Planetenroman 41 + 42: Die Einmann-Operation / Der Galaktische Spieler - H.G. Francis - E-Book

Planetenroman 41 + 42: Die Einmann-Operation / Der Galaktische Spieler E-Book

H. G. Francis

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Beschreibung

Ronald Tekener ist der Staragent der USO. In unzähligen Einsätzen für die Menschheit hat er sein Können bewiesen. Wie aber ist er zu diesem Superagenten geworden? Im Jahr 2395 erleidet die terranische Handelsflotte schwere Verluste. Eine Organisation von Raumpiraten lässt Hunderte von Schiffen spurlos verschwinden und zwingt damit die USO zu einem Verzweiflungsschritt - zur Einmann-Operation des jungen Ronald Tekener auf Lashat, der gefürchteten Seuchenwelt … Nur ein Jahr später werden die Bewohner des Planeten Okta von einem skrupellosen Terraner ausgebeutet. Die Hüter des Schwertes schlagen gnadenlos zurück - bis Ronald Tekener mit einem von ihnen ein Abkommen trifft … Die beiden Romane von H. G. Francis wurden erstmals 1978 und 1979 veröffentlicht. In ihnen erwacht der "frühe" Tekener zu eindrucksvollem Leben.

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Band 41/42

Die Einmann-Operation

Der Galaktische Spieler

H. G. Francis

Die USO im Einsatz – sie löst für die terranische Justiz unzugängliche Fälle

Ronald Tekener ist ein Staragent der United Stars Organisation (USO); er hat in unzähligen Einsätzen für die Menschheit sein Können bewiesen. Wie aber ist er zu diesem Superagenten geworden, zum »Galaktischen Spieler«?

Im Jahr 2395 erleidet die terranische Handelsflotte schwere Verluste. Eine Organisation von Raumpiraten lässt Hunderte von Schiffen spurlos verschwinden und zwingt damit die USO zu einem Verzweiflungsschritt – zur Einmann-Operation des jungen Ronald Tekener auf Lashat, der gefürchteten Seuchenwelt ...

Nur ein Jahr später werden die Bewohner des Planeten Okta von einem skrupellosen Terraner ausgebeutet. Dafür rächen sie sich grausam. Die Hüter des Schwertes schlagen gnadenlos zu – bis Ronald Tekener mit einem von ihnen ein Abkommen trifft ...

Inhaltsverzeichnis

Erstes Buch

Die Einmann-Operation

Zweites Buch

Die Einmann-Operation

Milchstraße im Aufruhr

65 Jahre nach dem Zerfall des Vereinten Imperiums und der Galaktischen Allianz – man schrieb das Jahr 2395 n. Chr. – verfügte Terra über 1112 Planeten in 1017 Sonnensystemen. Dazu kamen noch 1220 Welten der sogenannten Außenringgattung. Die Heimatwelt Terra, Sitz der Solaren Regierung und Lebenskeim des Sternenreichs, wies eine Bevölkerung von 7 Milliarden Menschen auf. Die Auswanderung zu neu entdeckten oder noch nicht voll erschlossenen Planeten wurde mit allen Mitteln gefördert.

Nach der Vernichtung von Arkon III hatte sich das alte Arkonidenreich im Verlauf der 65 Jahre in mehr als tausend Interessenverbände aufgesplittert. Ehemalige Gouverneure machten ihre Besitzansprüche geltend.

Die Akonen bemühten sich mit allen Mitteln, die Arkonidenkolonien zu übernehmen. Springer, Aras, Antis und etwa zweitausend andere Völker, die aus den Arkoniden hervorgegangen waren, versuchten zu retten, was noch zu retten war.

Das Großraumgebiet der Milchstraße war zu einem gefährlichen Dschungel zwischen den Sternen geworden. Es war eine Kunst für sich, Bedrängten zu helfen, Mächtige in ihre Schranken zu weisen und die Interessen der Menschheit zu wahren.

Offene militärische Aktionen verboten sich unter diesen Umständen von selbst, da jede Demonstration der Stärke neue Machtballungen unter den Gegner des Solaren Imperiums hätte provozieren können.

1.

Der Hautflügler stob kreischend auf und flog flatternd bis unter das Dachgestell des Verkaufsstands. Dort kauerte er sich auf eine Holzleiste, fletschte die Zähne und gab ein lautes Zischen von sich.

Gorman Gould legte die Hände vor der Brust zusammen, sodass die Fingerspitzen sein bärtiges Kinn berührten. Er verneigte sich vor dem Reptil.

»Euer Gnaden mögen mir verzeihen«, sagte er ironisch. »Ich war etwas unachtsam.«

Seine Blicke wanderten zu dem Arkoniden, der in einem schattigen Winkel des Verkaufsstandes saß und vor sich hin döste. Der Arkonide hatte schulterlanges Haar, das fettig aussah. Die rötlichen Augen lagen tief in den Höhlen unter schweren Lidern. Bekleidet war der Händler mit ärmlich wirkendem Zeug, das mit primitiven Mitteln geflickt worden war.

»Was willst du, Terraner?«, fragte der Arkonide.

»Eine Audienz, Moran«, erwiderte Gorman Gould. »Ich möchte den Handelsfürsten von Lumber sprechen. Es ist wichtig.«

»Wichtig für dich, nehme ich an. Ist es auch wichtig für mich?«

»Ich denke schon.«

Moran erhob sich seufzend. Er war so groß, dass sein Kopf das Dachgestell des Verkaufsstands berührte. Der Hautflügler sprang zischend auf ihn zu und grub seine Krallen in das Haar des Arkoniden. Dieser umfing das Reptil und hob es vorsichtig an, bis sich die Krallen aus dem Haar lösten.

Gorman Gould wartete vor dem Stand, der mit Obst, Gemüse und Gewürzen beladen war. Durch einen Spalt in der Zeltplane kam ein junger Akone. Der Terraner schätzte ihn auf etwa acht Jahre. Geschäftstüchtig winkte der Akone einige Frauen zu sich heran und versuchte, ihnen einige Waren zu verkaufen.

Gorman Gould folgte dem Arkoniden in ein Hochhaus, das sich unmittelbar hinter den Verkaufsständen erhob. Während Moran am Türschloss herumhantierte, blickte der Terraner sich um. Er befand sich auf einem Markt, der einen Platz von etwa vier Quadratkilometern einnahm. Zelt reihte sich an Zelt. Intelligenzen aus allen Bereichen der Galaxis drängten sich von Stand zu Stand. Auf diesem Handelsplatz gab es alles zu kaufen, was auf den verschiedenen Welten der Milchstraße an Waren produziert wurde. Die Palette der Güter reichte von Gewürzen über Halbfertigwaren bis hin zu so hochwertigen Produkten wie Raumschiffen, von Pelzen seltener Tiere über Genussgifte bis hin zu kompletten Fabrikationsanlagen. Gorman Gould wusste, dass in einigen Zelten Diebesgut angeboten, in anderen gar mit Sklaven gehandelt wurde.

Er wusste aber auch, dass dieser Handelsplatz auf Lumber von Geheimagenten der verschiedenen Machtbereiche geradezu wimmelte, denn nicht nur materielle Güter wurden hier umgeschlagen, sondern auch Dienstleistungen aller Art – und dazu gehörten auch Informationen.

Die Tür des Hochhauses sprang auf. Moran gab dem Terraner einen Wink.

»Komm her zu mir«, sagte er. »Es gibt gewisse Sicherungen gegen ungebetene Gäste in diesem Haus. Deshalb ist es besser, wenn du neben mir bist, wenn der Individualtaster mich erfasst.«

»Sicherungen dieser Art?«, fragte Gould, während er zu dem Arkoniden ging. »Und du musst dich ihnen beugen? In deinem eigenen Haus?«

Moran lachte schallend auf.

»Mein eigenes Haus? Wovon sollte ich es wohl erworben haben? Aus den Gewinnen, die ich beim Verkauf von Gewürzen, Obst und Gemüse erziele?«

Er führte den Terraner zu einer Tür, die sich vor ihm öffnete.

