Pilgerreise zur seligen Ewigkeit - John Bunyan - E-Book

Pilgerreise zur seligen Ewigkeit E-Book

Bunyan John

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Beschreibung

"Die Pilgerreise zur seligen Ewigkeit" ist eine christliche Allegorie aus dem Jahr 1678 und gilt als eines der bedeutendsten theologischen Werke in der Literatur und als Vorläufer des erzählerischen Aspekts christlichen Medien. Der unwiderstehliche Reiz des Buches, das die Vorstellungskraft des Lesers mit der Handlung und der Szenerie eines Märchens beglückt, das seinen Einfallsreichtum anregt, indem es ihn dazu bringt, eine Vielzahl kurioser Analogien zu entdecken, das seine Gefühle für die Menschen interessiert, die verwundbarer sind als er selbst und mit Versuchungen von innen und außen kämpfen, das ihm jeden Augenblick ein Lächeln entlockt durch manchmal wunderliche und doch einfache Annehmlichkeite, und das dennoch in seinem Geist ein Gefühl der Ehrfurcht vor Gott und des Mitgefühls für den Menschen hinterläßt, wird bei jedem Leser seine Wirkung entfalten. Der vorliegende Text folgt der 1859 herausgegebenen Edition der Wuppertaler Traktatgesellschaft, wurde aber in den wichtigsten Worten und Begriffen soweit überarbeitet, dass diese der aktuell gültigen Rechtschreibung entsprechen. Darüber hinaus bietet das Buch über 500 erklärende Fußnoten.

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Seitenzahl: 494

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Pilgerreise zur seligen Ewigkeit

 

JOHN BUNYAN

 

 

 

 

 

 

 

Pilgerreise zur seligen Ewigkeit, J. Bunyan

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

86450 Altenmünster, Loschberg 9

Deutschland

 

ISBN: 9783849662332

 

Der Originaltext dieses Werkes entstammt dem Online-Repositorium www.glaubensstimme.de, die diesen und weitere gemeinfreie Texte der Allgemeinheit zur Verfügung stellt. Wir danken den Machern für diese Arbeit und die Erlaubnis, diese Texte frei zu nutzen.

 

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

 

 

INHALT:

Erster Teil: Der Pilger.1

Erstes Kapitel. Pilgers Angst, Flucht und Wegweiser.1

Zweites Kapitel. Pilgers Irrfahrt. Reue und Umkehr.9

Drittes Kapitel. Pilgers Ankunft an der Pforte und Eingang.17

Viertes Kapitel. Pilger in der Schule Auslegers.20

Fünftes Kapitel. Pilgers Erfahrungen am Kreuz.29

Sechstes Kapitel. Pilgers Erlebnisse an und auf dem Hügel Beschwerde.33

Siebentes Kapitel. Pilgers Erlebnisse im Palast Prachtvoll.37

Achtes Kapitel. Pilger im Tale Demut.46

Neuntes Kapitel. Pilger im Tal der Todesschalten.51

Zehntes Kapitel. Pilgers Gefährte.56

Elftes Kapitel. Ein Dritter gesellt sich hinzu.64

Zwölftes Kapitel. Die Pilger finden einen treuen Freund wieder.74

Dreizehntes Kapitel. Die Pilger in der Stadt Eitelkeit.77

Vierzehntes Kapitel. Herr Nebenwege und Genossen.86

Fünfzehntes Kapitel. Der Pilger Verirrung. Einkerkerung und Errettung aus der Zweifelsburg.97

Sechzehntes Kapitel. Die Pilger bei den Hirten auf den lieblichen Bergen.105

Siebenzehntes Kapitel. Kleinglaubens Art und Treiben.109

Achtzehntes Kapitel. Was soll ich tun, dass ich selig werde?. 120

Neunzehntes Kapitel. Unwissenheit und Abfall.129

Zwanzigstes Kapitel. Der Pilger Ankunft im himmlischen Jerusalem.139

Zweiter Teil: Die Pilgerin. 147

Erstes Kapitel. Wie die Pilgerin sich zur Reise anschickt.147

Zweites Kapitel. Der Gang zur Pforte und was die Pilgerin dabei erfahren muss.157

Drittes Kapitel. Die Pilgerinnen in Anfechtung, und im Hause des Auslegers.165

Viertes Kapitel. Aufbruch zur Weiterreise; neue Belehrungen und Erfahrungen unter dem Geleit eines treuen Führers.178

Fünftes Kapitel. Der Pilger Angst und Erquickung.186

Sechstes Kapitel. Die Pilger im Tal der Demut und der Todesschatten.202

Siebentes Kapitel. Die Pilger setzen die Reise unter des Führers Geleit fort.212

Achtes Kapitel. Die Pilger in der Herberge.224

Neuntes Kapitel. Kampf und Sieg über den Riesen Verzweiflung. Zerstörung der Zweifelsburg. Ankunft in den lieblichen Bergen.242

Zehntes Kapitel. Ende der Pilgerreise und Ankunft in der himmlischen Stadt.251

Erster Teil: Der Pilger.

Erstes Kapitel. Pilgers Angst, Flucht und Wegweiser.

Als ich durch die Wüste dieser Welt wanderte, kam ich an eine Stelle, wo eine Höhle[1] war. Hier legte ich mich nieder, um zu schlafen, und als ich schlief, hatte ich einen Traum. Mir träumte, und siehe ich sah einen Mann dastehen, der war gekleidet in schmutzige Lumpen, das Gesicht hatte er von seinem Hause weggewandt, ein Buch in der Hand und eine große Last auf dem Rücken.[2] Ich gab Acht und sah, dass er das Buch aufmachte und darin las. Und als er las, fing er an zu weinen und zu zittern, und da er sich nicht länger halten konnte, brach er in den Angstschrei aus: „Was soll ich tun?“[3]

In solchem Zustande ging er nach Hause und suchte die Angst seines Herzens, so lange wie er konnte, vor Weib und Kindern zu verbergen; da aber seine Unruhe zunahm, war es ihm nicht möglich, lange zu schweigen: deswegen schüttete er zuletzt sein Herz vor ihnen aus und sprach: O, liebe Frau und liebe Kinder, ich muss euch sagen, es ist vorbei mit nur, denn es liegt mir eine schwere Last auf, und überdem habe ich in gewisse Erfahrung gebracht, dass die Stadt[4], worin wir wohnen, durch Feuer vom Himmel verzehrt werden wird; bei dieser furchtbaren Zerstörung sollen wir aber Alle, ich, du liebe Frau und ihr meine süßen Kindlein, jämmerlich umkommen[5], es sei denn, dass wir einen Weg ausfindig machten, auf dem wir dem Verderben entrinnen könnten, aber ich weiß keinen.

Durch diese Äußerungen wurden die Seinigen in schmerzliche Bestürzung versetzt, aber nicht darum, weil sie glaubten, dass das, was er ihnen gesagt, wahr sei, sondern weil sie meinten, dass er verwirrt im Kopfe geworden. Sie hofften indessen, dass der Schlaf seine Sinne wieder in Ruhe bringen werde, und suchten ihn daher, indem gerade die Nacht kam, in aller Eile zu Bette zu bringen. allem die Nacht war nicht minder beunruhigend für ihn wie der Tag, und so brachte er sie, statt mit Schlafen, nur mit Seufzen und Weinen hin. Als die Seinigen ihn anderen morgens fragten, wie es ihm gehe? sagte er: es wird nur schlimmer und schlimmer! Auch fing er wieder an zu ihnen zu reden, wie Tags vorher; aber er predigte tauben Ohren. Nun nahmen sie sich vor, seine Seelenangst durch ein barsches und finsteres Benehmen gegen ihn zu vertreiben, und so kam es denn, dass sie ihn bald zum Gespött machten, bald ausschalten und bald sich gar nicht um ihn bekümmerten. Daher zog er sich in sein Kämmerlein zurück, wo er voll Mitleid für die Seinigen betete und sein eigenes Elend, beklagte; zuweilen ging er auch einsam hinaus ins Feld, und las oder betete: auf diese Weise brachte er einige Tage seine Zeit zu. Als ich ihn so eines Tages im Felde umhergehen und seiner Gewohnheit nach in seinem Buche lesen sah, bemerkte ich, dass er sehr bekümmert ward, dabei rief er oft wie früher aus: „Was soll ich tun, dass ich selig werde?“

Hierauf sah ich, wie er bald auf diesen, bald auf jenen Weg hinblickte, als hätte er davonlaufen wollen, indessen blieb er dennoch stehen, denn (ich merkte) er war ungewiss, welchen Weg er wählen sollte. Endlich sah ich einen Mann, namens Evangelist, auf Ihn zukommen, der fragte ihn: „Warum schreiest du so?“ Er antwortete: Ach, lieber Herr! aus dem Buche, was ich hier habe, sehe ich, dass ich verurteilt bin zu sterben, danach aber in das Gericht zu kommen; indessen finde ich, dass ich weder zu dem einen willig, noch zu dem anderen geschickt bin.[6] Da sagte Evangelist: Wie? du bist nicht willig zu sterben, da doch das Leben mit so viel Übel und Plagen verbunden ist? Ja, antwortete der Mann, ich fürchte aber, dass die Last, die ich auf dem Rücken habe, mich noch tiefer hinabdrücken werde, als in das Grab, dass ich in die Hölle hinunterfalle.[7] Bin ich, nun nicht geschickt ins Gefängnis zu gehen, so bin ich auch nicht geschickt ins Gericht zu treten und danach die Strafe auszustehen. Das sind die Gedanken, die machen, dass ich so ängstlich rufen muss. Ist es so mit dir, sagte Evangelist, wie kommt es dann, dass du noch stille stehest? Ach, erwiderte er, weil ich nicht weiß, wo ich hingehen soll. Da zeigte Evangelist, wie geschrieben steht in dem Buche: „Entrinnet dem zukünftigen Zorn.“[8] Als der Mann diese Worte gelesen hatte, sah er betrübt Evangelist an und fragte: Wo soll ich denn hin fliehen? Hierauf sagte Evangelist, indem er mit seinem Finger über ein weites, weites Feld hinzeigte, siehst du dort die kleine enge Pforte?[9] Nein, antwortete der Mann. Da sagte der Andere: Siehst du denn da nicht ein scheinendes Licht?[10] Ja, sprach der Mann, ich glaube wohl. Nun, fuhr Evangelist fort: so behalte dieses Licht im Auge und gehe gerade darauf zu, so wirst du die enge Pforte sehen, und wenn du an dieselbe anklopfest, so wird man dir weiter sagen, was du tun sollst.

