9,99 €
Gekürzte Fassung neu bearbeitet Ein Literaturklassiker aus dem 17. Jahrhundert. Dieses Buch war nicht nur zu Bunyans Zeit wegweisend, sondern es hat seit seinem ersten Erscheinen 1682 bis heute den Glauben vieler Christen weltweit gestärkt. John Bunyans Leben war stark geprägt von geistlichen Kämpfen und Versuchungen. Martin Luthers Auslegung des Galaterbriefes öffnete ihm die Augen für die Gnade Christi im Evangelium. In Seiner Gnade befreite der Herr ihn von seinen Qualen und führte ihn zu gottgeweihter Liebe und Hingabe. Er begann zu predigen und kam dafür ins Gefängnis. Mutig sagte er dem Richter, dass er weiterhin predigen werde, sobald er wieder frei sei. Die Zeit im Gefängnis nutzte er, um wertvolle Bücher zu schreiben. »Der Heilige Krieg« ist nach der »Pilgerreise« wohl das bekannteste Buch von Bunyan. Darin beschreibt er allegorisch den Sündenfall, die Erlösung und den geistlichen Kampf des Christen gegen Sünde, Welt und Satan. Es wird jedem, ob jung oder alt, helfen, die Ursache vieler Anfechtungen zu erkennen und Gottes Ermahnungen und Hilfestellungen in Seinem Wort ernst zu nehmen. Dieses Buch wird dir zeigen, dass du dich mit Christus als dem Eroberer und König deiner Seele nicht zu fürchten brauchst!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 167
Veröffentlichungsjahr: 2024
Originaltitel: The Holy War
von John Bunyan aus dem Jahr 1682
© der deutschen Ausgabe 2024
by Verlag Voice of Hope
Eckenhagener Str. 43
51580 Reichshof-Mittelagger
www.voh-shop.de
Übersetzung: Hermann Grabe, Voice of Hope
Lektorat und Design: Voice of Hope
ISBN 978-3-989672-12-3 – E-Book
ISBN 97-8-3989676-17-6 – Kunstleder-Buch
Soweit nicht anders vermerkt, wurden die Bibelzitate
der Schlachter-Bibel 2000 entnommen.
Vorwort
Bunyans Darstellung vom »Heiligen Krieg« ist in der Tat ein außergewöhnliches Buch, das einen Reichtum an Brillanz, sorgfältigem Studium und geistlicher Einsicht offenbart, der sogar seinen weit verbreiteten Bestseller »Die Pilgerreise« übertrifft.
Das Buch »Der Heilige Krieg« erschien erstmals 1682 und wurde – wie die erste Ausgabe der »Pilgerreise« – in hochwertiger Qualität gedruckt, die alle späteren Ausgaben bis in die heutige Zeit übertrifft. Seit seinem Erscheinen wurde dieses Buch immer wieder neu aufgelegt, so dass es unmöglich ist, die Anzahl der Auflagen zu ermitteln. Im Laufe der Jahrhunderte ist dieses Buch von John Bunyan, in dem er allegorisch den »Heiligen Krieg um die Stadt Menschenseele« darstellt, immer populärer geworden; denn solange der innere Konflikt und der geistliche Kampf zwischen der erretteten Seele und ihren Feinden andauert, wird dieses Buch wohl immer gelesen werden.
Obwohl »Der Heilige Krieg« eine so außergewöhnliche Allegorie ist, wurde er nicht in so viele Sprachen übersetzt und nicht so oft gelesen wie »Die Pilgerreise«. Das liegt natürlich daran, dass »Die Pilgerreise« eine einfachere Erzählung ist. Sie stellt eine Reise voller eindrucksvoller Landschaften und Ereignisse dar, die von vielen Menschen mit großem Interesse gelesen wird, von Kindern bis hin zu den größten Gelehrten. Aber »Der Heilige Krieg« scheint keine so durchsichtige Allegorie zu sein. Die Seele des Menschen wird als eine Stadt dargestellt, die, nachdem sie sich dem heimtückischen und tödlichen Feind ergeben hat, von ihrem rechtmäßigen Herrscher mit allem »Aufwand« eines Krieges belagert wird. Der Erzfeind wird schließlich vertrieben, die Stadt zurückerobert, neu gestaltet und von Immanuel bewacht.
