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Dieses eBook: "Physische Geographie" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Immanuel Kant (1724 - 1804) war ein deutscher Philosoph der Aufklärung. Kant zählt zu den bedeutendsten Vertretern der abendländischen Philosophie. Inhalt: Vom Wasser Vom Lande Atmosphäre Geschichte der großen Veränderungen, welche die Erde ehedeß erlitten hat und noch erleidet Besondere Beobachtung dessen, was der Erdboden in sich faßt Vom Menschen Das Thierreich Das Pflanzenreich Das Mineralreich Summarische Betrachtung der vornehmsten Naturmerkwürdigkeit aller Länder nach geographischer Ordnung Asien Afrika Europa Amerika
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Seitenzahl: 476
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Bei unsern gesammten Erkenntnissen haben wir zuvörderst auf die Quellen oder den Ursprung derselben unser Augenmerk zu richten, nächst dem aber auch auf den Plan ihrer Anordnung oder auf die Form, wie nämlich diese Erkenntnisse können geordnet werden, zu merken, weil wir sonst nicht im Stande sind, sie uns in vorkommenden Fällen, wenn wir ihrer gerade bedürfen, in das Gedächtniß zurückzurufen. Wir müssen sie demzufolge, noch bevor wir sie selbst erlangen, gleichsam in bestimmte Fächer abtheilen.
Was nun die Quellen und den Ursprung unserer Erkenntnisse anlangt: so schöpfen wir diese letztern insgesammt entweder aus der reinen Vernunft oder aus der Erfahrung, die weiterhin selbst die Vernunft instruirt.
Die reinen Vernunfterkenntnisse giebt uns unsere Vernunft; Erfahrungserkenntnisse aber bekommen wir durch die Sinne. Weil nun aber unsere Sinne nicht über die Welt hinausreichen: so erstrecken sich auch unsere Erfahrungserkenntnisse bloß auf die gegenwärtige Welt. So wie wir indessen einen doppelten Sinn haben, einen äußern und einen innern: so können wir denn auch nach beiden die Welt als Inbegriff aller Erfahrungserkenntnisse betrachten. Die Welt, als Gegenstand des äußern Sinnes, ist Natur, als Gegenstand des innern Sinnes aber, Seele oder der Mensch.
Die Erfahrungen der Natur und des Menschen machen zusammen die Welterkenntnisse aus. Die Kenntniß des Menschen lehrt uns die Anthropologie, die Kenntniß der Natur verdanken wir der physischen Geographie oder Erdbeschreibung. Freilich Erfahrungen im strengsten Sinne giebt es nicht, sondern nur Wahrnehmungen, die zusammengenommen die Erfahrung ausmachen würden. Wir nehmen jenen Ausdruck hier auch wirklich nur als den gewöhnlichen in der Bedeutung von Wahrnehmungen.
Die physische Erdbeschreibung ist also der erste Theil der Weltkenntniß. Sie gehört zu einer Idee, die man die Propädeutik in der Erkenntniß der Welt nennen kann. Der Unterricht in derselben scheint noch sehr mangelhaft zu sein. Nichtsdestoweniger ist es gerade sie, von der man in allen nur möglichen Verhältnissen des Lebens den nützlichsten Gebrauch zu machen im Stande ist. Demzufolge wird es nothwendig, sie sich als eine Erkenntniß bekannt zu machen, die man durch Erfahrung vervollständigen und berichtigen kann.
Wir anticipiren unsere künftige Erfahrung, die wir nachmals in der Welt haben werden, durch einen Unterricht und allgemeinen Abriß dieser Art, der uns gleichsam von Allem einen Vorbegriff giebt. Von demjenigen, der viele Reisen gemacht hat, sagt man, er habe die Welt gesehen. Aber zur Kenntniß der Welt gehört mehr, als bloß die Welt sehen. Wer aus seiner Reise Nutzen ziehen will, der muß sich schon im Voraus einen Plan zu seiner Reise entwerfen, nicht aber die Welt bloß als einen Gegenstand des äußern Sinnes betrachten.
Der andere Theil der Weltkenntniß befaßt die Kenntniß des Menschen. Der Umgang mit Menschen erweitert unsere Erkenntnisse. Nichtsdestoweniger ist es nöthig, für alle künftigen Erfahrungen dieser Art eine Vorübung zu geben, und das thut die Anthropologie. Aus ihr macht man sich mit dem bekannt, was in dem Menschen pragmatisch ist und nicht speculativ. Der Mensch wird da nicht physiologisch, so da man die Quellen der Phänomene unterscheidet, sondern kosmologisch betrachtet.1 Es mangelt noch sehr an einer Unterweisung, wie man seine bereits erworbenen Erkenntnisse in Anwendung zu bringen und einen seinem Verstande, so wie den Verhältnissen, in denen man steht, gemäßen, nützlichen Gebrauch von ihnen zu machen, oder unsern Erkenntnissen das Praktische zu geben habe. Und dieses ist die Kenntniß der Welt.
Die Welt ist das Substrat und der Schauplatz, auf dem das Spiel unserer Geschicklichkeit vor sich geht. Sie ist der Boden, auf dem unsere Erkenntnisse erworben und angewendet werden. Damit aber das in Ausübung könne gebracht werden, wovon der Verstand sagt, daß es geschehen soll: so muß man die Beschaffenheit des Subjectes kennen, ohne welches das erstere unmöglich wird.
Ferner aber müssen wir auch die Gegenstände unserer Erfahrung im Ganzen kennen lernen, so daß unsere Erkenntnisse kein Aggregat, sondern ein System ausmachen; denn im System ist das Ganze eher als die Theile, im Aggregat hingegen sind die Theile eher da.
Diese Bewandtniß hat es mit allen Wissenschaften, die eine Verknüpfung in uns hervorbringen, z. B. mit der Encyklopädie, wo das Ganze erst im Zusammenhange erscheint. Die Idee ist architektonisch; sie schafft die Wissenschaften. Wer z. E. ein Haus bauen will, der macht sich zuerst eine Idee für das Ganze, aus der hernach alle Theile abgeleitet werden. So ist also auch unsere gegenwärtige Vorbereitung eine Idee von der Kenntniß der Welt. Wir machen uns hier nämlich gleichfalls einen architektonischen Begriff, welches ein Begriff ist, bei dem das Mannigfaltige aus dem Ganzen abgeleitet wird.
Das Ganze ist hier die Welt, der Schauplatz, auf dem wir alle Erfahrungen anstellen werden. Umgang mit Menschen und Reisen erweitern den Umfang aller unserer Kenntnisse. Jener Umgang lehrt uns den Menschen kennen, erfordert aber, wenn dieser Endzweck soll erreicht werden, viele Zeit. Sind wir aber schon durch Unterweisung vorbereitet: so haben wir bereits ein Ganzes, einen Inbegriff von Kenntnissen, die uns den Menschen kennen lehren. Nun sind wir im Stande, jeder gemachten Erfahrung ihre Classe und ihre Stelle in derselben anzuweisen. Durch Reisen erweitert man seine Kenntniß der äußern Welt, welches aber von wenigem Nutzen ist, wenn man nicht bereits durch Unterricht eine gewisse Vorübung erhalten hat. Wenn man demnach von diesem oder jenem sagt, er kenne die Welt: so versteht man darunter dies, daß er den Menschen und die Natur kenne.
Von den Sinnen fangen sich unsere Erkenntnisse an. Sie geben uns die Materie, der die Vernunft nur eine schickliche Form ertheilt. Der Grund aller Kenntnisse liegt also in den Sinnen und in der Erfahrung, welche letztere entweder unsere eigne oder eine fremde ist.
Wir sollten uns wohl nur mit unserer eignen Erfahrung beschäftigen, weil diese aber nicht hinreicht, alles zu erkennen, indem der Mensch in Ansehung der Zeit nur einen kleinen Theil derselben durchlebt, also darin wenig selbst erfahren kann, in Hinsicht auf den Raum aber, wenn er gleich reist, vieles doch nicht selbst zu beobachten und wahrzunehmen im Stande ist: so müssen wir uns denn auch nothwendig fremder Erfahrungen bedienen. Diese müssen indeß zuverlässig sein, und als solche sind schriftlich verzeichnete Erfahrungen den bloß mündlich geäußerten vorzuziehen.