»Tritt ein in meine bescheidene Hütte«, sagte er.

Gould ging an ihm vorbei in einen ärmlich eingerichteten Raum. In der Mitte des Raumes stand ein Holztisch, dessen Platte sich verzogen hatte. Ein Tischbein war auf halber Höhe abgebrochen. Moran hatte Bücher unter den Stumpf gelegt, um den Tisch abzustützen. Auf dem Boden lagen Hunderte von Päckchen und Paketen, die teilweise noch gar nicht geöffnet waren. Eine faustgroße Spinne hatte ein Netz errichtet, das quer über das ganze Fenster reichte. Dutzende von Insekten hatten sich darin verfangen und waren der Spinne zum Opfer gefallen. Staub wirbelte unter den Füßen des Terraners auf.

Die Tür schloss sich hinter Moran.

»Wir sind allein«, sagte er. »Niemand kann uns hören. Was gibt es?«

»Ich brauche Informationen«, erwiderte Gould. »Tausende von terranischen Handelsraumern sind im Verlauf des letzten Jahres auf ihrem Flug zu den Handelswelten des Solaren Imperiums verschwunden. Spurlos.«

»Ich weiß auch nicht, wo sie geblieben sind«, entgegnete der Arkonide gelangweilt.

»Mag sein«, sagte Gould. »Aber wie steht es mit den Waren? Tausende von Handelsraumern haben Warenmassen größten Umfangs mit sich geführt. Die meisten von ihnen lassen sich klar identifizieren. Sie können also nicht so ohne Weiteres verkauft werden, wenn sie zum Beispiel hier auf Lumber angeboten werden.«

Moran schüttelte den Kopf.

»Was soll der Unsinn?«, fragte er. »Ich weiß nichts von solchen Waren.«

Die Gestalt des Terraners straffte sich. Gorman Gould strich sich das Haar aus der Stirn. Seine blauen Augen nahmen einen stählernen Glanz an.

»Sollte ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt haben, Arkonide?«, fragte er mit unüberhörbarer Schärfe in der Stimme. »Die Abwehrorganisationen Terras befinden sich in höchster Alarmbereitschaft. Hier geht es um Raumschiffsverluste von größten Dimensionen. Sie lassen sich nicht mehr mit Unfällen erklären. Für uns ist eindeutig, dass es eine Macht gibt, die für das Verschwinden der Schiffe verantwortlich ist.«

»Du spricht von der CORSA?«

»Ich spreche von keiner bestimmten Organisation, weil ich nicht weiß, welche Organisation verantwortlich ist. Sollte es die CORSA sein?«

Moran schüttelte den Kopf.

»Das wüsste ich«, erwiderte er. »Nein, die CORSA ist es nicht.«

Er fuhr sich mit beiden Händen durch das fettige Haar und atmete schnaufend durch die Nase.

»Ich habe etwas munkeln gehört«, fuhr er fort. »Man spricht von Schwierigkeiten der Terraner. Allerdings wusste ich nicht, dass sie so groß sind. Tausende von Raumschiffen! Nur die Terraner können einen derartigen Verlust verkraften. Niemand sonst in der Galaxis.«

»Sie sind aber nicht bereit, das noch länger zu tun«, erklärte Gould. »Ich will die Information, von wo die Waren kommen, die aus diesen Raumschiffsentführungen stammen.«

Er griff sich unter seine Bluse und reichte dem Arkoniden eine magnetisierte Folie.

»Darauf sind die Identifikationszeichen von etwa zwanzig Prozent der Waren enthalten«, erläuterte er. »Ich will wissen, ob diese Waren hier auf Lumber aufgetaucht sind.«

»Woher sollte ich das wissen?«, fragte der Arkonide überrascht. »Bin ich ein Gott, dass ich solche Fragen beantworten könnte?«

Gorman Gould griff sich erneut unter die Bluse. Er zog einen Energiestrahler darunter hervor, der kaum größer als sein Mittelfinger war. Drohend richtete er ihn auf den Händler.

»Nun mach schon«, forderte er ihn auf. »Oder muss ich wirklich böse werden?«

Moran zögerte, doch dann erkannte er, dass der Terraner es ernst meinte. Seine Augen begannen vor Erregung zu tränen.

»Wir sind Freunde, Gorman«, sagte er mit belegter Stimme. »Seit mehr als zehn Jahren wissen wir, dass wir einander vertrauen dürfen. Hast du das vergessen?«

»Ich nicht, aber du scheinst es vergessen zu haben. Also – worauf wartest du noch? Die Entführer der Raumschiffe haben Zehntausende von Terranern ermordet. Ich werde nicht zulassen, dass es noch mehr werden.«

Moran senkte den Kopf.

»Ich beuge mich der Gewalt«, erklärte er. »Hoffentlich bereust du nicht, was du getan hast.«

Er schob eines der Pakete mit dem Fuß zur Seite. Knirschend versank eine Wand des Raumes im Boden. Dahinter wurde ein hell erleuchteter Raum sichtbar, an dessen Wänden sich Computerbänke modernster Bauart erhoben.

Gorman Gould pfiff anerkennend durch die Zähne.

»Ich wusste, dass du einer der reichsten Männer von Lumber bist«, sagte er. »Aber das habe ich nicht geahnt. Von hier aus kannst du ein ganzes Imperium überwachen und verwalten.«

»Allerdings.« Moran nahm die Folie und legte sie in ein Computerfach. Im gleichen Augenblick leuchteten auf mehreren Bildschirmen Zahlen- und Buchstabenkolonnen auf. »Die Waren sind hier auf Lumber. Sie sind durch meine Häuser gegangen.«

»Ich habe nicht daran gezweifelt«, bemerkte der Terraner. »Würdest du nun die außerordentliche Güte haben, den Computer zu befragen, woher die Waren gekommen sind, bevor sie bei dir eingelagert wurden?«

»Das solltest du nicht tun«, erwiderte Moran. »Verzichte darauf. Bei unserer Freundschaft.«

»Auf keinen Fall.«

»Du hast es nicht anders gewollt.« Der Arkonide drückte eine Taste am Computer. Ein Name leuchtete auf einem der Bildschirme auf. »Ich werde diese Information sofort wieder löschen. Du weißt jetzt, was du wissen wolltest. Hoffentlich genügt es dir.«

»Es genügt«, antwortete Gorman Gould. Er hob grüßend die Hand und verließ den Raum. Der Arkonide blickte ihm nach, bis die Tür hinter ihm zugefallen war. Dann drückte er eine andere Taste am Computer. Ein Gesicht erschien auf einem der Bildschirme.

»Gorman Gould«, sagte Moran. »Er ist zu neugierig geworden. Gerade in diesen Sekunden verlässt er mein Haus.«

Der Arkonide schaltete ab und kehrte in das staubige Büro zurück. Durch das Spinnennetz hindurch blickte er auf den Marktplatz hinaus. Er sah, wie Gorman Gould zwischen den Verkaufsständen auftauchte. Der Terraner verschwand im Gewühl vor den Ständen.

Aus dem Schatten eines Zeltes löste sich eine Gestalt, deren Gesicht durch einen Schleier verhüllt war. Sie schloss sich dem Agenten an.

Sekunden später blitzte es sonnenhell auf. Moran fuhr geblendet zurück.

»Ich hatte dich gewarnt, Terraner«, sagte er leise.

Ronald Tekener befand sich zu dieser Zeit 564 Lichtjahre von Lumber entfernt. Er lag bäuchlings unter einigen blühenden Büschen auf der Kuppe eines Hügels. In der Armbeuge hielt er ein schweres Strahlengewehr, das unter den atmosphärischen Bedingungen, wie sie auf Costler herrschten, eine Reichweite von mehr als 3000 Metern hatte. Er blickte auf ein Gebäude hinab, das sich als Kuppel an einem Bach erhob. Durch das transparente Material der Außenwände konnte er in einige Räume sehen. Über den meisten Räumen wölbte sich allerdings verspiegeltes Material, das nur einen Durchblick von innen nach außen erlaubte.