Für den Christen, dessen Ziel der Friede ist, stellt ein Krieg einen höchst abstoßenden Anblick dar. Ein Christ sieht nicht gern blutbefleckte Kleider, er hört nicht gern das Stöhnen der sterbenden Verwundeten und die herzzerreißenden Schreie der Hinterbliebenen, besonders der Witwen und Waisen. Plündern und Rauben sind nicht die Leidenschaften eines Gotteskindes, noch dient Grausamkeit in irgendwelcher Hinsicht seinem Glück oder Frieden. Von solchen Szenen zu lesen, ruft schmerzlich aufregende Empfindungen hervor; aber selbst diese sind nicht so stark und intensiv wie die freudigen Gefühle, die das Gemüt durchdringen, wenn man den armen Pilger beobachtet, wie er sich durch den Sumpf der Verzweiflung gekämpft hat, wie er die Flammen des Berges Sinai erschrocken hinter sich lässt, wie er die Pfeile aus Beelzebuls Schloss unbeschadet übersteht und wie er an der engen Pforte Zuflucht findet.
Es ist wahr, dass der sensibelste Christ ein mutiger geistlicher Kämpfer werden muss – das empfindlichste Ohr muss durch den Klang der Trommel des Diabolus alarmiert werden und manchmal das vom Heiligen Geist gewirkte innere Seufzen empfinden, das sich nicht in Worte fassen lässt (Röm. 8,26). Der Gläubige muss durch die »Feuerprobe« (1.Pt. 4,12) gehen und »Widrigkeiten [erdulden] als ein guter Streiter Jesu Christi« (2.Tim. 2,3), während er in anderen Momenten seiner Erfahrung im Siegesjubel ausrufen wird: »Wer will uns scheiden von der Liebe des Christus?!« (Röm. 8,35).
Als Christen sind wir aufgerufen, den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen. Wir müssen uns zu diesem »Heiligen Krieg« unbedingt verpflichten. Es gibt im Christenleben keine neutrale Position und keine Entschuldigung am Tag des Gerichts. Der Nachfolger Christi findet sich demnach im Vertrauen auf den »Urheber [seines] Heils« (Hebr. 2,10) ausgestattet mit der ganzen »Waffenrüstung Gottes, mit der seine Seele durch den Heiligen Geist bekleidet ist – mit dem »Schild des Glaubens«, dem Helm, dem Brustpanzer, dem zweischneidigen Schwert, usw. (Eph. 6,11-17).
Diese geistliche Waffenrüstung hat vielen Christen die Kraft verliehen, über ihre Leiden, Verfolgungen, Versuchungen und Niederlagen zu triumphieren. Ihre geistliche Rüstung hat sie dazu befähigt, Gott auch in den schwersten Stunden in Geduld zu preisen, weil sie sich geweigert haben, dem Bösen nachzugeben. Es ist dieselbe geistliche Waffenrüstung, die wir brauchen, derselbe Feldherr, der uns führt, derselbe Geist, der uns heiligt, derselbe Vater, der uns segnet, durch den allein wir »mehr als Überwinder« (Röm. 8,37; ELB) über unsere ständig lauernden und mächtigen Feinde werden können.
»Der Heilige Krieg« wird uns in diesem Buch von einem alten, erfahrenen und treuen Kämpfer vor Augen geführt; dies ist eine allegorische Erzählung, geschrieben von meisterhafter Hand. Sie stellt seinen eigenen harten Kampf gegen den mächtigen Feind dar, unterstützt von dessen Armee des Stolzes, der Eitelkeit, der Begierden und der Versuchungen, von deren Kämpfern viele in unserem Innern lauern, sogar als Engel des Lichts verkleidet, während sie unter ihrer Maskerade wahre Teufel sind.