Nun sah ich in meinem Traume, dass der Mann sogleich anfing zu laufen. Als er aber nahe an seiner Türe vorbeikam, riefen seine Frau und Kinder ihm nach: „Kehre doch um!“ Allein der Mann hielt sich die Ohren zu und lief vorwärts, indem er ausrief: Leben! Leben! ewiges Leben! Er sah nicht hinter sich, sondern eilte gerade fort durch das Feld hin.[11] Ebenso kamen die Nachbaren heraus, ihn zu sehen,[12] und als sie ihn so laufen sahen, verspotteten ihn Einige, andere aber drohten ihm, und wieder andere riefen ihm nach, er möge doch umkehren. Zwei von ihnen nahmen sich vor, ihn mit Gewalt zurückzuholen. Der eine hieß Störrig, der andere Willig. Indessen hatte der Mann einen ziemlichen Vorsprung vor ihnen gewonnen, nichtsdestoweniger beharrten sie dabei, ihm nachzusetzen und holten ihn auch wirklich bald ein. Da fragte sie der Mann, liebe Nachbarn, was wollt ihr? Sie antworteten: Wir wollen dich bewegen, mit uns umzukehren. Er aber sagte: das kann auf keinen Fall geschehen; ihr wohnt in der Stadt Verderben, in der auch ich geboren ward. Ich weiß aber gewiss, dass wer darin stirbt, früher oder später tiefer hinabsinkt, als das Grab, in einen Ort, der mit Feuer und Schwefel brennt: drum macht weiter keine Umstände, liebe Nachbarn, und gehet mit mir.

Störrig. Was sagst du da? Mit dir gehen, und unsere Freunde und Vergnügungen drangehen?

Ja, sagte, Christ (denn das war der Name des Mannes), weil all jene Dinge nicht wert sind der Herrlichkeit, die ich suche.[13] Wollt ihr nun mit mir gehen und ich, dann werdet ihr sie gleicherweise erlangen. denn wo ich hingehe, ist kein Mangel, sondern volle Genüge.[14] Kommet, und ihr werdet finden, dass ich recht habe.

Störrig. Was für Dinge sind es denn, die du suchst und die du zu finden, die ganze Welt verlässt?

Christ. Ich suche ein unvergängliches, unbeflecktes und unverwelkliches Erbe, das behalten wird im Himmel, auf dass es zur bestimmten Zeit gegeben werde denen, die danach trachten mit allem Fleiß. Hier sehet, wenn ihr wollt, wie das in meinem Buche steht.[15]

Störrig. Pah! weg mit deinem Buche! Willst du umkehren mit uns oder nicht?

Christ. Nein, ich nicht, denn ich habe die Hand einmal an den Pflug gelegt.[16]

Störrig. So komm denn, Nachbar Willig, und lass uns ohne ihn wieder nach Hause gehen: es gibt eine Art verschrobener Köpfe, die, wenn sie einmal einen tollen Gedanken gefasst haben, sich weiser dünken, als sieben vernünftige Menschen, welche sagen können, warum sie etwas tun.

Willig. Lass doch das schimpfen! Wenn das wahr ist, was der gute Christ sagt, dann sind die Dinge, nach denen er trachtet, besser als die unsrigen. Ich bin Willens mit meinem Nachbar zu gehen.

Störrig. Wie! noch ein Narr mehr? Lass dir doch raten von mir und kehre wieder mit mir um. Wer weiß, wohin dich solch ein hirnkranker Mensch noch führen wird? Komm zurück! Komm zurück und sei klug!

Christ. Komm mit mir, Nachbar Willig, denn all die Dinge, von denen ich vorhin sprach, sind dort zu bekommen und noch viel herrlichere dazu. Glaubst du mir nicht-, so lies einmal in diesem Buche, und wisse, dass die Wahrheit von allem was darin steht, bekräftigt ist mit dem Blute Dessen, der es gemacht hat.[17]

Willig. Wohlan, Nachbar Störrig, ich komme zu einem Entschlusse, ich will mit diesem guten Manne gehen und es wagen mit ihm. Aber, lieber Reisegefährte, weist du auch den Weg zu dem Orte, nach dem wir verlangen?!

Christ. Ein Mann, namens Evangelist hat mich belehrt, dass ich auf eine kleine Pforte zueilen solle, die vor uns liegt. Dort werden wir weitere Anweisung über den Weg bekommen.

Willig. Wohlan, komm lieber Nachbar. Und so gingen denn beide miteinander fort.

Störrig. Ich aber will wieder nach Hause gehen, denn ich mag mit solchen verrückten Schwärmern nichts zu tun haben.

Nun sah ich in meinem Traume, dass, während Störrig umgekehrt war, Christ und Willig über die Ebene dahingingen. Dabei hatten sie folgendes Gespräch miteinander:

Christ. Nun, Nachbar Willig, wie steht's mit dir? Ich bin froh, dass du dich hast bewegen lassen mit mir zu gehen. Hätte Störrig nur die Macht und Schrecken der Dinge, die noch unsichtbar sind, wie ich gefühlt, so würde er uns nicht so leichtfertig den Rücken gewandt haben.

Willig. Nachbar Christ, wir sind nun hier allein, drum sage mir weiter, was es denn eigentlich für Dinge sind, die wir suchen und wie wir derselben teilhaftig werden?

Christ. Es sind göttliche Dinge; die kann man aber besser im. Herzen erfahren, als mit der Zunge aussprechen; doch weil du ein so großes Verlangen hast, sie kennen zu lernen, so will ich dir etwas von ihnen aus meinem Buche vorlesen.

Willig. Glaubst du denn auch, dass die Worte in deinem Buche gewiss wahr seien?

Christ. Ja, wahrlich, denn es ist gemacht von Dem, der nicht lügen kann.[18]

Willig. Gut; aber was für Dinge sind es denn, die du göttlich nennst?

Christ. Es ist ein Königreich, das kein Ende nimmt, in dem wir immerdar wohnen sollen, und das ewige Leben, welches uns zum Erbe gegeben wird.[19]

Willig. Gut, und was sonst noch?

Christ. Da empfangen wir Kronen der Ehre und Kleider, darinnen wir leuchten werden, wie die Sonne am Himmel.[20]

Willig. O, wie herrlich! was noch mehr?

Christ. Da wird nicht mehr sein Leid, noch Geschrei, denn der König dieses Ortes wird abwischen alle Tränen von unsern Augen.[21]

Willig. Und womit werden wir dort zusammen sein?

Christ. Mit Seraphim und Cherubim,[22] Geschöpfe, die du nicht anschauen kannst, ohne dass deine Augen geblendet werden. Auch wirst du da zusammenkommen mit Tausend und aber Tausenden, die vor, uns zu diesem Orte eingegangen sind, da ist keiner unter ihnen, der uns Böses tut, sondern alle gehen einher in Liebe und Heiligkeit, Jeglicher wandelt vor Gottes Angesicht und steht vor Ihm in seinem ewigen Wohlgefallen. Mit einem Worte, dort werden wir schauen die Ältesten mit ihren goldenen Kronen[23] schauen die heiligen Jungfrauen mit ihren goldenen Harfen[24] und schauen all die Märtyrer, die aus Liebe zu dem Herrn jenes Ortes von der Welt in Stücke zerhackt, auf dem Scheiterhaufen verbrannt, von wilden Tieren zerrissen oder im Meer ersäuft worden sind[25] — da sind sie alle selig und alle überkleidet mit Unsterblichkeit, gleich wie mit einem Gewand.[26]

Willig. Man wird schon entzückt, wenn man diese Dinge nur hört. Allein kann man sie dann auch bekommen? Und wie können wir sie erlangen?

Christ. Das hat der Herr, welcher der Beherrscher des Landes ist, in diesem Buche gesagt.[27] Die Summa dieser Sprüche aber ist: So jemand von Herzen nach jenen Dingen verlangt, dem will Er sie aus Gnaden geben umsonst.

Willig. Gut, lieber Reisegefährte, ich freue mich, solche Dinge Zu hören, komm, wir wollen unsere Schritte beschleunigen.

Christ. Ich kann nicht so rasch gehen, wie ich wohl möchte, denn die Last, die ich auf dem Rücken habe, hindert mich daran.

Nun sah ich in meinem Traume, dass, als die Beiden eben ihr Gespräch beendet, sie sich einem morastigen Pfuhl näherten, der mitten in der Ebene lag, und wie sie, da keiner von ihnen darauf achtete, beide plötzlich in den Sumpf fielen. Dieser Sumpf hieß Verzagtheit. Als sie nun eine Zeit lang darin herumgewühlt und ich jämmerlich besudelt hatten, fing Christ, wegen der Last auf seinem Rücken, an, in den Schlamm zu versinken.

