Philosophie des Geistes - Godehard Brüntrup - E-Book

Philosophie des Geistes E-Book

Godehard Brüntrup

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Beschreibung

Advances in the empirical sciences are today giving us greater insights into the relationship between body and mind than ever before. Despite this, the mind-body problem is resisting rapid solution through empirical research. One soon encounters deep and intractable philosophical questions: To what extent is the mind independent of the body? Are the brain and the mind identical? Can the mind have effects in the world? Philosophy is able to make a genuine contribution to the answering of questions such as these. This fully revised new edition of the volume The Mind-Body Problem provides an overview of current debates in the philosophy of mind. A "map" of the most important positions and arguments is systematically outlined, making orientation much easier. The final chapter questions the Cartesian premises of the current debate and attempts to indicate an alternative approach.

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Grundkurs Philosophie

Godehard Brüntrup

Philosophie des Geistes

Eine Einführung in das Leib-Seele-Problem

Verlag W. Kohlhammer

1. Auflage 2018

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-034036-7

E-Book-Formate:

pdf: ISBN 978-3-17-034037-4

epub: ISBN 978-3-17-034038-1

mobi: ISBN 978-3-17-034039-8

Für den Inhalt abgedruckter oder verlinkter Websites ist ausschließlich der jeweilige Betreiber verantwortlich. Die W. Kohlhammer GmbH hat keinen Einfluss auf die verknüpften Seiten und übernimmt hierfür keinerlei Haftung.

Fortschritte in den empirischen Wissenschaften geben uns heute mehr Einblicke in das Verhältnis von Körper und Geist als je zuvor. Dennoch widersetzt sich das Leib-Seele-Problem einer schnellen Lösung durch die empirische Forschung. Man stößt bald auf tiefe und hartnäckige philosophische Fragen: Wie weit reicht die Unabhängigkeit des Geistes vom Körper? Sind Gehirn und Geist identisch? Kann der Geist in der Welt etwas bewirken? Die Philosophie kann zur Beantwortung solcher Fragen einen genuinen Beitrag leisten. So gibt diese komplett überarbeitete Neuauflage des Bandes »Das Leib-Seele-Problem« einen Überblick über die aktuellen Debatten in der Philosophie des Geistes. Auf systematische Weise wird eine »Landkarte« der wichtigsten Positionen und Argumente gezeichnet und so die Orientierung wesentlich erleichtert. Das Schlusskapitel hinterfragt die kartesischen Voraussetzungen der aktuellen Debatte und versucht einen alternativen Lösungsweg aufzuzeigen.

Prof. Dr. Godehard Brüntrup ist Inhaber des Erich J. Lejeune Lehrstuhls an der Hochschule für Philosophie, München.

Inhalt

Vorwort zur 1. Auflage im Grundkurs Philosophie

1  Dualität in der Erfahrung –Eine erste Systematisierung

Eine alltagssprachliche Problembeschreibung

Klassifikation der Phänomene

Ein begriffliches Raster

Eine Standardformulierung des Problems

Zwei Gliederungen

2  Körper-Geist-Dualismus –Die Kritik der Identitätsthese

Der interaktionistische Dualismus

Kartesische A-Priori-Argumente für den Dualismus

Die Grundstruktur des kartesischen Gedankengangs

Zwei Argumente in kartesischer Tradition

De re und de dicto

Eine Rekonstruktion der kartesischen Argumente

Die Grenzen unserer Begriffe

Aktuelle, weiterführende Literatur

3  Körper-Geist-Dualismus –Das Problem der Psychophy­sischen Wechselwirkung

Psychophysische Wechselwirkung

Die kausale Geschlossenheit des Physischen

Eine empirische Hypothese

Quantenmechanik und Leib-Seele-Problem

Der Schluss auf die beste Erklärung

Aktuelle, weiterführende Literatur

4  Nichtreduktiver Physikalismus –Mentale Eigenschaften in der physischen Welt

Monistische Ontologie – Dualistische »Ideologie«

Emergenztheorie

Emergenz und Abwärts-Verursachung

Supervenienztheorien

Kovarianz, Abhängigkeit und Nichtreduzierbarkeit

Starke Supervenienz und Reduzierbarkeit

Token-Identitätstheorie

Die kausale Relevanz mentaler Eigenschaften

Aktuelle, weiterführende Literatur

5  Reduktiver Physikalismus –Zurückführung des Mentalen auf das Physische

Reduktion, Identität und Asymmetrie

Begrifflicher Funktionalismus und psychophysische Typen-Identitätstheorie

Alltagspsychologie und kausale Rollen

Menschen- und Roboterschmerz

Starker Funktionalismus und psychophysische Token-Identität

Maschinen-Funktionalismus

Teleologischer Funktionalismus

Die Grenzen des Reduktionismus

Die Phänomene retten, ohne sie zu zerstören

Der utopische Charakter des Reduktionsprogrammes

Aktuelle, weiterführende Literatur

6  Abstraktionismus und Eliminativer Physikalismus – Zweifel an der Realität des Mentalen

Abstraktionismus

Erklärungen vom intentionalen Standpunkt

Realität und kausale Wirksamkeit von Abstrakta

Eliminativer Physikalismus

Die Alltagspsychologie als empirische Theorie

Die Erklärungskraft der Alltagspsychologie

Privilegierter Zugang?

Aktuelle, weiterführende Literatur

7  Alternative Perspektiven – Kognitive Grenzen und Kritik der Metaphysik

Vom Umgang mit rätselhaften Phänomenen

Kognitive Geschlossenheit

Realismus mit menschlichem Antlitz

Von einem Bild gefangen

Aktuelle, weiterführende Literatur

8  Geiststaub – Ein alternatives Bild der Materie

Das kartesische Erbe im Physikalismus

Emergenz noch einmal betrachtet

Zwei Begriffe des Physischen – Ein naturalistischer Ausweg aus dem Problem des Physikalismus

Panpsychismus, Panprotopsychismus und Panexperientialismus

Die Genese des Geistes – Übergänge ohne Erklärungslücken

Die intrinsischen Naturen der Einzeldinge – dem Geist in der Welt ­einen Ort geben

Aktuelle, weiterführende Literatur

Glossar

Literaturverzeichnis

Autoren- und Sachindex

Autorenindex

Sachindex

Vorwort zur 1. Auflage im Grundkurs Philosophie

Anlässlich der Übernahme in die Reihe »Grundkurs Philosophie« des Kohlhammer Verlags wurde dieses Buch inhaltlich an einigen Stellen ergänzend überarbeitet, bibliografisch aktualisiert und um Hilfen für das Studium erweitert. Damit schließt dieses Buch unmittelbar an seine fünf erfolgreichen Vorgängerauflagen unter dem Titel »Das Leib-Seele-Problem: Eine Einführung« an. Dies geschah in Kooperation des Autors mit Ludwig Jaskolla, der auch in Zukunft an der Weiterentwicklung dieses Lehrbuchs eng beteiligt sein soll. Insgesamt haben wir aber darauf geachtet, nicht durch zu viele Änderungen und Ergänzungen den in sich geschlossenen und kompakten Charakter des Buches zu zerstören. Er hat sich über mehr als 20 Jahre bewährt.