Dieses Buch wurde von jemandem geschrieben, der eine blühende Vorstellungskraft besaß. Es ist tiefsinniger – von mehr geistlicher Tiefe – als »Die Pilgerreise«, die Reise von der Stadt Verderben zur himmlischen Stadt; und um seine verborgene Bedeutung zu verstehen, bedarf es der sorgfältigen und ausgereiften Anwendungskraft des erneuerten Geistes. Leider gibt es verhältnismäßig wenige Christen, die eine solch tiefe geistliche Einsicht besitzen, und selbst unter diesen gibt es nur wenige, die zu solch gründlichem Studium bereit sind. Das sind wohl die Gründe dafür, dass dieses Buch nicht so populär geworden ist wie »Die Pilgerreise«.
Um dem Leser zu helfen, sind einige Anmerkungen beigefügt, welche die Begriffe erklären und die Bedeutung dieser Allegorie verständlich machen. Wir hoffen aufrichtig, dass viele durch das Studium dieses wichtigen Themas Trost, Ermahnung, Ermutigung und Stärkung für ihren geistlichen Kampf finden werden.
Der Herausgeber
Diesen Krieg führtJESUS CHRISTUS, der ewigeund allmächtige Könige,gegen den Teufel,den Fürsten der Finsternis,um die menschliche Seele.
1
Die schönste Stadt der ganzen Welt
Auf meinen Reisen durch die weite Welt sah ich eine besonders schöne Stadt. Sie war sehr kunstvoll und dabei weiträumig aufgebaut. Anfangs hatte sie auch so vorteilhafte Stadtrechte, dass es ihresgleichen nirgends unter dem Himmel gab.
Der Erbauer dieser Stadt war der König El-Schaddai1. Er hatte sie zu Seiner Ehre erbaut und nannte sie Menschenseele. Sie war das Großartigste, was El-Schaddai gemacht hatte2, und die Engel jubelten, als sie erbaut wurde. Der König verlieh der Stadt das Recht, über die ganze Umgebung zu herrschen.
In der Mitte der Stadt wurde ein prächtiger Palast (das Herz) errichtet, den El-Schaddai zu Seinem alleinigen Wohnsitz bestimmte. Er legte eine Besatzung in die Stadt. Doch die Einwohner sollten selbst den Ort bewachen (Mt. 22,37). Die Stadtmauer (der anfangs unsterbliche Leib) war außergewöhnlich stark. Niemand konnte Menschenseele einnehmen, außer wenn die Bewohner selbst einem feindlichen Einmarsch zustimmen würden (1.Mo. 2,16-17).
Es gab fünf Tore (die fünf Sinne), durch die man in die Stadt eingehen oder sie verlassen konnte. Diese Tore waren genauso uneinnehmbar wie die Mauern – es sei denn, die Bewohner würden sie selbst öffnen. Die Tore hießen: Ohrtor, Augentor, Mundtor, Nasentor und Gefühlstor.3
In der Stadt galt das beste und heilsamste Gesetz der ganzen Welt. Es wohnten hier weder Räuber noch Verräter; die Einwohner waren aufrichtige Menschen, die sich sehr nahestanden; und solange sie El-Schaddai, dem König, die Treue hielten, genossen sie Seine Gunst und Bewahrung, und Er hatte Seine Freude an ihnen.
2
Ein gemeiner, niederträchtiger Feind
Eines Tages wagte ein gewaltiger Riese namens Diabolus4 einen Überfall auf die berühmte Stadt Menschenseele. Er war der König der gefallenen Engel.
Ja, er war mächtig, aber doch bettelarm.
Ursprünglich war er ein Diener von El-Schaddai gewesen. Bei Ihm hatte er eine sehr vornehme Stellung innegehabt. Er war als der »Glanzstern« und »Sohn der Morgenröte« (Jes. 14,12) hoch erhaben gewesen. Aber als er dermaßen hoch in Ehren stand, verlangte er nach einem noch weit höheren Rang und Stand.
