Persönlichkeitsanalyse für Hunde - Hanna David - E-Book

Persönlichkeitsanalyse für Hunde E-Book

Hanna David

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Beschreibung

Aus der Theorie in die Praxis: In diesem Ratgeber erklärt Hundetrainerin Hanna David die Big Five für Hunde – die fünf essenziellen Persönlichkeitsmerkmale – nicht nur theoretisch. Sie hilft Hundebesitzern auch dabei, den Charakter ihres Vierbeiners in der Praxis zu entschlüsseln und gibt wertvolle Handlungs- und Erziehungstipps, die zur Persönlichkeit des Hundes passen.

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Zu diesem Buch

Wenn du dieses Buch in den Händen hältst, bin ich mir sicher, dass wir eine Leidenschaft teilen: Hunde. Und da dieses Buch eine ganz bestimmte Antwort bereithält, glaube ich, ich kenne deine Frage: Wer ist dieses wunderbare Wesen mit den vier Pfoten, das dich von seinem Körbchen aus beobachtet? Vielleicht ging es dir irgendwann mal wie mir und du hattest deine eigene Vorstellung von dem Zusammenleben mit deinem Hund. Du hast dir vorgestellt, was ihr alles zusammen unternehmt, hast vielleicht schon Pläne gemacht, welche Spiele oder Sportarten du mit deinem Hund ausprobieren möchtest. Vielleicht hast du dich für einen Hund vom Züchter entschieden, um genau die Rasse – mit ihrem beschriebenen Wesen – zu bekommen, die zu dir passt. Vielleicht kam es auch anders und der Tierschutzhund aus dem Ausland hat sich, nur durch sein Bild, von der Website des Tierheims direkt in dein Herz katapultiert. Vielleicht hast du auch einfach einen Hund aus der privaten Vermittlung übernommen.

© Anna Auerbach/Kosmos

Zwei Hunde, ein Mensch – drei Persönlichkeiten.

„Erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt“

Wilhelm Busch (1832–1908)

NICHT WIE ERHOFFT

Wie auch immer der Vierbeiner zu deinen Füßen den Weg zu dir gefunden hat, vielleicht ging es dir irgendwann wie mir und du hast festgestellt, dass die ausgemalten Träume und Pläne mit diesem Hund nicht so ganz funktionieren wollen. Vielleicht lässt sich dein Hund nicht so einfach für Futter und Spielzeuge begeistern, sodass du manchmal ratlos neben den anderen Hundehaltern in der Hundeschule stehst, die minutenlang den Blick ihres Hundes einfangen können. Vielleicht schmeißt sich dein Hund nicht direkt in jede erdenklich erlernte Pose, wenn du ein Leckerli in der Hand hast. Vielleicht ist dein Hund nicht begeistert davon, wenn der Besuch kommt und ihn streicheln möchte und sucht bewusst den Abstand. Vielleicht braucht dein Hund lange Zeit, um sich an neue Situationen zu gewöhnen, zieht sich oft zurück oder ihm schlagen manche stressigen Momente förmlich „auf den Magen“. Oder dein Hund verhält sich anderen Hunden gegenüber nicht so, wie du es vom Familienhund von früher kennst: Vielleicht will er nicht mit jedem Hund „spielen“ und freut sich nicht, wenn er einen Artgenossen auf der anderen Straßenseite sieht. Vielleicht hat dein Tierschutzhund große Angst vor Autos oder Mülltonnen, die plötzlich auf der Straße stehen. Oder vielleicht sucht dein Hund auch einfach Abstand zu dir und es bricht dir das Herz, denn du wolltest doch einen Freund und nicht jemanden, der deine Nähe sogar meidet. Die möglichen Ursachen hinter diesen Verhaltensweisen (und vielen mehr) sind umfangreich, es können erlerntes Verhalten, schlechte oder mangelnde Gewöhnung, Fehler im Training oder natürlich schlechte Erfahrungen sein. Und es kann seine Wurzeln eben auch in der Persönlichkeit des Hundes haben.