Wir erweitern demnach unsere Erkenntnisse durch Nachrichten, wie wenn wir selbst die ganze ehemalige Welt durchlebt hätten. Wir erweitern unsere Kenntniß der gegenwärtigen Zeit durch Nachrichten von fremden und entlegenen Ländern, wie wenn wir selbst in ihnen lebten.
Aber zu merken ist dies: Jede fremde Erfahrung theilt sich uns mit, entweder als Erzählung, oder als Beschreibung. Die erstere ist eine Geschichte, die andere eine Geographie. Die Beschreibung eines einzelnen Ortes der Erde heißt Topographie. - Ferner Chorographie, d. i. Beschreibung einer Gegend und ihrer Eigenthümlichkeiten. - Orographie, Beschreibung dieser oder jener Gebirge. - Hydrographie, Beschreibung der Gewässer.
Anmerkung. Es ist hier nämlich von Weltkenntniß die Rede und sonach auch von einer Beschreibung der ganzen Erde. Der Name Geographie wird hier also in keiner andern als der gewöhnlichen Bedeutung genommen.
Was den Plan der Anordnung betrifft: so müssen wir allen unsern Erkenntnissen ihre eigenthümliche Stelle anweisen. Wir können aber unsern Erfahrungs=Erkenntnissen eine Stelle anweisen, entweder unter den Begriffen, oder nach Zeit und Raum, wo sie wirklich anzutreffen sind.
Die Eintheilung der Erkenntnisse nach Begriffen ist die logische, die nach Zeit und Raum aber die physische Eintheilung. Durch die erstere erhalten wir ein Natursystem (Systema naturae), wie z. B. das des Linne, durch die letztere hingegen eine geographische Naturbeschreibung.
Sage ich z. B.: die Rinderart wird unter das Geschlecht der vierfüßigen Thiere oder auch unter die Gattung dieser Thiere mit gespaltenen Klauen gezählt: so ist dieses eine Eintheilung, die ich in meinem Kopfe mache, also eine logische Eintheilung. Das Systema naturae ist gleichsam eine Registratur des Ganzen, wo ich alle Dinge, ein jedes in seine ihm eigenthümlich zukommende Classe setze, mögen sie sich gleich auf der Erde in verschiedenen, weit von einander entlegenen Gegenden vorfinden.
Zufolge der physischen Eintheilung hingegen werden die Dinge gerade nach den Stellen, die sie auf der Erde einnehmen, betrachtet. Das System weist die Stelle in der Classeneintheilung an. Die geographische Naturbeschreibung aber weist die Stellen nach, an denen jene Dinge auf der Erde wirklich zu finden sind. So sind z. B. die Eidechse und das Krokodil im Grunde ein und dasselbe Thier. Das Krokodil ist nur eine ungeheuer große Eidechse. Aber die Örter sind verschieden, an denen sich diese und jenes auf der Erde aufhalten. Das Krokodil lebt im Nil, die Eidechse auf dem Lande, auch bei uns. Überhaupt betrachten wir hier den Schauplatz der Natur, die Erde selbst und die Gegenden, wo die Dinge wirklich angetroffen werden. Im System der Natur aber wird nicht nach dem Geburtsorte, sondern nach ähnlichen Gestalten gefragt.
Indessen dürfte man die Systeme der Natur, die bisher verfaßt sind, richtiger wohl Aggregate der Natur nennen, denn ein System setzt schon die Idee des Ganzen voraus, aus der die Mannigfaltigkeit der Dinge abgeleitet wird. Eigentlich haben wir noch gar kein Systema naturae. In den vorhandenen sogenannten Systemen der Art sind die Dinge bloß zusammengestellt und an einander geordnet.
Wir können aber beides, Geschichte und Geographie, auch gleichmäßig eine Beschreibung nennen, doch mit dem Unterschiede, daß erstere eine Beschreibung der Zeit, letztere eine Beschreibung dem Raume nach ist.
Geschichte also und Geographie erweitern unsere Erkenntnisse in Ansehung der Zeit und des Raumes. Die Geschichte betrifft die Begebenheiten, die, in Ansehung der Zeit, sich nacheinander zugetragen haben. Die Geographie betrifft Erscheinungen, die sich, in Ansehung des Raums, zu gleicher Zeit ereignen. Nach den verschiedenen Gegenständen, mit denen sich die letztere beschäftigt, erhält sie verschiedene Namen. Demzufolge heißt sie bald die physische, die mathematische, die politische, bald die moralische, theologische, litterarische oder mercantilische Geographie2.
Die Geschichte desjenigen, was zu verschiedenen Zeiten geschieht, und welches die eigentliche Historie ist, ist nichts anders als eine continuirliche Geographie, daher es eine der größten historischen Unvollständigkeiten ist, wenn man nicht weiß, an welchem Orte etwas geschehen sei, oder welche Beschaffenheit es damit gehabt habe.
Die Historie ist also von der Geographie nur in Ansehung des Raumes und der Zeit verschieden. Die erste ist, wie gesagt, eine Nachricht von Begebenheiten, die auf einander folgen, und hat Beziehung auf die Zeit. Die andere aber ist eine Nachricht von Begebenheiten, die neben einander im Raume vor sich gehen. Die Geschichte ist eine Erzählung, die Geographie aber eine Beschreibung. Daher können wir denn zwar auch eine Naturbeschreibung, aber keine Naturgeschichte haben. Diese letztere Benennung nämlich, wie sie von Vielen gebraucht wird, ist ganz unrichtig. Weil wir aber gewöhnlich, wenn wir nur den Namen haben, mit ihm auch die Sache zu haben glauben: so denkt nun niemand daran, wirklich eine solche Naturgeschichte zu liefern.
Die Geschichte der Natur enthält die Mannigfaltigkeit der Geographie, wie es nämlich in verschiednen Zeiten damit gewesen ist, nicht aber, wie es jetzt zu gleicher Zeit ist, denn dies wäre ja eben Naturbeschreibung. Trägt man dagegen die Begebenheiten der gesammten Natur so vor, wie sie durch alle Zeiten beschaffen gewesen, so liefert man, und nur erst dann, eine richtig sogenannte Naturgeschichte. Erwägt man z. B., wie die verschiedenen Racen der Hunde aus einem Stamme entsprungen sind, und welche Veränderungen sich mit ihnen vermittelst der Verschiedenheit des Landes, des Klima, der Fortpflanzung etc. durch alle Zeiten zugetragen haben: so wäre das eine Naturgeschichte der Hunde, und eine solche könnte man über jeden einzelnen Theil der Natur liefern, z. B. über die Pflanzen u. dergl. m.3 Allein sie hat das Beschwerliche, daß man sie mehr durch Experimente errathen müßte, als daß man eine genaue Nachricht von allem zu geben im Stande sein sollte. Denn die Naturgeschichte ist um nichts jünger als die Welt selbst, wir können aber für die Sicherheit unserer Nachrichten nicht einmal seit Entstehung der Schreibekunst bürgen. Und welch ein ungeheurer, wahrscheinlich ungleich größerer Zeitraum, als der ist, den man uns gewöhnlich in der Geschichte darüber nachweist, liegt jenseits derselben wohl!
Wahre Philosophie aber ist es, die Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit einer Sache durch alle Zeiten zu verfolgen. Wenn man die wilden Pferde in den Steppen zahm machen könnte: so wären das sehr dauerhafte Pferde. Man merkt an, daß Esel und Pferde aus einem Stamme herrühren und daß jenes wilde Pferd das Stammpferd ist, denn es hat lange Ohren. So ist ferner auch das Schaf der Ziege ähnlich, und nur die Art der Cultur macht hier eine Verschiedenheit. So ist es auch mit dem Weine u. dergl.
Ginge man demnach den Zustand der Natur in der Art durch, da man bemerkte, welche Veränderungen sie durch alle Zeiten erlitten habe: so würde dieses Verfahren eine eigentliche Naturgeschichte geben.
Der Name Geographie bezeichnet also eine Naturbeschreibung, und zwar der ganzen Erde. Geographie und Geschichte füllen den gesammten Umfang unserer Erkenntnisse aus; die Geographie nämlich den des Raumes, die Geschichte aber den der Zeit.