Er begehrte, Alleinherrscher unter El-Schaddai zu werden; aber dieses Amt hatte der König bereits für Seinen Sohn5 bestimmt und Ihm auch zugesagt.
Diabolus überlegte sich alles erst selbst, bevor er seine Gedanken einigen aus seinem Gefolge bekannt machte. Gemeinsam fassten sie dann den Beschluss, den Versuch zu wagen, den Sohn des Königs umzubringen (Mt. 21,38).
Kurz gesagt: Der Plan des Hochverrats wurde geschmiedet und eine bestimmte Zeit abgesprochen …
Jedoch wussten der König und Sein Sohn alles, was in Ihrem Reich geschah. Er war daher auch sehr erzürnt, als Er die Verschwörung entdeckte, besonders deshalb, weil Er Seinen Sohn sehr lieb hatte.
Er erstickte den Aufstand im Keim und verstieß die Rebellen aus ihrer Stellung und Würde. Sie wurden vom Hof verbannt und in grausige Gruben geworfen (Off. 12,7-9). Sie sollten auf ewig unter dem Gericht und Fluch bleiben und niemals wieder die Gunst des Königs zurückerlangen (Jud. 6; 2.Pt. 2,4). Das aber erregte ihre Wut und Feindschaft gegen El-Schaddai und Seinen Sohn noch mehr.
Sobald sie Gelegenheit dazu bekämen, wollten sie sich rächen.
Sie entdeckten in der Welt den Weg zu der Stadt Menschenseele. Sie wussten ja, dass sie El-Schaddai gehörte und dass Er sie sich zur Ehre erbaut hatte.
Darum beschlossen sie, diese Stadt zu überfallen.
3
Der schlaue Plan
Diabolus besprach nun mit seinen Anhängern seine Pläne zur Verführung des unschuldigen Menschen:
Erster Vorschlag:
»Sollen wir alle zusammen nach Menschenseele ziehen?« Dieser Vorschlag wurde sofort wieder verworfen, denn wenn sie alle vor der Stadt auftauchten, würden sich die Bürger nur erschrecken.
Diabolus fügte hinzu: »Niemand kann hineingelangen, wenn er nicht eingelassen wird. Es sollten darum nur wenige gehen, meiner Meinung nach nur einer allein. Lasst am besten mich mal gehen!«
Zweiter Vorschlag:
»Müssen wir vor der Stadt in unseren kläglichen Bettlerlumpen erscheinen?«
»Keinesfalls!«, war die Meinung aller seiner Mitgenossen. Die Bewohner von Menschenseele hatten ja noch nie jemanden in solch traurigem und armseligem Zustand gesehen.
Beelzebul6 meinte dazu, es sei das Beste, in einer Verkleidung vor Menschenseele zu erscheinen (2.Kor. 11,14). Aber was wäre denn die beste Verkleidung für Diabolus? Luzifer7 schlug vor, man solle die Gestalt eines normalen Geschöpfes annehmen, dessen Anblick man dort gewohnt war und über das man sowieso in Menschenseele Herrschaft ausübte. Dann würden die Menschen sicher nicht vermuten, hiermit würde der Versuch gewagt, ihre Stadt zu erobern. So sollte Diabolus in der Gestalt eines Geschöpfes erscheinen, das klüger ist als alle anderen (1.Mo. 3,1; Mt. 10,16).
Alles jubelte bei diesem diabolischen Vorschlag, er würde als eine Schlange auftreten, die den Leuten in Menschenseele so vertraut war, wie heutzutage ein Vogel für ein Kind.
Dritter Vorschlag:
»Muss man die Absicht des Eindringens in Menschenseele zu erkennen geben oder nicht?«
»Bloß nicht!«, erwiderte man, »denn die Bewohner von Menschenseele sind stark, und die Stadt ist uneinnehmbar wegen der festen Mauern und Tore. Außerdem kann man nicht ohne Zustimmung der Bewohner von Menschenseele hineingelangen.« »Überdies werden sie, sobald sie unsere Absicht erkennen, ihren König zu Hilfe rufen«, sagte Legion8.