Die Blicke des Leutnants wanderten zu einem anderen Hügel in der Nähe. Er sah dort den USO-Spezialisten Chris Challenger liegen. Unter einigen Bäumen parkte ein großer Gleiter, mit dem er und fünf weitere Spezialisten gekommen waren.

Ronald Tekener zweifelte nicht daran, dass die Aktion erfolgreich sein würde. Er wusste, dass sich in der Kuppel eine Transmitterstation befand, die irgendwann an diesem Tage aktiv werden würde. Eine Sendung eines hochgiftigen Stoffes würde eintreffen, der für verschiedene pharmazeutische Unternehmungen der Erde unentbehrlich war. Doch der Stoff wurde nicht auf legalen Bahnen transportiert. Er stammte aus unbekannten Quellen und sollte unter Umgehung aller gesetzlichen Bestimmungen auf der Erde eingeschleust werden.

Tekener vermutete, dass der Stoff gestohlen worden war oder von einem der verbotenen Planeten stammte und keinen ausreichenden Reinheitsgrad aufwies.

Bei dieser Aktion kam es jedoch nicht in erster Linie darauf an, das Gift sicherzustellen, sondern einen Verbrecher zu verhaften, dessen Name Law Barton war.

Ein Licht leuchtete am Armkombigerät Tekeners auf.

»Achtung – Energiemessung«, wisperte eine Stimme aus dem winzigen Lautsprecher. »Der Transmitter ist eingeschaltet worden.«

Tekener wusste, dass es sich bei dem Mann, den es zu verhaften galt, um eine namhafte Persönlichkeit der Verbrecherorganisation CORSA handelte und dass dabei auch militärische Fragen eine Rolle spielten. Das genügte.

Das Antigravtriebwerk auf seinem Rücken sprang an. Sein Körper spannte sich. Die Hände umklammerten den Energiestrahler. Das kuppelartige Gebäude war etwa einhundertfünfzig Meter von ihm entfernt. Deckungsmöglichkeiten gab es bis dahin nicht mehr. Die letzte Distanz musste im Sturmangriff überwunden werden, wobei niemand wusste, ob die Kuppel über Kampfstationen verfügte. Darüber hatte der V-Mann der USO nichts mitgeteilt.

Tekeners Finger glitten über den Schalter der Individualsphäre. Diese bot einen gewissen Schutz, sofern sich das gegnerische Feuer nicht zu stark auf einen Punkt konzentrierte.

»Aktion«, hallte es aus dem Lautsprecher.

Ronald Tekener schaltete sein Fluggerät ein. Ohne nach links oder rechts zu sehen, raste er auf die Kuppel zu. Neben ihm flogen die anderen USO-Spezialisten.

Kurz bevor Tekener das Gebäude erreichte, löste sich auf der ihm entgegengesetzten Seite ein Gleiter von der Kuppel und entfernte sich von ihr.

»GF-3«, klang es aus dem Lautsprecher.

Tekener meldete sich.

»Bringen Sie den Gleiter auf, GF-3«, befahl Oberstleutnant Tresehr.

Ronald Tekener bestätigte den Befehl, schaltete das Fluggerät um und flog hinter dem Gleiter her, während bei der Kuppel die ersten Schüsse fielen. Krachende Explosionen zeigten an, dass die Angreifer neuralgische Punkte des CORSA-Stützpunkts getroffen hatten.

Ronald Tekener holte schnell auf.

Im Gleiter saß nur eine Person. Sie trug eine Kappe, die den Kopf eng umschloss. Die Maschine flog schnell, aber nicht mit Höchstgeschwindigkeit. Tekener blieb dicht über dem Boden, sodass sich der Gleiter stets deutlich über ihm befand. Tekener hoffte, dass der Pilot der Maschine ihn auf diese Weise nicht so leicht entdeckte.

Tatsächlich gelang es ihm, so weit aufzuholen, dass er sich schließlich direkt unter dem Gleiter befand und sich mit gleicher Geschwindigkeit wie er in östlicher Richtung bewegte. Er stieg jetzt langsam auf, schob sich an die Unterseite des Fahrzeugs heran und zog seinen Kombistrahler. Danach arbeitete er sich seitlich an der Maschine hoch, bis er durch die Scheibe in das Innere der Kabine sehen konnte.

Er erschrak nicht weniger als der Insasse des Gleiters, der entsetzt zurückfuhr.

In keiner Phase der Verfolgungsjagd war ihm der Gedanke gekommen, dass eine Frau hinter dem Steuer des Gleiters sitzen könnte. Jetzt raste er neben der Maschine her und blickte wie gelähmt durch die Scheibe auf eine Frau, die von einem eigenartigen Reiz war.

Sie war nicht schön. Ihre Augen standen zu weit auseinander, die Wangenknochen waren zu ausgeprägt, die Nase ein wenig zu lang und die Lippen zu schmal. Sie wirkte etwas eckig und ungelenk, und doch war etwas an ihr, was ihn faszinierte.

So verstrichen kostbare Sekunden, während er seine Entscheidung hinauszögerte. Ihm fehlten noch das blitzartige Reaktionsvermögen und die Übersicht, die ihn in späteren Jahren auszeichnen sollten. Erst als das Mädchen sich nach vorn warf und die Schaltungen des Gleiters zu verändern suchte, um ihn stärker zu beschleunigen und Tekener dadurch abzuschütteln, riss dieser die Tür auf. Er stieß das Mädchen zur Seite und zog sich in das Innere der Kabine. Da hier der Luftwiderstand fehlte, schleuderte ihn sein eigenes Fluggerät nach vorn. Er schaltete es aus und fiel in die Polster. Dabei richtete er den Projektor seines Kombistrahlers auf das Mädchen, das bleich vor ihm zurückwich.

Er veränderte die Schaltungen des Gleiters, ließ die Maschine absinken und landete schließlich neben einem See.

»Das wär's dann wohl«, sagte er. Er streckte dem Mädchen die Hand entgegen. »Geben Sie die Waffe heraus, oder muss ich Sie nach Waffen untersuchen?«

Sie deutete stumm auf ein Fach am Armaturenbrett. Er öffnete es und nahm einen zierlichen Desintegratorstrahler heraus.

»Klein, aber tödlich«, sagte er und steckte die Waffe ein. »Wer sind Sie?«

»Das frage ich Sie«, antwortete sie und presste ärgerlich die Lippen zusammen. »Und was wollen Sie von mir? Ich habe kein Geld bei mir.«

Ronald Tekener startete den Gleiter wieder und flog in Richtung der Kuppel zurück. Die Verwirrung des Mädchens steigerte sich noch mehr.

»Sie fliegen zurück?«, fragte sie. »Haben Sie den Verstand verloren? Mein Vater wird Ihnen den Kopf von den Schultern schießen.«

Tekener lächelte kaum merklich.

»Das glaube ich Ihnen aufs Wort«, sagte er. »Wer ist denn Ihr Vater?«

»Mein Vater ist Law Barton.«

Tekener blickte sie überrascht an.

»Law Barton? Damit habe ich allerdings nicht gerechnet. Dann sind Sie Sharon Barton?«

»Allerdings.« Ihre Augen funkelten zornig. »Wollen Sie mir jetzt endlich verraten, was das alles zu bedeuten hat?«

»Wenn Sie Sharon Barton sind, dann sollte ich wohl kein Geheimnis daraus machen. Wir haben soeben Ihren Vater und die anderen Mitglieder seiner Organisation verhaftet. Ich hoffe, dass er sich nicht zur Wehr gesetzt hat, denn wir hatten den Befehl, scharf zu schießen, wenn die Bande zur Waffe greift.«

»Sie müssen den Verstand verloren haben«, erwiderte sie. Tekener sah ihr an, dass sie völlig durcheinander war. »Was, zum Teufel, wirft man meinem Vater überhaupt vor? Er kann nichts getan haben, was einen derartigen Befehl rechtfertigt.«

»Soweit ich informiert bin, spricht die Anklage von Mord, Anstiftung zum Mord, Entführung, Erpressung, Rauschgifthandel und einige Kleinigkeiten mehr.«

Sharon Barton lachte hysterisch. Sie schlug die Hände vor das Gesicht.