Dieses Buch richtet sich an alle Leser und Leserinnen, die Interesse an genuin philosophischen Fragen haben. Das Leib-Seele-Problem ist eine der zentralen und hartnäckigsten Fragestellungen der Philosophie. Obwohl Fortschritte in den Biowissenschaften, der Medizin und der Informationstechnologie einiges zur Klärung des Problems beigetragen haben, entzieht es sich bisher einer Lösung durch die empirische Forschung. Auch wer es gewohnt ist, die Frage von der empirischen Seite anzugehen, wird von der Sache her immer wieder mit ungeklärten philosophischen Aspekten der Problematik konfrontiert. Man stößt in einen Grenzbereich unseres Verständnisses vor, in dem es mitunter schon schwer ist, die eigentlich zur Debatte stehende Frage klar zu formulieren. Dass die Philosophie ihren Teil zur Präzisierung der Problemstellung beitragen kann, will dieses Buch unter Beweis stellen.

Es soll eine »geführte Tour« durch das Terrain dieser Debatte versucht werden. Die wesentlichen Positionen werden jeweils exemplarisch an ausgewählten Argumenten einflussreicher Philosophen dargestellt und diskutiert. Wer das Buch ganz durcharbeitet, sollte am Ende eine Art »geistiger Landkarte« im Kopf haben, welche die Orientierung in der gegenwärtigen argumentativen Auseinandersetzung erleichtert. Im letzten Kapitel wird ein eigener Antwortversuch gewagt, in aller Vorsicht und im vollen Wissen der Unzulänglichkeit auch dieses Vorschlags. Man wird also am Ende mit mehr Fragen als Antworten dastehen, was nicht einmal ein schlechtes Ergebnis für ein philosophisches Buch wäre.

Dank gebührt insbesondere Peter Bieri für die Anregung, dieses Buch zu schreiben. Viele inspirierende Weggefährten wären zu nennen: David Chalmers, Gregg Rosenberg, Peter van Inwagen, Dean Zimmerman, Robert Adams, Galen Strawson, Philip Goff, Holm Tetens und viele andere mehr. Aufrichtiger Dank gilt den Studierenden in München, New York und St. Louis. Matthias Rugel sei in besonderer Weise erwähnt. Für unermüdliche und kompetente Unterstützung bei der Herstellung und Durchsicht des Manuskripts danken wir Marie Türcke und Marc Niklas Ernst.

Godehard Brüntrup und Ludwig Jaskolla

1  Dualität in der Erfahrung –Eine erste Systematisierung

Unsere Welt ist ein komplexes physikalisches System, dessen Grundstrukturen von der Physik und den auf ihr aufbauenden Naturwissenschaften beschrieben werden. Wo ist der Ort des Geistes in diesem System? Wie verhalten sich Geist und Natur zueinander? Spielt der Geist eine bestimmte kausale Rolle in unserer Welt? Bevor man beginnt, diese Fragen systematisch zu klären, bietet es sich an, der Unterscheidung von Geist und Materie, von Psychischem und Physischem in unseren alltäglichen Erfahrungen nachzugehen. Gibt es dort zwei Phänomenbereiche, die sich deutlich voneinander abgrenzen lassen?

Eine alltagssprachliche Problembeschreibung

In unserer Alltagswelt gibt es tatsächlich eine charakteristische Dualität der Erfahrung. Einerseits erfahren wir uns als Körper, umgeben von vielen anderen physischen Objekten, andererseits erfahren wir uns als Zentrum eines Stromes von Erlebnissen, Gefühlen, Wünschen und Vorstellungen. Ein Beispiel: Keine noch so exakte Beschreibung eines Fußballspieles in rein physikalischer Terminologie sagt etwas aus über die Gedanken, Hoffnungen, Wünsche und Emotionen der beteiligten Spieler und Zuschauer. Die physikalische Sprache beschreibt nur Körper in Bewegung. Das gesamte mentale Leben in all seiner Vielschichtigkeit bleibt unberücksichtigt. Die mentale und die physische Beschreibung handeln jeweils von einem ganz anderen Thema.

Als Gedankenexperiment können wir versuchen, jeweils eines dieser beiden Elemente unserer Alltagswelt absolut zu setzen und das andere so weit als möglich zu verdrängen. Wir können uns vorstellen, es gäbe gar keine physischen Objekte. Die ganze Welt wäre nur ein Gedanke, ein Traum. Es gäbe nichts außer meinem Bewusstsein. Selbst mein eigener Körper wäre nur eine meiner Vorstellungen, ein mentales Bild. Erst so kann sich überhaupt die erkenntnistheoretische Frage aufdrängen, ob sich die vom Denken unabhängige Existenz der Außenwelt beweisen lasse. Auf der anderen Seite können wir uns aber auch eine Welt ohne Bewusstsein, Gedanken und Gefühle denken. In dieser Welt gäbe es keine geistigen oder mentalen Phänomene, sondern nur rein physische Gegenstände. Kein Beobachter würde diese Welt jemals wahrnehmen. Wir können das Gedankenexperiment sogar noch plastischer machen und uns eine Welt vorstellen, die der unseren detailgetreu gleicht, außer dass in dieser Welt kein Wesen irgendwelche Erlebnisse hätte. Auch die »Menschen« in dieser fiktiven Welt wären eine Art von bewusstlosen Robotern.

Solche Gedankenspiele erscheinen dem gesunden Menschenverstand als abwegig. In der Philosophie sind sie jedoch manchmal ein Hilfsmittel, um die Konturen eines Problems stärker herauszuheben. In diesem Fall zeigt uns das Gedankenexperiment die radikale Andersartigkeit der beiden Phänomenbereiche auf. Beide scheinen nicht aufeinander angewiesen zu sein. Der eine scheint ganz ohne den anderen existieren zu können. Zumindest aber müsste man folgern, dass die Begriffe, mit denen wir die beiden Bereiche beschreiben, so grundsätzlich voneinander unabhängig sind, dass beispielsweise die Vorstellung eines körperlosen Geistes keinen logischen Fehler darstellt.

Eine absolute Unabhängigkeit der beiden Phänomenbereiche steht aber gleichzeitig im Widerspruch zu unserer Alltagsauffassung. Eine unserer fundamentalen Erfahrungen ist, dass wir aufgrund eines willentlichen Entschlusses eine Veränderung in der Welt der physischen Gegenstände bewirken können: ich kann meinen Körper bewegen, ich kann nach meinen Möglichkeiten in die Welt der physischen Objekte eingreifen. Der Begriff des Handelns beruht auf der Voraussetzung der Möglichkeit psychophysischer Wechselwirkung. Auch ist jeder mit der Tatsache vertraut, dass psychische Zustände unmittelbare Auswirkungen auf körperliche Funktionen haben. Die psychosomatische Medizin beschreibt eine Vielzahl solcher Einflüsse. Umgekehrt verändern die physischen Gegenstände ihrerseits die geistigen Zustände. Der einfachste Fall ist gegeben, wenn ein wahrgenommener Gegenstand in uns einen Sinneseindruck hinterlässt. Aus dem Alltag sind uns noch viele andere Beispiele geläufig: Die Aufnahme von Nahrung erzeugt das Gefühl der Sättigung. Das Trinken von Alkohol kann ein Gefühl gelöster Heiterkeit und das Schwinden von Hemmungen bewirken. Schwere degenerative Erkrankungen des Gehirns (wie z. B. die Alzheimersche Krankheit) führen zum Zusammenbruch elementarer geistiger Funktionen und zum Verfall der Persönlichkeit. Dass wir die Bereiche des Physischen und des Psychischen also einerseits radikal trennen, andererseits aber in engster Wechselwirkung denken, deutet auf eine Spannung in unserem alltäglichen Weltbild hin. Manche Kritiker der Philosophie haben die Meinung vertreten, das Leib-Seele-Problem sei ein künstliches Produkt metaphysischer Reflexion, das in der alltäglichen Welt überhaupt nicht entstehe. Der philosophisch unverbildete Mensch lebt aber nicht in einer unproblematischen Einheit von Körper und Geist. Schon die ganz allgemein menschliche Erfahrung, dass oft der »Geist zwar willig, das Fleisch aber schwach« ist, reißt eine Kluft zwischen dem Physischen und dem Psychischen auf. Viele andere Beispiele ließen sich leicht anführen.