Ach, Nachbar Christ, rief Willig, wo sind wir nun? Wahrlich, ich weiß es nicht, antwortete Christ. Da wurde Willig sehr aufgebracht und fragte ärgerlich seinen Reisegefährten: ist das die Glückseligkeit, wovon du mir so viel vorgeredet hast? Geht es uns im Anfang schon so übel, was mögen wir dann erst noch bis zum Ende unserer Reise zu erwarten haben? Komme ich nur mit dem Leben davon, so magst du meinetwegen das schöne Land allein in Besitz nehmen. Und hiermit machte er ein- oder zweimal einen verzweifelten Ansatz, und arbeitete sich aus dem Morast an der Seite des Pfuhls heraus, die seinem Hause zunächst lag: dann lief er rasch davon und Christ sah ihn nie wieder.

So lag denn Christ allein im Sumpfe der Verzagtheit und drehte sich hin und her, doch suchte er sich nach der Seite des Sumpfes hinzuarbeiten, die von seinem Hause am weitesten und der engen Pforte zunächst lag. Das gelang ihm nun zwar, aber herauskommen konnte er nicht, wegen der Last, die er auf seinem Rücken hatte. Da sah ich in meinem Traume, dass ein Mann, namens Helfer, zu ihm kam, der fragte ihn, was er da mache?

Herr, sagte Christ, ein Mann, namens Evangelist, hieß mich diesen Weg gehen und wies mich nach der Pforte dort, damit ich entrinnen möchte dem zukünftigen Zorn, nun bin ich auf dem Wege zu derselben hier hineingefallen.

Helfer. Aber warum gabst du nicht Acht auf die Fußstapfen?[28]

Christ. Die Furcht verfolgte mich dermaßen, dass ich den nächsten Weg einschlug, und so fiel ich in den Morast.

Helfer. Gib mir deine Hand! Christ tat es und er zog ihn heraus, danach stellte er ihn auf einen festen Grund[29] und hieß ihn seines Weges weitergehen.

Da trat ich selbst zu dem, der ihn herausgezogen hatte und fragte ihn: Herr, ihr wisset es, dass der Weg, der von der Stadt Verderben zu jener Pforte führt, sich über diese Stelle hinzieht; wie kommt es denn nun, dass der Sumpf hier nicht wegsam gemacht wird, damit die armen Reifenden mit mehr Sicherheit dahin gelangen könnten? Da antwortete er mir: Dieser sumpfige Pfuhl kann nicht wegsam gemacht werden, denn es ist der Sammelplatz, in welchen der Abschaum und Unflat, der sich durch die Erkenntnis der Sünde herausstellt, beständig abstießt, darum heißt er auch Pfuhl der Verzagtheit. Denn wenn dem Sünder die Augen aufgehen über seinem verlorenen Zustande, so steigen in seiner Seele viel Furcht und Zweifel und allerlei beängstigende Sorgen auf. Die fließen nun alle an dieser Stelle zusammen, und das ist die Ursache, weshalb dieser Boden so schlecht ist.

Es ist nicht des Königs Wille, dass dieser Ort so schlecht bleiben soll.[30] Auch sind seine Arbeiter, unter der Anleitung königlicher Aufseher, schon seit länger als achtzehn hundert Jahre mit diesem Stücke Lande beschäftigt gewesen, um es wegsam zu machen. Ja, soviel ich weiß, sagte er, sind hier schon wenigstens zwanzig Tausend, ja Millionen Karren voll der besten und heilsamsten Unterweisungen zu allen Zeiten und aus allen Gegenden des Königsreichs zusammengefahren und eingefüllt worden? um wo möglich die Stelle zu verbessern. Allein es ist immer noch der Pfuhl der Verzagtheit, und er wird es bleiben, wenn sie auch alles getan haben, was sie konnten.

Es sind zwar gute und feste Fußstapfen, nach Anleitung des Gesetzgebers mitten durch den Sumpf gelegt, allein um die Zeit, wenn dieser Ort seinen Unflat und böse Dünste am meisten aufsteigen lässt (wie denn solches bei Veränderung der Witterung zu geschehen pflegt), so kann man diese Fußstapfen kaum sehen; geschieht es aber auch, so werden die Menschen oft vom Schwindel ergriffen und tun Fehltritte; die Folge davon ist dann, dass sie sich schändlich besudeln, ungeachtet der Fußstapfen, die da sind. Der Boden aber, wenn man einmal durch die enge Pforte eingegangen, ist gut.[31]

Hierauf sah ich im Traume, wie Willig mittlerweile wieder zu Hause angelangt war. Nun kamen seine Nachbarn, ihn zu besuchen. Ihr Urteil über ihn fiel aber sehr verschieden aus: einige nannten ihn, weil er zurückgekommen, einen weisen Mann, andere einen Toren, weil er sich mit Christ in Gefahr begeben, und wieder andere trieben ihren Spott mit ihm, weil er sich so feige bewiesen — sie sagten nämlich: hätten wir einmal das Wagstück angefangen, dann würden wir's um weniger Schwierigkeiten willen wahrlich nicht so jämmerlich aufgegeben haben.

So saß dann Willig ganz armselig unter seinen Nachbaren da. Zuletzt jedoch fasste er wieder mehr Mut, da ließen sie denn von ihm ab, und fielen über den armen Christ hinter seinem Rücken mit ihrem Spotte her. Soviel was Willig betrifft.

 

Zweites Kapitel. Pilgers Irrfahrt. Reue und Umkehr.

 

Als Christ nun für sich allein weiter ging, bemerkte er in der Ferne Jemanden, der mitten über das Feld auf ihn zukam. Sie trafen aber gerade zusammen, als jeder von Beiden den Weg des anderen überschreiten wollte. Der Name des Herrn, welcher ihm begegnete, war Herr Weltklug; er wohnte in der Stadt Fleischesklugheit; dies ist eine sehr große, volkreiche Stadt, ganz nahe bei dem Orte, wo Christ herkam. Dieser Mann, mit dem Christ zusammentraf, hatte einige Kunde von ihm erhalten. Christs Auswanderung aus der Stadt Verderben hatte nämlich viel Gerede verursacht und war nicht nur an seinem früheren Wohnorte zum Stadtgespräch geworden, sondern fing an, es auch ringsumher in anderen Orten zu werden. Deswegen erriet Herr Weltklug schon aus dem schwermütigen Gange, dem Seufzen und Stöhnen, wen er vor sich habe, und so ließ er sich denn ohne Weiteres mit Christ in ein Gespräch ein.

Weltklug. Wie, wohin so schwer beladen, guter Freund?

Christ. Ja wohl schwer beladen, ich glaube so schwer wie jemals ein armes Geschöpf beladen gewesen ist. Und weil ihr mich fragt wohin? so will ich euch sagend Herr, dass ich auf das enge Pförtlein dort zugehe, das vor mir liegt, denn dort soll mir, wie ich unterrichtet worden bin, ein Weg gezeigt werden, dass ich meiner schweren Bürde ledig werde.

Weltklug. Hast du Frau und Kinder?

Christ. Ja, aber ich bin so beladen mit dieser Bürde, dass ich keine Freude an ihnen wie früher haben kann. Ich habe wohl Frau und Kinder, doch es ist mir als hätte ich keine.[32] —

Weltklug. Willst du mich anhören, wenn ich dir einen guten Rat gebe?

Christ. Gerne, wenn er gut ist, denn guter Rat ist's gerade, was ich nötig habe.

Weltklug. So will ich dir denn raten, dass du dich selbst von deiner Bürde in aller Eile losmachst, denn sonst wirst du niemals zur Ruhe deines Herzens kommen, auch dich eher nicht der Güter erfreuen, mit welchen Gott dich gesegnet hat.

Christ. Das ist es eben, was ich suche, dieser schweren Bürde loszuwerden, aber durch mich selbst vermag ich das nicht. Auch ist kein Mensch in unserm ganzen Lande, der sie mir von meinen Schultern nehmen kann, darum habe ich diesen Weg eingeschlagen, wie ich euch sagte, damit ich meiner Bürde entledigt werden möge.

Weltklug. Wer hieß dich diesen Weg gehen, um ihrer loszuwerden?

Christ. Ein Mann, den ich für groß und ehrwürdig hielt; sein Name ist, wie ich mich erinnere, Evangelist.

Weltklug. Aber sein Rat war schlecht![33] Es gibt in der ganzen Welt keinen gefährlicheren und mühsameren Weg als diesen; das wirst du finden, wenn du seinem Rat weiter folgst. Du hast, wie ich merke, schon etwas davon erfahren, denn ich sehe noch den Schmutz von dem Pfuhl der Verzagtheit an dir. Dieser Pfuhl ist aber nur der Anfang von, den Trübsalen, welche derer warten, die diesen Weg gehen. Höre mir, ich bin älter, als du: auf dem Wege, welchen du eingeschlagen hast, treffen dich Mühseligkeit, Schmerz, Hunger, Gefahr, Blöße, Schwert, Löwen, Drachen, Finsternis, mit einem Worte, der Tod selbst und was es noch alles mehr geben mag. Dies ist gewisslich wahr, und durch viele Zeugnisse bestätigt. Warum sollte nun ein Mensch, nur um einem Fremden Gehör zu schenken, sich selbst so sorglos Preis geben?