Wir nehmen gewöhnlich eine alte und eine neue Geographie an, denn Geographie ist zu allen Zeiten gewesen. Aber was war früher da, Geschichte oder Geographie? Die letztere liegt der erstern zum Grunde, denn die Begebenheiten müssen sich doch auf etwas beziehen. Die Geschichte ist in einem unablässigen Fortgange; aber auch die Dinge verändern sich und geben zu gewissen Zeiten eine ganz andre Geographie. Die Geographie also ist das Substrat. Haben wir nun eine alte Geschichte, so müssen wir natürlich auch eine alte Geographie haben.
Die Geographie der gegenwärtigen Zeit kennen wir am besten. Sie dient außer andern, noch nähern Zwecken auch dazu, die alte Geographie vermittelst der Geschichte aufzuklären. Allein unsere gewöhnliche Schulgeographie ist sehr mangelhaft, obwohl nichts fähiger ist, den gesunden Menschenverstand mehr aufzuhellen als gerade die Geographie. Denn da der gemeine Verstand sich auf die Erfahrung bezieht: so ist es ihm nicht möglich, sich ohne Kenntniß der Geographie auf eine nur einigermaßen beträchtliche Weise zu extendiren. Vielen sind die Zeitungsnachrichten etwas sehr Gleichgültiges. Das kommt daher, weil sie jene Nachrichten nicht an ihre Stelle bringen können. Sie haben keine Ansicht von dem Lande, dem Meere und der ganzen Oberfläche der Erde. Und doch ist, wenn dort z. B. etwas von der Fahrt der Schiffe in das Eismeer gemeldet wird, dies eine äußerst interessante Sache, weil die freilich jetzt schwerlich mehr zu hoffende Entdeckung oder auch nur die Möglichkeit der Durchfahrt durch das Eismeer in ganz Europa die wichtigsten Veränderungen zuwege bringen müßte. Es giebt schwerlich eine Nation, bei der sich der Verstand so allgemein und bis auf die niedrigsten Volksklassen erstreckte, als dies bei der englischen der Fall ist. Ursache davon sind die Zeitungen, deren Lectüre einen extendirten Begriff der ganzen Oberfläche der Erde voraussetzt, weil uns sonst alle darin enthaltenen Nachrichten gleichgültig sind, indem wir keine Anwendung von ihnen zu machen wissen. Die Peruaner sind in der Art einfältig, daß sie alles, was ihnen dargeboten wird, in den Mund stecken, weil sie nicht im Stande sind einzusehen, wie sie eine zweckmäßigere Anwendung davon machen könnten. Jene Leute, die die Zeitungsnachrichten nicht zu benutzen verstehen, weil sie keine Stelle für sie haben, befinden sich mit diesen armen Peruanern, wenn nicht in einem gleichen, so wenigstens in einem sehr ähnlichen Falle.
Die physische Geographie ist also ein allgemeiner Abri der Natur, und weil sie nicht allein den Grund der Geschichte, sondern auch den aller übrigen möglichen Geographieen ausmacht: so würden die Hauptstücke einer jeden dieser letztern hier gleichfalls in der Kürze müssen abgehandelt werden. Hierher gehört demnach:
1. Die mathematische Geographie, in der von der Gestalt, Größe und Bewegung der Erde, so wie von ihrem Verhältnisse zu dem Sonnensysteme, in dem sie sich befindet, gehandelt wird.
2. Die moralische Geographie, in der von den verschiedenen Sitten und Charakteren der Menschen nach den verschiedenen Gegenden geredet wird. Z. B. wenn in China und besonders in Japan der Vatermord als das fürchterlichste Verbrechen in der Art bestraft wird, daß man nicht nur den Missethäter selbst auf die grausamste Weise zu Tode martert, sondern auch seine ganze Familie umbringt und alle seine Nachbaren, die mit ihm in einer Straße wohnen, in gefängliche Verwahrung bringt. Man glaubt nämlich, ein solches Laster kann unmöglich auf einmal, sondern nur nach und nach entstanden sein, daher die Nachbaren dies bereits hätten voraussehen und es der Obrigkeit anzeigen können. Dagegen wird es in Lappland für eine ausgezeichnete Liebespflicht gehalten, wenn der Sohn seinen auf der Jagd verwundeten Vater mit einer Sehne vom Rennthiere tödtet, daher sie derselbe auch allezeit seinem geliebtesten Sohne anvertraut.
3. Die politische Geographie. Wenn der erste Grundsatz einer bürgerlichen Gesellschaft ein allgemeines Gesetz so wie eine unwiderstehliche Gewalt bei Übertretung desselben ist, die Gesetze sich aber gleichfalls auf die Beschaffenheit des Bodens und der Einwohner beziehen: so gehört die politische Geographie ebenfalls hierher, indem sie sich gänzlich auf die physische Geographie gründet. Ergössen sich die Ströme in Rußland südlich: so wäre das für das ganze Reich von dem ausgezeichnetesten Nutzen, aber nun fließen sie fast alle in das Eismeer. In Persien gab es geraume Zeit zwei Regenten, deren einer seinen Sitz zu Ispahan, der andere aber zu Kandahar hatte. Sie vermochten es nicht sich gegenseitig zu überwältigen, denn daran hinderte sie die zwischen inne liegende Wüste Kerman, die größer ist als manches Meer.
4. Die mercantilische Geographie. Hat ein Land der Erde dasjenige im Überflusse, was ein anderes gänzlich entbehren muß: so wird vermittelst der Handlung in der ganzen Welt ein gleichförmiger Zustand erhalten. Hier wird also angezeigt werden müssen, warum und woher ein Land dasjenige im Überflusse hat, dessen ein anderes entbehren muß. Mehr als irgend etwas hat die Handlung die Menschen verfeinert und ihre gegenseitige Bekanntschaft begründet4.
5. Die theologische Geographie. Da die theologischen Principien nach der Verschiedenheit des Bodens mehrentheils sehr wesentliche Veränderungen erleiden: so wird auch hierüber die nothwendigste Auskunft müssen gegeben werden. Man vergleiche z. B. nur die christliche Religion im Oriente mit der im Occidente und hier wie dort die noch feinern Nuancen derselben. Noch stärker fällt dies bei wesentlich in ihren Grundsätzen verschiedenen Religionen auf. Vergl. H. E. G. Paulus, Memorabilien. St. 1. Leipzig 1791. S. 129. und v. Breitenbauch in dessen zweitem, oben genannten Buche.
Außerdem werden hier die Abweichungen der Natur in dem Unterschiede zwischen Jugend und Alter, ferner das, was jedem Lande eigenthümlich ist, bemerkt werden müssen. Z. B. die Thiere, jedoch nicht die einheimischen, es sei denn, daß sie in verschiedenen Ländern auch anders beschaffen wären. So schlagen unter andern die Nachtigallen lange nicht so stark in Italien als in den nordischen Gegenden. Auf wüsten Inseln bellen die Hunde gar nicht. Auch von Pflanzen, Steinen, Kräutern, Gebirgen, usw. wird hier die Rede sein müssen.
Der Nutzen dieses Studiums ist sehr ausgedehnt. Es dient zur zweckmäßigen Anordnung unserer Erkenntnisse, zu unserm eignen Vergnügen und gewährt reichen Stoff zu gesellschaftlichen Unterhaltungen.
Bevor wir nun wirklich zu der Abhandlung der physischen Geographie selbst übergehen, müssen wir nach den bereits vorangeschickten vorläufigen Anmerkungen uns nothwendiger Weise erst noch einen Vorbegriff von der mathematischen Geographie machen, weil wir dessen in jener Abhandlung nur zu oft bedürfen werden. Demzufolge erwähnen wir hier der Gestalt, Größe und Bewegung der Erde, so wie ihres Verhältnisses zu dem übrigen Weltgebäude.