Die beschriebene Dualität der Erfahrung gehört zum Grundbestand menschlicher Existenz. Sie drückt sich auch aus in einer weiteren elementaren Dualität der Beschreibungen der Welt und unseres Platzes in ihr, die vermutlich den meisten Menschen in der einen oder anderen Form schon einmal zum Problem geworden ist. Einerseits können wir die Welt so beschreiben, dass wir selbst in ihr nur ein raum-zeitliches Objekt unter vielen anderen sind. Wir versuchen dabei die Welt gleichsam »von außen« und ohne Berücksichtigung unseres eigenen Standpunktes zu sehen. Angesichts der Weiten von Zeit und Raum schrumpft die Bedeutung meiner eigenen Existenz dann auf ein verschwindendes Maß zusammen. Meine Vernichtung würde an der Welt als Ganzer kaum etwas ändern. Auf der anderen Seite erlebe ich mich aber nicht nur als einen solchen Gegenstand in der Welt. Ich betrachte die Welt von der subjektiven Warte meines Bewusstseins aus. Weil ich einen Standpunkt in der Welt einnehme, habe ich eine Welt. Diese Sicht aus meiner Perspektive ist einzigartig und unvertretbar. Mit meinem Ende geht daher in diesem Sinne auch eine ganze Welt zu Ende: die Welt meiner Empfindungen, Erlebnisse und vieler anderer geistiger Zustände, die einen unauflösbar subjektiven Charakter haben.

Für den gebildeten Menschen der Moderne zeigt sich dieses Dilemma noch in einer etwas abstrakteren Form. Einerseits bin ich als materieller Körper ein Teil der physischen Welt und unterliege daher den gesetzesmäßigen Notwendigkeiten, welche die Naturwissenschaften beschreiben. Ins Netz der Kausalketten eingebunden bin ich nur ein Spielball der fundamentalen Kräfte, die den mechanischen Ablauf unserer Welt bestimmen. Andererseits erlebe ich mich als autonom und als kausalen Ursprung meiner Handlungen. Seinen zentralen Ausdruck findet dieses Selbstbild in der Erfahrung der sittlichen Verantwortung und der Schuld. Zwischen beiden Perspektiven können wir wie bei einem Vexierbild hin- und herschwanken. Beide Perspektiven sind uns vertraut, beide haben für uns ein hohes Maß an Plausibilität. Das Problem ergibt sich dadurch, dass sie sich – zumindest auf den ersten Blick – zu widersprechen scheinen. Welches der beiden Selbstbilder auch wahr sein mag, das jeweils andere scheint auf einem Irrtum zu beruhen. Wer sich fragt, wie man den Widerspruch beseitigen kann, der beginnt, philosophisch über das Leib-Seele-Problem nachzudenken.

Klassifikation der Phänomene

Im Folgenden will ich versuchen, die eben skizzierte Dualität der Phänomenbereiche etwas systematischer zu beschreiben, damit auf diese Weise langsam ein philosophisches Problem herausgearbeitet wird. Dies soll geschehen, ohne bereits explizit eine bestimmte philosophische Theorie heranzuziehen. Allerdings wäre es naiv zu meinen, man könne sich dem Phänomen ganz unbelastet von Theorien nähern. Zum einen enthält die Sprache, die wir zur Beschreibung verwenden, bereits eine große Anzahl von ontologischen Vorentscheidungen durch die Weise, wie sie die Welt in Gegenstände und Eigenschaften gliedert. Zum anderen stellt sich in jeder Epoche das Leib-Seele-Problem im Kontext des gesamten Netzwerks ihrer Überzeugungen auf jeweils verschiedene Weise. In unserer Zeit ist beispielsweise ein Dualismus, der eine gewisse Verwandtschaft zur Philosophie von Descartes aufweist, zu einem Teil des alltäglichen Selbstverständnisses und dadurch auch zu einem bedeutenden Referenzpunkt für die philosophische Debatte und Kritik geworden. Ob dies schon in früheren Zeiten so war, lässt sich mit sehr guten Gründen bezweifeln.

Bei Aristoteles, dessen Werk über die Seele die Grundlage der westlichen Philosophie des Geistes darstellt, findet sich keine Trennung zwischen Physischem und Psychischem, die sich mit der heute üblichen Zweiteilung in Einklang bringen ließe. Für Aristoteles ist die Seele nichts im heutigen Sinne Psychisches. Sie ist für ihn die Form des Organismus, wobei mit »Form« nicht die äußere Gestalt gemeint ist, sondern das, was heutige Philosophen vielleicht die »funktionale Organisation« nennen würden. Die so verstandene Seele ist daher auch für Prozesse wie Verdauung oder Fortpflanzung verantwortlich, die aus der Sicht des modernen Menschen eindeutig dem physischen Bereich zugeordnet werden müssen. Die meisten antiken und mittelalterlichen Denker betrachteten den Nous (die Vernunft, den Intellekt) als das charakteristisch Geistige. Selbst die Sinneswahrnehmungen rechneten sie dem Bereich des Körperlichen zu. Für eine moderne Strömung wie den Britischen Empirismus hingegen waren Sinneswahrnehmungen geradezu die Paradefälle des Geistigen. Wie sehr sich die Intuitionen über die Natur des Geistes unterscheiden, lässt sich noch deutlicher veranschaulichen, wenn man den vertrauten Boden der eigenen Kultur verlässt. In der klassischen Sankhya-Philosophie Indiens wird fast alles, was wir heute als typisch geistig betrachten würden, dem Materiellen zugeordnet. Gedankliche und phänomenale Gehalte sind materiell, allein das reine Bewusstsein ist nicht Teil der materiellen Welt.

In der gegenwärtigen analytischen Philosophie betrachtet man im Gefolge Brentanos meist die Intentionalität als das Fundament des geistigen Bereichs. Damit ist unter anderem die Tatsache gemeint, dass geistige Zustände einen Gehalt haben, sich auf etwas beziehen, etwas repräsentieren oder zum Ausdruck bringen. Rein physische Gegenstände hingegen haben keinen derartigen Gehalt. Den kausalen Beziehungen, durch die sie mit anderen Gegenständen in Verbindung stehen, fehlt dieses Moment von innerer Repräsentation, von Darstellung und Bezugnahme.

Diese divergierenden Auffassungen machen deutlich, dass es nicht einmal bei der Aufteilung der grundlegenden Phänomene einen auch nur annähernden Konsens gibt. Es ist daher auch sinnlos, hinter diesen hier nur beispielhaft erwähnten Anschauungen eine allgemeine Charakterisierung des Geistigen und des Materiellen zu suchen, die über alle Kulturen und Epochen hin unverändert gültig bliebe. Jede Klassifikation ist unvermeidlich bezogen auf eine Zeit und eine bestimmte Denktradition. Die vorliegende Einführung hat vor allem die jüngste Debatte in der analytischen Philosophie zum Gegenstand und will bewusst aus der Perspektive dieser Strömung argumentieren. Der Grund dafür liegt zunächst darin, dass vornehmlich in dieser Denktradition in den letzten Jahrzehnten eine wirklich systematische Philosophie des Geistes entstanden ist. Angesichts des heute notwendig interdisziplinären Charakters des Themas bieten zudem die Methoden der analytischen Philosophie die besten Chancen für einen fächerübergreifenden Dialog, der Naturwissenschaftler mit Philosophen ins Gespräch bringen kann.

