Planetenroman 61 + 62: Das rote Leuchten / Der Waffenhändler - H. G. Francis - E-Book

Planetenroman 61 + 62: Das rote Leuchten / Der Waffenhändler E-Book

H. G. Francis

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Beschreibung

Ronald Tekener, Staragent der United Stars Organisation (USO), hat in unzähligen Einsätzen sein Können bewiesen. Wie aber ist er zu diesem Superagenten geworden? Eine unheimliche Gefahr bedroht den Planeten Xexter und verändert die Persönlichkeit seiner Bewohner. Die USO-Spezialisten S. M. Kennon und Ronald Tekener entdecken bei ihren Ermittlungen eine todbringende Waffe ... Die USO hat Indizien zusammengetragen, dass Kartan Askeron, der Herrscher des Sermonsystems, für zahlreiche Konflikte verantwortlich ist. Doch der letzte Beweis für sein unheilvolles Wirken in der Galaxis steht noch aus. Ihn sollen nun Tekener und Kennon erbringen ... Dieser Band setzt die Schilderungen der "frühen" Abenteuer von Ronald Tekener fort und zeigt, was ihn zu einer der beliebtesten Figuren der PERRY RHODAN-Serie gemacht hat.

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Band 61/62

Das rote Leuchten

Der Waffenhändler

H. G. Francis

Das Psychoteam im Einsatz

Ronald Tekener, Staragent der United Stars Organisation (USO), hat in unzähligen Einsätzen sein Können bewiesen. Wie aber ist er zu diesem Superagenten geworden?

Eine unheimliche Gefahr bedroht den Planeten Xexter und verändert die Persönlichkeit seiner Bewohner. Die USO-Spezialisten S. M. Kennon und Ronald Tekener entdecken bei ihren Ermittlungen eine todbringende Waffe ...

Die USO hat Indizien zusammengetragen, dass Kartan Askeron, der Herrscher des Sermonsystems, für zahlreiche Konflikte verantwortlich ist. Doch der letzte Beweis für sein unheilvolles Wirken in der Galaxis steht noch aus. Ihn sollen nun Tekener und Kennon erbringen ...

Inhaltsverzeichnis

Erstes Buch

Das rote Leuchten

Das rote Leuchten

Die Biografie eines Außenseiters

Sinclair Marout Kennon wurde am 5. Juli 2369 auf Terra in Newland City auf Grönland geboren. Als Kleinkind wurde er ausgesetzt, seine Eltern hatte er nie gesehen, und er hatte auch nie erfahren, wer sie waren. Er wuchs in einem staatlichen Kinderheim und später in einem Internat auf.

Als er zehn Jahre alt war, verband ihn eine tiefe Freundschaft zu dem Geschwisterpaar Thore und Liv Anderson.

Diese Freundschaft fand ein jähes Ende, als es in einer nahen Roboterfabrik zu einer Katastrophe kam. Ein Kampfroboter wurde mit einem fehlprogrammierten Positronenhirn versehen und lief daraufhin Amok, als er eingeschaltet wurde. Der Roboter drang in das Internat ein und tötete die Freunde Kennons, der vergeblich versuchte, sie vor der Maschine zu retten. Er war viel zu schwach, um helfen zu können, und er musste mitansehen, wie das Ungeheuerliche geschah.

Bei einer nachfolgenden Untersuchung gab ihm der Leiter des Internats die Schuld am Tod der beiden Kinder. Obwohl dieser Vorwurf durch nichts zu rechtfertigen war, gelang es Kennon nicht, ihn zu entkräften.

Die nächsten Monate in dem Internat wurden zu den schwersten seines Lebens. Dann wurde der Leiter des Internats an eine andere Schule versetzt, und ein Lehrer kam, der Kennon Verständnis entgegenbrachte. Einige glückliche Jahre begannen, in denen Kennon zwar nicht die Zuneigung des neuen Anstaltsleiters gewann, immerhin aber dessen Schutz vor den Aggressionen der anderen Internatsschüler genoss.

Wir erwähnen all dies hier, weil Kennons Lebenslauf symptomatisch ist für den eines USO-Agenten: Es gibt keinen festen Weg, wie man USO-Agent wird. Aber die Erfahrung zeigt, dass viele erfolgreiche Agenten eine »außergewöhnliche« Biografie aufweisen, gerade in ihrer Jugend. Sinclair Marout Kennon ist hier ein klassisches Beispiel: Im Alter von zehn bis zwölf Jahren sind Menschen am beeinflussbarsten, am formbarsten. Was sie in jenem Alter erfahren, prägt sie für ihr weiteres Leben.

1.

