihm muss klar sein, dass der sichere Tod ihn erwartet.« Satz für Satz fügte er wie automatisch hinzu und fragte sich, ob er mit diesem Redeschwall nur sich selbst überzeugen wollte. Denn er war unsicher, und seine Position erlaubte keine Unsicherheit.

Der Weise gewann sichtlich mühsam seine Fassung zurück. Ob er mehr wusste? Über diesen Fremden – oder über das, was sie suchten?

»Dieser Rhodan – wer immer er sein mag – wird von Verzweiflung getrieben«, behauptete Trker-Hon. »Und hat er nicht schon einen Erfolg errungen? Sie, Genkt-Tarm, hätten ohne diese Lüge sein Beiboot bereits zerstört. So ist es doch, nicht wahr?«

Genau so war es.

»Und er hat es schon geschafft, an Bord der RUGR-KREHN vorzudringen«, fuhr der Weise fort, mit bezwingender Logik. »Was, wenn er plant, das Schiff von innen heraus zu zerstören?«

»Es widerspricht jeder Vernunft. Er kann nicht entkommen.«

»Hat das die Ferronen gestört, die als Attentäter gegen unsere Truppen vorgingen und ebenso wussten, dass sie sterben werden?«

Der Oberbefehlshaber der Topsider peitschte mit dem Schwanz auf den Boden. »Er hat keine Chance, sich aus dem Beiboot zu schleichen!«

»Ich halte es ohnehin nicht für wahrscheinlich«, beschwichtigte Trker-Hon. »Ich wollte es nur erwähnen. Wir dürfen keine Möglichkeit außer Acht lassen.«

»Aber was, Weiser, wenn dieses Wesen doch nicht lügt? Was sagen die Fakten? Das Wega-System ist ein besonderer Ort. Deswegen sind wir hier. Dieser Perry Rhodan ist ebenfalls besonders. Er ähnelt einem Ferronen, aber er ist zu bleich und zu groß. Zwar gleicht er weitgehend einem Arkoniden, aber seine Haare passen nicht, und seine Augen genauso wenig. Vor allem nicht sein Auftreten. Kein Arkonide könnte Mut wie diesen und eine solche Entschlossenheit aufweisen. Was, wenn diese Legende des Lichtbringers keine Legende ist? Was denken Sie, Trker-Hon? Sie beschäftigen sich mit Legenden, nicht?«

»Rhodan ist nicht allein.« Trker-Hon ging nicht auf die Bemerkung Genkt-Tarms ein. »Wir sind mehrfach Wesen wie ihm begegnet. Und was ist mit dieser Arkonidin namens Thora? Wir haben bislang keine Erklärung für ihr Erscheinen gefunden.«

Genkt-Tarm gab ein spöttisches Zischeln von sich. »Ist es denn so abwegig zu glauben, dass Rhodans Worte der Wahrheit entsprechen? Wir werden keine Antworten finden, außer wir reden mit ihm. Thora ist uns entkommen – unter Umständen, die nach wie vor ungeklärt bleiben.«

»Warum sagen Sie mir das?« Trker-Hon stützte sich seitlich mit dem Echsenschwanz ab und schnellte in die Höhe.

Für eine winzige Zeitspanne, so lang wie ein einziges Schnappen der Nickhäute, glaubte Genkt-Tarm, der andere wolle ihn angreifen.