Da es sich in der analytischen Philosophie so eingebürgert hat, soll im Folgenden meist der Ausdruck »mental« oder »das Mentale« für geistige und psychische Phänomene gebraucht werden. Da dieser Ausdruck im Deutschen weniger gebräuchlich ist, ist er auch unbelasteter als Ausdrücke wie »Geist« oder »Seele«. Gelegentlich werden allerdings auch traditionellere Begriffe Verwendung finden, wenn dies durch den sachlich-historischen Zusammenhang oder das Sprachgefühl nahegelegt wird. Letzteres ist z. B. der Fall, wenn geläufige Ausdrücke wie die »Einheit von Körper und Geist« oder die »psychophysische Identitätsthese« benutzt werden.

Ein begriffliches Raster

Die erste Systematisierung soll auf einer möglichst breiten Basis die beiden Phänomenbereiche des Mentalen und des Physischen voneinander abgrenzen. Zu diesem Zweck sollen zunächst einige Begriffspaare erläutert werden, welche die bereits beschriebene Dualität in der Erfahrung auf klare Alternativen zurückführen. Die Auswahl wurde so getroffen, dass einige zentrale Problemfelder der gegenwärtigen Auseinandersetzung bereits angesprochen werden. Bei den später im Detail zu behandelnden einzelnen philosophischen Theorien wird zu klären sein, wie sie auf verschiedene Weise die mit den Begriffspaaren beschriebene Dualität zu verstehen oder als irreführend zu beseitigen versuchen. Der erste Begriff eines jeden Paares wird jeweils dem mentalen, der zweite Begriff dem physischen Bereich zugeordnet.

Subjektiv – objektiv: Wenn wir versuchen, das Erleben eines Wesens von einer äußeren, einer objektiven Warte aus zu beschreiben, dann gerät der subjektive Gehalt dieses Erlebens aus dem Blickfeld. Das Ziel der Naturwissenschaften ist eine möglichst objektive Beschreibung, die weitestgehend von allen subjektiven Standpunkten abstrahiert. Daher bleibt dieser Beschreibungsweise der Aspekt des Erlebens fast völlig verschlossen. Wenn wir beispielsweise wissen wollen, was eine andere Person erlebt, so ist es nur von begrenztem Nutzen, ihr Gehirn zu untersuchen. Selbst wenn wir empirisch herausgefunden hätten, welche Gehirnaktivitäten mit welchen Erlebnissen korreliert wären, so müssten wir uns doch selbst anhand unserer eigenen Erfahrung in das subjektive Erleben des anderen hineinversetzen, um einen Zugang zum Gehalt des Erlebens zu gewinnen. Bei andersartigen Wesen, in deren Erleben wir uns nicht hineinversetzen können (z. B. Fledermäuse oder auch Bewohner einer anderen Galaxis) bleibt uns die Weise, wie sie die Welt erleben, noch mehr verschlossen. Natürlich können wir vom Aufbau ihres Gehirns her Rückschlüsse darauf ziehen, ob sie beispielsweise gut sehen können. Wenn wir uns dann aber vorstellen, auf welche Weise sie eventuell die Welt visuell erleben, so müssen wir wieder auf unsere eigenen Seherlebnisse als Ausgangspunkt der Analogie zurückgreifen.

Privat – öffentlich: Diese Unterscheidung hängt eng mit der vorausgehenden zusammen. Es ist für uns unmöglich, das mentale Innenleben eines anderen Menschen von außen direkt wahrzunehmen. Wir können keine Gedanken lesen. Selbst wenn dies in ganz seltenen Ausnahmefällen möglich wäre, so würden wir solche Phänomene gerade wegen ihres Ausnahmecharakters als paranormal oder parapsychologisch bezeichnen. Mentale Gehalte und Zustände wie Gedanken, Gefühle und Stimmungen sind in diesem Sinne privat. Öffentlich sind hingegen alle beobachtbaren körperlichen Zustände einer anderen Person. Natürlich können wir aufgrund des beobachtbaren Verhaltens Rückschlüsse auf die mentalen Zustände ziehen. In einem einfachen Fall teilt uns die betreffende Person mittels einer gemeinsamen Sprache ihre Gedanken oder Gefühle mit. Aber auch ohne solche direkte Kommunikation können wir z. B. durch ein typisches Schmerzverhalten auf ein Schmerzerleben schließen. Allerdings sind Schlüsse dieser Art nicht zwingend. Die betreffende Person könnte ein Lügner sein. Sie könnte uns über ihre wahren Gedanken täuschen, sie könnte sogar ein Gefühl nur simulieren. Als Extremfall können wir uns einen Menschen vorstellen, dessen gesamte äußere Muskulatur durch ein Medikament vollständig gelähmt wäre, so dass er auf keine Weise mehr Zeichen geben könnte. Das mentale Innenleben dieses Menschen wäre für seine Umwelt verschlossen.

Unkorrigierbar – korrigierbar: In unseren Meinungen über die Welt sind wir grundsätzlich fehlbar. Sinnestäuschungen, mangelndes Wissen oder logische Fehler führen dazu, dass wir falsche Meinungen vertreten. Wir sind daher nur allzu leicht bereit, andere in ihren Auffassungen zu korrigieren. Grundsätzlich, wenn auch meist mit weniger Bereitschaft, lassen wir uns auch von anderen über unsere eigenen Irrtümer aufklären. Der Bereich unserer mentalen Zustände macht hier eine Ausnahme. Wenn ich beispielsweise eine starke Schmerzempfindung habe, dann kann mich niemand überzeugen, dass ich in Wirklichkeit gar keine Schmerzen habe. Meine Gewissheit über die Schmerzempfindung ist in diesem Sinne unkorrigierbar.

Allerdings gilt dies nicht für den ganzen Bereich mentalen Lebens, vor allem wenn man unbewusste Vorgänge einbeziehen will. Man kann beispielsweise im Rahmen einer Psychotherapie seit langem wirksame Motive im eigenen Handeln entdecken, die bisher nicht ins Bewusstsein gedrungen waren. Die bisherige Auffassung über die eigenen Motivationen muss dann korrigiert werden. Es ist hingegen schwer vorstellbar, dass man ganz bewusst einen mentalen Zustand bei sich selbst wahrnimmt und gleichzeitig daran zweifeln kann, dass man sich in diesem Zustand befindet. Zu einigen unserer eigenen mentalen Zustände scheinen wir einen privilegierten Zugang zu haben, der es uns erlaubt, sie unmittelbar und ohne Irrtum zu erkennen. Zweifeln kann man allenfalls an einer bestimmten Interpretation dieses Zustands. Wenn ich beispielsweise den Schmerz als eine Folge meiner ungesunden Lebensführung interpretiere, so mag ich mich darin irren. Kann ich mich aber darin irren, dass ich überhaupt einen Schmerz verspüre? Es geht hier nicht um die Behauptung, dass wir über eine besondere oder gar magische Fähigkeit der Introspektion verfügten, die grundsätzlich von allen anderen Erkenntnisfähigkeiten unterschieden wäre. Vielmehr geht es darum, dass unsere Erkenntnisfähigkeit in Bezug auf den eng begrenzten Bereich unserer aktuellen und bewussten mentalen Zustände in ganz spezifischer Weise zuverlässig ist. Der viel weitere Bereich der physischen Gegenstände der Außenwelt ist uns nicht in gleicher Weise direkt zugänglich.