»Das ist eine Gemeinheit«, sagte sie mit bebender Stimme. »Irgendjemand hat ein Lügengespinst um meinen Vater herum aufgebaut, und Sie sind dumm genug, darauf hereinzufallen.«

»Sicher«, entgegnete er ruhig.

Der Gleiter näherte sich der Kuppel, die jetzt nur noch eine brennende Ruine war. Davor lagen Law Barton und seine Helfer auf dem Boden. Die USO-Spezialisten standen vor ihnen und bewachten sie.

Sharon Barton schrie ängstlich auf.

Ronald Tekener beobachtete sie. Immer mehr gewann er den Eindruck, dass sie über den wahren Charakter ihres Vaters nicht Bescheid wusste. Er glaubte jetzt auch nicht mehr, dass sie über seine Verbrechen informiert war. Ganz sicher aber schien zu sein, dass sie nichts über die CORSA wusste.

»Beruhigen Sie sich«, sagte er. »Und machen Sie sich auf einige schwere Tage gefasst. Man wird Sie verhören.«

Er verzögerte. Der Gleiter trieb nur noch langsam auf die Kuppel zu.

»Aber warum denn?«, fragte sie. »Ich habe doch nichts getan, was man mir vorwerfen könnte.«

»Sie werden beweisen müssen, dass Sie nichts mit der CORSA zu tun haben.«

Sie schüttelte stumm den Kopf.

»Sie werden weiterhin beweisen müssen, dass Sie nichts mit der Giftsendung zu tun haben, die vor wenigen Minuten mit dem Transmitter hier angekommen ist.«

»Ihr verdammten Narren«, entgegnete sie. »Wusstet ihr denn nicht, was mein Vater wirklich vorhatte?«

»Klären Sie mich auf. Ich lasse mich gern überraschen.«

»Also gut.« Sie senkte den Kopf. »Ich wusste, dass eine Giftsendung mit dem Transmitter kommen würde. Mein Vater hat es mir gesagt. Danach aber sollte ein Mann kommen, der uns etwas über die verschwundenen Handelsraumschiffe hätte erzählen können. Es war verabredet, dass mein Vater ihm nach dem Eintreffen der Giftsendung ein Signal geben sollte. Dieses Signal sollte ihm anzeigen, dass alles in Ordnung ist, und dass er kommen kann. Jetzt ist er bestimmt nicht gekommen.«

Ihre Augen füllten sich mit Tränen.

»Mein Vater hasst diese Organisation, die für das Verschwinden der Raumschiffe verantwortlich ist. Er würde alles tun, um sie zu vernichten. Und jetzt haben Sie die erste Chance verspielt, die sich seit mehr als einem Jahr geboten hat, wenigstens einen dieser Gangster zu fassen.«

»Wer ist es?«

»Das wissen wir nicht, und das werden wir jetzt wohl auch nicht mehr erfahren.«

»Sie behaupten also, dass Ihr Vater sich nur auf diese Giftaktion eingelassen hat, weil er etwas gegen diese Organisation erreichen wollte?«

»Das behaupte ich nicht. Das weiß ich.«

»Welchen Grund sollte er haben?«

»John und Efraym. Meine Brüder. Sie sind verschwunden. Die Bande hat sie umgebracht.« Diese Worte brachen förmlich aus ihr heraus und verrieten etwas von der Verzweiflung, die sie erfüllte. »Glauben Sie mir. Wir wissen es genau, dass es die Bande war.«

»Es tut mir leid«, erwiderte Tekener. »Verabschieden Sie sich jetzt von Ihrem Vater. Es ist das letzte Mal, dass Sie ihn in Freiheit sehen.«

»Sie glauben diese gemeinen Lügen?«

»Wir haben Beweise, die ausreichen, Ihren Vater bis an das Ende seines Lebens hinter Gitter zu bringen.«

Ihre Finger krallten sich in seinen Arm. Ihre Augen weiteten sich.

»Wie ich Sie hasse.«

»Warum hassen Sie mich? Warum nicht Ihren Vater? Ich habe die Verbrechen nicht begangen. Er war es. Ich habe ihn noch nicht einmal verhaftet.«

Tekener beschleunigte und landete wenig später neben der brennenden Kuppel. Er stieg aus.

2.

Einige Tage später betrat Allan D. Mercant die Arbeitsräume Atlans in Terrania City, der Hauptstadt der Erde. Der Chef der Solaren Abwehr war klein und schmächtig von Gestalt. Er wirkte unscheinbar auf den flüchtigen Beobachter, und das stille Lächeln, das fast immer auf seinen Lippen lag, täuschte diejenigen, die ihn nicht kannten, darüber hinweg, zu welcher Entschlusskraft und Härte er fähig war.

Mercant trug eine Akte unter dem Arm. Er begrüßte den Arkoniden, der hinter seinem Arbeitstisch saß, mit einem flüchtigen Nicken. Er setzte sich Atlan gegenüber in einen Sessel.

»Drei weitere Verlustmeldungen«, sagte er. »Drei Handelsraumer auf einen Schlag. Die Schiffe flogen im Konvoi und sind vermutlich gleichzeitig in die Falle gerasten. Wie üblich kein Notsignal. Keine Spur. Kein Hinweis. Nichts. Dafür aber drei Verlustmeldungen unserer Agenten, die versucht haben, herauszufinden, wo die Ware bleibt, und aus welchen Quellen sie auf die Märkte kommt.«

Atlan erhob sich erregt. Seine Augen wurden feucht.

»Damit sind also mehr als zweitausend Handelsraumer verloren gegangen«, sagte er zornig. »Und wir haben nicht einen einzigen davon wiedergefunden. Und das, obwohl wir uns permanent im Alarmzustand befinden, und obwohl überall in der Galaxis unsere Spezialisten im Einsatz sind.«

»Richtig«, entgegnete Mercant. »Der Erfolg bleibt aus. Wohin sich unsere Leute auch wenden, sie stoßen überall auf Angst und Misstrauen.«

»Und jetzt?«, fragte Atlan. »Was geschieht jetzt? Sollen wir zusehen, wie wieder und wieder Raumschiffe verschwinden? Irgendwo muss es einen Ansatzpunkt geben.«

Seit einem Jahr liefen die Organisationen der SolAb und der USO auf Hochtouren. Beide konzentrierten sich fast ausschließlich auf das Projekt GHOST, das sie vor größere Rätsel und Schwierigkeiten stellte als jedes andere zuvor. Die Verluste, die die terranische Handelsraumfahrt hatte hinnehmen müssen, erreichte astronomische Höhen. Zahllose Reedereien waren in Konkurs gegangen, und viele hielten nur noch dank massiver staatlicher Unterstützung durch. Überraschenderweise verschwand nicht ein einziges militärisches Raumschiff auf diese Weise. Verluste traten ein, aber sie wurden alle restlos aufgeklärt, während die Handelsraumer sich buchstäblich in Nichts aufzulösen schienen.

Atlan hatte mehrere Male versucht, die geheimnisvollen Feinde der terranischen Raumfahrt mit präparierten Raumschiffen hereinzulegen, aber auch das war nicht gelungen.

Die Raumschiffe verschwanden in praktisch allen Bereichen der Milchstraße, sodass sich auch aus einer eventuellen Konzentration der Verluste auch keine Spur ergab. Viele der gestohlenen Güter tauchten auf den verschiedenen Märkten der Galaxis wieder auf, ohne dass es möglich gewesen wäre, ihren Weg zurückzuverfolgen.