Christ. Aber diese Bürde, mein Herr, die ich auf dem Rücken habe, ist schrecklicher für mich, als alle die Dinge, welche Sie mir eben genannt haben. Wahrlich, es dünkt mich, dass ich nichts danach frage, was mir auf meinem Wege immerhin begegnen möge, wenn ich nur von meiner Last befreit werde.

Weltklug. Wie bist du zuerst an diese Last gekommen?

Christ. Dadurch, dass ich das Buch las, welches ich hier in der Hand habe.

Weltklug. Das dachte ich wohl; da ist es dir gegangen, wie so manchen anderen schwachen Leuten, die sich mit Dingen abgeben, welche ihnen zu hoch sind und dann auf einmal verwirrt werden. Durch solche Verwirrung verliert man aber nicht bloß alles Vertrauen zu sich selbst (was, wie ich sehe, auch bei dir der Fall ist), sondern man greift auch zu verzweifelten Wagstücken, um, man weiß selber nicht was, zu erlangen.

Christ. So sieht's aber bei mir nicht aus, ich weiß recht gut, was ich zu erlangen wünsche: Erleichterung von meiner schweren Last.

Weltklug. Aber warum willst du Erleichterung auf diesem Wege suchen, auf dem, wie du siehst, doch so viele Gefahren sind? zumal da ich, dir, (wenn du nur Geduld hättest mich anzuhören) zeigen kennte, wie du das, wonach du verlangst, bekommen kannst ohne die Gefahren, worin du dich auf diesem Wege mutwillig stürzest. Ja wirklich, das Mittel ist bei der Hand. Überdem will ich dir noch sagen, dass wenn du es gebrauchst, du statt all jener Gefahren große Sicherheit, Freundschaft und Zufriedenheit finden wirst.

Christ. Ach, lieber Herr, ich bitte, machet mich doch mit diesem Geheimnis bekannt.

Weltklug. Nun ja: dort liegt ein Flecken, der heißt Gesetzlichkeit, darin wohnt ein Mann, namens Gesetzlich, ein Mann von Einsicht und von sehr gutem Ruf, der besitzt die Kunst, den Menschen solche Bürden, wie du eine trägst, von den Schultern zu nehmen.

Es ist mir wirklich, bekannt, dass er auf diese Weise viel Gutes ausgerichtet hat. Ja, überdem versteht er's auch Leute zu heilen, die durch ihre Last etwas schwach im Kopfe geworden sind. Gehe nur, wie gesagt, zu ihm hin, dann wird dir sogleich geholfen werden. Sein Haus ist noch nicht ganz eine halbe Stunde von hier. Solltest du ihn selbst aber nicht zu Hause treffen, so findest du doch seinen Sohn da, der ist ein artiger junger Mann und heißt Weltfein, er versteht, wie ich sagen darf, die Sache ebenso gut wie der alte Herr selbst. Dort kannst du, sag' ich dir, Erleichterung deiner Last finden. Und, wenn du nicht vorhast, zu deinem früheren Wohnort zurückzukehren (was ich für dich selbst nicht wünschen möchte), so kannst du ja Frau und Kinder in diesen Flecken nachkommen lassen. Es stehen gerade jetzt mehrere Häuser dort leer, von denen du ohne Zweifel eines für ein Billiges bekommen kannst; auch sind die Lebensmittel dort wohlfeil und gut, und, was dir das Leben noch angenehmer machen wird, ist, dass du bei ehrbaren Nachbarn sicher in Vertrauen und Ansehen stehen wirst.

Christ hatte den Lockungen willig zugehört und hatte sie durch das Ohr in sein Herz hineingelassen: drum stand er nachdenklich da. Aber nicht lange währte es, da sprach er in sich: wenn es wahr ist, was dieser Herr da gesagt hat, so kann ich nichts Besseres tun, als seinen Rat befolgen, und so ließ er sich denn weiter mit ihm ein.

Christ. Herr, welches ist dann der Weg zu dem Hause dieses vortrefflichen Mannes?

Weltklug. Siehst du den hohen Berg[34] dort?

Christ. Ja wohl, ganz gut.

Weltklug. Auf diesen Berg musst du zugehen, und das erste Haus, woran du kommst, ist das Haus des Mannes.

So wandte sich Christ nun von seinem Wege ab, um im Hause des Herrn Gesetzlichkeit Hilfe zu suchen. Aber siehe, als er ganz nahe an den Berg gekommen war, kam ihm derselbe so hoch vor und bemerkte er auch, dass die Seite, welche dem Wege zunächst lag, so hinüberhing, dass er sich gar nicht weiter wagte, indem er fürchtete, der Berg möchte ihm auf den Kopf fallen. Deswegen stand Christ still und wusste nicht, was er tun sollte. Auch meinte er, seine Bürde sei schwerer als vorhin, da er noch auf seinem Wege war. Dazu kamen flammende Blitze aus dem Berge heraus,[35] dass Christ bange war, er möchte davon verzehrt werden. Er schwitzte und zitterte vor Angst[36], aber fing nun auch an es zu bereuen, dass er Herrn Weltklugs Rat gefolgt war. Zugleich sah er Evangelist auf ihn zukommen und wurde rot vor Scham bei seinem Anblick. Evangelist aber kam näher und näher, und da er bei ihm war, heftete er einen strengen und furchtbaren Blick auf ihn. Dann stellte er folgende Verantwortung mit ihm an:

Ev. Was machst du hier, Christ? Christ wusste nicht, was er darauf antworten sollte, darum stand er im ersten Augenblicke sprachlos vor ihm da. Evangelist ließ es aber nicht dabei, sondern fragte weiter: Bist du nicht der Mann, den ich vor der Stadt Verderben so jammernd stehen fand?

Christ. Ja, lieber Herr, ich bin es.

Ev. Habe ich dir nicht den Weg zu der engen Pforte gewiesen?

Christ. Ja wohl, lieber Herr.

Ev. Wie kommt es denn, dass du dich so schnell davon abgewandt? denn jetzt bist du auf einem ganz anderen Weg.

Christ. Sobald ich über den Pfuhl der Verzagtheit gekommen war, begegnete mir ein Herr, der überredete mich, ich möchte in den Flecken gehen, der dort vor mir liegt, da würde ich einen Mann finden, der mir meine Last abnehmen könnte.

Ev. Was war es für ein Mann?

Christ. Er hatte ein vornehmes Aussehen, redete mir Viel, zu und brachte es am Ende so weit, dass ich seinen Aufforderungen folgte; so kam ich denn hierher. Als ich aber diesen Berg sah und wie er über den Weg hinüberhängt, da blieb ich plötzlich stehen, damit er mir nicht auf den Kopf fallen möchte.

Ev. Was sagte der Herr zu dir?

Christ. Er fragte mich, ob ich Frau und Kinder hätte, und ich sagte: ja; aber ich fügte hinzu, dass ich so beladen wäre mit der Bürde, die ich auf dem Rücken habe, dass ich keine Freude mehr wie früher an ihnen haben könnte.

Ev. Und was sagte er darauf?

Christ. Er hieß mich in aller Eile meine Bürde ablegen; und ich sagte ihm, das wäre es gerade was ich suchte: eben darum wäre ich auch auf dem Wege nach jener Pforte, um dort weiter unterwiesen zu werden, wie ich zu dem Orte meiner Erlösung kommen könnte. Da sagte er, er wolle mir einen besseren Weg zeigen, der kurz und nicht so beschwerlich wäre, als der, auf den ihr, Herr, mich gebracht hattet. Der Weg, den ich dir anweise, sprach der Mann, wird dich zum Hause eines Herrn bringen, welcher die Kunst versteht, solche Lasten abzunehmen. Ich glaubte ihm nun und wandte mich nun von jenem Wege ab auf diesen, ob ich vielleicht von meiner Last bald befreit werden möchte. Als ich aber hierherkam und die Dinge sah, wie sie wirklich sind, da stand ich still aus Furcht vor der Gefahr. Nun aber weiß ich nicht, was ich tun soll.

Ev. Bleib einen Augenblick stehen, damit ich dir Gottes Wort vorhalte. Da stand Christ mit Zittern und Evangelist sprach: „Sehet zu, dass ihr euch des nicht weigert, der da redet. Denn so jene nicht entflohen sind, die sich weigerten, da er auf Erden redete, viel weniger wir, so wir uns des weigern, der vom Himmel redet.“[37]

Ferner sagte er: „Der Gerechte wird des Glaubens leben. Wer aber weichen wird, an dem wird meine Seele keinen Gefallen haben.“[38] Von diesen Worten machte er nun sogleich eine Anwendung, indem er sich an Christ wandte und sprach: Siehe, du bist der Mann, welcher ins Elend hineinrennt, du hast angefangen den Rat des Allerhöchsten zu verwerfen und deinen Fuß abzuwenden vom Pfade des Friedens und dies zwar auf Gefahr, ewig zu verderben.

Da fiel Christ wie tot zu seinen Füßen nieder, indem er ausrief: Wehe mir, ich vergehe![39] Als aber Evangelist dies sah, ergriff er ihn bei seiner rechten Hand und sprach: „Alle Sünde und Lästerung[40] wird den Menschen vergeben. Sei nicht ungläubig, sondern gläubig.“ Dadurch wurde Christ wieder ein wenig beruhigt; zitternd richtete er sich auf und stand vor Evangelist wie vorhin.