Darum beschloss man, den Überfall mit jedem Anschein von Ehrbarkeit zu beginnen. Ihre wahren Absichten wollten sie hinter vielerlei Lügen, Schmeicheleien und verführerischen Worten verstecken.
Sie wollten Dinge verheißen, die niemals eintreten würden, und Versprechen abgeben, die sich nie erfüllten.
So musste Menschenseele zu überwinden sein!
Die Bewohner von Menschenseele wussten ja nicht einmal, was Lügen und Betrug sind. Und die Teufel wollten stets nur vorgeben, den Vorteil und die Ehre der Leute zu suchen (2.Kor. 11,3).
Vierter Vorschlag:
»Sollten vielleicht einige den Auftrag bekommen, einen oder auch mehrere der Vornehmsten in der Stadt zu erschießen?«
Das fand man gut.
Hauptmann Widerstand9 musste sicher ausgeschaltet werden; denn Diabolus und seine Bande fürchteten diesen Mann mehr als alle anderen in Menschenseele. Der dämonische Rache-Geist sollte das erledigen.
Die Teufel machten sich nun auf nach Menschenseele. Alle waren unsichtbar (Eph. 6,12) – bis auf einen, der in Gestalt einer Schlange daherkam. Sie stellten sich vor dem Ohrtor auf. Mit dem Abstand eines Bogenschusses wurde für Hauptmann Widerstand ein Hinterhalt gelegt. Diabolus näherte sich dem Ohrtor, nur der Redner Einrauner10 war bei ihm. Diabolus blies seine Trompete, um eine Audienz zu erbitten. Die Vornehmsten der Stadt11 kamen an die Mauer, nämlich Herr Unschuld, Herr Wille als der Oberbürgermeister, Herr Verstand als der Bürgermeister, Herr Gewissen als der Stadtschreiber, und Hauptmann Widerstand. Herr Wille fragte nun, worum es ginge.
Diabolus begann zu reden, sanft wie ein Lamm, um seine Lügen vorzubringen (Joh. 8,44; Off. 12,9):
»Meine Herren, ich wohne nicht weit von euch entfernt, und im Namen des Königs bringe ich euch meine Ehrerbietung und wünsche euch alles, was für euch gut ist. Hört mich geduldig an! Ich suche nicht meinen Vorteil – das versichere ich euch! –, sondern nur, was euch zum Vorteil gereicht. Ich bin gekommen, um euch zu zeigen, wie ihr von den Fesseln befreit werden könnt, in denen ihr gefangen seid, ohne es zu wissen.«
In diesem Augenblick spitzten die Bewohner von Menschenseele die Ohren.
»Ich muss euch etwas über euren König sagen«, fuhr Diabolus fort. »Er ist groß und mächtig; aber nicht alles, was Er euch gesagt hat, ist wahr und zu eurem Vorteil. Er hat euch gedroht, ihr würdet sterben, wenn ihr von der Frucht nehmt, die Er euch verboten hat; aber das ist nicht wahr. Warum sollte man immer in großer Angst vor Strafe leben, wenn man so etwas Unbedeutendes tun will, wie das Essen oder gar Anrühren einer kleinen Frucht? Seine Gesetze sind ungerecht, unvernünftig und unerträglich. Und die Strafe steht in keinem Verhältnis zu der Übertretung.
Wie verwirrend ist es doch, wenn der König zuerst sagt, ihr könntet von allem essen, und danach verbietet Er euch, von der Frucht dieses einen Baumes zu nehmen. Aber gerade wenn ihr von diesen Früchten esst, bekommt ihr ein Gut, das ihr noch gar nicht kennt. Der Name des Baumes ist ja: Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen (1.Mo. 2,9.16-17)! Warum solltet ihr denn in Unwissenheit gehalten werden? Warum solltet ihr nicht zunehmen an Weisheit und Verstand? Gerade durch das, was euch nun verboten ist, würden eure Augen geöffnet, und ihr würdet sein wie Gott (1.Mo. 3,5)!«
Im selben Augenblick, als Diabolus zu reden aufgehört hatte, schoss der Rache-Geist auf Hauptmann Widerstand, der auf der Mauer stand, und traf ihn tödlich am Kopf. Er stürzte tot nieder und fiel von der Mauer herunter. Weil nun der einzige wahre Krieger in Menschenseele tot war, entfiel dieser armen Stadt völlig der Mut, noch länger Widerstand zu leisten (1.Pt. 5,8-9).