Die Raumschiffsbesatzungen wurden brutal getötet. Daran zweifelte niemand mehr in der USO und der SolAb. Das bedeutete, dass die Raumpiraten für den Tod von Zehntausenden von Menschen verantwortlich waren.

»Ich bin hier, weil ich einen Gedanken zur Diskussion stellen möchte«, sagte Allan D. Mercant. »Mit den bisherigen Methoden kommen wir nicht weiter. Der Güterverkehr bricht zusammen. Die Reedereien finden keine Mannschaften mehr, weil alle sich vor den Überfällen im All fürchten. Begleitschutz können wir nur in beschränktem Maße anbieten, wobei ich noch nicht davon überzeugt bin, dass er tatsächlich weitere Überfälle verhindern würde.«

»Ich bin mit jedem Vorschlag einverstanden, der uns weiterhilft«, erwiderte der Arkonide.

»Wir wissen mittlerweile, dass die überall im Solaren Imperium tätige Gangsterorganisation CORSA nicht für das Geschehen verantwortlich ist.«

»In der Tat. Die CORSA fühlt sich in ihren Aktionen vielmehr empfindlich gestört. Dummerweise haben wir das einzige Unternehmen gegen die Raumpiraten vereitelt, zu dem sich die CORSA bisher bereitgefunden hat.«

»Eben da möchte ich einhaken«, sagte der SolAb-Chef. »Ich habe den Bericht eines gewissen ...«

Allan D. Mercant runzelte die Stirn und schnippte mit den Fingern. Für einen kurzen Moment schien es, als wolle ihn sein Gedächtnis verlassen. Dann jedoch fuhr er fort: »... Leutnant Ronald Tekener gelesen, und dabei ist mir der Gedanke gekommen, die Raumpiraten auf dem Umweg über die CORSA anzugehen. Vielleicht können wir da zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Die Stärke der CORSA ist zu unserem Leidwesen, dass man den wirklich Mächtigen dieser Organisation keine illegalen Aktionen nachweisen kann – oder doch nur in Ausnahmefällen. Leutnant Tekener war an der Verhaftung eines solchen Ausnahmefalls beteiligt. Law Barton können wir mehrere Morde und andere Delikte nachweisen, die ausreichen, ihn für alle Zeiten aus dem Verkehr zu ziehen.

Sonst sieht es ganz anders aus. Über Bagatellfälle wie Steuerhinterziehung, Zollvergehen oder Verletzung der Devisenbestimmungen kommen wir nicht hinaus. Deshalb werden bei der Bekämpfung von CORSA keine entscheidenden Fortschritte erzielt. Wir müssen uns mit der Existenz dieser Organisation wohl ebenso abfinden, wie es im zwanzigsten Jahrhundert die Vereinigten Staaten von Amerika mit der Mafia oder Cosa Nostra mussten.«

»Das wird sich zeigen«, erwiderte Atlan.

»Ich sehe eine Möglichkeit, die CORSA zu zerbrechen und gleichzeitig die Raumpiraten zu treffen. Wir könnten fingiertes Beweismaterial zusammentragen und die wichtigsten Männer der CORSA verhaften. Wir könnten der CORSA das Verschwinden der Handelsraumer in die Schuhe schieben. Selbstverständlich bin ich mir darüber klar, dass wir einen derartigen Schwindel nur ein paar Wochen lang durchhalten können. Das aber könnte genügen. Wenn wir die CORSA auf diese Weise massiv unter Druck setzen, wird sie ihre Fühler ausstrecken und in panischer Hast nach den Raumpiraten suchen. Und ich bin fest davon überzeugt, dass sie die Informationen einholen, die unsere Agenten nicht erhalten, weil sie die Händler auf den verschiedenen Handelswelten nicht so in der Hand haben wie die Mittelsmänner der CORSA.«

Atlan dachte einige Sekunden lang nach. Dann schüttelte er den Kopf.

»Das funktioniert nicht«, erklärte er dann. »Wir haben mittlerweile einen neuen Galaktischen Ankläger. Es ist Professor Dr. Thomas G. Robinson. Schon von ihm gehört?«

»Allerdings. Ich wusste aber nicht, dass er im Amt ist.«

»Sein Vorgänger Jefferson Morgan ist vor drei Stunden bei einem Gleiterabsturz ums Leben gekommen.«

»Verdammt«, sagte Mercant. »Thomas G. Robinson. Ich kann den Kerl nicht riechen, und er mich auch nicht. Bei ihm komme ich mit diesem Plan auf keinen Fall durch.«

Atlan nickte.

»Dennoch sollten wir nicht aufgeben. Vielleicht geht es auch anders. Vielleicht können wir einige führende Männer der CORSA für eine Mitarbeit gewinnen?«

Allan D. Mercant winkte ab.

»Freiwillig arbeiten die nie mit uns zusammen.« Der SolAb-Chef schlug seine Akte auf und warf einen Blick hinein. Als er den Kopf hob, lag ein feines Lächeln auf seinen Lippen. »Da ist der Bericht von Leutnant Tekener. Darin steht, dass die CORSA-Mitglieder Angehörige verloren haben, die auf Raumschiffen gearbeitet haben. Das ist vielleicht ein Ansatzpunkt.«

»Genau das meine ich«, sagte Lordadmiral Atlan. »Die CORSA hat ein Interesse daran, dass die Raumpiraten ausgeschaltet werden. Und das müssen wir nutzen.«

»Die Frage ist – wie?«

»Ich habe den Bericht von Leutnant Tekener auch gelesen«, erklärte der Arkonide. »Er hat Kontakt mit Sharon Barton gehabt. Daraus lässt sich vielleicht etwas machen. Sharon Barton könnte uns helfen, George ›Limp‹ Coates für ein Gespräch zu gewinnen. Coates ist einer der Bosse der CORSA. Er ist verantwortlich für das Transportwesen. Er könnte für uns zu einer interessanten Zentralfigur werden.«

Der Arkonide tippte einige Buchstaben in die Tastatur seines Tischcomputers. Der Name des Verbrechers leuchtete auf dem Bildschirm vor ihm auf. Dazu kamen einige Angaben zur Person.

»Ich habe mich nicht geirrt. George ›Limp‹ Coates sitzt auf Persith, dem dritten Planeten der Sonne Connour im Gefängnis. Connour ist 368 Lichtjahre von der Erde entfernt. Coates ist wegen Zollvergehens, Transportgefährdung und Versicherungsbetrug zu vierzig Jahren Freiheitsentzug verurteilt worden. Der Mann ist siebzig Jahre alt. Vierzig Jahre hinter Gitter, das ist für ihn so gut wie lebenslänglich.«

»Was hat Sharon Barton mit Coates zu tun?«, fragte Mercant.

»Er ist ihr Onkel«, erwiderte Atlan. »Wir könnten uns direkt an ihn wenden, doch das hätte wenig Sinn. Er würde uns nicht als Gesprächspartner akzeptieren. Anders sieht es schon aus, wenn ein Mädchen wie Sharon Barton sich mit ihm in Verbindung setzte und ihm empfiehlt, mit uns zu reden. Das sieht unverfänglich aus, da sie ein gutes Motiv hat. Zwei ihrer drei Brüder sind den Piraten zum Opfer gefallen.«

Allen D. Mercant lächelte.

»Dann weiß ich auch schon den Mann, der sich um Sharon bemühen wird«, sagte er. »Leutnant Ronald Tekener. Dabei könnte dieser junge Mann beweisen, dass er das Leutnantspatent nicht zu Unrecht erhalten hat.«

Der Arkonide lächelte ebenfalls.

»Leutnant Ronald Tekener ist durch eine gute Schule gegangen«, antwortete er. »Er war die Nummer 1 seines Lehrgangs und hat schon einige Male bewiesen, dass etwas in ihm steckt. Ich glaube, dass dieser junge Mann Zukunft hat.«

Einige Tage später legte Ronald Tekener seine Hand auf den Schaft einer Armbrust, während seine Blicke zum grünen Himmel von Decwash hinaufglitten. Er war 631 Lichtjahre von der Erde entfernt, und doch hatte er nicht das Gefühl, auf einem fremden Planeten zu sein. Die Siedler von Decwash hatten sich zahllose Pflanzenkeime von der Erde mitgebracht und hier eine terranische Flora aufgezogen.