Temporal – spatio-temporal: Jeder physische Gegenstand hat einen definiten Ort in Raum und Zeit. Allenfalls in bestimmten Deutungen der Quantenmechanik kann sich ein physisches Partikel nicht an einem klar angebbaren Ort befinden. In der makroskopischen Welt jedoch lässt sich jedes physische Objekt eindeutig in ein Koordinatensystem von Raum und Zeit einordnen. Die physische Welt ist daher von raum-zeitlicher Struktur. Für den mentalen Bereich gilt dies nicht in gleicher Weise. Gedanken werden zwar in einer zeitlichen, nicht aber in einer räumlichen Ordnung gedacht. Es hat keinen Sinn zu behaupten, ein Gedanke oder eine Wahrnehmung sei eine bestimmte Anzahl von Zentimetern lang. Auch hat es keinen Sinn, die mentalen Gehalte im Raum anordnen zu wollen, so dass sich beispielsweise ein bestimmter Gedanke um eine Anzahl von Zentimetern von einem anderen Gedanken entfernen könnte. Philosophiehistorisch bedeutsam wurde die Formulierung, dass physische Objekte ausgedehnt seien, mentale Zustände jedoch keine Ausdehnung hätten. Vorsichtiger formulierend wurde auch behauptet, dass unser Erkenntnisvermögen für unsere eigenen mentalen Zustände nur zeitlich und nicht räumlich verfasst sei, während wir alle Wahrnehmung von äußeren Objekten notwendig in Raum und Zeit anordneten.

Intentional – nichtintentional: Wie bereits erwähnt wurde, ist diese eigentlich sehr alte Unterscheidung vor allem in der Gegenwart einflussreich. Intentionale Zustände haben einen Gehalt. Vermutlich sind nahezu alle bewussten Zustände auf einen Inhalt bezogen. Wir können nicht denken, ohne an etwas zu denken; wir können nicht wahrnehmen, ohne etwas wahrzunehmen; wir können nicht begehren, ohne etwas zu begehren. Die wesentlichsten weiteren Eigenschaften intentionaler Zustände lassen sich beispielhaft durch eine Analyse unserer Überzeugungen darstellen. Überzeugungen haben satzhafte Gehalte. Sie lassen sich in die Form bringen: »X glaubt, dass p«. Man sagt daher auch, dass sie eine Proposition ausdrücken oder sich auf eine Proposition beziehen. Überzeugungen müssen nicht notwendig auf in der aktuellen Welt existierende Gegenstände Bezug nehmen. Man kann Überzeugungen über nichtexistierende Gegenstände haben. Intentionalität kann daher auch auf bloß Mögliches gerichtet sein. Weiter kann man sagen, dass ein Wesen mit Überzeugungen etwas versteht. Verstehen und Intentionalität hängen zusammen. Propositionale Gehalte haben zudem Erfüllungsbedingungen. Ob eine bestimmte Überzeugung wahr oder falsch ist, hängt davon ab, ob sie von unserer Welt erfüllt wird. Intentionalität hängt also auch mit Wahrheit zusammen. Das Netz unserer Überzeugungen kann außerdem epistemisch bewertet werden. Man kann beispielsweise fragen, ob es kohärent oder inkohärent ist. Überzeugungen können untereinander in Folgerungsbeziehungen stehen. Eine Überzeugung kann aus der anderen logisch folgen. Ein Wesen, das solche Folgerungsbeziehungen anerkennt, verhält sich rational. Deshalb ist die Domäne der Intentionalität auch die Domäne der Rationalität.

Betrachtet man den Bereich der von der Physik beschriebenen Objekte, so findet man dort zunächst nichts, was dem Phänomen der Intentionalität gleich käme. Es gibt dort keine Gehalte, keinen Bezug auf Propositionen. Es gibt dort nur Wirkliches, das Mögliche existiert nicht. Rein physische Objekte verstehen nichts. Ebenso erfüllt kein physischer Zustand einen anderen physischen Zustand in dem Sinne, dass er diesen wahr macht. Man kann der Welt der physischen Gegenstände und Zustände keine Rationalität zuschreiben. Wenn wir einer Person Rationalität zuschreiben, dann deshalb, weil ihre Überzeugungen logisch stimmig sind und sie diese Überzeugungen zur Ursache ihres Handelns werden lässt. Ein Gegenstand des physischen Bereichs hingegen ist weder rational noch irrational, auch handelt er nicht. Es ist daher unsinnig, beispielsweise einem subatomaren Teilchen ein rationales Verhalten zuschreiben zu wollen. Es bewegt sich entsprechend der Naturgesetze. Diese Unterscheidung führt uns zu einem letzten Begriffspaar.

Frei – determiniert: Der gesamte physische Bereich unterliegt gesetzesartiger Notwendigkeit. Es ist zunächst zu unterscheiden, ob diese Naturgesetze deterministisch sind, d. h. jedes einzelne Ereignis eindeutig bestimmen, oder ob sie nur statistisch gelten, d. h. für einzelne Ereignisse nur bestimmte Wahrscheinlichkeiten angeben. Wenn wir den schwierigen und umstrittenen Bereich der Quantenmechanik an diesem Punkt zunächst nicht berücksichtigen, dann muss man feststellen, dass die physischen Objekte im makroskopischen Bereich sogenannten deterministischen Sukzessionsgesetzen unterliegen. Solche Gesetze stellen einen Zusammenhang zwischen mehreren Zustandsgrößen her, wobei eine Abhängigkeit der späteren Zustände von den früheren vorliegt. Ein Beispiel: Die beim freien Fall auftretende Bahnbeschleunigung, die man als Fallbeschleunigung bezeichnet, ist konstant. Deshalb kann man mit einem relativ einfachen Gesetz, dem Fallgesetz, die Geschwindigkeit eines frei fallenden Körpers für jeden beliebigen Zeitpunkt errechnen. Die Geschwindigkeit des Körpers zu einem gegebenen Zeitpunkt ist durch seine zeitlich vorhergehenden Zustände determiniert. Kausalgesetze sind nun – zumindest nach einer weitverbreiteten Auffassung – solche deterministischen Sukzessionsgesetze.

Obwohl unser Organismus ebenfalls ein Körper in der makroskopischen Welt ist, widerspricht es doch unserem intuitiven Selbstbild, dass die Bewegungen dieses Körpers genauso determiniert sind wie die Bewegung des fallenden Gegenstands. Ein wichtiger Unterschied besteht darin, dass wir nicht nur durch äußere Krafteinwirkung bewegt werden können, sondern über innere Kontrollmechanismen verfügen. Man kann unterscheiden, ob etwas meinen rechten Arm angehoben hat, oder ob ich selbst meinen rechten Arm willentlich angehoben habe. Aber diese Unterscheidung löst das Problem noch nicht. Die philosophisch interessante Frage ist, ob die innere Kontrolle wiederum nur ein komplexer physischer Zustand ist, der ebenfalls deterministischen Gesetzen unterliegt. Ein Wesen mit erheblich mehr Wissen als wir es besitzen könnte dann mit Hilfe von Sukzessionsgesetzen z. B. vorhersagen, dass ich zu einem bestimmten zukünftigen Zeitpunkt willentlich meinen rechten Arm anheben werde. Unser intuitives Selbstbild sträubt sich auch gegen diese Vorstellung. Wir erleben unser Handeln so, als ob es nicht schon vollständig vorherbestimmt wäre. Wir glauben, dass unsere Entscheidungen einen Unterschied im Ablauf der Dinge machen. Wir glauben, dass Menschen für ihre Handlungen verantwortlich sind. Für den Begriff des Handelns scheint die Unterstellung von Willensfreiheit unerlässlich zu sein. Für den Begriff der Natur hingegen scheint der Begriff gesetzmäßiger Determination unerlässlich zu sein. Auch hier begegnen wir also wieder der oben erwähnten Dualität in unserer Erfahrung. Eine Dualität, die nicht einfach eine Zweiheit ist, sondern auch ein Zwiespalt, der sogar eine Widersprüchlichkeit im Netzwerk unserer Überzeugungen vermuten lässt. Eine zentrale Aufgabe der Philosophie des Geistes ist es, diese Inkonsistenz in einer logisch exakteren Form herauszuarbeiten und dann gegebenenfalls aufzulösen. Mit dieser Aufgabe verlässt man aber das Gebiet der Phänomenbeschreibung und betritt ganz explizit den Bereich philosophischer Theoriebildung.