DIE KOMPONENTEN DER PERSÖNLICHKEIT

Die Persönlichkeit oder das Wesen setzt sich – wie auch beim Menschen – aus verschiedenen Bestandteilen zusammen. Bestimmte Eigenschaften der Persönlichkeit werden zum Beispiel in den Rassen besonders gefördert – auch wenn die Rasse nach neuesten Erkenntnissen einen bei Weitem nicht so hohen Einfluss auf die Persönlichkeit hat, wie bisher vermutet (Morill et al., 2022). Trotzdem tauchen in den verschiedenen Rassebeschreibungen, beispielsweise des Labrador Retrievers, immer wieder Begriffe wie „gutmütig, geduldig, freundlich, aufgeschlossen, neugierig oder ausgeglichen“ auf. Diese Charaktermerkmale werden auch durch die Zuchtauswahl weitergegeben – nicht nur, weil die Persönlichkeit der Elterntiere zur Vererbung beiträgt, sondern auch, weil die Aufzucht und das Fürsorgeverhalten der Mutterhündin einen enormen Einfluss auf die Persönlichkeitsentwicklung der Welpen hat (Nitzschner, 2021). So kann sich durch die Zuchtauswahl über viele Generationen eine Persönlichkeitsentwicklung in eine bestimmte Richtung lenken lassen.

Nun gibt es aber nicht nur Zuchthunde, und auch bei solchen gibt es Ausnahmen, die dem Rasseprofil nicht eins zu eins entsprechen. Es gibt auch viele Mischlinge oder Hunde, die schon seit Jahrzehnten keiner Rasse mehr zuzuordnen sind (zum Beispiel Hunde, die seit vielen Generationen auf der Straße leben), was es für den Halter schwierig macht, im Vorhinein zu wissen, welche Wundertüte an Charaktereigenschaften enthalten ist.

Neben den genetischen bzw. vererbten Anteilen der Persönlichkeit spielen die gemachten Erfahrungen eine große Rolle bei der Ausbildung der Persönlichkeit. Eine neue Studie hat herausgefunden, dass es durchaus auch Ereignisse im Leben eines Menschen gibt, die die Persönlichkeit nachhaltig verändern, wenn nicht sogar auf den Kopf stellen. So können beispielsweise finanzielle Not, schwere Krankheit, Heirat und auch der Eintritt in die Rente bei den Betroffenen eine starke Veränderung der Persönlichkeit hervorrufen. Die Persönlichkeit unterliegt also einem dynamischen Prozess. So ist es auch bei Hunden. Auch sie können sich im Laufe ihres Lebens in ihrem Verhalten und ihrer Persönlichkeit verändern. Das kann aus verschiedenen Gründen passieren, wie zum Beispiel durch Erfahrungen, die sie machen, oder durch die Umgebung und die Interaktionen mit Menschen und anderen Hunden. Ein Welpe, der in einer liebevollen und sicheren Umgebung aufwächst, wird sich mit einer höheren Wahrscheinlichkeit zu einem freundlichen und vertrauensvollen Hund entwickeln. Wenn ein Welpe jedoch in einer stressigen oder unsicheren Umgebung aufwächst, ist es wahrscheinlicher, dass er sich öfter ängstlich oder misstrauisch verhält. Auch später im Leben können Hunde durch neue Erfahrungen und Interaktionen ihre Persönlichkeit verändern. Zum Beispiel kann ein Hund, der früher ängstlich war, durch gesteuerten und gut aufgebauten Kontakt mit Menschen und anderen Hunden selbstsicherer werden. Andererseits kann ein Hund, der früher sehr selbstbewusst war, durch negative Erfahrungen oder Misshandlungen ängstlicher werden.

© Anna Auerbach/Kosmos

Jeder Hund, jede Persönlichkeit ist einzigartig.