»Ziehen Sie sich aus«, befahl die Robotstimme. »Legen Sie alles ab, was Sie am Körper tragen.«

Ronald Tekener glaubte, sich verhört zu haben. Er war vor wenigen Minuten auf dem Planeten Yousphar angekommen, einer Welt, die man ihm als fremdenfreundlich geschildert hatte. In den Informationen, die man ihm in Quinto-Center gegeben hatte, war nicht die Rede davon gewesen, dass er bei seiner Ankunft auf Yousphar in irgendeiner Weise behindert werden würde.

»Wozu?«, fragte er.

»Legen Sie ab, oder kehren Sie zur BARNAR zurück, damit Sie den Start des Raumschiffs nicht verpassen.«

»Sie stellen mich also vor die Wahl, entweder ablegen oder verschwinden?«, bemerkte der Narbengesichtige. »Nun gut, wenn Sie darauf bestehen. Ich habe nichts zu verbergen.«

Er zog sich aus.

»Werfen Sie die Sachen durch die Klappe«, befahl die unpersönliche Stimme.

Ronald Tekener gehorchte. Er schob Jacke, Hose, Hemd, Unterwäsche, Strümpfe und Schuhe durch eine Wandklappe.

»Das Chronometer«, mahnte die Robotstimme. »Und ihre Identifikationskarte.«

Der Terraner blickte an sich herunter, nachdem das wertvolle Gerät und die Karte hinter der Klappe verschwunden waren. Er trug nun nichts mehr an seinem Körper.

»Haben Sie sonst noch etwas bei sich?«, fragte die Stimme. »Gehörhilfen im Gehörgang vielleicht? Benutzen Sie einen Herzschrittmacher, oder haben Sie künstliche Organe?«

»Nichts von dem«, erwiderte Tekener unwillig.

»Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass wir Sie gleich durchleuchten werden. Entdecken wir dann noch irgendetwas an Ihnen, was Sie hätten ablegen oder angeben müssen, werden Sie ausgewiesen.«

»Sie werden nichts finden.«

Die Verwirrung des USO-Spezialisten steigerte sich. Er ließ sich jedoch nichts anmerken. Er fragte sich, wie es möglich war, dass er von seiner Organisation so schlecht und falsch informiert worden war. Die Behandlung, die er erfuhr, war alles andere als freundlich.

»Gut, dann verlassen Sie nun die Kabine.«

Die Tür glitt lautlos zur Seite und gab den Weg frei in einen Raum, in dem auf Bänken Kleiderbündel lagen. Als Tekener den Raum betrat, sah er die anderen Passagiere der BARNAR wieder. Sie waren ebenfalls nackt. Auf Yousphar nahm man keine Rücksicht auf die Schamgefühle männlicher oder weiblicher Besucher. Man behandelte sie alle gleich.

»Sie kennen Ihre Kleidergrößen besser als wir«, ertönte eine unbeteiligte Stimme, die aus einem Deckenlautsprecher kam. »Suchen Sie sich die passenden Kleidungsstücke für sich heraus. Sie gehören Ihnen.«

»Das ist eine bodenlose Frechheit«, sagte eine korpulente Frau, die neben Tekener stand. Sie stürzte sich auf eines der Bündel, um ihre rosigen Massen so schnell wie möglich unter locker fallenden Kleidungsstücken zu verbergen.

Der Lächler beachtete die anderen Passagiere nicht. Ruhig und gelassen suchte er sich ein Bündel, das er für geeignet hielt. Es bestand aus einem sackartigen Kleidungsstück, das ihm von den Schultern bis an die Waden reichte, Ledersandalen und einem Kopftuch. Die anderen Passagiere erhielten die gleiche Kleidung, die aus grauen, unansehnlichen Stoffen bestand.

Während einige der Männer und Frauen erregt darüber debattierten, was ihnen widerfahren war, gingen andere gleichmütig zu einem Ausgang. Tekener schloss sich ihnen an.

»Sie scheinen nicht überrascht zu sein«, sagte er zu einem grauhaarigen Mann.

»Sollte ich?«, entgegnete dieser. »Ich komme seit vier Jahren wenigstens dreimal jährlich nach Yousphar. Ich habe mich allmählich an diese Dinge gewöhnt.«

»Natürlich.«

Tekener betrat den Gang und stand wenig später vor einem Neu-Arkoniden, der eine blaue Uniform trug und ihm Platz auf einem Hocker anbot. Eine Tür schloss sich hinter dem Terraner. Er war allein mit dem Neu-Arkoniden.