»Glauben Sie, ich wüsste nicht, dass Thora verschwunden ist?«, fuhr der Weise fort. »Ich habe dabei fast mein Leben verloren!«

»Unter ungeklärten Umständen, ja! Ist Ihre Erinnerung inzwischen zurückgekehrt?«

»Selbstverständlich nicht! Ich hätte Sie sofort informiert.«

»Kann ich mich darauf verlassen? Immerhin habe ich Sie einkerkern lassen.«

»Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun.«

So?, dachte Genkt-Tarm. Denkst du wirklich so nüchtern, Weiser? Kannst du so gut trennen? Diesen Zweifel artikulierte er jedoch nicht. »Sie haben recht. Ich musste Sie unter Arrest stellen, Trker-Hon, weil Sie in einer Notsituation meine Autorität angezweifelt und meinen Befehlen zuwidergehandelt haben.«

»Deswegen lebt der Thort der Ferronen noch, auch wenn es für sein Volk anders aussehen muss.« Der Weise schob seine Augenklappe zurecht; kurz konnte Genkt-Tarm einen Blick auf die leere Höhle darunter werfen. Eine schleimige Masse, vielleicht ein kühlendes Gel, verschmierte die Ränder. »Ich würde wieder genauso handeln.«

»Sie haben Mut, dass Sie mir das ins Angesicht sagen.«

»Zweifelten Sie an meinem Mut? Oder an meiner Aufrichtigkeit? Ich stehe für unser Volk ein, Genkt-Tarm, wenngleich auf andere Art als Sie. Ich gebe gern zu, dass wir ohne das Militär verloren wären – aber das Militär ... Sie ... sollten sich auch auf die Bedeutung der Weisen besinnen. Das Despotat ist nicht der Maßstab aller Dinge. Aber zurück zum Thema. Was werden Sie mit Rhodan tun?«

Der Soldat peitschte mit einem Schlag seines Schwanzes die Decke zur Seite. »Mein erster Gedanke war, ihn hinzurichten. Öffentlich, als ein Zeichen, das alle sehen. Ähnlich wie im Fall des Thort – nur dass ich mich dieses Mal nicht dabei stören lassen würde.«

»Aber?«

»Aber ich denke, ich sollte mich anders entscheiden. Gewiss, es wäre der Todesstoß für die Überlieferung der Ferronen, die in ihm den Lichtbringer sehen, der ihnen fast so viel törichte Hoffnung verleiht wie ihr jämmerlicher Thort!«

»Noch einmal: aber?«

»Es gibt einen Zweifel, tief in mir. Ich kann ihn nicht erklären. Ich will nicht voreilig handeln. Hinrichten können wir Rhodan jederzeit, wenn es uns beliebt.«

»Uns?«

»Mir«, verbesserte Genkt-Tarm automatisch. »Dennoch, ich bin zu Ihnen gekommen, weil ich Ihren Rat hören möchte.«

»Ich empfehle zweierlei«, sagte Trker-Hon. »Erstens – Rhodan kommt sicher nicht allein. Lassen Sie sein Schiff durchsuchen, wenn er sich stellt.«

»Sie glauben, er verbirgt ein Einsatzkommando?«

»Was zählt Glauben angesichts militärischer Präzision?«

Das gefiel Genkt-Tarm. Vielleicht wählte sein Gegenüber diese Worte nur, um sich einzuschmeicheln und sein Vertrauen zurückzugewinnen, doch das spielte keine Rolle. Solange sich der Weise unterordnete und den Platz einnahm, den die natürliche Rangfolge ihm zuwies, zählte er gerne auf seine Unterstützung.

»Mein zweiter Rat«, fuhr Trker-Hon fort, »lautet: Lassen Sie Ihre Truppen das Feuer einstellen. Rufen Sie einen vorübergehenden Waffenstillstand im gesamten System aus. Es verhält sich nicht anders als mit diesem Rhodan. Wir können die Ferronen jederzeit vernichten – aber wenn wir es nicht tun, ergeben sich womöglich überraschende neue Perspektiven.«

Der Oberbefehlshaber der Topsider schwieg, während er über diese Worte nachdachte. »Sie sind tatsächlich weise«, sagte er schließlich. »Ich werde Ihren Ratschlägen folgen.« Er wandte sich um und verließ die Zelle. Draußen drehte er sich noch einmal um. Trker-Hon stand nach wie vor bewegungslos vor der Zellenwand. »Worauf warten Sie, Weiser? Kommen Sie mit! Ihr Platz ist an meiner Seite. Treten wir diesem Rhodan gegenüber und schauen, was das Schicksal für ihn und uns bereithält.«

Er war allein.