Eine Standardformulierung des Problems

Der physische Bereich ist gesetzmäßig strukturiert. Strenge Gesetzesaussagen sind Allaussagen, d. h. Aussagen mit allgemeinem und ausnahmslosen Geltungsanspruch. Die Formulierung der grundlegenden Gesetze des Physischen darf nicht auf bestimmte Zeitpunkte, Orte oder individuelle Gegenstände Bezug nehmen. Ein Zusammenhang zwischen physikalischen Größen, der nur unter speziellen Bedingungen (z. B. an bestimmten Orten und Zeiten) gilt, ist kein strikter gesetzmäßiger Zusammenhang. Gesetzesaussagen haben die Form: »Alle Objekte mit der Eigenschaft F sind Objekte mit der Eigenschaft G«. Für jedes beliebige Objekt gilt also, dass wenn es die Eigenschaft F hätte, so hätte es auch die Eigenschaft G. Wenn ein allgemeiner Zusammenhang von physischen Eigenschaften in bestimmten Bereichen nicht gültig wäre, so handelte es sich nicht um ein striktes Gesetz, sondern um eine gesetzesartige Verallgemeinerung mit bestimmten einschränkenden Klauseln. Man kann dem oben beschriebenen Problem also nicht dadurch entgehen, dass man unsere Körper aus den allgemeinen Gesetzen des Kosmos irgendwie »herausnimmt«. Wegen ihrer Universalität gelten die fundamentalen, strikten Gesetze überall. Sie können nicht außer Kraft gesetzt werden, nicht einmal lokal begrenzt. Daraus folgt weiter, dass gesetzmäßige Zusammenhänge lückenlos sind. Die Gültigkeit von strikten Gesetzen wird durch keinerlei »Pausen« in Raum und Zeit unterbrochen.

Die Hintergrundannahme der Naturwissenschaft ist die grundsätzlich gesetzmäßige Struktur aller Naturvorgänge. Mehr noch: Will die Naturwissenschaft die Kausalerklärung der physischen Naturvorgänge leisten, so scheint sie die Gültigkeit von Kausalgesetzen (also deterministischen Sukzessionsgesetzen) annehmen zu müssen. Unter dieser Annahme lässt sich dann jedes physische Ereignis allein unter Rekurs auf die zugrundeliegenden allgemeinen Kausalgesetze erklären. Man benötigt für die Erklärung eines Ereignisses in der physischen Welt keine weiteren Ursachen. Der physische Bereich ist kausal abgeschlossen. Diese These hat man auch die These des »methodologischen Physikalismus« genannt. Mit »methodologisch« ist gemeint, dass die leitenden Hintergrundannahmen artikuliert werden, die in die Methoden der Naturwissenschaften eingehen. Dort gilt normalerweise jede Erklärung eines physischen Ereignisses, die nicht wieder auf physische Ursachen zurückgreift, als misslungen. Der methodologische Physikalismus ist keine harmlose Annahme. Man kann und muss die in ihm verborgenen Annahmen genau analysieren. Manche Autoren meinen, dass er für die moderne nichtklassische Physik nicht mehr gilt. Darauf wird im folgenden Kapitel zurückzukommen sein. An dieser Stelle geht es jedoch darum, das philosophische Problem zunächst nur zu formulieren. Dazu genügt es, dieses weithin akzeptierte methodologische Prinzip der Naturwissenschaften einfach aufzugreifen. Wenn die Annahme, dass der physische Bereich kausal geschlossen ist, richtig ist, dann gibt es keine nichtphysischen Ursachen, die physische Ereignisse bewirken. Also kann das Mentale keine kausale Rolle in der physischen Welt einnehmen. Dem methodologischen Physikalismus widerspricht aber eine Auffassung, die man als das methodologische Prinzip unserer alltäglichen Handlungstheorie auffassen könnte. Nach dieser Auffassung bewegen mentale Gehalte (Wünsche, Meinungen,  ...) unseren Körper. Der Geist interagiert mit dem Körper. Man kann daher auch von einem »methodologischen Interaktionismus« in unserem Alltagsweltbild reden. Wir gelangen also zu folgenden drei Prinzipien:

[I] Die physische Welt ist kausal lückenlos geschlossen.

[II] Aus der kausalen Geschlossenheit der physischen Welt folgt die kausale Wirkungslosigkeit mentaler Entitäten.

[III] Mentale Entitäten sind kausal wirksam.

Die unspezifische Rede von »mentalen Entitäten« soll das Argument offen halten für verschiedene Ontologien. Damit können beispielsweise mentale Eigenschaften, Ereignisse oder Zustände gemeint sein.

Zwei Gliederungen

Diese drei Prinzipien schließen einander aus. Ohne Widerspruch können sie nicht alle zusammen wahr sein. Verneint man jeweils eines der drei Prinzipien, dann können die verbliebenen beiden ohne Widerspruch für wahr gehalten werden. Mit diesem Trilemma wurde für das philosophische Problem, das sich aus der beschriebenen Dualität in unserer Erfahrung ergibt, eine präzise Formulierung gefunden. Dies ist keineswegs die einzig mögliche begriffliche Fassung des Leib-Seele-Problems. Man könnte beispielsweise auch an dem Gegensatz von Subjektivität und Objektivität ansetzen. Das obige Trilemma fragt nach der kausalen Rolle des Mentalen in der Welt. Es stellt damit auf indirekte Weise die Frage nach der Existenz des Mentalen, da etwas, um eine kausale Rolle einnehmen zu können, existieren muss. Da diese Fassung direkt am Kausalitätsbegriff ansetzt, stellt sie zudem das Problem in den großen Zusammenhang anderer metaphysischer Problemstellungen, die direkt oder indirekt mit dem Begriff der Ursache oder der gesetzmäßigen Notwendigkeit zu tun haben.

Philosophische Theorien, die das Problem des Verhältnisses von Körper und Geist lösen wollen, müssen jeweils eines der drei Prinzipien des Trilemmas negieren. Damit ergibt sich zugleich ein Gliederungsschema, mit dessen Hilfe man die Vielfalt der Positionen aufteilen kann. Diese Aufteilung in drei Hauptstrategien ist natürlich noch sehr grob und muss weiter differenziert werden. Sie bietet aber ein hilfreiches Raster, auf das im Verlaufe der Darstellung immer wieder zurückgegriffen werden wird. Wie bei jeder Schematisierung werden allerdings auch hier bestimmte Aspekte auf Kosten von anderen hervorgehoben. Um möglichst viele Aspekte der gegenwärtigen Debatte zu beleuchten, soll daher das Trilemma nicht das einzige Ordnungsschema für die folgende Darstellung sein. Eine etwas andere Einteilung erhält man, wenn man ohne Bezug auf den Kausalitätsbegriff direkt nach der Existenz und dem ontologischen Status des Mentalen in der Welt fragt. Hier kann man zunächst unterscheiden zwischen Positionen, die behaupten, dass es Mentales (bzw. Geistiges, Psychisches) gibt, und solchen, die dessen Existenz verneinen. Unter denjenigen, die die Existenz des Mentalen annehmen, muss man weitere Unterscheidungen vornehmen, was ihre Auffassung von der Natur des Mentalen angeht. Es ergibt sich folgende Einteilung der Hauptpositionen:

[A] Es gibt mentale Entitäten. Sie gehören einem vom Bereich physischer Entitäten unabhängigen Bereich an.