»Haben Sie uns Angaben über Ihr Gepäck zu machen?«, fragte der Uniformierte. »Sie erleichtern uns unsere Arbeit, wenn Sie von vornherein sagen, welche illegalen Dinge Sie mitführen.«

»Ich habe einen Koffer dabei. Darin sind ein paar Hemden, Wäsche, Strümpfe, eine zweite Hose und ein Stadtplan von Yousphar-City.«

»Gut. Das sind alles Dinge, auf die Sie verzichten können. Wir werden den Koffer mit seinem Inhalt vernichten.« Der Beamte drückte auf einen Knopf am Tisch und nickte Tekener dann lächelnd zu. »Schon geschehen.«

»Moment«, rief der Terraner. »Ich habe vergessen, dass auch meine Kreditkarte im Koffer ist.«

»Die gilt hier ohnehin nicht.«

Die Verwirrung Tekeners steigerte sich. Keine der Informationen, die er in Quinto-Center erhalten hatte, stimmte. Das war eine geradezu ungeheuerliche Entdeckung für ihn, da er wusste, mit welch außerordentlicher Genauigkeit in der Abteilung für Nachrichtenbeschaffung gearbeitet wurde. Nun aber stand er vor der Tatsache, dass so gut wie nichts von dem stimmte, was man ihm mit auf den Weg gegeben hatte.

Dabei war es keineswegs schwierig, sich über die Zustände am Raumhafen von Yousphar-City ins Bild zu setzen. Es gab offenbar genügend Reisende, die häufig hier waren und genau über die Zustände Bescheid wussten.

»Wie ist Ihre finanzielle Situation?«, fragte der Neu-Arkonide. »Haben Sie jemanden, der Ihnen hilft?«

Ronald Tekener lächelte.

Zu seinem Einsatzplan gehörte, dass er sich innerhalb der nächsten achtundzwanzig Stunden mitten in Yousphar-City mit einem Verbindungsmann treffen sollte. Doch das würde er dem Beamten nicht verraten.

Er schüttelte den Kopf.

»Ich habe niemanden«, erklärte er. »Ich bin hier, weil mich die von Dardar entwickelte Kunstrichtung interessiert, und weil ich hoffe, seine Bilder sehen und vielleicht kaufen zu können.«

»Kaufen?« Der Neu-Arkonide blickte ihn erstaunt an. »Wovon?«

»Nun, ich habe eine Konto bei der Alcan-Bank in Yousphar-City. Das Konto weist genügend Geld aus.«

»Sie scheinen wirklich ahnungslos zu sein«, erwiderte der Neu-Arkonide. »Oder Sie glauben, mich belügen zu können. Wir haben uns über Sie erkundigt. Bei der Alcan-Bank besteht kein Konto, das auf Ihren Namen lautet. Und es hat auch nie eins bestanden. Es liegt kein Eröffnungsantrag vor. Wollen Sie also nicht lieber die Wahrheit sagen?«

Tekener hatte das Gefühl, der Boden werde ihm unter den Füßen weggezogen. Die Abteilung der USO, die mit den Vorbereitungen für seinen Einsatz betraut worden war, hatte auf ganzer Linie versagt.

Nun blieb ihm nur noch die Hoffnung, dass der Verbindungsmann bald an ihn herantrat und ihn mit der nötigen Ausrüstung versorgte.

»Sie sitzen ohne Geld auf Yousphar«, eröffnete ihm der Neu-Arkonide. »Keine besonders angenehme Situation für Sie. Aber ich habe eine Arbeitsgenehmigung für Sie, so dass Sie etwas verdienen können. Bewahren Sie sie gut auf. Sie ist wichtig für Sie.«

Er schob ihm eine kleine Plastikkarte zu.

Tekener nahm sie entgegen und steckte sie ein. Er erhob sich, als der Neu-Arkonide ihm zu verstehen gab, dass das Gespräch beendet war.

Dem Narbengesichtigen war nicht anzusehen, was er empfand. Er lächelte, als sei alles in Ordnung, doch wer genau hinsah, entdeckte eine gewisse Drohung, die sich hinter diesem Lächeln verbarg.

Ronald Tekener wusste nicht, was er auf Yousphar sollte. Die USO hatte ihn hierher geschickt und ihn lediglich wissen lassen, dass sein Verbindungsmann ihn über seinen Auftrag unterrichten würde.

Als Tekener das Raumhafengebäude verließ, sah er die anderen Passagiere. Deutlich war zu unterscheiden, wer sich auf Yousphar auskannte, und wem es so ergangen war wie ihm. Diejenigen, die schon öfter hier gewesen waren, stiegen zu Youspharern in Gleiter, die auf sie gewartet hatten. Sie wurden von geschmackvoll gekleideten Männern und Frauen abgeholt. Die anderen standen hilflos herum. Einige von ihnen bemühten sich, mitgenommen zu werden, wurden jedoch abgewiesen.

Tekener blickte nach Yousphar-City hinüber.