Tekener stand unter einer Fichte, deren Nadeln dunkelgrün waren, deren Austriebe aber hellblau leuchteten.

»Wenn Sie schießen wollen, dann zahlen Sie endlich«, sagte der Mann, der hinter dem Tisch saß und die Waffen herausgab. »Oder machen Sie Platz für andere.«

Ronald Tekener warf eine Münze auf den Tisch.

»Stimmt so«, versetzte er. »Der Rest ist für die Stiftung.«

Er nahm die Armbrust und einen Pfeil an sich. Erst jetzt merkte er, dass die Waffe nicht aus Holz, sondern aus einem Material bestand, das ihn an Elfenbein erinnerte. Sie war leicht, lag aber dennoch so gut in der Hand, dass er damit zielen konnte, ohne dass sich seine Pulsschläge auf die Waffe übertrugen.

Er schob sich an der Blaskapelle vorbei, die einen infernalischen Lärm veranstaltete, und näherte sich einem dunkelhaarigen Mädchen, das dicht neben dem Schießstand unter einem Laubbaum wartete, bis es an der Reihe war.

»Sie können mir sicherlich sagen, aus was für einem Material diese Waffe hergestellt worden ist«, sagte er.

Das Mädchen drehte sich gelangweilt um. Ihr Gesicht verfärbte sich, als sie ihn sah.

»Sie wagen es ...«, sagte sie. Alle weiteren Worte erstickten an ihrem Zorn.

»Miss Sharon Barton. Wie nett. Und welch eine Überraschung«, bemerkte er. »Ich wünsche Ihnen einen guten Tag.«

Sie bückte sich und nahm die Armbrust auf, die am Baumstamm lehnte. Blitzschnell legte sie den Pfeil ein, spannte die Waffe und richtete sie auf Tekener, der kühl lächelnd vor ihr stand. Die Abschusskerbe zeigte genau auf sein Herz.

Sie zögerte, und sie suchte seine Blicke. Seine Ruhe verwirrte sie.

»Ich hasse Sie«, sagte sie mit bebender Stimme. »Ich hasse Sie wie niemanden sonst auf der Welt. Gehen Sie. Verschwinden Sie von hier, oder ich töte Sie.«

»Darauf steht lebenslänglich oder Persönlichkeitsmanipulation«, erwiderte er. »Wofür würden Sie sich entscheiden?«

Zwei Männer eilten auf sie zu. Sie packten Tekener an den Armen und rissen ihn zurück.

»Lass das Mädchen in Ruhe, Freundchen«, sagte einer von ihnen. »Verschwinde.«

»Sie wollen, dass ich gehe, ohne dass ich gesagt habe, weshalb ich hier bin?«, fragte er das Mädchen.

»Was wollen Sie?«

Tekener blickte die beiden Männer, die ihn festhielten, an. Sharon Barton begriff, was er damit sagen wollte.

»Lasst ihn los«, befahl sie. »Ich rufe euch, wenn ich euch brauche.«

Die beiden Männer gehorchten und entfernten sich. Ronald Tekener lächelte anerkennend.

»Sie machen Karriere, Sharon«, sagte er. »Jetzt haben Sie schon Leibwächter, und die parieren sogar aufs Wort.«

»Kommen Sie zur Sache, sonst rufe ich sie zurück, und dann geht es Ihnen schlecht.«

Der Schiedsrichter pfiff und wies auf den Terraner.

»Sie sind an der Reihe«, brüllte er Tekener zu.

Dieser war zwanzig Meter weiter vom Ziel entfernt als die anderen Schützen, die von einem Holzgestell aus auf eine aus Kristallstücken zusammengesetzte Figur schossen. Dabei kam es darauf an, Kristallsplitter von niederem Wert wegzuschießen und einen hochwertigen Diamanten herauszulösen. Dieser durfte auf keinen Fall beschädigt werden. Wer ihn zerschoss, musste für den Schaden aufkommen. Wer ihn heil herunterholte, durfte ihn als Preis behalten.

Ronald Tekener spannte die Armbrust und legte an.

»Angeber«, sagte das Mädchen. »Warum gehen Sie nicht zum Gestell? Müssen Sie mir unbedingt beweisen, was für ein toller Kerl Sie sind?«

Tekener schoss. Pfeifend verließ der Pfeil die Leitkerbe. Krachend schlug er gegen die Kristallfigur und fetzte mehrere Stücke heraus. Der Diamant lag frei, fiel aber noch nicht.

Der Schütze, der nach Tekener kam, riss die Arme jubelnd hoch. Er war davon überzeugt, dass ihm der Diamant nicht mehr zu nehmen war.

»Schade«, sagte Tekener. »Ich hätte Ihnen den Stein gern geschenkt.«

Er beobachtete den Schützen, der nach ihm kam. In seiner Freude und in seinem Übereifer schoss er vorbei. Wütend schleuderte er die Armbrust zur Seite. Sharon lachte.

»Dieser Narr«, sagte sie. »So etwas konnte auch nur ihm passieren.«

Der darauf folgende Schütze holte sich den Stein. Während er sich von der jubelnden Menge feiern ließ, betrachtete Tekener die Armbrust in seinen Händen.

»Wissen Sie, was das für ein Material ist?«, fragte er. »Es scheint wertvoll zu sein.«

»Es ist aus den Panzerplatten einer Echsenart entnommen«, erklärte sie. »Die Tiere gibt es in den Urwäldern im Süden.«

»Einzigartig«, sagte er. »Ich werde eine Waffe kaufen.«

»Was wollen Sie von mir?«, fragte sie kühl.

Er blickte sie an, als erinnere er sich erst jetzt wieder daran, weshalb er überhaupt hier war.

»Ich brauche Ihre Hilfe, Sharon«, entgegnete er. »Es geht um die Raumpiraten. Werden Sie mir helfen?«

»Ihnen helfen? Haben Sie den Verstand verloren? Sie haben meinen Vater hinter Gitter gebracht. Ich weiß mittlerweile, dass er keine Chance hat, je wieder freizukommen. Dafür hasse ich Sie, und ich werde Ihnen auf keinen Fall helfen.«

»Es ist das alte Spiel vom Räuber und Gendarm, das alle lieben«, sagte er. »Die meisten möchten lieber den Räuber dabei spielen, aber sie werden böse, wenn sie erwischt werden. Kann ich etwas dafür, dass Ihr Vater den Pfad der Gesetze verlassen hat?«

»Das ist mir egal. Ich werde Ihnen nicht helfen. Niemals.«

»Ihre beiden Brüder sind das Opfer dieser Piraten geworden. Jetzt haben Sie noch einen Bruder. Ist er auch in der Handelsraumfahrt?«

»Das würde ich niemals zulassen.«

»Sie haben Freunde, Verwandte und Bekannte, die auf Handelsraumern fliegen. Zahllose Planeten der Galaxis sind auf die Handelsraumfahrt angewiesen. Viele könnten gar nicht existieren, wenn sie nicht laufend von der Erde oder von anderen Welten aus versorgt würden. Denken Sie nur an diesen Planeten, auf dem wir uns hier befinden, an Decwash.«

»Was ist mit ihm?«, fragte sie unwirsch.

»Alle Bewohner von Decwash müssen in regelmäßigen Abständen von etwa acht Wochen mit einem Antibiotikum versehen werden, das hier nicht hergestellt werden kann. Ohne die Handelsraumfahrt müsste der Planet geräumt werden.«

»Dann sorgen Sie dafür, dass die Handelsraumfahrt funktioniert, aber lassen Sie mich damit in Ruhe.«

»Das würde ich gern tun, wenn Sie bereit wären, mir zu helfen.«

Sie blickte zu den beiden Männern hinüber, die Ronald Tekener für CORSA-Mitglieder hielt.