1 Vergl. Kants Vorrede zu seiner Anthropologie in pragmatischer Hinsicht. Zweite Aufl. Königsb. 1800. gr. 8.
2 Fabri in seiner Geistik S. 3 nennt noch eine Producten=Geographie. Die gewöhnlichen Eintheilungen der Geographie findet man von ihm a. a. O. auf die gewöhnliche Weise definirt. Aber eben diesen Definitionen hat man die lange nicht dem Kenner gnügende Anordnung aller unserer geographischen Werke, vorzüglich über politische Geographie, beizumessen. Mehr darüber an einem andern Orte. Die politische Geographie wird übrigens noch in die alte, mittlere und neuere eingetheilt. In Hinsicht auf diese letztere siehe: Mannerts Geographie der Griechen und Römer. Nürnberg. gr. 8. Neue Aufl. 1799. D'Anvilles alte und mittlere Erdbeschreibung. gr. 8. Nürnberg. 1782. Von ersterer eine neue Aufl. 1800. Mentelle, vergleichende Erdbeschreibung a. d. Franz. gr. 8. Winterthur. 1785. Die große Zahl der neuern die politische Geographie betreffenden Schriften, vorzüglich von Büsching, Bruns, Ebeling, Hartmann, Gatterer, Gaspari, Canzler und Fabri sind bekannt. Vergl. auch Crome, Europens Producte. Dessau. 1782. 2te Aufl. Th. 1. Leipz. 1784. Nebst der Productenkarte. v. Breitenbauch, Vorstellung der vornehmsten Völkerschaften der Welt nach ihrer Abstammung, Ausbreitung und Sprachen. Mit 1 Karte. Leipz. 1794. gr. 8. Desselben Religionszustand der verschiedenen Länder der Welt in den ältern und neuern Zeiten. Nebst Karte. das. 1794. gr. 8. Die Litteratur der mathematischen Geographie s. weiter unten. Bearbeitungen der Geographie nach den übrigen, oben angegebenen Gesichtspunkten fehlen uns fast noch gänzlich.
3 S. z. B. Ch. F. Ludwigs schönen Grundriß der Naturgeschichte der Menschenspecies. Mit Kupf. Leipz. 1796. gr. 8.
4 Fabri in seiner Geistik. S. 4. giebt den Grundriß einer solchen mercantilischen oder Handlungsgeographie.
Was also zuvörderst die Gestalt der Erde betrifft: so ist dieselbe beinahe kugelähnlich, oder, wie Newton es aus den Centralgesetzen und der Anziehung genauer bestimmt hat, eine Sphäroide, welche Behauptung nachmals auch durch wiederholte Beobachtungen und Ausmessungen bestätigt ist.1
Man stellt sich dabei aber die Figur der Erde so vor, als wäre sie ganz vom Wasser umgeben, also eine hydrostatische Gestalt derselben. Die Berge machen hier keinen Unterschied, da sie nicht einmal im Erdschatten zu bemerken sind, und der höchste von ihnen kaum den 1900sten Theil des Erddurchmessers ausmacht2. Beweise von der runden Gestalt der Erde sind folgende:
1. Die Sonne geht nicht überall zu gleicher Zeit auf und unter, welches geschehen müßte, wenn, was man geraume Zeit glaubte, die Erde eine Ebene wäre. Hieraus würde indessen nur folgen, daß die Erde von Morgen gegen Abend rund sei. Aber
2. auch die Polhöhen und Mittagshöhen sind nicht an allen Örtern dieselben. Reisen wir um fünfzehn Meilen weiter nach Süden, so steht der Polarstern um einen Grad niedriger und einen Grad höher, wenn wir um eben so viel weiter nach Norden reisen, bis er uns endlich unter dem Pole selbst in den Scheitelpunkt tritt. Daraus schließen wir denn mit vollem Rechte auch auf eine Rundung der Erde von Norden nach Süden.
3. Der Erdschatten bei Mondfinsternissen ist, und zwar in allen Lagen der Erde, beständig rund. 4. Man erblickt selbst bei der unbegrenzten Aussicht auf offnem Meere zuerst nur die äußersten Spitzen der Objecte und allmählig erst die untern Theile derselben.
5. Man hat die Erde nach allen Gegenden umschifft, was nicht möglich gewesen wäre, hätte sie keine runde Gestalt3.
Jene vorhin erwähnte sphäroidische Gestalt der Erde rührt daher, weil alle Materie, die nach den Polen zu liegt, sich zufolge der Gesetze der Schwere und der Schwungkraft gegen den Äquator hin sammelt und um denselben anhäuft, welches auch geschehen würde, wenn die Erde ganz vom Wasser umflossen wäre, und zwar deshalb, weil um den Pol gar keine, bei dem Äquator aber die stärkste Bewegung stattfindet, daher auch der Durchschnitt, welcher durch die beiden Pole geht (die Erdaxe), kleiner ist als der Äquator. Newton hat bewiesen, daß ein jeder sich frei bewegender Körper diese Gestalt annehmen müsse.
Ist nun aber die Figur der Erde eine Sphäroide: so giebt es auch Antipoden, die wie wir den Himmel über sich und die Erde unter ihren Füßen haben. Die gemeine Meinung, als müßten diejenigen, die unter uns wohnen und uns die Füße zukehren, herunterfallen, ist pöbelhaft, denn nach den Gesetzen der Schwere, die aus der Anziehung der Erde entspringen, muß sich alles auf der Erde nach dem Mittelpunkte derselben bewegen, so daß auch nicht das kleinste Partikelchen sich von ihr zu entfernen im Stande ist. Wenn ein Körper durch die Erde auf die andere, entgegenstehende Seite derselben fallen könnte: so würde er nicht unten, sondern wieder oben sein. Denn ein Körper, der eben so viel steigt, als er gefallen war, steht nicht unten, sondern oben. Jeder Körper fällt nur bis in das Centrum; von da an muß er wieder steigen. Die Kraft aber, die ihn bis in das Centrum trieb, würde ihn auch weiter treiben, triebe ihn nicht seine Schwere dagegen wieder zurück. Man kann hiermit die Lehre vom Pendel vergleichen.
Weil nun das bisher bekannt gewordene feste Land nebst den Bergen beinahe allein auf der einen und zwar nördlichen Halbkugel der Erde, das Wasser aber hauptsächlich auf der entgegengesetzten Hemisphäre befindlich ist: so hat man vermuthet, daß auch im Süden noch ungleich mehr Land, als bis jetzt entdeckt ist, vorhanden sein müsse, und zwar aus dem Grunde, weil man sich sonst keine Auskunft darüber zu geben im Stande war, wie die Erde ihr Gleichgewicht behalten könne. Man sollte vermuthen, die Leute stellten sich die Erde wie ein Schiff vor, in dem des Gleichgewichtes wegen eine Seite nicht stärker beladen sein darf als die andere. Das ist aber nur bei einem schwimmenden Körper erforderlich. wollte man annehmen, daß die Erde nach einem Punkte außer sich ihren Lauf richte: dann wäre es freilich nöthig, ein solches Gleichgewicht anzunehmen, allein auf der Erde hat alles seine Schwere nach dem Mittelpunkte. Hier ziehen sich alle Theile und ein Körper den andern an, ja, je größer seine Masse ist, um so stärker ist seine Anziehung. Da nun die Erde vor allen auf ihr befindlichen Körpern die bei weitem größte Masse hat: so muß sie alle andere Körper auch am stärksten anziehen, und daraus entspringt die Schwere aller Körper gegen die Erde.
Der Umschwung der Erde, der noch außer der Anziehung nöthig ist, ist eine Kraft, vermöge der alle Körper von der Erde würden weggeschleudert werden, wenn nicht die in ihrer Wirkung ungleich stärkere Schwere dies verhinderte. Unter den Polen haben die Körper ihre vollste Schwere, weil dort die Schwungkraft gerade am schwächsten ist. Am stärksten ist sie dagegen unter dem Äquator, und daher wird denn dort auch der Unterschied der Schwere am merklichsten. Wollten wir annehmen, die Erde sei eine wirkliche Kugel, kein Sphäroid, und es befände sich nirgend Wasser auf ihrer Oberfläche, aber irgendwo ein Berg: so müßte dieser, er sei an welchem Orte er wolle, allmählig dem Äquator näher rücken, bis er sich endlich gänzlich unter ihm befände. Oder gäbe es unter denselben Umständen zwei solcher Berge auf der Erde, so würden beide sich äquilibriren. Die Schwungkraft ist demnach vermögend, die Materie dem Äquator immer näher zu bringen. Obgleich die Bewegung sehr geringe ist, so ist sie dennoch, da sie unaufhörlich stattfindet, keineswegs ohne alle Wirkung. Wie wir denn überhaupt auch nicht die kleinste Kraft je als völlig nichtsbedeutend betrachten dürfen, denn, wäre sie auch noch so geringe, so muß sie doch durch ihre wiederholte und vielfältige Äußerung endlich eine gewisse Größe erreichen und hervorbringen. Das kleinste Insect stößt bei seinem Sprunge die Erde zurück; allein, wie sich die Masse des Insectes zu der Masse der ganzen Erde verhält: so verhält sich auch der Stoß des Insectes zu der Bewegung der Erde, die durch diesen Stoß entsteht. Man darf sich also gar nicht daran stoßen, daß man glaubte, die Pole der Erde dürften verrückt werden, indem etwa der Materie mehr von einer Seite der Erde auf die andere übergehe. So dürfen denn nun auch die Länder der Erde auf beiden Hemisphären nicht in Ansehung des Gleichgewichtes in gegenseitiger Proportion stehen. Die Ursache ist diese: die Erde ist keine völlige Kugel, sondern abgeplattet oder ein Sphäroid, welches ein jeder flüssiger Körper wird, sobald er sich regelmäßig bewegt.