[B] Es gibt mentale Entitäten. Sie gehören nicht einem vom Bereich physischer Entitäten unabhängigen Bereich an. Sie sind abhängig von ihnen zugrundeliegenden physischen Entitäten, ohne jedoch vollständig auf diese reduzierbar zu sein.

[C] Es gibt mentale Entitäten. Sie gehören nicht einem vom Bereich physischer Entitäten unabhängigen Bereich an. Sie sind abhängig von ihnen zugrundeliegenden physischen Entitäten und können vollständig auf diese reduziert werden.

[D] Es gibt keine mentalen Entitäten.

Diese zweite Gliederung baut direkt auf der fundamentalen ontologischen Frage auf: »Was gibt es überhaupt?«, »Was sind die Bausteine des Universums?« Gemäß der ersten Position [A] existieren mentale Entitäten. Der mentale Bereich ist zudem getrennt vom physischen Bereich. Er stellt eine eigene Domäne der Wirklichkeit dar. In einem hier noch nicht weiter vertieften Sinn sind solche Positionen dualistisch, weil sie zwei Wirklichkeitsbereiche (mental – physisch) annehmen. Der Begriff »Dualismus« wird im folgenden Kapitel noch genauer geklärt werden. Die Positionen [B] und [C] sind hingegen (in einem hier ebenfalls noch nicht vertieften Sinne) Formen des materialistischen Monismus. Es gibt keine letzte Dualität. Alles, was es gibt, ist physischer Natur, weil alle Entitäten letztlich nur aus elementaren physischen Bausteinen zusammengesetzt sind. Mentale Entitäten sind eine spezielle Art von physischen Entitäten, die dann entstehen, wenn die fundamentalen physischen Bausteine auf hinreichend komplexe Art zusammengesetzt werden. Deshalb charakterisiert man diese Theorien als »physikalistisch«. Sie unterscheiden sich voneinander darin, ob sie den mentalen Entitäten innerhalb des Bereichs des Physischen eine besondere, irreduzible Rolle zumessen oder nicht. Es handelt sich dann dementsprechend um die Positionen des reduktiven und des nichtreduktiven Physikalismus. Vertreter der Position [D] sind ebenfalls Monisten, bestreiten aber ganz radikal die Existenz von allem, was wir »mental«, »psychisch« oder »geistig« nennen. Dies ist vor allem die Auffassung des eliminativen Physikalismus. Diese verschiedenen Spielarten des Physikalismus werden in den folgenden Kapiteln noch genauer definiert.

Auch diese zweite Einteilung ist noch sehr grob und müsste noch erheblich differenziert werden. Aber sie deckt vier sehr wichtige Positionen in der aktuellen Debatte ab. Diese Untergliederung ist nicht deckungsgleich mit derjenigen, die sich aus dem Trilemma ergibt. Schon allein, weil das eine Gliederungssystem drei, das andere vier Hauptpositionen unterscheidet, lassen sie sich nicht so einander zuordnen, dass eines das andere überflüssig machen könnte. Beide Gliederungen werfen jeweils ein etwas anderes Licht auf die Debatte und lassen dementsprechend andere Konturen hervortreten. Ein Beispiel: Unter den Positionen, die Prinzip [II] verneinen, gibt es sowohl reduktive als auch nichtreduktive physikalistische Ansätze. Im Folgenden möchte ich daher auf beide gegebene Einteilungen zurückgreifen. Diejenige, die in der Form eines Trilemmas nach der kausalen Rolle des Mentalen fragt und auch diejenige, die direkt vier Antworten auf die Frage nach der Existenz und Natur des Mentalen unterscheidet. Der Hauptteil dieses Buches wird gemäß der letzteren Gliederung eine Struktur von vier Unterteilen (Dualismus, reduktiver, nichtreduktiver und eliminativer Physikalismus) erhalten. Innerhalb der einzelnen Kapitel wird dann wiederholt auf das erste Gliederungsschema zurückgegriffen. Bei jeder behandelten Position wird im Detail zu prüfen sein, welches der drei Prinzipien des Trilemmas verneint wird.

Auch beide Gliederungsschemata zusammen genügen nicht, um wirklich alle zu behandelnden Positionen klar voneinander abzugrenzen. Es werden daher noch eine Reihe weiterer Unterscheidungen angebracht werden müssen. Eine der ersten Aufgaben der Philosophie ist es, zu ordnen, Unterscheidungen zu treffen, Grenzen abzustecken. In den folgenden Kapiteln soll also versucht werden, die bedeutendsten Positionen in der gegenwärtigen Philosophie des Geistes genau zu bestimmen, ihre Konturen hervortreten zu lassen und die zentralen Alternativen herauszuarbeiten.

2  Körper-Geist-Dualismus –Die Kritik der Identitätsthese

Eine mögliche und intuitiv naheliegende Interpretation der beschriebenen Dualität der Erfahrung ist der ontologische Dualismus. Dem Unterschied in der Erfahrung entsprechen unterschiedliche Bereiche in der Wirklichkeit. In einem weiten Sinne ist jede Auffassung dualistisch, die gleichzeitig die Existenz von Körper und Geist sowie ihre Verschiedenheit (Nichtidentität) behauptet. Wenn man den Dualismus aber so allgemein definiert, fallen viele so unterschiedliche Theorien unter diesen Begriff, dass der Nutzen dieser Klassifikation fraglich wird. Das Schema, das durch die Negation jeweils eines der drei Prinzipien des Trilemmas gegeben wird, wäre kaum noch geeignet, um den Dualismus von anderen Positionen abzugrenzen. Unter jedem der drei Äste ließen sich Formen eines derart weit verstandenen Dualismus auffinden. Dies sei im Folgenden kurz verdeutlicht:

• Die Annahme der kausalen Wirkungslosigkeit des Mentalen (Negation von Prinzip [III]) steht nicht im Widerspruch zu dualistischen Thesen. Zwei Beispiele: Der Epiphänomenalismus, wie er von Thomas Huxley und anderen Autoren vertreten wurde, erkennt die volle Realität des Mentalen an, billigt ihm aber keine kausale Wirkmächtigkeit zu. Physische Ursachen bringen demnach mentale Phänomene hervor, diese wirken aber nicht in die physischen Kausalketten zurück. Der von Leibniz entwickelte Parallelismus bestreitet ebenfalls die kausale Bestimmung der Materie durch den Geist. Hier gibt es aber überhaupt keine Wechselwirkung zwischen den beiden Bereichen. Auch der physische Bereich hat keinen Einfluss auf den mentalen Bereich. Die beiden Domänen sind lediglich perfekt parallelisiert wie zwei synchron laufende Uhren.