PERSÖNLICHKEITSFORSCHUNG BEI HUNDEN

Nun gibt es seit einigen Jahren mehr Forschungen im Bereich der Persönlichkeit der Hunde. Hunde werden beurteilt, bewertet, angesehen, überprüft, getestet, um ein wenig mehr Einblick in diese Wesen zu bekommen. In meiner Tätigkeit als Hundetrainerin habe ich viele Menschen erlebt, die nach der Antwort auf die Frage an ihren Hund „Wer bist du eigentlich?“ gesucht haben, und auch ich selbst, mit meinen Hunden Keks und Knöpfchen, habe mir diese Frage gestellt. Da die Vierbeiner aber mit ihrer Antwort sehr zurückhaltend sind, möchte ich dich einladen, mit den Big Five einen Versuch zu starten, den Charakter deines Hundes zu entschlüsseln. Werde ich in diesem Buch das ein oder andere Mal den Hund vermenschlichen? Auf jeden Fall. Mit diesem Buch werde ich dir keinen objektiven Blick auf deinen Hund geben – das geht gar nicht. Denn deine Gefühle, dein Blick auf deinen Hund, deine Erfahrungen und Wünsche und all das werden in die Beantwortung des Fragebogens mit einfließen. Ist das schlimm? Vielleicht … Vielleicht ist aber viel wichtiger, dass du erkennst, wie du deinen Hund wahrnimmst. Denn so, wie du ihn wahrnimmst, so verhältst du dich auch ihm gegenüber. Und es ist bekannt, dass wir das Verhalten unserer Hunde nicht ändern können, wir können nur unser Verhalten ändern und ihm damit die Chance geben, darauf zu reagieren.

Ich freue mich darauf, wenn ich dir deinen Hund neu vorstellen kann. Los geht’s, schauen wir uns die Big Five genauer an!

Deine Hanna David mit Keks und Knöpfchen

© Anna Auerbach/Kosmos

Freundschaften können einen positiven Einfluss auf die Persönlichkeit haben.

PERSÖNLICHKEITSFORSCHUNG

© Anna Auerbach/Kosmos

Was sind die Big Five?

Wenn du deinen Hund beschreiben müsstest, welche Worte würden dir sofort in den Sinn kommen? Welche Adjektive beschreiben seine Persönlichkeit am besten?

© Anna Auerbach/Kosmos

QUATSCHKOPF ODER ERNSTER BEGLEITER? Der Blick in die Persönlichkeit ist eine Momentaufnahme.

DAS BIG FIVE-PERSÖNLICHKEITSMODELL BEIM MENSCHEN

Das Big Five-Persönlichkeitsmodell und der dazugehörige Test findet, als einer der am häufigsten durchgeführten Persönlichkeitstest der Gegenwart, Anwendung in der Psychologie und beispielsweise auch in Unternehmen. Hier wird der Test benutzt, um im Bewerbungsverfahren herauszufinden, wie der Charakter der Bewerberinnen auf die ausgeschriebene Stelle passt.

Vor knapp 100 Jahren – circa 1930 – begannen die Forscher Louis Thurstone, Gordon Allport und Henry Sebastian Odbert mit der Entwicklung des Modells. Sie nahmen an, dass sich Persönlichkeitsmerkmale auch immer in der Sprache wiederfinden würden. Man hat dann also – einfach gesagt – Wörter, die mit Verhalten oder Eigenschaften zu tun haben, aus Wörterbüchern zusammengesammelt und daraus dann die fünf Merkmale (die sogenannten Big Five) herausgearbeitet. Dies war eine enorme Leistung, die Anzahl der Begriffe belief sich auf circa 18000 Wörter.

© Anna Auerbach/Kosmos

WER IST DEIN HUND?