Seine Gefährten hatten die LAST HOPE verlassen; Ras Tschubai hatte genau wie geplant zunächst Thora und Wuriu Sengu, dann die beiden Ferronen Chaktor und Lossoshér aus dem Beiboot teleportiert. Die beiden Ferronen würden ihr Versteck auf dem Schlachtschiff nicht verlassen. Mehr ließ der Zustand des alten Transmitterwächters nicht zu. Thora, Tschubai und Sengu würden derweil die RUGR-KREHN präparieren.

Er verließ das Schiff, das Wuriu Sengu nach der Zerstörung der GOOD HOPE mit einer Brise Galgenhumor von TOSOMA X auf LAST HOPE umgetauft hatte.

Vielleicht war all das reiner Irrsinn.

Vielleicht konnte er nur einen Fuß in den Hangar des arkonidischen Kriegsschiffes setzen, bis ihn ein Dutzend Strahlerschüsse durchbohrten.

Vielleicht lachten die Topsider unter ihrem Anführer Genkt-Tarm ihn wegen seiner offensichtlichen Lüge längst aus.

Womöglich ging sein Pokerspiel aber auch auf. Er war zu allem bereit, und er würde sich auf jede neue Situation einstellen, wenn ihm Gelegenheit dafür blieb.

Er fragte sich, ob es ein Fehler gewesen war, ihre Handlungen vorausberechnen zu wollen. Sie waren keine Menschen, mehr noch, sahen schon äußerlich fremder aus als alle Arkoniden und Ferronen zusammengenommen. Und doch waren sie ... intelligente Lebewesen. Persönlichkeiten. Individuen. Sie folgten Regeln, die sie Sätze der sozialen Weisung nannten und die von einer gewissen Ethik zeugten, mochte diese nun für menschliche Vorstellungen auf den ersten Blick verständlich sein oder nicht.

Niemand schoss auf ihn, als er im Hangar den Soldaten entgegenging, die ihn erwarteten. Immerhin.

Ein Topsider in einem schweren Kampfanzug trat auf ihn zu, eine Waffe in der Hand. »Wer befindet sich noch an Bord Ihres Beiboots außer Ihnen?«

»Niemand.« Das war nicht einmal gelogen.

»Sie wollen behaupten, dass Sie es allein gesteuert haben?«

Rhodan nickte; eine unwillkürliche Geste, die der andere sicher nicht zu deuten wusste. »Sie können die LAST HOPE gerne durchsuchen.«

Der folgende Laut, eine Mischung zwischen Zischeln und Bellen, stellte wohl eine Art Lachen dar. »Äußerst gnädig von Ihnen, Fremder!« Der Soldat gab einen Wink, und eine ganze Einheit stürmte das Schiff. »Und nun folgen Sie mir.«

Perry Rhodan fügte sich, und ihm entging nicht, dass der andere auf Nummer sicher ging. Nicht nur ein Trupp aus sechs weiteren topsidischen Soldaten in schweren Kampfanzügen folgte ihm in wenigen Metern Abstand, sondern es stampften auch drei Kampfroboter heran. Die grob humanoid geformten Modelle richteten breite Geschützmündungen auf ihn. Sie mussten arkonidischer Konstruktion sein.

»Wohin bringen Sie mich?«, fragte er.

Er rechnete damit, ignoriert zu werden, wurde jedoch eines Besseren belehrt. »Genkt-Tarm erwartet Sie in der Zentrale.«

»Ihr Anführer persönlich«, sagte Rhodan, um das Gespräch am Laufen zu halten. »Welchen Rang hat er vorher begleitet, als Chrekt-Orn noch der Oberbefehlshaber ...«