Sofort trat Einrauner nach vorn: »Meine Herren«, sagte er, »welch ein Glück, dass mein Meister heute bei euch auf so andächtig lauschende Hörer gestoßen ist (2.Kor. 11,19-20). Hoffentlich können wir euch nun alle überzeugen, unseren guten Rat nicht in den Wind zu schlagen! Der Name des Baumes spricht doch für sich selbst! Überdenkt die Worte des Diabolus und seht euch nur einmal die verlockend schönen Früchte des Baumes an!«
Als nun die Leute von Menschenseele sahen, »dass von dem Baum gut zu essen wäre, und dass er eine Lust für die Augen« war (1.Mo. 3,6), ja dass man Verlangen nach ihm haben musste, weil er weise machte, taten alle, was Einrauner ihnen riet: Sie nahmen und aßen davon.
Ich muss nun noch hinzufügen, dass während der Rede von Einrauner Herr Unschuld an dem Platz, wo er gerade stand, plötzlich tot umfiel – wahrscheinlich durch den vergiftenden Atem des verräterischen Schurken.
Hauptmann Widerstand und Herr Unschuld, die Schönheit und Herrlichkeit von Menschenseele, waren nun beide gestorben. Es blieb kein edler Geist mehr in der Stadt übrig. Und was war mit den übrigen Bewohnern? Sie folgten dem Rat von Einrauner: Alle aßen von der verbotenen Frucht. Dadurch wurden sie völlig verwirrt. Sie öffneten das Ohrtor und das Augentor und ließen Diabolus samt seiner Bande in die Stadt einziehen.
Sie vergaßen ihren guten König El-Schaddai, Sein Gesetz und auch Sein Gerichtsurteil, das Er für den Fall einer Übertretung ausgesprochen hatte.
4
Menschenseele, die Festung des Diabolus
Nach seinem Einzug marschierte Diabolus in die Mitte der Stadt. Die Einwohner erwiesen ihm warmes Entgegenkommen.
Um sie völlig seiner Herrschaft zu unterwerfen, hielt er nun seine zweite trügerische Rede und sagte ihnen, dass El-Schaddai sie jetzt nicht mehr beschützen werde: »Und ihr könnt ganz sicher sein, dass Er kommen wird, wenn Er hört, was hier passiert ist!«
Da riefen die Einwohner wie aus einem Mund: »Diabolus, sei du nun unser König!«
Daraufhin nahm er den Palast ein und beherrschte somit die gesamte Stadt (1.Joh. 3,8; Mt. 15,19).
Dieser Palast, den El-Schaddai zu Seinem alleinigen Wohnsitz errichtet hatte, wurde nun zu einer Höhle des Riesen Diabolus. Er machte die Stadt zu seiner eigenen Festung und traf allerlei Vorkehrungen gegen den König El-Schaddai. Und weil er sich noch nicht sicher genug fühlte, begann er, die ganze Stadt nach seinen Vorstellungen einzurichten:
1 .
Der Bürgermeister, Herr Verstand, war ein Mann mit Weitsicht. Den konnte er nicht gebrauchen. So setzte er ihn ab und baute einen hohen Turm vor die Fenster seiner Wohnung, damit die Strahlen der Sonne nicht hineinleuchten könnten (Eph. 4,18-19; Jes. 59,10). Herr Verstand bekam fortan Hausarrest und durfte nicht ans Tageslicht kommen.
2 .