Die Erde ist demnach unter dem Äquator erhaben oder um vier und eine halbe bis sechs deutsche Meilen höher als unter den Polen. Wir haben also unter dem Äquator einen Berg von gegen sechs Meilen Höhe. Im Verhältnisse zu diesem Berge machen alle übrigen Berge und Länder nicht den eintausendsten Theil aus, indem der Fuß der ansehnlichsten Berge nur eine halbe Meile beträgt, dahingegen jener sich um den ganzen Äquator ausdehnt. Vermag also das gesammte feste Land der Erde es nicht, jenen Berg aus seiner Stelle zu rücken, so kann sich auch die Axe der Erde nicht verschieben, sondern sie bleibt beständig dieselbe. Diese Gestalt und Abplattung der Erde nun ist dem allen zufolge eine ganz natürliche Wirkung der gegenseitig wirkenden Schwungkraft und Anziehung.
Die Größe der Erde beträgt dem Umfange nach 5400 Meilen, deren also 1720 auf den Durchmesser derselben zu zählen sind. Weil aber eine Meile für den fünfzehnten Theil des Grades angenommen ist, jeder Cirkel aber, er sei groß oder klein, 360 Grade hält, deren jeder in 15 Theile kann getheilt werden: so werde ich im Stande sein, jeder, auch der kleinsten Kugel, schlechthin ein Maß von 5400 Meilen beizulegen, denn wenn ich die 360 Grade des kleinsten Cirkels durch den fünfzehnten Theil eines Grades, also mit 15 multiplicire: so bekomme ich die Summe von 5400. Demnach weiß ich also so gut wie gar nichts, wenn ich bloß weiß, daß die Erde 5400 Meilen im Umfange habe, deren jede der fünfzehnte Theil eines Grades ist. Es muß daher das hier gemeinte Meilenma genauer bestimmt werden.
In Sachsen giebt es eine zwiefache Meile, nämlich eine Polizeimeile, die 30000 Werkschuhe hält, und eine geographische Meile von 2000 rheinländischen Ruthen oder 24000 Werkschuhen. Ein geometrischer Schritt, oder der eintausendste Theil einer deutschen Viertelmeile, macht 5 Fu oder nach der neuesten Ausrechnung 6 rheinländische Fuß aus. Mit andern Worten: der sechuigste Theil eines Grades der Erde ist eine Minute der Erde. Der eintausendste Theil einer solchen Minute aber ist ein geometrischer Schritt. Wenn nun eine geographische Meile 24000 Werkschuhe beträgt, solcher Meilen aber 15 auf einen Grad gehen: so beläuft sich die Größe einer Minute der Erde auf eine Viertelmeile und hat 6000 Werkschuhe Länge. Folglich hat der eintausendste Theil dieser Minute 6 Fuß, und das ist der geometrische Schritt. Nach älteren Messungen hatte eine geographische Meile nur 20000 Schuhe, folglich die Viertelmeile oder Minute der Erde auch nur 5000 und der geometrische Schritt nur 5 Fuß.
Eine Klafter oder eine Toise ist dasselbe, was bei den Schiffern ein Faden und in der Sprache der Bergleute ein Lachter heißt. Er beträgt 6 Fuß oder 5 Dresdner Ellen.
Die Erde hat eine Bewegung von Abend gegen Morgen, daher erfolgt der Aufgang der Sonne und der Gestirne in entgegengesetzter Richtung der Erdbewegung, das heißt, von Morgen gegen Abend.
Die Bewegung des Sternhimmels ist nur scheinbar, denn weil wir die Bewegung der Erde, auf der wir uns befinden, nicht wahrnehmen: so haben wir eine scheinbare Bewegung des Himmels, wissen aber nicht, ob sich der Himmel oder die Erde bewege. Es ist hier derselbe Fall, als wenn ein Schiff auf offner stiller See vor Anker liegt, ein anderes Schiff aber, auf dem ich mich etwa befinde, von dem Meerstrome getrieben wird: so weiß ich nicht, welches von beiden Schiffen sich bewege, ob das erste oder das letztere. Gerade in derselben Art wissen denn auch wir nicht, ob der Sternhimmel oder ob wir unsere Stelle verändern. Der Beweis, da die Erde nicht stille stehe, sondern daß gerade sie es sei, die sich bewege, mußte mit ungemeiner Subtilität geführt werden.
Hätte die Erde gar keine Bewegung: so würden auch keine Cirkel auf derselben bestimmt sein. Da sie nun im Gegentheil aber eine zwiefache Bewegung hat, eine nämlich um ihre Axe oder ihre tägliche, die andere um die Sonne oder ihre jährliche Bewegung: so originiren sich daher folgende Punkte und Linien:
I Aus der Bewegung der Erde um ihre Axe entstehen: 1. Zwei Punkte, die gar keine Bewegung haben, sondern fest sind, und um welche sich die ganze Erde bewegt. Diese heißen Pole, nämlich Süd= und Nordpol. Die Linie aber, die ich mir durch beide Pole gezogen denke, kann die Axe heißen. Sonach haben wir schon auf der Kugelfläche, auf der wir gewöhnlich nichts unterscheiden, zwei Punkte und eine Linie. Da die Axe aber innerhalb der Kugel liegt, so geht sie uns für jetzt nichts weiter an.
2. Durch jene beiden Punkte, die Pole, kann ein Kreis gezogen werden, der die Erde der Hälfte nach durchschneidet, und dieser ist der Meridian. Nun kann man unendlich viele Meridiane ziehen, weil man aus den beiden Punkten viele Kreise zu ziehen im Stande ist. Aber wie ziehe ich nun den Meridian eines jeden Ortes? - Diese Frage begründet eine neue Art von Punkten, die durch jeden Zuschauer bestimmt werden und nicht beständig sind.
In der Mitte der Erde nämlich muß ich, wie in jeder Kugel oder Kreisfläche, ein Centrum annehmen. Von diesem kann ich durch meinen Standpunkt über meinen Kopf hinaus und von da wieder durch das Centrum herab eine Linie ziehen. Dies ist dann der Zenith und Nadir, die ein jeder für und durch sich selbst bestimmt. Zwischen zwei Punkten kann nur eine Linie gezogen werden. In der Erde ist ein Punkt und über mir gleichfalls einer. Beide begrenzen eine und dieselbe Linie. Jeder Einzelne hat also seinen Zenith, weil ein jeder eine Linie aus dem Centrum über sich heraus zu ziehen im Stande ist. Demnach kann auch ein jeder seinen eignen Meridian haben. Viele Örter indessen haben einen und denselben Meridian, wie z. B. Königsberg und das Vorgebirge der guten Hoffnung.
Jeder Meridian theilt die Erde in zwei Theile, den östlichen und den westlichen. Diejenigen Örter aber, welche unter einem und demselben Meridian liegen, sind nicht östlich oder westlich, sondern südlich und nördlich unterschieden, indem hier ein Ort nur näher nach Süden oder Norden als ein anderer liegen kann. Doch müssen in jedem Meridian selbst wieder zwei Theile unterschieden werden, in so fern er nämlich der Meridian unsers Ortes und demnächst auch der Meridian unserer Antipoden ist. Wenn die Sonne bei uns den Mittag macht: so befindet sie sich in unserm Meridian. Zur Mitternachtsstunde hingegen steht sie in dem Meridian unserer Antipoden.
Es giebt also so viele Meridiane, als sich verschiedene Standpunkte um die Erde von Osten nach Westen denken lassen.