Hierauf fuhr Evangelist weiter fort: Gib nun besser Acht auf das, was ich dir sagen will. Ich will dir nun zeigen, wer der war, der dich verführte und auch wer der war, zu dem er dich sandte. Der Mann, welcher dir begegnete, heißt Weltklug, und so heißt er mit Recht, teils weil er nur an der Lehre dieser Welt[41] Geschmack findet, weshalb er auch immer in dem Orte Gesetzlichkeit zur Kirche geht; und teils, weil er jene Lehre jeder anderen vorzieht, da sie ihm nicht das Kreuz auflegt;[42] weil er aber so fleischlich gesinnt ist, sucht er meine Wege, obgleich sie recht sind, zu verkehren. Ich will dich nun auf drei Stücke in dem Rat dieses Mannes aufmerksam machen, welche du ganz und gar verabscheuen musst:

Das erste ist, dass er dich vom Wege, den ich dir angewiesen, abwendig machte; das andere, dass er dir das Kreuz verhasst zu machen suchte, und das dritte, dass er deine Füße auf den Weg leitete, welcher zu dem Amte führt, das den Tod predigt.[43]

Erstlich musst du es verabscheuen, dass er dich von dem Wege abbrachte, auf den ich dich geführt hatte; aber auch dass du selber willig dazu warst, denn so etwas heißt nichts anders, als den Nach Gottes verwerfen, um dem Rat eines Weltklugen zu folgen. Der Herr spricht: „Ringet danach, dass ihr durch die enge Pforte eingehet“,[44] und das ist die Pforte, zu der ich dich gewiesen — „denn die Pforte ist eng, die zum Leben führet, und ihrer sind Wenige, die sie finden.“[45] Von diesem engen Pförtchen und von dem Wege, der dahin führt, hat dieser gottlose Mann dich abgeleitet und dich beinahe ins Verderben gebracht. Verabscheue daher, dass er dich vom Wege abgeleitet und habe einen Ekel an dir selbst, dass du ihm Gehör geschenkt hast.

Zweitens musst du es verabscheuen, dass er sich bemüht hat, dir das Kreuz verhasst zu machen; denn dir gebührt's, dasselbe den Schätzen Ägyptens vorzuziehen.[46] Zudem hat der König der Herrlichkeit dir gesagt: „Wer sein Leben will erhalten, der wird es verlieren“, und: „So jemand zu mir kommt und hasset nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, auch dazu sein eigenes Leben, der kann nicht mein Jünger sein, und wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt, der ist meiner nicht wert.“[47] Darum sage ich dir, so jemand dich zu bereden sucht, es gereiche dir solches zum Tode — da du doch, wie der Mund der Wahrheit spricht, ohne dasselbe das ewige Leben nicht haben kannst — so musst du eine solche Lehre verabscheuen.

Drittens musst du es hassen, dass er deine Füße auf den Weg leitete, welcher dich in die Knechtschaft des Todes bringt. Und hierbei musst du bedenken, zu wem er dich sandte, und wie unfähig derselbe ist, dich von deiner Last zu befreien.

Der, zu dem er dich sandte, damit du Erleichterung finden möchtest, und der da Gesetzlich heißt, ist der Sohn der Magd, die nun dienstbar ist mit ihren Kindern[48] und ist in geheimnisvoller Weise der Berg Sinai, von dem du befürchtetest, dass er dir auf den Kopf fallen werde. Ist dieselbe aber mit ihren Kindern dienstbar, wie kannst du dann erwarten, dass sie dich frei machen werde? Dieser Gesetzlich ist daher nicht im Stande, dich von deiner Last zu erlösen. Es ist noch nie einer von seiner Last durch ihn befreit worden und es wird auch nimmer geschehen. Du kannst nicht durch des Gesetzes Werke gerecht,[49] folglich auch nicht durch sie frei werden von deiner Last, und folglich ist Herr Weltklug ein Fremdling in der Wahrheit und Herr Gesetzlich ein Betrüger; sein Sohn Weltfein ist aber, trotz seines freundlichen Wesens ein Heuchler, der dir nicht helfen kann. Glaube mir, all dem Geschwätz, was jene törichten Leute gemacht haben, liegt nichts anders zum Grunde, als die Absicht, dich von dem Wege, auf den ich dich geleitet, abzubringen und dich dadurch um deine Seligkeit zu betrügen.

Hiernach rief Evangelist den Himmel laut zum Zeugen und zur Bekräftigung dessen an, was er gesagt hatte; da kam alsbald eine Stimme und Feuer aus dem Berge heraus, woran der arme Christ stand, dass sich ihm die Haare auf dem Haupte in die Höhe richteten. Die Stimme aber redete also: „Die mit des Gesetzes Werken umgehen, die sind unter dem Fluch. Denn es stehet geschrieben: Verflucht sei Jedermann, der nicht bleibet in allem dem, das geschrieben steht im Buche des Gesetzes, dass er's tue.“[50]

Nun erwartete Christ nichts anders als den Tod und fing an jämmerlich zu schreien, dabei verfluchte er die Zeit, in welcher er sich mit Herrn Weltklug eingelassen und schalt sich wohl tausendmal einen Narren, dass er auf den Rat desselben geachtet hätte. Auch fühlte er sich tief beschämt, wenn er bedachte, dass alle Gründe, die Herr Weltklug ihm vorgehalten, doch einzig und allein vom Fleische hergenommen seien und dass diese einen so großen Einfluss auf ihn ausgeübt hätten, dass er vom rechten Wege abgewichen wäre. Nachdem dies vorhergegangen, wandte er sich wieder an Evangelist und richtete folgende bewegte Worte an ihn:

Christ. Herr, was meint ihr, ist noch Hoffnung da für mich? Darf ich wohl wieder umkehren und auf die enge Pforte zugehen? Werde ich wohl um meines Fehltritts willen nun aufgegeben und dort mit Schanden zurückgewiesen werden? Es ist mir leid, dass ich auf den Rat jenes Mannes gehört habe; aber kann mir meine Sünde auch vergeben werden?

Evangelist. Da sagte Evangelist, deine Missetat ist groß, denn du hast zwiefältig gesündigt: du hast den guten Weg verlassen und den verbotenen betreten; aber dennoch, wird der Mann an der engen Pforte dich aufnehmen, denn er ist den Pilgern sehr zugetan. Hüte dich aber, dass du abermals zur Seite abweichest, damit du nicht „umkommest auf dem Wege, denn sein Zorn wird bald anbrennen.“[51]

Darauf schickte Christ sich an wieder umzukehren. Nachdem Evangelist ihn aber geküsst und mit einem freundlichen Blick angelächelt hatte, wünschte er ihm gute Reise. Und so pilgerte Christ eilends voran, sprach unterwegs mit Niemandem und gab dem, der ihn fragte, auch keine Antwort. Er ging gerade wie Einer, der sich auf verbotenem Grund und Boden befindet und konnte sich nirgend sicher achten, bis er wieder auf dem Wege anlangte, den er auf Herrn Weltklugs Rat verlassen hatte.

 

Drittes Kapitel. Pilgers Ankunft an der Pforte und Eingang.

 

Nachdem Christ so einige Zeit seinen Weg fortgesetzt hatte, kam er an der Pforte an. Über derselben stand geschrieben: „Klopfet an, so wird euch aufgetan.“[52] Er tat, wie es geschrieben, er klopfte ein-, zwei- und mehrere Mal, während des sprach er in seinem Herzen:

„Mag ich hier wohl herein? Tut der da drin

Mir Armen auf, der ich gewesen bin

Ein scheußlicher Rebell?

Tut Er's, dann sing' ich ewig seinen Ruhm.

Und opfre Dank Ihm bis ins höchste Heiligtum.“[53]

Endlich erschien ein Mann mit ernstem und doch mildem Angesichte an der Pforte. Er hieß Gutwill, und fragte, wer da wäre, woher der Pilger käme und was er begehrte?

Christ. Hier ist ein armer beladener Sünder. Ich komme aus der Stadt Verderben und will nach dem Berge Zion, dass ich dem zukünftigen Zorn entrinnen möge. Da man mir nun kundgetan, dass der Weg dorthin durch diese Pforte geht, so möchte ich gerne wissen, ob ihr, lieber Herr, so gut sein wollt, mich einzulassen.

Gutwill. Herzlich gern, sagte er, und machte damit zugleich die Pforte auf.[54] Als Christ nun im Begriff war durch die Pforte zu gehen, zog ihn der andere rasch herein. Was soll das bedeuten? fragte Christ. Da antwortete Gutwill: Ganz nahe bei dieser Pforte liegt ein festes Schloss, den Befehl darüber führt Beelzebub, von dort aus schießt er und die, welche bei ihm sind, seine Pfeile[55] auf diejenigen ab, die an diese Pforte kommen. ob er sie nicht töten möchte, bevor sie noch eingegangen. Da sagte Christ: ich freue mich und zittere. Als er nun eingetreten war, fragte Gutwill, wer hat dich hierher gewiesen?

Christ. Evangelist hieß mich hierhin gehen und anklopfen, wie ich denn auch getan habe. Auch sagte er, dass ihr, Herr, mir angeben würdet, was ich weiter tun müsste.

Gutwill. eine offene Tür ist vor dir, und niemand kann sie zuschließen.[56]

Christ. Ach, so fange ich nun an den Gewinn meiner Wagnisse zu ernten!

Gutwill. Aber wie ist es, dass du allein kommst?

Christ. Weil keiner von meinen Nachbarn seine Gefahr so klar erkannte, wie ich die meinige.

Gutwill. Wussten einige von ihnen, dass du hierher gingst?

Christ. Ja, meine Frau und meine Kinder sahen es zuerst und riefen mir nach, ich sollte wieder umkehren; 'ebenso machten es einige meiner Nachbarn, allein ich hielt mir die Ohren zu und ging meines Weges.

Gutwill. Aber lief dir denn keiner von ihnen nach, der dich zu bereden suchte, dass du umkehren möchtest?