Herr Gewissen, der als Rechtsberater in den Gesetzen des Königs zu Hause war, dachte ab und zu voller Trauer zurück an die guten Gesetze von El-Schaddai und erhob dann laut seine Stimme gegen Diabolus.
Ja, wenn er einen solchen »Anfall« bekam, zitterte die ganze Stadt vor seiner lauten Stimme (Hi. 33,15-20). Darum fürchtete Diabolus ihn mehr als sonst irgendeinen in der Stadt. Den konnte er also auch nicht gebrauchen; so entließ er ihn aus seinem Amt.
Als er wieder einmal seine Stimme zu erheben versuchte, schleppte Diabolus ihn fort in allerlei Sünden und Bosheiten. Am Ende verdarb er ihn dermaßen, dass er zu jeder Sünde fähig wurde (Eph. 2,2-3). Außerdem überzeugte Diabolus die Einwohner der Stadt, dass der alte Rechtsberater verrückt geworden sei. Das könne man ja an seinen »Anfällen« deutlich sehen. Zusätzlich ließ er den alten Herrn, wenn er in heiterer Laune war, allem widersprechen und alles mit großem Nachdruck leugnen, was er bei solchen »Anfällen« gerufen hatte.
Allerdings, wie sehr sich Diabolus auch bemühte, die Einwohner der Stadt zu beruhigen, nachdem Herr Gewissen wieder einmal warnende Rufe ausgestoßen hatte, und wie sehr sich die Bewohner auch wünschten, diesen Störenfried loszuwerden – Herr Gewissen blieb da. Das wird wohl nur durch die Macht und Weisheit von El-Schaddai möglich gewesen sein!
3 .
Herr Wille, ein Mann von einer Fülle an Macht, war auch einer der Edelleute dieser Stadt. Er war beschlussfreudig und mutig. Aber aus Hochmut achtete er es für unter seiner Würde, ein Diener der Stadt Menschenseele zu werden. Darum beschloss er, bei Diabolus in den Dienst zu treten. Er war auch der Erste gewesen, der die Worte und den Rat des Feindes als sehr heilsam empfahl. Darum empfand Diabolus auch besondere Sympathie für Herrn Wille. Er besorgte ihm eine Stelle in seiner Regierung und machte ihn zum Kommandanten des Schlosses, zum Hauptmann über die Mauern und zum Wächter über die Tore von Menschenseele. Alle sollten seinem Befehl gehorchen (1.Mo. 4,7).
Er gab ihm außerdem Herrn Gemüt als Sekretär, der grundsätzlich mit seinem Herrn einer Meinung war. Und was tat dieser Herr Wille sonst noch in der Stadt Menschenseele?
Er zeigte durch viele Schmähungen über Herrn Gewissen, dass er ihn bis auf den Tod hasste. Er schloss meistens seine Augen, wenn er ihn sah, und hielt sich die Ohren zu, wenn er ihn sprechen hörte. Er konnte es ebenfalls nicht ertragen, wenn er an seinen früheren Landesherrn erinnert wurde oder auch nur das kleinste Stückchen der Gesetze von El-Schaddai in der Stadt zu erkennen war. Als er einige zerrissene Pergamente mit den Gesetzen des guten El-Schaddai im Haus seines Sekretärs Herrn Gemüt fand (2.Kö. 22,8), warf er sie einfach fort (Neh. 9,26). Er meinte sogar, dass durch die Fenster im Haus des alten Bürgermeisters Herrn Verstand immer noch zu viel Licht hereinleuchte; zukünftig wollte er dort nicht einmal mehr das Licht einer Kerze sehen (Eph. 4,18).
Herr Wille hatte auch einen Bediensteten unter sich, nämlich Herrn Leidenschaft. Dieser hatte genauso verdorbene Grundsätze wie sein Herr. Er war ein Sklave seiner sündigen Natur; darum nannte man ihn auch Böse Lust (Röm. 6,20-21; Eph. 2,3).
Herr Leidenschaft war mit Fleischeslust verheiratet, der Tochter von Herrn Gemüt