3. Durch die Umdrehung der Erde um ihre Axe wird noch eine Linie bestimmt, und diese ist der Äquator, der von beiden Polen gleich weit entfernt, in dem aber die Bewegung der Erde am stärksten ist. Denn je näher den Polen, um so kleiner werden die Cirkel, also auch die Bewegung. Die Linie, die gleich weit von beiden Polen absteht, theilt ebenfalls die Erde in zwei gleiche Theile, nämlich in die südliche und nördliche Halbkugel. Der Meridian konnte vielfach sein, aber es giebt nur eine einzige gleich weit von beiden Polen abstehende Kreislinie, die dadurch also determinirt ist. Die durch diese Linie entstandenen beiden Hälften der Erde werden Hemisphären genannt. Zwar theilt, wie schon gesagt, auch jeder Meridian die Erde in zwei Hemisphären, nur daß diese freilich nicht durch die Natur bestimmt sind. Örter unter einem Meridian sind nach Süden und Norden, aber nicht nach Osten und Westen unterschieden. dagegen sind unter dem Äquator die Örter nach Osten und Westen, nicht aber nach Süden und Norden verschieden. Wie also der Meridian zum Unterschiede von Osten nach Westen dient: so dient der Äquator zum Unterschiede von Norden und Süden.
Nun hat jeder Cirkel 360 Grade, also auch der Äquator. Dieser giebt die Bestimmung, um wie viele Grade ein Ort von Osten nach Westen absteht. Da nun aber die Frage entsteht, von wo aus man dabei eigentlich anfangen soll die Grade zu zählen, indem der Äquator eine Kreislinie ist, die keinen festen Anfangspunkt hat, an der man also nach Belieben wählen kann: so hat man nun auch wirklich nach Belieben einen ersten Punkt auf dem Äquator angenommen, von dem man anfängt die Grade des Äquators zu zählen. Dieser erste Punkt ist vermittelst der Ziehung eines Meridians durch die Insel Ferro angenommen, von wo aus man den Äquator und zwar von Westen nach Osten hin in die bestimmten Grade abtheilt, weil die Bewegung der Erde eben diese ist4.
Wir haben demnach zwei Kreislinien, die einander rechtwinklicht durchschneiden. Will ich nun den Unterschied der Lage zweier Örter, namentlich z. B. von Königsberg und Moskwa, in Hinsicht auf ihre Lage von Westen nach Osten erfahren: so ziehe ich den Meridian beider Städte, und beide Meridiane durchschneiden den Äquator. Demzufolge zählt man denn den Unterschied der Grade auf dem Äquator. Der Bogen zwischen den beiden Meridianen und die Zahl der Grade macht alsdann den Unterschied in der Lage der Örter von Westen nach Osten bemerkbar.
Alle Grade des Meridians sind Grade der Breite und alle Grade des Äquators sind Grade der Länge. Was bedeutet denn aber die Breite und Länge eines Ortes? - Die Breite ist die Entfernung eines Ortes vom Äquator und wird auf dem Meridian abgezählt; die Länge aber ist die Entfernung eines Ortes von dem Meridian und wird auf dem Äquator abgezählt, und zwar von Westen nach Osten. Sie wird auch die Länge des Meeres genannt und ist wegen Einerleiheit der Gestalt des Himmels schwer ausfindig zu machen. Die Breite läßt sich hingegen leicht auffinden, weil sich bei der Veränderung der Breite auch jederzeit die Gestalt des Himmels verändert, und weil sie überdies der Polhöhe gleich ist. Es giebt aber, so wie zwei Hemisphären, so auch eine zwiefache Breite, eine nördliche nämlich und eine südliche. Die größte mögliche Breite beläuft sich auf 90 Grade, und dieses ist der Pol. Die Örter unter dem Äquator haben ganz und gar keine Breite.
In Hinsicht auf die Länge ist noch zu merken, daß, da man sie von Westen an zu zählen beginnt, jeder Ort auch nur eine östliche Länge haben sollte. So würde z. B. Philadelphia 320 Grade östliche Länge haben, obgleich diese Stadt nur um 40 Grade von dem ersten Meridian entfernt ist, nämlich wenn wir von Osten aus die Grade zurückzählen. Zählen wir dagegen die östliche Länge ab: so müssen wir mit dem ersten Grade beginnen und von ihm die übrigen Grade herum um die ganze Erde abzählen. Die Länge sollte also ein für allemal und immer entweder bloß östlich oder bloß westlich bestimmt werden. Man ist indessen häufig davon abgegangen, weil es zu weitläuftig schien, immer die ganze Zahl der Grade herumzuzählen. Daher sagt man denn nun auch entweder, Philadelphia hat 40 Grade westliche oder 320 Grade östliche Länge.
Außer dem Äquator giebt es noch andere, mit ihm parallel laufende Kreislinien oder Cirkel, deren Zahl sich sehr vergrößern ließe. Sie heißen Tagescirkel (circuli diurni). Durch diese Parallelkreise wird die Verschiedenheit der Lage der Länder bestimmt, welche man durch den Namen der Klimate bezeichnet.
Örter, die in einem und demselben Parallelkreise liegen, haben einerlei Breite, so wie Örter, die unter einem Meridian liegen, auch eine gleiche Länge haben, und das daher, weil die erstern gleich weit vom Äquator, die letztern aber gleich weit von dem ersten Meridian entfernt sind.
Der längste Tag für die nördliche Halbkugel ist der 21. Juni, für die südliche der 21. December, so wie dieses der kürzeste auf jener und jenes der kürzeste auf dieser ist. Der längste Tag z. B. in Königsberg beträgt 17 Stunden und 4 Minuten, der kürzeste 6 Stunden und 56 Minuten. Unter den Polen währt der Tag ein halb Jahr, unter dem Südpole vom 23. September bis zum 20. März, unter dem Nordpole vom 20. März bis zum 23. September, und eben so giebt es dort eine halbjährige, durch Nordlichte u. dergl. indessen erträglicher gemachte Nacht.
Die Alten theilten die Erde in der Art in Klimate ein, daß, wo der Tag um eine ganze Stunde länger wurde, ein neues Klima begann. So haben wir bisher bloß die Bewegung der Erde um ihre Axe erwogen und näher kennen gelernt.
Hat die Erde nun dem vorhin Gesagten zufolge eine schiefe Richtung gegen die Sonne: so folgt daraus, daß auch ein Hemisphär von der Sonne entlegener sein müsse als ein anderes, und daß daraus eben der Wechsel der Jahreszeiten entstehe. Die Bewegung dabei hat das Besondere, daß die Erde mit der Bewegung um die Sonne jederzeit einerlei Richtung der Axe hat. Die Stellung der Axe in Ansehung der Bahn ist dieselbe. Die Axe nämlich bleibt sich durch das ganze Jahr parallel, und die Schiefe der Axe auf der Fläche ihrer Bahn bleibt sich immer gleich. Wäre das nicht der Fall: so könnte die Sonne nur einer Erdhälfte sichtbar werden. Am 21. December steht die Erde im Norden, also ist die nördliche Seite der Erde der schiefen Richtung wegen von der Sonne abgelegener, folglich ist es Winter. Alsdann bescheint die Sonne die Erde nicht einmal bis zu dem Nordpole hin, sondern der größte Theil der nördlichen Erdhemisphäre entbehrt ihres Lichtes, und wo es noch einen Tag giebt, da wird er zu dieser Zeit verhältnißmäßig kürzer.
Wenn aber die Erde am 21. März gerade in Westen steht, so befindet sich die Sonne im Äquator, und alle haben einen gleich langen Tag, so wie eine gleich lange Nacht, indem die Sonne gleichmäßig beide Pole bescheint. Um den 21. Juni beleuchtet die Sonne den größten Theil der nördlichen Hemisphäre, und die Gegend des Südpols ist im Schatten, also dort der Tag länger als die Nacht, gerade das Gegentheil von dem, was in Rücksicht des 21. Decembers vorhin bemerkt wurde. Am 21. September endlich steht die Sonne wieder im Äquator, folglich ist dann zum zweiten Male im Jahre Tag und Nacht gleich.
Der Unterschied der Jahreszeiten beruht demnach auf der schiefen Stellung der Erde in ihrer Bahn. Stände die Erde noch schiefer: so wäre im nördlichen Theile oder im Winter gar kein Tag und im südlichen Theile oder im Sommer gar keine Nacht.