DIE FÜNF PERSÖNLICHKEITSMERKMALE

Extraversion (Geselligkeit)

Offenheit für Erfahrungen (Aufgeschlossenheit)

Verträglichkeit (Kooperationsbereitschaft)

Gewissenhaftigkeit (Perfektionismus)

Neurotizismus (Emotionale Labilität und Verletzlichkeit)

Um das Modell zu verifizieren, wurden tausende von Studien durchgeführt, weltweit in verschiedenen Kulturen und Sprachen. Hierbei wurde das Big Five-Persönlichkeitsmodell immer wieder bestätigt. Es basiert also auf einer fast 100-jährigen Forschungspraxis.

NUR FÜNF CHARAKTERMERKMALE?

Nun stellt sich vielleicht die Frage, ob sich die komplexe Persönlichkeit eines Menschen wirklich auf nur fünf Charaktermerkmale reduzieren lässt?

Die Fragebögen sind so aufgebaut, dass es kein Schwarz-Weiß-Ergebnis gibt. Die unterschiedlichen Ausprägungen auf den Merkmalen – sozusagen die Schattierungen – können eine Vielzahl von Persönlichkeitsprofilen ergeben. Jedes der Merkmale ist als Kontinuum zu betrachten. Man ist nicht entweder gewissenhaft oder man ist es nicht. Man befindet sich irgendwo auf einer Skala zwischen niedriger, mittlerer oder hoher Ausprägung. Auch gibt es kein „Richtig“ oder „Falsch“ – so ist ein negativer Wert nicht gleichzusetzen mit „schlecht“. Es ist kein Test, bei dem man eine hohe Punktzahl haben möchte, es geht um die Schattierungen, die in ihrer Gesamtheit, ihrem Zusammenspiel, ihrer Abhängigkeit und ihrer Alleinstellung ein Profil ergeben, das dann etwas über den Charakter verraten kann. Wenn man den Charakter entschlüsseln kann, dann kann man erahnen, wie der Proband mit unterschiedlichen Situationen umgeht. Daraus ergibt sich also auch die Möglichkeit, in gewissen Bereichen Verhalten vorauszusagen oder zumindest zu erklären.

© Anna Auerbach/Kosmos

Es gibt keine Antwort auf die Frage: Haben Hunde ein Gewissen?

Der Persönlichkeitstest als Momentaufnahme

Das Ergebnis des Persönlichkeitstests ist nie ein endgültiges Urteil über den Testkandidaten – es ist viel eher wie ein Foto der jetzigen Situation. Studien haben herausgefunden, dass die jeweiligen Ausprägungen der Merkmale im Kindes- und Jugendalter stark schwanken können. Nach dem 30. Lebensjahr bleiben die Werte weitestgehend stabil. Im höheren Alter kann es nochmal zu Veränderungen kommen, die wahrscheinlich auf die gesammelten Lebenserfahrungen und die sozialen Umstände zurückzuführen sind.

DAS BIG FIVE-MODELL ÜBERTRAGEN AUF DEN HUND

Lässt sich das Big Five-Modell einfach auf den Hund übertragen? Jein … Einige Eigenschaften und Beschreibungen des Charakters können sich einfacher auf den Hund übertragen lassen, wie zum Beispiel: neugierig, misstrauisch oder ängstlich. Andere Begriffe scheinen schwieriger, wie kreativ, ordentlich, fürsorglich oder konservativ.