Christ. Allerdings, zwei, Störrig und Willig: aber als sie sahen, dass sie nichts bei mir ausrichten konnten, kehrte Störrig sporttreibend wieder um, aber Willig ging noch eine kleine Strecke mit mir.

Gutwill. Allein, weshalb ist er denn nicht, ganz mitgekommen?

Christ. Wir gingen miteinander bis wir an den Pfuhl der Verzagtheit kamen, da fielen wir plötzlich hinein. Das machte meinen Nachbar Willig verzagt, so dass er sich nicht weiter wagen wollte. Deswegen arbeitete er sich auf der Seite, die nach seinem Hause hin liegt, aus dem Pfuhl heraus und sagte, ich möge seinetwegen das herrliche Land nur allein in Besitz nehmen: so ging er denn seines, ich aber meines Weges, er, Störrig nach und ich zu dieser Pforte.

Gutwill. Ach, der arme Mann! Achtete er die himmlische Herrlichkeit so gering, dass er sie nicht wert hält, sich einigen Beschwerden auszusetzen, um sie zu erlangen?

Christ. Ja, ich habe von Willig zwar die Wahrheit gesagt, allein wenn ich sie auch von mir selbst sagen soll, so bin ich nicht besser, wie er. Es ist wahr, er kehrte nach seinem Hause zurück, aber ich wandte mich auch ab auf den Weg des Todes, und dazu ließ ich mich durch die fleischlichen Vorstellungen eines gewissen Herrn Weltklug bewegen.

Gutwill. O! mit dem bist du zusammengetroffen? Was! der wurde dich zweifelsohne zu bereden suchen, dich bei Herrn Gesetzlich nach Erleichterung umzusehen. Sie sind, alle beide rechte Betrüger. Aber folgtest du denn seinem Rat?

Christ. Ja, soweit ich konnte. Ich ging, um Herrn Gesetzlich aufzusuchen; als ich aber an den Berg kam, der bei seinem Hause liegt, glaubte ich, derselbe würde mir auf den Kopf fallen, darum fand ich mich genötigt stehen zu bleiben.

Gutwill. Dieser Berg hat schon so manchem den Tod gebracht, und wird noch Vielen den Tod bringen.[57] Es ist gut, dass du so davongekommen und nicht von ihm in Stücke zerschmettert worden bist.

Christ. Ja, ich weiß wahrlich nicht, was dort aus mir geworden wäre, wenn ich nicht glücklicherweise Evangelist wieder, als ich gerade in der furchtbarsten Verlegenheit steckte, getroffen hätte. Aber es war Gottes Gnade, dass er abermals zu mir kam, sonst wäre ich niemals hierhin gekommen. So bin ich denn nun hier angelangt, ich, der ich eher wert bin, bei jenem Berge umzukommen, als mit euch, mein Herr, zu reden. Doch, ach! welche Gnade für mich, dass ich dennoch hier eingelassen worden bin!

Gutwill. Wir weisen Keinen zurück, der hierherkommt, was er auch früher begangen haben mag: es wird keiner hinausgestoßen.[58] Komm darum, lieber Christ, eine kleine Strecke mit mir, ich will dir den Weg zeigen, den du gehen musst. Er liegt nahe vor dir, siehst du den schmalen Weg da? Er ist angebahnt von den Patriarchen und Propheten, von Christo und seinen Aposteln und so gerade wie an einer Schnur gezogen. Das ist der Weg, den du gehen musst.

Christ. Sind aber keine Nebenwege und Krümmungen dabei, wodurch ein Fremdling vom rechten Wege abkommen könnte?

Gutwill. Ach ja, es stoßen viele Wege daran, aber sind krumm und breit, und daran kannst du den rechten Weg von dem verkehrten unterscheiden, dass allein der rechte Weg gerade und schmal ist.[59]

Ich vernahm nun in meinem Traume, dass Christ ihn weiter fragte, ob er ihm nicht von der Last auf seinem Rücken abhelfen könne? denn bis dahin war er ihrer noch nicht los, und konnte ihrer ohne Hilfe auch gar nicht loswerden. Was deine Last angeht, sagte Gutwill, so trage sie mit Geduld, bis du zu dem Orte der Erlösung kommst, denn dort wird sie dir von selbst vom Rücken fallen.

Hierauf gürtete Christ seine Lenden und machte sich reisefertig. Nun sagte ihm Gutwill noch, wenn du ein wenig von der Pforte weg bist, dann kommst du an das Haus Ausleger, da musst du anklopfen, und er wird dir herrliche Dinge zeigen[60]. Danach nahm Christ Abschied von seinem Freunde und dieser wünschte ihm Gottes Geleit auf seiner Reise.

 

Viertes Kapitel. Pilger in der Schule Auslegers.

 

Christ ging, nun weiter, bis er zum Hause Auslegers kam. Hier klopfte er einmal über das andere an. Endlich kam jemand an die Türe und fragte, wer da sei?

Christ. Ich bin ein Reisender, der dem gütigen Herrn dieses Hauses von einem Bekannten empfohlen worden ist; ich wünschte den Herrn deswegen zu sprechen.

Der Angeredete ging darauf und rief den Hausherrn; dieser kam auch alsbald und fragte Christ, was er für ein Anliegen habe.

Christ. Herr, ich bin ein Mann, der aus der Stadt Verderben kommt und will nach dem Berge Zion. Es ist mir aber von dem Manne, welcher an der Pforte, am Anfang dieses Weges, steht, gesagt worden, ihr würdet mir, wenn ich hier vorspräche, herrliche Dinge zeigen, die mir für meine Reise sehr heilsam waren.

Ausleger. Nun gut, komm herein. Ich will dir zeigen, was nützlich für dich sein wird. Hierauf befahl er seinem Diener, ein Licht anzuzünden und ersuchte Christ, ihm zu folgen. Zuerst führte er ihn in ein Wohnzimmer, und hieß seinen Diener eine Tür aufmachen. Als dies geschehen war, sah Christ das Bild eines ehrwürdigen Mannes an der Wand hängen. Derselbe hatte folgendes Aussehen: Seine Augen waren gen Himmel gerichtet, in seiner Hand hatte er das Buch aller Bücher, das Gesetz der Wahrheit war auf seinen Lippen, und der Welt hatte er den Rücken zugewandt; er stand da wie Einer, der eifrig mahnt und bittet, und über seinem Haupte hing eine goldene Krone.

Alsbald fragte Christ: Wen soll dieses Bild vorstellen?

Ausleger. einen von den Tausenden[61], der mit den Worten des Apostels sagen kann: Ob ihr gleich zehntausend Zuchtmeister hättet in Christo, so habt ihr doch nicht viele Väter, denn ich habe euch gezeugt in Christo Jesu, durch das Evangelium.[62] Meine lieben Kinder, welche ich abermals mit Ängsten gebäre, bis dass Christus in euch Gestalt gewinne.[63] Dass er aber die Augen gen Himmel gerichtet, das beste aller Bücher in der Hand und das Gesetz der Wahrheit auf seinen Lippen hat, soll dir anzeigen, dass es sein Beruf ist, dunkle Dinge zu erkennen und sie den Sündern klar zu machen; eben deswegen steht er auch da, als ränge er mit den Menschen, sie ermahnend und bittend. Wenn du aber endlich bemerkst, wie er der Welt den Rücken gewandt und eine goldene Krone über seinem Haupte hängt, so sollst du daraus sehen, wie er um seiner Liebe zum Herrn die Güter dieser Welt gering schätzt und verachtet, aber auch schon in dieser Welt des Lohnes der Herrlichkeit, die bald an ihm offenbar werden soll, gewiss ist.[64] — Ich habe dir aber dieses Bild darum zuerst gezeigt, weil der Mann, welchen es vorstellt, der einzige ist, welchem der Herr des Ortes, wohin du gehst, die Macht gegeben hat, dein Führer an all den schwierigen Stellen zu sein, an welche du auf deinem Wege kommen kannst. Deswegen halte alles wohl in Acht, was ich dir gezeigt habe und bewahre in treuem Andenken, was du gesehen hast, damit du dich auf deiner Reise nicht mit Leuten einlassest, die zwar auch vorgeben, dass sie dich den rechten Weg führen könnten, deren Weg aber in den Tod hinabführt.

Hierauf nahm ihn Ausleger an der Hand und führte ihn in einen großen Saal, welcher mehr im Innern des Hauses lag und voller Staub war, weil man ihn niemals ausgekehrt hatte. Nachdem Christ sich hier einige Augenblicke umgesehen, ließ Ausleger einen Diener kommen und befahl ihm den Saal auszukehren. Kaum hatte dieser damit begonnen, als der Staub so schrecklich aufflog, dass Christ bald erstickt wäre. Hierauf sagte Ausleger zu einer Jungfrau, welche dabeistand: „Hole etwas Wasser und besprenge damit das Zimmer.“ Als sie das getan hack, ließ sich aber das Zimmer so gut auskehren und reinigen, dass es eine Lust anzusehen war.[65]

Da fragte Christ: Was hat das für eine Bedeutung?