Aus dieser Bewegung der Erde nun um die Sonne entstehen folgende Kreise:
1. Die Wendekreise (Tropici), welche durch die Punkte gezogen werden, in denen die Sonne ihre höchste Entfernung von dem Äquator erreicht, und von denen sie dann sich allmählig wieder dem Äquator nähert. Auf jeder Hemisphäre befindet sich einer dieser Wendekreise, und zwar in einem Abstande von 23 Grad 30 Minuten von dem Äquator. Sie machen eben die Schiefe der Ekliptik aus, bei deren Mangel diese in den Äquator fallen und dadurch der Jahreszeitenwechsel aufgehoben würde. Die Abweichung der Ekliptik beträgt demnach 23 Grad 30 Minuten. Die Sonne steht zu irgend einer Zeit in dem Scheitelpunkte eines jeden zwischen den Wendecirkeln liegenden Ortes, aber sie tritt niemals in den Scheitelpunkt eines Ortes, der außerhalb den Wendecirkeln liegt. Dort leuchtet sie bis auf den Boden eines tiefen Brunnens, hier bescheint sie dagegen bloß die eine Seite desselben.
2. Die Polarkreise werden in einer Entfernung von 23 Grad 30 Minuten von den Polen gezogen, und auf jeder Halbkugel befindet sich einer von ihnen. Alle innerhalb den Polarkreisen gelegene Länder haben wenigstens einmal im Jahre keinen Aufgang und keinen Untergang der Sonne.
3. Endlich müssen wir auch eines Kreises Erwähnung thun, der weder durch die Bewegung der Erde um ihre Axe, noch durch ihre Bewegung um die Sonne, sondern der durch die Optik erzeugt wird. Dieses ist der Horizont, welcher ein Cirkel ist, der vom Zenith und Nadir gleich weit absteht.
Die Zonen oder Cirkelstriche der Erde sind folgende:
1. Die heiße Zone. Sie liegt zwischen den beiden Wendekreisen. Weil der Äquator die Erde in zwei Hemisphären theilt, so kann man sagen, daß es zwei heiße Zonen giebt, nämlich auf jeder Halbkugel eine. Es wird also eine nördliche und eine südliche heiße Zone geben.
2. Die zwei gemäßigten Zonen. Diese liegen zwischen den Wende und Polarkreisen und heißen deswegen so, weil gegen die Mitte derselben die meisten Menschen und Thierarten zu leben im Stande sind. Jedoch ist es in denselben näher an den Wendekreisen oft heißer als am Äquator selbst, weil die Sonne hier länger in der Nähe des Scheitelpunktes steht, und es länger Tag ist als unter dem Äquator, wo beständig Tag und Nacht gleich sind, also die Nacht lang genug ist, um eine erforderliche Abkühlung der Erde zu bewirken.
3. Die zwei kalten Zonen liegen zwischen den Polarkreisen und den Polen auf beiden Hemisphären.
Die Zonen haben ihre Beziehung auf die Tageslänge der Gegenden. Die heiße Zone nämlich begreift alle diejenigen Gegenden (Örter) in sich, an denen der Tag und die Nacht ziemlich gleich lang sind. Alle Örter in dieser Zone haben die Sonne in jedem Jahre zweimal über ihrem Scheitelpunkte. Die gemäßigten Zonen hingegen befassen alle diejenigen Örter unter sich, an denen auch der längste Tag noch immer nicht 24 Stunden beträgt. Die in dieser Zone gelegenen Länder haben die Sonne niemals über ihrem Scheitelpunkte, sie haben aber das ganze Jahr hindurch einmal in 24 Stunden abwechselnd Tag und Nacht. In den kalten Zonen endlich liegen diejenigen Örter, an denen der längste Tag ein halbes Jahr währt. Der längste Tag ist also immer länger, je näher man den Polen kommt. Die etwanigen Bewohner der Gegenden unter den Polen würden den Äquator zum Horizonte haben, folglich bliebe die Sonne ein ganzes halbes Jahr hindurch beständig in ihrem Horizonte.
Wir haben bisher von den Kreislinien und Veränderungen geredet, die durch die Bewegung der Erde um die Sonne auf der erstern veranlaßt werden. Aber es giebt der Weltkörper mehrere, die in gewisser Hinsicht einen nähern unleugbaren Einfluß auf die Erde haben, wenn sich derselbe gleich vor der Hand nicht von allen gleichmäßig ausführlich, sondern von dem einen mehr als von dem andern darthun läßt. - Den Inbegriff solcher in einem nähern gemeinschaftlichen Verhältnisse gegen einander stehenden Weltkörper nennt man nun ein Sonnensystem. Es besteht ein solches aber aus einem selbstleuchtenden und mehreren dunkeln Körpern, die von jenem ihr Licht erhalten. Die letzteren heißen Planeten, die ersteren Sonnen, oder in Beziehung auf andere, von dem unsrigen verschiedenen Sonnensysteme Fixsterne.
Wandellos fest, nur einmal in 25 Tagen und etwa 12 Stunden um ihre eigne Axe sich drehend, steht die Sonne im Mittelpunkte unseres Systems und verbreitet ihr Licht, wie über unsere Erde, so auch über alle sich in bestimmten größern oder kleinern Kreisen um sie drehenden und daher Planeten (Irrsterne) genannten Weltkörper6.
Die Sonne hat eine fast anderthalb millionenmal unsern Erdkörper überwiegende Größe und ihr Durchmesser beträgt 193871,35 Meilen. Ob sie ein festerer oder ein lockererer Körper ist als die Erde, ob sie an sich eine Lichtmasse ist, oder woher ihr das Licht und die Wärme kommen, die sie um sich her verbreitet, darüber giebt es der möglichen Meinungen viele, so wie über die dunkeln sowohl als vorzüglich leuchtenden Stellen, die sich auf ihrer Oberfläche vorfinden, und von denen die erstern Sonnenflecken, die andern aber Sonnenfackeln genannt werden.
Zu dem Systeme unserer Sonne gehören, so weit wir es kennen, sieben Planeten, von denen der Mercur seinen Umlauf in einer mittlern Entfernung von acht Millionen, die Venus von fünfzehn Millionen, die Erde von vierundzwanzig, Mars von einunddreißig, Jupiter von einhundertundzehn, Saturn von einhundertneunundneunzig und Uranus von vierhundert Millionen Meilen um die Sonne hat.
Mercur hat einen Durchmesser von 608 Meilen oder etwa ein Drittheil des Erddurchmessers. (S. Bode, Astronom. Jahrb. f. d. Jahr 1803. Berl. 1800. 8. Aufsatz XII). Die Zeit seines Umlaufes um die Sonne, also eines Jahres in ihm, beträgt 87 Tage, 23 und eine Viertelstunde. Das Sonnenlicht bedarf, um ihn zu erreichen, nur 3 Minuten 8 Secunden.
Der Durchmesser der Venus beträgt 1615 Meilen, ihre Umlaufzeit um die Sonne aber 224 Tage und 17 Stunden. Die Strahlen der Sonne erreichen sie nach 5 Minuten und 52 Secunden. Ihr zunächst wälzt sich die
Erde einmal in 365 Tagen, 5 Stunden und 48 Minuten um die Sonne, von der sie nach 8 Minuten 7 Secunden ihr Licht erhält. Jenseits der Erde und ihr am nächsten steht der
Mars, der nur 920 Meilen im Durchmesser hält und seinen Umlauf um die Sonne innerhalb 686 Tagen, 23 Stunden und 30 1/2 Minuten zurücklegt, wobei er nur in einer Zeit von 12 Minuten und 22 Secunden das Sonnenlicht erst auffängt.
Jupiter hat einen Durchmesser von 18920 Meilen. Ein Jahr in ihm beträgt eilf unserer gemeinen Jahre, 315 Tage, 14 Stunden, 27 Minuten und 11 Secunden. Das Sonnenlicht bedarf einer Zeit von 42 Minuten 13 Secunden, ehe es diesen Planeten erreicht.