»Sie wissen mittlerweile, dass die Anklage gegen Ihren Vater zu Recht besteht. Er hat getan, was man ihm vorwirft. Im Grunde genommen ist niemandem damit geholfen, dass er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt wird. Sein Vermögen reicht nicht aus für die Schadensleistungen an seine Opfer. Sie aber könnten einen Beitrag leisten, der wertvoller ist als das Geld, das Ihr Vater zahlen muss.«

Sie verzog das Gesicht und wandte sich ab. Mit einem Handzeichen gab sie den beiden CORSA-Männern zu verstehen, dass sie eingreifen sollten. Die beiden Leibwächter eilten heran. Ronald Tekener blieb ruhig stehen und wartete auf sie. Die anderen Besucher des Schützenfests zogen sich schnell zurück. Ihr Verhalten bewies Tekener, dass sie genau wussten, was jetzt geschehen würde.

Der Leutnant fühlte sich in bester Verfassung. Kühl sah er dem unvermeidlichen Kampf entgegen. Er wusste, dass die beiden CORSA-Männer zunächst fintieren würden. Daher reagierte er auf den ersten Angriff überhaupt nicht. Wie erwartet, wurde sein Gegner davon überrascht. Der Schlag blieb aus.

Dafür griff der andere Leibwächter um so entschlossener an. Er versuchte, Tekener mit Handkantenschlägen und einer Ellenbogen-Knie-Kombination außer Gefecht zu setzen. Dem Terraner gelang es jedoch mühelos, auch diesen Angriff zu parieren.

Seine Fäuste zuckten vor. Und sie trafen. Einer der beiden Gegner stürzte zu Boden. Der andere aber hielt plötzlich eine Armbrust in den Händen und schlug sie ihm gegen die Brust, ohne dabei erkennbar auszuholen. Tekener konnte diesem Schlag nicht ausweichen. Vor seinen Augen flimmerte es. Er hatte das Gefühl, dass sein Herzschlag aussetzte.

Die beiden CORSA-Männer nutzten den Vorteil, den sie errungen hatten. Sie stürzten sich auf Tekener und deckten ihn mit einer Reihe von Schlägen ein, die ihn nahezu kampfunfähig machten, ihn aber noch nicht von den Beinen rissen.

Mit dem Instinkt eines geschulten Kämpfers versuchte der Leutnant, die am meisten gefährdeten Regionen seines Körpers abzudecken, um einige Sekunden Zeit zu gewinnen, in denen er sich erholen konnte. Die Leibwächter des Mädchens gaben ihm jedoch keine Chance. Eiskalt vollendeten sie ihr Vernichtungswerk. Ihre Fäuste und Handkanten trommelten auf Tekener ein, bis ihn endlich ein Schlag am Kinn traf, der ihn zu Boden schleuderte.

Ihm schwanden die Sinne.

Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als er wieder zu sich kam. Er hörte das Gemurmel von Stimmen, aber er konnte sich nicht darauf konzentrieren. Er versuchte sich zu bewegen, doch auch das gelang ihm nicht. Schmerzen überfluteten seinen Körper und drohten, ihn in eine erneute Ohnmacht absinken zu lassen.

Er kämpfte gegen das Verlangen an, sich der Müdigkeit hinzugeben. Er wollte die Augen öffnen und bei klarem Bewusstsein bleiben. Das Stimmengemurmel versiegte, und ihm wurde bewusst, dass er sich getäuscht hatte. Das Rauschen seines Blutes hatte ihm den Eindruck vermittelt, dass Menschen in seiner Nähe waren, die miteinander sprachen.

Je mehr sich seine Sinne aber klärten, desto deutlicher wurde er sich dessen bewusst, dass es völlig ruhig in seiner Umgebung war. Irgendwo in der Ferne sang ein Vogel.

Er schlug die Augen auf und sah sich um.

Er befand sich in einem Raum, dessen Wände mit Fellen und Waffen verziert waren. Durch ein offenes Fenster fiel sein Blick auf einen See. Ein Mädchen stand in der Nähe des Fensters.

Es war Sharon Barton.

3.

Tekener richtete sich mühsam auf, als er glaubte, sich genügend erholt zu haben. Er presste die Zähne zusammen und versuchte, die Schmerzen nicht zur Kenntnis zu nehmen. Als er vor dem Bett stand, auf dem er gelegen hatte, fühlte er sich schon ein wenig besser.

Es war dämmerig. Daraus schloss Tekener, dass er wenigstens einige Stunden bewusstlos gewesen war. Er atmete einige Male tief durch und ging dann zur offenen Tür. Er blieb stehen, als er sie erreicht hatte, und lehnte sich gegen den Türrahmen.

Sharon Barton saß einige Schritte von ihm entfernt auf einer Bank, die aus einem grob behauenen Baumstamm bestand. Eine Bohle knarrte unter seinen Füßen. Sie hörte es und fuhr herum. Als sie ihn sah, stand sie eilig auf, strich sich die Röcke glatt und kam zu ihm.

»Ich dachte, Sie würden nie wieder aufstehen«, sagte sie verlegen.

»Und ich wusste nicht, dass Sie die Geschäftsmethoden Ihres Vaters ebenso perfekt beherrschen wie er selbst«, erwiderte er. »Fast wäre ich auf Ihr unschuldiges Gesicht hereingefallen. Ich verstehe jetzt, dass Sie empört darüber sind, dass wir Ihren Vater aus dem Verkehr gezogen haben.«

»Was wollen Sie damit sagen?«, fuhr sie ihn an.

»Es geht auch ohne Sie«, erklärte er verächtlich. »Ich hätte wissen müssen, dass von Leuten Ihres Schlages keine Hilfe zu erwarten ist.«

Er blickte auf den See hinaus. Farbenprächtige Fische durchbrachen die Wasseroberfläche, breiteten die flügelartigen Flossen aus und segelten wie schwerelos über das Gewässer. Die Sonne stand als grünlicher Lichtball über dem Horizont und schuf eigenartige Lichtreflexe auf dem See.

Tekener löste sich von der Tür und ging zu einem Gleiter, der unter einigen tannenartigen Bäumen parkte. Er identifizierte die Maschine schon von Weitem als diejenige, die er am Raumhafen gemietet hatte. Er öffnete die Tür und stieg ein.

Plötzlich stand Sharon neben ihm und riss die Tür wieder auf.

»Steigen Sie aus«, rief sie. »Sie dürfen nicht wegfliegen. Sie sind noch nicht dazu in der Lage.«

Tekener fuhr sich mit dem Handrücken über die Lippen. Vor seinen Augen flimmerte es, und er fürchtete, abermals bewusstlos zu werden. Störrisch schüttelte er den Kopf.

»Ich bin dazu in der Lage«, sagte er. »Und nichts wird mich hier zurückhalten.«

»Die beiden Männer hätten Sie totgeschlagen, wenn ich Ihnen nicht geholfen hätte«, erklärte Sharon heftig.

»Soll ich Ihnen dafür dankbar sein? Ihnen ist es zuzuschreiben, dass ich mich so fühle, als hätte ich keinen heilen Knochen mehr im Leib.«

»Sie sind nicht tot.«

»Da bin ich nicht so ganz sicher. Wie fühlt man sich als Toter? Aber das sollte ich Sie wohl nicht fragen.«

»Sie sind widerlich und gemein«, sagte sie. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Mein Vater ist ein Gangster. Aber was habe ich damit zu tun? Was kann ich dafür, wenn mir die Organisation zwei Wachen an die Seite stellt? Ich habe Sie jedenfalls nicht aufgefordert, mich zu belästigen.«

»Das ist zweifellos richtig«, erwiderte er. »Doch das führt alles zu nichts. Ich hätte mir die Mühe sparen können.«

Er wollte die Tür schließen, doch sie legte rasch ihre Hand auf seinen Arm.