Forscherinnen, die sich mit den Big Five und Hunden beschäftigt haben, haben eine Grenze beim Merkmal „Gewissenhaftigkeit“ gezogen (im englischen Original „conscientiousness“). Sowohl im Deutschen als auch im Englischen steckt das Wort „Gewissen“ (im englischen Original „conscience“). Was zu der Frage führt, ob Hunde sich gewissenhaft verhalten können, und ob sie somit ein Gewissen haben. Auf diese Frage gibt es keine definitive Antwort. Ein Gewissen wird oft als eine Art innere Stimme verstanden, die uns sagt, was richtig oder falsch ist, und die uns dazu bringt, uns für unsere Handlungen verantwortlich zu fühlen. Natürlich gibt es keine Möglichkeit, direkt in den Kopf eines Hundes zu sehen und seine Gedanken und Gefühle zu erkennen. Stattdessen müssen wir uns auf das Verhalten und die Reaktionen des Hundes als Indikatoren für seine Gedanken und Gefühle verlassen. Es gibt jedoch einige Anzeichen dafür, dass Hunde in der Lage sind, einfache moralische Entscheidungen zu treffen und sich für ihr Verhalten verantwortlich zu fühlen. Zum Beispiel können Hunde natürlich lernen, Regeln zu befolgen, und lernen, wie sie Belohnungen für gutes Verhalten erhalten. Sie können auch zeigen, dass sie verstehen, wenn sie etwas falsch gemacht haben, indem sie sich zum Beispiel schuldbewusst verhalten, sogar noch bevor der Mensch die „Missetat“ entdeckt. Es gibt sogar Theorien und eine Studie dazu, dass Hunde „lügen“ können (Heberlein et al., 2017).

© Anna Auerbach/Kosmos

Können sie sich schuldbewusst zeigen?

© Anna Auerbach/Kosmos

Wissen sie, was sie tun sollen und was nicht?

GRENZEN DES PERSÖNLICHKEITSTESTS

Die Lüge setzt ein grundlegendes Verständnis von Moral voraus. Trotz alldem, Hunde sind keine Menschen und so können wir auch dieses Verhalten nicht direkt mit dem menschlichen Gewissen vergleichen. Hunde haben ihre eigenen Bedürfnisse und Verhaltensweisen, die sich im Laufe entwickelt haben und die sie dazu befähigen, in ihrer Umgebung zu überleben und zu gedeihen und auch ihre Vorteile daraus zu schlagen. Ob Hunde ein Gewissen haben oder nicht, bleibt daher eine Frage, die wahrscheinlich niemals vollständig beantwortet werden kann. In diesem Buch werde ich das Charaktermerkmal „Gewissenhaftigkeit“ eher mit Regelkonformität, Führbarkeit, Sorgfalt oder Genauigkeit gleichsetzen. Also eine Eigenschaft, die sich auf die Fähigkeit bezieht, gründlich und sorgfältig zu arbeiten, Aufgaben zu erfüllen und dabei Fehler zu vermeiden. Die Analyse und das Anwenden der Big Five auf Hunde sind also bestimmten inhaltlichen Grenzen unterlegen. Hinzu kommt, dass die Beantwortung der Fragen des Tests nur von außen möglich ist und somit Interpretationen, Vorurteile und Emotionen, die derjenige hat, der den Fragebogen ausfüllt, in die Analyse einfließen.

Ein ähnliches Problem haben die Forscherinnen bei der Durchführung des Big Five-Persönlichkeitstests beim Menschen. Es ist bekannt, dass Probanden bei der Durchführung von Persönlichkeitstests versuchen, sich selbst möglichst positiv darzustellen. Schwächen und auch mögliche negative Seiten werden abgeschwächt oder gänzlich verschwiegen (MacCann et al., 2011; Stocke, 2004; Thiemann, 2006). So haben die Forscher noch eine weitere Skala in den Test beim Menschen eingefügt, welche die Ehrlichkeit der Testkandidaten misst. Auch die Hundehalterinnen sind davor nicht ganz sicher. Vielleicht möchte man den Fokus nicht so sehr auf die möglichen Schwächen des eigenen Hundes legen, weshalb auch die Angaben zum Hund möglicherweise nicht ganz objektiv sind.

DIE SUBJEKTIVE KOMPONENTE

Allerdings ist die Persönlichkeit – wie bei uns Menschen – erst dann entscheidend, wenn wir ein Gegenüber haben. Wären wir ganz allein auf dem Planeten, wäre es völlig irrelevant, ob wir intro- oder extravertiert sind. Es würde niemand bemerken, da uns der Maßstab und somit der Vergleich fehlt. Persönlichkeit wird erst durch Beziehungen relevant.