Saturn hält 17160 Meilen im Durchmesser, und sein Jahr beläuft sich auf 29 unserer gemeinen Jahre, 167 Tage, 1 Stunde, 51 Minuten und 11 Secunden. Siebenzehn Minuten und 25 Secunden über eine Stunde sind dazu erforderlich, daß die Sonnenstrahlen ihn erreichen. Der letzte erst seit dem Jahre 1781 uns bekannte Planet unseres Sonnensystems ist:
Uranus. Bei einem Durchmesser von 8665 astronomischen Meilen beträgt ein einziges Jahr auf ihm nach unserer Jahrrechnung 84 gemeine Jahre, 8 Tage, 18 Stunden und 14 Minuten, und das Licht erreicht ihn erst nach 2 Stunden und 36 Minuten.
Alle diese Planeten haben wie unsere Erde eine sphäroidische Gestalt, nur daß einige von ihnen bald mehr bald minder abgeplattet oder bei den Polen eingedrückt sind, welches indessen nicht immer, wie man vermuthen sollte, von ihrer, wenigstens uns bekannten langsamern oder schnellern Rotation abzuhängen scheint, wie dies z. E. am Mars zu ersehen ist, dessen Axenlänge sich zum Durchmesser seines Äquators fast wie 15 zu 16 verhält, der also eine stärkere Abplattung hat als die Erde, ohngeachtet sein Volumen weit geringer und seine Axendrehung um vieles langsamer ist.
Unsere Unbekanntschaft mit einem achten oder mehrern andern Planeten unseres Sonnensystems ist übrigens kein entscheidender Beweis, daß es deren wirklich keine mehr gebe. Vielmehr läßt uns der ungeheure Abstand des Uranus von dem nächsten Fixsterne (dieser dürfte von unserer Sonne wenigstens um 200000 Halbmesser der Erdbahn oder vier Billionen Meilen weit entfernt sein) vermuthen, daß es jenseits desselben der Planeten noch mehrere gebe. So wie es sogar aus vollwichtigen Gründen wahrscheinlich wird, daß selbst innerhalb der bekannten Grenzen unseres Sonnensystems, namentlich zwischen dem Mars und Jupiter, ein noch unentdeckter Planet vorhanden sein dürfte7.
Mehrere dieser Planeten haben ihre Trabanten oder Monde, die außer ihrer eignen Axendrehung sich nicht nur um ihre Planeten, sondern auch mit diesen zugleich um die Sonne drehen. Dergleichen Planeten sind nun:
1) Die Erde mit einem Monde.
2) Jupiter mit vier Monden.
3) Saturn mit sieben Monden, und
4) Uranus mit sechs Monden.
In Betreff der Venus ist es wenigstens noch nicht als ausgemacht anzusehen, ob sie einen solchen Begleiter wirklich habe, indessen läßt es sich auch nicht mit zureichenden Gründen behaupten, daß sie, Mercur und Mars seiner nothwendig entbehren müßten. Übrigens hat Saturn außer seinen Monden noch einen bisher an keinem andern Planeten entdeckten Ring, der ihn in einer Entfernung von mehr als sechstehalb tausend Meilen umgiebt, und gleichfalls ein dunkler und fester Körper zu sein und zur Verstärkung des Sonnenlichts auf jenem Planeten zu dienen scheint. Ob auch Uranus zwei dergleichen, und zwar nicht in einander liegende, sondern concentrische Ringe habe, wie Herschel muthmaßte, darüber muß die Bestätigung noch abgewartet werden.
Unter allen diesen Begleitern der Planeten interessirt uns hier zunächst nur der unserer Erde, der Mond, welcher sich, wie die Planeten um die Sonne, in einer elliptischen Bahn um unsern Erdkörper dreht, und daher demselben bald näher steht (Perigäum) in einer Entfernung von 48020 Meilen, bald aber auch 54680 Meilen von ihm entfernt ist, (Apogäum). Diese Verschiedenheit im Stande der Planeten zur Sonne heißt Perihelium und Aphelium, jenes beträgt in Hinsicht auf die Erde 23852, dieses 24667 Erdhalbmesser.
Zu seinem Umlaufe um die Erde von Abend gegen Morgen bedarf der Mond eines Zeitraums von 27 Tagen und 8 Stunden, obwohl, weil auch die Erde mittlerweile auf ihrer Bahn um die Sonne fortrückt, von einem Neumonde bis zum andern 29 Tage und 13 Stunden verfließen. Die Zeit seiner Axendrehung ist aber der seines eigentlichen Umlaufs um die Erde gleich, woraus denn von selbst folgt, was ein allgemeines Gesetz aller Trabanten zu sein scheint, daß er uns nur immer eine und dieselbe Seite zukehrt.
Der Durchmesser des Mondes beträgt nur 468 Meilen. Er ist ein dunkler und fester Körper wie unsere Erde, der sein Licht gleichfalls von der Sonne erhält. Befindet er sich zwischen dieser und der Erde, so verbirgt er uns das Licht der Sonne, und es ist Neumond. Rückt er allmählig nach Osten auf seiner Bahn um die Erde fort, so wird seine uns zugekehrte Westseite erleuchtet, und nachdem er so 90 Grade seiner Kreisbahn zurückgelegt hat, haben wir das erste Viertel. Je näher er dem 180ten Grade seiner Bahn kommt, um so weiter wird er erhellt, bis er in jenem Grade der Sonne gerade gegenüber steht und unsern Vollmond macht. Auf seinem immer fortgesetzten Laufe nimmt nun die westliche Erleuchtung allmählig wieder ab, so daß er im 270 Grad seiner Bahn nur noch auf der östlichen Hälfte hell ist und sich, wie wir sagen, im letzten Viertel befindet. Je mehr er sich alsdann der Sonne nähert, um so mehr nimmt auch dieses Licht ab, bis er wieder zwischen die Sonne und Erde tritt.
Die Oberfläche des Mondes ist der unserer Erde sehr ähnlich, nur daß sich auf ihr kein Meer oder keine so großen Flüsse vorfinden, dagegen aber giebt es weit größere Gebirge, welches alles das Vorhandensein vieler Vulcane verräth. Ob der Mond eine Atmosphäre wie die unsrige, ob er gar keine oder einen feinern Dunstkreis habe, ist noch nicht entschieden; das letzte aber das Wahrscheinlichste. Übrigens findet auf ihm, wie sich dies mit aus dem vorhin Gesagten ergiebt, auch kein Jahreszeitenwechsel wie der unsrige statt, noch eine solche Verschiedenheit von Tages= und Nachtlänge.
Die Verfinsterungen, die der Mond erleidet, entstehen, wenn die Erde mehr oder minder zwischen ihn und die Sonne tritt und ihm dadurch das Licht dieser letztern entzieht, so wie er dagegen in einem ähnlichen Falle eine sogenannte Sonnenfinsterniß auf der Erde bewirkt. Übrigens hat der Mond einen unleugbaren Einfluß auf die Erde, wie Ebbe und Fluth dies beweisen. Wie weit sich derselbe aber in seinem ganzen Umfange erstreckt, ist bisher mehr die Sache der Muthmaßung und des Aberglaubens als der sichern Einsicht gewesen. Möglich indessen, daß diese einst durch Angabe der Ursachen manche Behauptung jener zur Evidenz erhebt8. So viel von dem Monde!
Noch giebt es außer diesen Haupt= und Nebenplaneten eine unbestimmbar große Menge anderer Weltkörper, die in langen und schmalen elliptischen Bahnen sich durch unser Sonnensystem bewegen und Kometen heißen. Bis jetzt sind etwa 93 derselben in ihren Bahnen berechnet. Höchst wahrscheinlich bestehen sie aus einem feinern Stoffe, als der der Planeten ist. Sie durchkreuzen von Osten nach Westen und umgekehrt in allen möglichen Richtungen die Planetenbahnen, tauchen sich in die Sonnenatmosphäre und eilen dann weit davon wieder über die Bahn des Uranus hinaus. Nach allen Beobachtungen und Erfahrungen hat die Erde indessen nie etwas mit Grund von dem Zusammentreffen mit irgend einem Kometen zu fürchten.
Anmerkung. Da sich hier bloß das Nothwendigste über die mathematische Geographie beibringen ließ, so mag für den, der sich genauer hierüber zu unterrichten wünscht, folgendes Verzeichniß dahin gehöriger Schriften hier seine Stelle finden.
Fried. Mallet, allgem. oder mathematische Beschreibung der Erdkugel, aus dem Schwedischen übersetzt von L. Th. Röhl. Greifswalde 1774. gr. 8.