Ausleger sagte: Dieser Saal stellt das Herz eines Menschen vor, welches niemals durch die süße Gnade des Evangeliums geheiligt worden Der Staub ist die Erbsünde und das inwendige Verderben, welches den ganzen Menschen verunreinigt. Der Mann, welcher zuerst anfing zu kehren, ist das Gesetz, die Jungfrau aber, welche das Wasser brachte und sprengte, ist das Evangelium. Wenn Du nun sahst, dass, als der Erste zu kehren anfing, es so staubte, dass er das Zimmer unmöglich reinigen konnte, du aber beinahe erstickt wärest: so sollst du daraus lernen, dass das Gesetz, statt das Herz durch seine Werke von der Sünde zu reinigen, dieselbe vielmehr lebendig macht, ihr Kraft gibt und bewirkt, dass sie mächtiger werde in dem Herzen, darum, weil es sie offenbart und verbietet, dagegen aber keine Kraft gibt, sie zu überwinden.[66] Indem du aber die Jungfrau sahst, welche das Zimmer mit Wasser besprengte, wodurch es fein gesäubert ward, sollst du daran erkennen, dass, wenn das Evangelium mit seinen süßen und köstlichen Wirkungen in das Herz kommt, die Sünde überwunden und unterdrückt, die Seele aber durch den Glauben gereinigt und somit zubereitet wird, dass der König der Herrlichkeit Wohnung darin machen kann.[67]

Weiter sah ich in meinem Traume, dass Ausleger ihn bei der Hand nahm und in ein kleines Zimmer führte, wo zwei kleine Mädchen waren, von, denen jedes auf einem Stuhle saß. Die älteste hieß Weltlüstel und die andere Wartestill. Weltlüstel sah sehr missvergnügt aus, Wartestill dagegen war ganz zufrieden. Da fragte Christ: Warum ist Weltlüstel so missvergnügt? Und Ausleger antwortete: Ihr Erzieher will, dass sie auf gewisse sehr kostbare Dinge bis zum Anfange des nächsten Jahres warten soll, aber sie will alles sogleich haben; Wartestill dagegen ist mit der Verzögerung ganz zufrieden.

Mittlerweile sah ich, wie jemand zu Weltlüstel kam und ihr einen ganzen Sack voll Kostbarkeiten brachte und ihn ausschüttete vor ihren Füßen. Begierig hob sie dieselben auf, freute sich darüber und lachte Wartestill dabei spöttisch aus. Ich sah aber eine Weile zu und siehe, nicht lange währte es, da hatten sie alles durchgebracht und nichts als Lumpen war übrig.

Christ. Da sprach Christ zum Ausleger: lege mir die Sache doch genauer aus.

Ausleger. Diese beiden Kinder muss man bildlich auffassen.

Weltlüstel ist ein Bild von den Kindern dieser Welt, und unter Wartestill werden die Kinder der zukünftigen vorgestellt. Denn wie du hier siehst, dass Weltlüstel alles in diesem Jahre, d. h. in dieser Welt haben will, so wollen die Kinder dieser Welt auch all ihr Gutes haben in diesem Leben. Sie können nicht warten bis zum nächsten Jahre, ihr gutes Teil zu empfangen in der zukünftigen Welt. Das Sprichwort: „Ein Vogel in der Hand ist besser als zehn auf dem Dach“ gilt ihnen mehr, als alle Zeugnisse Gottes über die Güter der zukünftigen Welt. Allein wie du bemerktest, dass Weltlüstel alsbald alles vergeudet hatte, und sie da nichts mehr als Lumpen übrig hielt, so wird es mit all solchen Leuten am Ende dieser Welt gehen.

Christ. Nun sehe ich ein, dass Wartestill allein weislich und klüglich verfährt, einmal, weil ihr Herz nach den besten Gütern trachtet, und zum anderen, weil sie im Besitze der Herrlichkeit ist, wenn die andere in Elend und Schmach dasitzt.

Ausleger. Ja, so verhält es sich wirklich, und wir können noch hinzufügen, dass Wartestill eine Herrlichkeit empfängt, die niemals vergeht, da hingegen die Schätze dieser Welt schnell vergehen. Deswegen hatte Weltlüstel aber auch keine Ursache, Wartestill auszulachen, weil diese ihr Gutes zuletzt empfing; Wartestill könnte aber wohl lachen über Weltlüstel, denn das Erste muss ein Ende nehmen, wenn das Letzte anfängt, das Letzte aber hört nimmer auf, denn es kann ihm kein anderes folgen. Wer also sein Teil zuerst hat, muss notwendigerweise eine Zeit haben, in der es verbraucht wird, allein der, welcher sein Teil zuletzt hat, muss es besitzen ohne Aufhören. Darum wird dem reichen Manne gesagt: Du hast dein Gutes empfangen in deinem Leben, und Lazarus dagegen hat Böses empfangen, nun aber wird er getröstet, und du wirst gepeinigt.[68]

Christ. Nun sehe ich ein, dass es nicht das Beste ist, nach den gegenwärtigen Gütern zu trachten, sondern zu warten auf die, welche zukünftig sind.

Ausleger. Da hast du Recht, denn was sichtbar ist, das ist zeitlich, was aber unsichtbar ist, das ist ewig.[69] Dies verhält sich nun allerdings so, allein du musst noch dabei bedenken, dass die zeitlichen Dinge und die fleischlichen Lüste nahe Nachbarn, die zukünftigen Dinge aber auch dem fleischlichen Sinne fremd sind: Daher schließen auch die beiden ersten so schnell Freundschaft miteinander, während die letzteren stets von ihnen fernbleiben.[70]

Nun sah ich in meinem Traume, dass Ausleger abermals Christ an der Hand fasste und ihn an einen Ort führte, wo ein Feuer an einer Mauer brannte, es stand aber jemand dabei, der beständig Wasser in das Feuer goss, um es auszulöschen, allein das Feuer brannte immer höher und heißer.

Da fragte Christ: was soll das bedeuten?

Ausleger erwiderte: dieses Feuer ist das Werk der Gnade im Herzen. Der aber, welcher das Wasser darauf gießt, um es auszulöschen, ist der Teufel. Wie es nun ferner kommt, dass desungeachtet das Feuer, wie du siehst, immer höher und stärker brennt, so sollst du auch davon die Ursache erfahren. Hiermit führte er Christ an die andere Seite der Mauer; da sah er einen Mann mit einem Gefäß voll Oel in der Hand, aus welchem derselbe unaufhörlich, aber heimlich, ins Feuer goss.

Was bedeutet dies? fragte Christ.

Und Ausleger gab ihm zur Antwort: das ist Christus, der ohne Aufhören mit dem Oel seiner Gnade das Werk unterhält, was er einmal im Herzen angefangen hat, und durch dieses Mittel erweist es sich, dass die Seelen seines Volkes trotz allem, was der Teufel wider sie unternimmt, dennoch in der Gnade stehen.[71] Dass du aber den Mann hinter der Mauer stehen sahst,[72] soll dir lehren, dass es einer angefochtenen Seele schwer werde zu glauben, wie das Werk der Gnade in ihr aufrecht erhalten wird.

Dann sah ich, wie Ausleger ihn wieder bei der Hand nahm und ihn an einen anmutigen Ort leitete, wo ein stattlicher Palast, lieblich anzuschauen, erbaut war. Beim Anblick desselben ward Christ hoch erfreut. Auch sah Christ auf den Zinnen dieses Palastes Leute wandeln, die ganz in Gold gekleidet waren.

Da fragte Christ: dürfen wir da wohl hineingehen? Darauf nahm Ausleger ihn bei der Hand und führte ihn nach dem Tore des Palastes hin. Und siehe, vor dem Tore stand eine Menge Menschen, als begehrten sie hineinzugehen, allein sie durften nicht. Ein wenig vom Tore ab saß ein Mann an einem Tische, der hatte ein Buch und Feder und Tinte vor sich, um die Namen derer aufzuschreiben, die hineingehen wollten. Auch sah er viele Männer in Waffenrüstung am Torwege stehen, um denselben zu bewachen und Jedem, der hineinwollte, sogleich Leid und Schaden zuzufügen. Darüber geriet Christ in Erstaunen. Während nun jeder aus Furcht vor den Gewappneten zurückbebte, sah Christ endlich einen Mann von recht tapferem Aussehen; derselbe näherte sich dem, welcher das Aufzeichnen besorgte und redete ihn mit den Worten an: Herr, schreibt meinen Namen ein. Als dies geschehen war, sah Christ, dass der Mann sein Schwert zog, einen Helm auf das Haupt setzte und nach dem Tore hin auf die Männer zustürzte, die sich ihm mit Todesmut entgegenstellten. Allein dem Manne entfiel der Mut durchaus nicht, sondern er haute und stieß um sich mit wildem Ungestüm. Nachdem er so manche Wunden erhalten und denen ausgeteilt hatte, die ihm den Eingang zu verwehren suchten[73], schlug er sich durch alle hindurch und drang in den Palast vor. Hierauf hörte man sowohl die, welche drinnen waren, als auch jene, die auf der Zinne des Palastes wandelten, mit lieblicher Stimme sagen:

„Komm, komm herein!

Dein Gnadenlohn wird ew'ge Glorie sein.“

Nun ging er hinein und ward in ein Gewand gekleidet, wie sie alle trugen. Da lächelte Christ und sagte: ich glaube wirklich, ich weiß, was das sagen will. Und hierauf sprach er: Herr, lasset mich nun weiter gehen. O, nein, sagte Ausleger, warte noch ein wenig, ich will dir noch etwas zeigen, dann kannst du weiter gehen. Und nun nahm er ihn noch ein Mal bei der Hand und führte ihn in eine dunkle Kammer, in der ein Mann in einem eisernen Käfig saß.

Der Mann war, wie es schien, sehr niedergeschlagen: seine Augen hatte er auf die Erde geheftet, die Hände gefaltet und er seufzte, als wenn ihm das Herz hatte brechen wollen. Als Christ nun fragte, was das zu bedeuten habe, hieß Ausleger ihn selbst mit dem Manne reden.