• Positionen, welche die Geschlossenheit des physischen Bereichs zusammen mit der kausalen Wirkmächtigkeit des Mentalen behaupten (Negation von Prinzip [II]) sind hauptsächlich Theorien, welche die Identität von Körper und Geist annehmen. Diese können nicht dualistisch sein, da Dualität Verschiedenheit voraussetzt. Identitätsthesen können aber eingegrenzt werden. Wenn die Identität beispielsweise nur in Bezug auf Ereignisse behauptet wird, so bleibt immer noch Raum für einen Dualismus in Bezug auf Eigenschaften. Manche Positionen, die Prinzip [II] negieren, stellen überhaupt keine Identitätsthese auf. Sie halten daher zumindest auf den ersten Blick an einer – schwierig zu interpretierenden – Dualität von Mentalem und Physischem fest. Bestimmte später noch darzustellende Theorien der psychophysischen Supervenienz und Emergenz fallen unter diese Kategorie.

• Wenn die kausale Geschlossenheit des physischen Bereichs verneint wird (Negation von Prinzip [I]), ist eine dualistische Position kaum mehr vermeidbar. Wenn nämlich etwas von außerhalb in den physischen Bereich hineinwirkt, dann gibt es nichtphysische kausale Kräfte. Die Verneinung der kausalen Geschlossenheit des physischen Bereichs ist also ohne Zweifel die beste Grundlage für den Dualismus. Einen solchen Dualismus, der eine kausale Wechselwirkung vom Mentalen zum Physischen und umgekehrt annimmt, nennt man einen »interaktionistischen Dualismus«.

Der interaktionistische Dualismus

Um mit einem engeren und schärfer definierten Begriff des Dualismus arbeiten zu können, soll im Folgenden allein der interaktionistische Dualismus betrachtet werden. Die Negation von Prinzip [I] wird also ein integrativer Bestandteil der dargelegten Positionen sein. Diese Eingrenzung genügt aber immer noch nicht, um die dualistische Position hinreichend präzise zu bestimmen. Ein Blick auf die zweite Gliederung hilft, einen noch konturenreicheren Begriff des Dualismus zu entwickeln. Dualisten vertreten die These [A]. Sie behaupten, dass mentale Entitäten von ganz anderer Art sind als physische Entitäten und nicht aus physischen Bestandteilen zusammengesetzt sind. Damit kann der psychophysische Dualismus exakt abgegrenzt werden von nichtreduktiven physikalistischen Positionen. Letztere behaupten, dass alles, was es gibt, aus physischen Bausteinen zusammengesetzt ist. Einige höherstufige Eigenschaften in der Welt lassen sich aber nicht auf die grundlegenden von der Physik beschriebenen Eigenschaften reduzieren. Mentale Eigenschaften sind solche irreduziblen höherstufigen Eigenschaften. Obwohl mentale und physische Entitäten also unterschieden werden können, liegt im vorgeschlagenen Sinne kein Dualismus vor, da eine substantielle Eigenständigkeit des Mentalen geleugnet wird. Der Dualismus behauptet hingegen, dass mentale und physische Entitäten von ganz verschiedener Art sind. Das Mentale ist nicht bloß eine Eigenschaft komplexer physischer Systeme. In seiner ontologisch stärksten Form behauptet der Dualismus eine substantielle Verschiedenheit von Körper und Geist in folgendem Sinn: Das Mentale und das Physische bedürfen einander nicht für ihre Existenz. Eine menschliche Person ist aus dualistischer Sicht eine Kombination von Körper und Geist. Ein starker Substanzdualismus impliziert daher auch die These, dass unser mentales Leben auch ohne jeden Körper weiterbestehen könnte. Es gibt jedoch auch schwächere Formen des Dualismus, welche die Möglichkeit einer absolut körperlosen Existenz des (menschlichen) Geistes ablehnen. In der aristotelisch-thomistischen Tradition der christlichen Philosophie ging man meist davon aus, dass die menschliche Seele irgendeiner materiellen Grundlage bedürfe. Eine dualistische Position im hier eingeführten Sinne muss also nicht unbedingt eine prinzipielle Unabhängigkeit des Mentalen von jeder materiellen Grundlage behaupten. Sie muss aber zumindest daran festhalten, dass mentale Phänomene nicht nur Eigenschaften eines ausschließlich aus physischen Teilen bestehenden Systems sind. Der Dualismus bestreitet die These, dass alle konkreten Individuen in der Welt rein physischer Natur sind.

Die These des Dualisten, dass geistige und körperliche Entitäten von ganz verschiedener Art sind, ist interessanterweise nicht schon in der Negation von Prinzip [I] des Trilemmas enthalten. Die Negation der kausalen Geschlossenheit der physischen Welt allein wäre ein notwendiges, aber kein hinreichendes Kriterium für eine dualistische Position im hier vorgeschlagenen starken interaktionistischen Sinne. So hat beispielsweise F. von Kutschera eine Position vorgeschlagen, die sowohl die These von der kausalen Geschlossenheit der physischen Welt wie auch den Dualismus ablehnt. Die Welt zerfällt danach nicht in eine Dualität, sondern ist ein bipolares Kontinuum. Ähnlich wie es keine Dualität von hell und dunkel gibt, sondern ein Kontinuum zwischen diesen Polen, so ist auch unsere Welt ein Kontinuum zwischen dem physischen und dem psychischen Pol. Diese Polarität lässt sich weder in eine Richtung auflösen (Monismus) noch auseinanderdividieren (Dualismus). Dieser nicht ganz leicht verständliche Ansatz, der schon Vorgänger im Deutschen Idealismus hat, wurde in der gegenwärtigen Debatte allerdings bisher kaum weiterentwickelt (von Kutschera 1981, 394f.). Um den Dualismus zu charakterisieren, bedarf es also mehr als nur des Hinweises auf die Negation von Prinzip [I]. Der Dualist behauptet, dass Mentales und Physisches so verschieden sind, dass sich eine klare Grenze zwischen ihnen ziehen lässt. Geist und Körper sind von ganz anderer Art. Abschließend kann man also sagen, dass der Dualist (im hier vorgeschlagenen Sinne) folgende Thesen für wahr hält:

Alles Reale ist physischer oder mentaler Natur.

Das Mentale und das Physische sind völlig verschieden.

Zwischen Mentalem und Physischem gibt es eine bidirektionale kausale Interaktion.

Auch wenn man den Begriff des Dualismus so präzisiert, deckt er philosophiegeschichtlich gesehen noch immer eine Reihe sehr verschiedener Entwürfe ab. Selbst in der Gegenwart präsentiert der Dualismus sich keineswegs uniform. Ein entscheidender Unterschied liegt darin, dass manche Autoren unabhängig von der Erfahrung einen rein begrifflichen Beweis (a priori) für den Dualismus, bzw. einige seiner Kernthesen, vorlegen wollen. Andere Autoren hingegen versuchen, Ergebnisse der empirischen Wissenschaften (a posteriori) als Begründung für den Dualismus heranzuziehen. Oft umfasst ein dualistisches System beide Elemente: Für ein wesentliches Kernstück – die Widerlegung der psychophysischen Identitätstheorie – wird eine Begründung a priori geliefert. Für ein anderes wesentliches Kernstück – die Erläuterung des genauen Ablaufs der psychophysischen Wechselwirkung – wird eine empirische These vorgelegt. Im Folgenden soll auf beide Strategien exemplarisch eingegangen werden. Den Ausgangspunkt bildet die Darstellung und Analyse von A-Priori-Argumenten gegen die Identitätsthese, die sich in der kartesischen Tradition herausgebildet haben.

Kartesische A-Priori-Argumente für den Dualismus

Der Dualist muss zunächst zeigen, dass das Mentale und das Physische nicht identisch sind. Dazu zieht man gewöhnlich ein Prinzip heran, dessen heute gebräuchliche Standardformulierung auf Leibniz