Hinzu kommt, dass wir Hunde meist durch eine Brille wahrnehmen. Eine komplett objektive Einschätzung wäre natürlich gut, ist aber für das Zusammenleben von Hund und Halterin nicht entscheidend. Denn so, wie Menschen ihren Hund wahrnehmen, ist er auch – zumindest für die Halter. Spannend ist es, wenn mehrere Personen – Halter, Betreuerinnen, Trainer – den Test für denselben Hund auswerten. Mit dem Übereinanderlegen der Ergebnisse nähert man sich dann einer objektiven Auswertung am ehesten an. Ist es deshalb tatsächlich wichtig, dass die Persönlichkeitsanalyse die objektive Realität abbildet? Oder ist es nicht vielleicht wichtiger, dass die Analyse die Wahrnehmung der Halterin abbildet? Denn darauf basiert die Beziehung, das Zusammenleben und schlussendlich auch das Training.

© Anna Auerbach/Kosmos

Wir sehen unsere Hunde durch eine subjektive Brille …

© Anna Auerbach/Kosmos

… und das ist auch gut so.

„DEIN SPIEGEL“ UND „DIE SICH SELBSTERFÜLLENDE PROPHEZEIUNG“

Besonders spannend wird der Blick auf die Persönlichkeit, wenn wir die Ergebnisse des Big Five-Tests unseres Hundes mit dem eigenen Ergebnis übereinanderlegen. Man sagt nicht umsonst: „Hunde suchen sich ihre Halter aus.“ Ich bin sicher, intuitiv wählen auch wir den Hund zu einem Teil nach den Persönlichkeitsmerkmalen aus. Ich selbst habe keine starke Ausprägung beim Merkmal Extraversion, das heißt, ich habe sowohl intro- und extravertierte Anteile in meiner Persönlichkeit. Das hilft mir in meinem Arbeitsalltag. So kann ich problemlos extravertiert auftreten und zum Beispiel als Dozentin „den Raum einnehmen“. Aber ich muss auch manchmal meine „sozialen Akkus“ in meiner Alleinzeit aufladen. Diese Ambivalenz im Charaktermerkmal Extraversion findet sich genau so auch bei meinen beiden Hunden wieder. Keks ist sehr introvertiert und erlebt seine Gefühle nach innen gerichtet. Knöpfchen dagegen sucht das Rampenlicht, steht gern im Mittelpunkt und zieht sich ihre Energie aus dem Sozialkontakt – typisch für einen extravertierten Hund. Nun mag man hier Zufall unterstellen, ich bin mir aber sicher, dass ich diese beiden Hunde intuitiv genau aus diesem Grund und in dieser Kombination aufgenommen habe.

Rassemerkmale und Charakter

Ein weiterer spannender Blickwinkel ist der Zusammenhang zwischen den Rassen, ihren unterstellten Charaktermerkmalen und unserem Umgang damit. So wird dem Dackel die Sturheit und dem Deutschen Schäferhund der Gehorsam nachgesagt. Beides Begriffe zugehörig zur Gruppe „Gewissenhaftigkeit“, allerdings mit weiteren Anteilen der Gruppen „Verträglichkeit“, „emotionale Stabilität“ und „Extraversion“. Und unsererseits bewertet: Gehorsam ist gut, Sturheit ist schlecht. Dem Dackel wird eher verziehen, wenn er sich gegen ein Signal sträubt als dem Schäferhund und das stets mit der Entschuldigung: „Dackel kann man nicht erziehen, die sind halt so.“ Dieser Umgang wird das sture Verhalten weiter verstärken, womit der Dackel sein ihm unterstelltes Charaktermerkmal immer mehr ausleben wird. Immerhin hat er Erfolg damit.