Da sagte Christ zu dem Manne: Wer bist du? Der Mann antwortete: ich bin, was ich ehedem nicht war.

Christ. Was warst du denn ehedem?

Mann. Ich war ehedem in meinen und auch in anderer Leute Augen ein trefflicher und vielversprechender Bekenner[74]: ich war einst, wie ich meinte, auserwählt für die himmlische Stadt und war sehr erfreut über dem Gedanken, dorthin zu kommen.

Christ. Allein was bist du denn nun?

Mann. Ein Mann der Verzweiflung und von ihr eingeschlossen, wie in diesen eisernen Käfig. Ich kann nicht mehr heraus! Ach, ich kann's nicht, mehr!

Christ. Aber wie gerietst du dann in diesen Zustand?

Mann. Ich unterließ es zu wachen und nüchtern zu sein. Ich ließ meinen Lüsten den Zügel schießen. Ich versündigte mich gegen das Licht des Wortes und gegen die Güte Gottes. Ich habe den Geist Gottes betrübt und er ist von mir gewichen! Ich habe den Teufel versucht, und er ist zu mir gekommen. Ich habe Gott zum Zorne gereizt, und. Er hat mich verlassen. Ich habe mein Herz so verhärtet, dass es nicht zur Buße kommen kann.

Wie? wandte sich Christ an Ausleger, ist denn für solch einen Mann keine Hoffnung mehr? Frage ihn selber, sprach Ausleger.

Christ. Ist denn keine Hoffnung da für dich, musst du vielmehr eingeschlossen bleiben im Käfig der Verzweiflung?

Mann. Ja, denn für mich ist keine Hoffnung mehr.

Christ. Wer der Sohn des Hochgebeneideten ist ja voll Erbarmung.

Mann. Allein ich habe ihn von Neuem gekreuzigt;[75] ich habe ihn verachtet;[76] ich habe seine Gerechtigkeit verworfen;[77] ich habe sein Blut für unrein geachtet und den Geist der Gnade gelästert.[78] Daher schloss ich mich selbst aus von allen Verheißungen, und so bleibet mir nichts übrig, als Drohungen, fürchterliche, schreckliche Drohungen eines unvermeidlichen Gerichts und die Gluth eines Zorns, der mich wie einen Widersacher verzehren wird.[79]

Christ. Aber um welche Dinge brachtest du dich in diese Lage?

Mann. Um der Lüste, Freuden und Vorteile dieser Welt willen, in deren Genuss ich mir großes Ergötzen versprach; allein jedes von diesen Dingen beißt und nagt mich jetzt wie ein feuriger Wurm.

Christ. Wie, kannst du denn jetzt nicht noch Buße tun und dich bekehren?

Mann. Gott hat mir die Buße verweigert. Sein Wort gibt mir nicht den Mut zum Glauben; ja, er selbst hat mich in diesen eisernen Käfig eingeschlossen, und die ganze Welt besitzt nicht die Macht, mich hinauszulassen. O Ewigkeit! Ewigkeit! wie soll ich kämpfen mit dem Jammer und der Qual, die ich ausstehen muss in Ewigkeit!

Da sagte Ausleger zu Christ: Lass das Elend dieses Mannes bei dir im Andenken bleiben und dir allezeit eine Warnung sein.

Ja wohl, sagte Christ, das ist fürchterlich! Gott wolle mir helfen wachen und nüchtern sein und beten, dass ich mich hüte vor der Ursache, die diesen Mann ins Elend gebracht hat. Herr, ist es nicht Zeit, dass ich jetzt meines Weges gehe?

Ausleger. Verweile, bis ich dir noch Eins gezeigt, dann kannst du weiter gehen. Und so nahm er denn Christ noch einmal an der Hand und führte ihn in eine Kammer, wo einer aus dem Bette aufstand, der, während er seine Kleider anzog, zitterte und bebte. Da fragte Christ, warum zittert dieser Mann so? Da hieß Ausleger den Mann die Ursache davon Christ sagen. Hierauf hub der Mann an mit den Worten: Als ich diese Nacht im Schlafe war, träumte ich und siehe, der Himmel wurde ganz schwarz, auch donnerte und blitzte es so schrecklich, dass mich eine Todesangst überfiel. Da blickte ich auf in meinem Traume und sah, wie die Wolken, von heftigem Wind getrieben, ungewöhnlich schnell vorüberflogen. Dennoch hörte ich den starken Schall einer Posaune und sah auch einen Mann auf einer Wolke sitzen, und umgeben von himmlischen Heerschaaren; sie standen alle in Feuerflammen und die Elemente schmolzen vor Hitze.[80] Dann hörte ich eine starke Stimme rufen: „Ihr Toten stehet auf und kommt vor das Gericht!“[81] Und alsbald zerrissen die Felsen, die Gräber taten sich auf und die Toten gingen heraus, die darinnen waren. Etliche von ihnen waren hocherfreut, etliche aber suchten sich zu verstecken unter den Bergen. Darauf sah ich den Mann, der auf der Wolke saß, das Buch auftun Und der Welt gebieten, dass sie vor ihm erscheine. Da aber ein gewaltiges Feuer von ihm ausging, war ein gehöriger Zwischenraum zwischen ihm und denen, die vor ihm erschienen, wie zwischen einem Richter und den Verklagten, die vor den Schranken stehen.[82] Dann hörte ich den Mann, der auf der Wolke saß, denen, die um ihn waren, zurufen: „Sammelt das Unkraut, die Spreu und die Stoppeln und werfet sie in den brennenden Pfuhl.[83] Nun tat sich der bodenlose Abgrund gerade vor meinen Füßen auf und aus seinem Rachen fuhren dicker Rauch und feurige Kohlen mit grässlichem Getöse heraus. Dann hieß es zu denselbigen: „Sammelt den Weizen in die Scheunen.“[84] Und alsbald sah ich viele aufgehoben und hingerückt in die Wolken, ich aber wurde dahinten gelassen;[85] da suchte ich mich auch zu verbergen, aber ich konnte es nicht, denn der Mann, der auf der Wolke saß, hatte sein Auge fest auf mich gerichtet, auch fielen mir alle meine Sünden ein und mein Gewissen verklagte mich von allen Seiten.[86] Darüber wachte ich auf aus meinem Schlafe.

Christ. Aber was erschreckte dich denn so bei diesem Gesicht?

Mann. Nun, ich dachte, der Tag des Gerichts wäre herangekommen, und ach, ich war nicht auf denselben vorbereitet. Doch das erschreckte mich am meisten, dass die Engel Etliche emportrugen, mich aber dahinten ließen, und ebenso, dass der Rachen der Hölle sich gerade vor meinen Füßen auftat. Dabei quälte mich mein Gewissen, und das Auge des Richters war, wie ich meinte, beständig mit Unwillen und Zorn auf mich geheftet.

Darauf sagte Ausleger zu Christ: Hast du alle diese Dinge wohl erwogen?

Christ. Ja, und sie haben mich in Hoffnung und Furcht versetzt.

Ausleger. Wohlan, so behalte sie alle in deinem Herzen, dass sie dir wie ein Stachel seien, der dich vorwärts treibt auf dem Wege, den du gehen sollst.

Christ gürtete nun seine Lenden und machte sich fertig zu seiner Reise. Der Ausleger aber sprach: der Tröster sei allewege bei dir, du frommer Christ, und geleite dich auf dem Wege, der zu der Stadt hinführt!

So ging denn Christ seines Weges fort, indem er bei sich selbst sagte:

Hier sah ich Dinge, selten und von Wert,

Die furchtbar, schön, mich fest und fester machten,

Im Glauben, in der Liebe unversehrt,

Die, was ich nie erfuhr, mir zur Erfahrung brachten.

Ich will sie nie vergessen: Herr, es ist dein Geschenk,

Hilf, dass in ew'gem Dank ich dafür dein gedenk!

 

Fünftes Kapitel. Pilgers Erfahrungen am Kreuz.

 

Nun sah ich in meinem Traume, dass der schmale und steile Weg, auf dem Christ wandeln musste, auf beiden Seiten mit einer Mauer umgeben war, und der Name dieser Mauer ist: Heil[87]. Auf diesem Pfad eilte Christ mit seiner Bürde beladen weiter, es wurde ihm aber sehr sauer, weil die Bürde so schwer war.

Er kam nun zu einer Anhöhe, darauf, stand ein Kreuz und ein wenig unterhalb desselben war ein Grab. Da ward ich in meinem Traume gewahr, dass gerade als Christ an dem Kreuz ankam, sich ihm die Last von den Schultern löste, von seinem Rücken fiel, hinunter rollte und in das offene Grab hinabfiel und von nun an war sie verschwunden.[88]

Da ward's Christ froh und leicht ums Herz und mit freudiger Seele sprach er: „Er hat nur Ruhe gegeben durch seine Schmerzen und Leben durch seinen Tod.“[89] Hierauf stand er eine Weile still, um anzuschauen und sich zu verwundern, denn er war voller Erstaunen darüber, dass der Anblick des Kreuzes ihn von seiner Last befreit hatte. Er blickte hin und wieder hin, bis aus den Tränenquellen seines Haupts das Wasser über seine Wangen herabströmte.[90] - Als er nun so dastand und schaute und weinte, traten zu ihm drei leuchtende Gestalten und grüßten ihn mit den Worten: „Friede sei mit dir!“ Darauf hub die erste an: Deine Sünden sind dir vergeben,[91] die andere zog ihm seine schmutzigen Lumpen aus und legte ihm ein Feierkleid an,[92] und die dritte setzte ihm ein Zeichen auf die Stirne[93]