»Hören Sie zu, Leutnant«, sagte sie leise und senkte den Kopf. »Ich bin wohl ziemlich ungerecht gewesen. Es tut mir leid, was geschehen ist. Und deshalb werde ich Ihnen helfen. Was soll ich tun? Erklären Sie es mir, und ich werde es tun.«

Ronald Tekener stieg wieder aus.

»Später«, sagte er. »Jetzt will ich erst einmal baden, damit ich wieder zu mir komme. Ich hoffe doch, dass man im See baden kann, ohne dass einem irgendwelche Ungeheuer die Füße abbeißen?«

»Baden Sie nur«, entgegnete sie. »Es ist völlig ungefährlich. Vorausgesetzt, Sie können schwimmen.«

Tekener war sich darüber klar, was der Befehl bedeutete, den er erhalten hatte. Wenn man einen Offizier seines Ranges mit einer derartigen Aufgabe bedachte, dann war dies der Ausdruck vorsichtigen Taktierens.

Lordadmiral Atlan wusste, mit wem er es bei George »Limp« Coates zu tun hatte.

Ronald Tekener verließ das Raumhafengebäude von Persith, dem dritten Planeten der Sonne Connour, etwa vierzehn Tage nach seinem Treffen mit Sharon Barton und deren Begleitern. Die Wunden, die er bei der Schlägerei davongetragen hatte, waren ausgeheilt. Von den Quetschungen, Blutergüssen und Schrammen war nichts mehr zu sehen, und er konnte auch wieder frei atmen, ohne dass sich Schmerzen in der Brust einstellten.

Tekener blieb unwillkürlich stehen, als er hörte, wie hinter ihm ein Stahlschott einrastete. Er drehte sich um und sah, dass sich als zusätzliche Sicherung ein Energieschirm aufbaute. Somit lag der Raumhafen mit sämtlichen Einrichtungen unter einer undurchdringlichen Energieglocke.

Das bedeutete nicht, dass der Rest von Persith eine freie Welt war. Im Gegenteil. Nur innerhalb der Energiekuppel gab es normalerweise freie Menschen. Alle anderen verbüßten eine Freiheitsstrafe.

Tekener entschied sich für einen roten Gleiter, der neben anderen auf dem Parkplatz vor dem Raumhafengelände stand. Er tippte die Daten ein, die ihm ein verantwortlicher Offizier gegeben hatte. Lautlos stieg die Maschine auf und raste in südlicher Richtung davon.

»Machen Sie sich auf einiges gefasst«, hatte der Offizier im Kontrollgebäude gesagt. »Die Gefängnisse auf Persith sehen anders aus, als die Öffentlichkeit sie sich vorstellt. Aber täuschen Sie sich nicht. Es sind Gefängnisse.«

Ronald Tekener lehnte sich in den Polstern zurück. Er blickte nach vorn. Weites, fruchtbares Land dehnte sich vor ihm, das nur teilweise kultiviert worden war. Schwärme von Vögeln zogen über silbern schimmernde Flüsse und Seen hinweg. In der Ferne erhob sich eine Bergkette bis in eine Höhe von etwa viertausend Metern. Die Gipfel der Berge leuchteten weiß.

Das Land war von beispielhafter Schönheit.

Einen Gefangenenplaneten hatte Tekener sich anders vorgestellt. Das Gefühl, von Atlan nicht ausreichend vorbereitet ins Feuer geschickt zu werden, verstärkte sich.

Der Lordadmiral spielte die Bedeutung des Treffens mit Georg »Limp« Coates herunter. Der Gangsterboss sollte von Anfang an wissen, dass diese Begegnung zwar wichtig war, aber sich im Rahmen eines großen Geschehens bewegte, in dem andere Ereignisse weit höher rangierten.

Sharon Barton hatte sich die größte Mühe gegeben, Coates zur Zustimmung zu bringen. Dass sie es überhaupt geschafft hatte, erschien wie ein kleines Wunder, da sie ihm keine Gegenleistung hatte bieten können. Wäre jetzt Lordadmiral Atlan selbst bei Coates erschienen, hätte dieser fraglos versucht, ihn zu erpressen. Er hätte seine Forderungen uferlos ausgeweitet. Und gleichzeitig hätte er für eine weltweite Publizität gesorgt. Reporter und Journalisten aus dem gesamten Imperium wären auf Persith gewesen, um Zeuge des Treffens zu werden.

Tekener war allein. Er vermutete, dass Coates mit der Hilfe Sharons versucht hatte, die Presse für dieses Treffen zu interessieren, dass es ihm jedoch nicht gelungen war. Ein Leutnant Ronald Tekener war in keiner Kartei der Presseimperien verzeichnet. Einen Ronald Tekener konnte Coates nicht erpressen. Er konnte ihm nur zuhören.

Tekener näherte sich einem turmartigen Gebäude, das auf der Kuppe eines Hügels an einem Fluss errichtet war. Ein flimmernder Energieschirm wölbte sich über dem Turm, der von einem blühenden Garten umgeben war. Tekener sah einen von der Sonne gebräunten Mann in einem Liegestuhl neben einem Swimmingpool liegen. Vor dem Mann stand ein Fernsehgerät.

Tekener betätigte eine Taste am Armaturenbrett. Der Gleiter landete vor dem Energieschirm. Aus dem Turm kam ein Roboter hervor, der auf ihn zu eilte. Als er den Energieschirm erreichte, entstand eine Strukturlücke.

Tekener zeigte seine ID-Karte.

Der Roboter prüfte sie und ließ ihn eintreten.

»Mr. Coates erwartet Sie, Sir«, sagte der Automat. »Möchten Sie etwas zu trinken?«

»Danke«, entgegnete Tekener. »Nichts.«

»Dann erlauben Sie mir, Sie zu Mr. Coates zu führen.« Der Roboter drehte sich um und stolzierte vor Tekener her. Er blieb einige Meter vor George »Limp« Coates stehen und zeigte stumm mit der Hand auf den Gefangenen, der keinerlei Notiz von seinem Besuch nahm.

Coates blieb im Liegestuhl. Er wandte Tekener den Rücken zu und tat, als habe er seine Ankunft noch nicht bemerkt. Der Leutnant ging um den Liegestuhl herum, bis er dem Gefangenen ins Gesicht sehen konnte.

George »Limp« Coates war ein schwergewichtiger Mann. Er war untersetzt und hatte ein ausdrucksloses Gesicht mit tief liegenden Augen und buschigen Augenbrauen.

Als er Tekener sah, strich er sich mit dem Daumen über die Sattelnase, und ein flüchtiges Lächeln glitt über seine aufgeworfenen Lippen.

»Zeigen Sie schon her«, forderte er.

Tekener reichte ihm seine ID-Karte, doch Coates beachtete sie kaum. Ihm genügte es, dass ein Leutnant der USO bei ihm erschien und sich auswies. Der Inhalt der Identifikationskarte war nicht mehr so wichtig. Entscheidend war die Geste.

George »Limp« Coates grinste.

»Es ist also wahr«, sagte er selbstgefällig. »Die USO erscheint bei mir im Gefängnis, um vor mir einen Kniefall zu machen.«

»Gefängnis?« Tekener blickte sich um. Das Licht der Sonne spiegelte sich im Wasser des Schwimmbeckens. Die Blumen der Büsche verströmten einen angenehmen Geruch. Das Fernsehgerät produzierte die dreidimensionalen Bilder einer prominenten Band. Aus den Lautsprechern tönten die Rhythmen, die diese Band in aller Welt berühmt gemacht hatten.

»Es ist ein Gefängnis«, beteuerte der Gangster. »Für uns kommt es nicht darauf an, uns an Ihnen zu rächen, hat mir der Richter erklärt. Wir wollen nur, dass Sie aus dem Verkehr gezogen werden. Deshalb werden Sie keine Verbindung mehr zur Öffentlichkeit haben.«

Das Gesicht des Gefangenen verzerrte sich.