Die Stadt war etwa fünfzig Kilometer vom Raumhafen entfernt. Sie schmiegte sich an die Hänge einer Bergkette, deren Gipfel bis zu einer Höhe von fast zehntausend Metern aufragten. Die weißen Häuser der Stadt hoben sich deutlich von dem schwarzen Fels ab. Zwischen ihnen und dem Raumhafen lag unwegsames Gelände. Eine dichte Kette von Antigravgleitern aller Größen bewegte sich vom Raumhafen nach Yousphar-City und in entgegengesetzter Richtung. Sie transportierten Passagiere und vor allem Güter aller Art auf größtenteils offenen Ladeflächen.

Tekener hielt sich nicht lange auf. Er war sich klar darüber, dass ihm niemand ohne Gegenleistung mitnehmen würde. Daher machte er sich gleich auf den Weg. Er wollte rechtzeitig in der Stadt sein, um das Treffen mit dem Verbindungsmann nicht zu verpassen. Er sagte sich, dass dieser seine Gründe dafür haben werde, dass er ihn nicht abholte oder ihm auf andere Weise den Weg zur Stadt erleichterte.

Das Gelände war unwegsam und schwierig, so dass er nur langsam vorankam. Als er schon etwa zwei Kilometer weit gegangen war, sah er, dass auch die anderen Reisenden, die in gleicher Lage waren wie er, aufbrachen. Ihre Versuche, mitgenommen zu werden, waren gescheitert. Es schien niemanden auf Yousphar zu geben, der Mitleid mit ihnen hatte.

Tekener war froh, nicht gewartet zu haben. Da er allein war, brauchte er sich um niemanden zu kümmern und auf niemanden Rücksicht zu nehmen.

Als er etwa die Hälfte des Weges zur Stadt zurückgelegt hatte, waren die anderen Reisenden weit abgefallen. Mücken und Fliegen stiegen aus dem sumpfigen Gelände auf und fielen über ihn her. Er wehrte sie ab, so gut es ging. Zweifel kamen in ihm auf, ob die schützenden Injektionen, die er in Quinto-Center erhalten hatte, ausreichend wirksam waren. So vieles stimmte nicht an diesem Einsatz, dass er begann, selbst solche Voraussetzungen in Frage zu stellen.

Ein Gleiter näherte sich ihm. Tekener ging langsamer. Er wollte vor dem Mann, der in der Maschine saß, verbergen, dass er noch nicht erschöpft war, und er tat, als falle es ihm schwer, sich auf den Beinen zu halten.

Einige Minuten lang flog die Maschine neben ihm her. Dann öffnete der Pilot das Seitenfenster. Tekener blickte in ein bärtiges Gesicht mit eng zusammenstehenden Augen.

»Du kannst mit mir fliegen«, sagte der Mann im Gleiter. »Ich bringe dich zur Stadt.«

Der Terraner blieb stehen.

»Und was habe ich dafür zu tun?«

»Nur zwei Tage Arbeit in der Grube.«

»Verschwinde«, sagte Tekener. »Sieh zu, dass du woanders einen Dummen findest.«

Der Bärtige fluchte und flog davon. Tekener blickte ihm nachdenklich nach. Er war sicher, dass der Mann im Gleiter seine Opfer finden würde. Einige der Reisenden würden sich mitnehmen lassen und dafür mit Fronarbeit bezahlen müssen. Wenn sie die Arbeit erst einmal akzeptierten, würden sie wie Sklaven sein, und sie würden nicht nur einen oder zwei Tage in den Diensten dieses Fängers bleiben, sondern viel länger, weil immer wieder Schwierigkeiten auftreten würden, die zu neuen Verpflichtungen Anlass gaben.

Tekener marschierte weiter. Er überwand einen Fluss, wobei er von Fischen attackiert wurde, ohne dass diese ihn jedoch verletzten. Er watete über schwankenden Boden durch einen Sumpf, wobei er sich nach Markierungen richtete, die andere vor ihm angebracht hatten, und er erreichte schließlich die Stadt, als die Nacht schon längst hereingebrochen war.

Erschöpft kroch er in einen verlassenen Bretterverschlag, unter dem er einschlief, kaum dass er auf dem Boden lag.

Erst das Licht des neuen Tages weckte ihn wieder.

Er stand auf und verließ den Verschlag. In der Nähe befand sich ein kleiner See, in dem er sich wusch und seinen Durst löschte. Danach säuberte er seine Kleidung, soweit das möglich war, und ließ sie von der Sonne trocknen.

Erfrischt und in der Überzeugung, dass nun alles weitere nach Plan verlaufen würde, betrat er die Stadt, in der bereits ein lebhaftes Treiben herrschte. Am Stadtrand lagen Fabriken und kleine Werkstätten, in denen hauptsächlich Neu-Arkoniden arbeiteten. Sie trugen derbe und strapazierfähige Anzüge. Hin und wieder sah Tekener Männer, die auffallend bunt und modisch gekleidet waren. Es waren überwiegend Terraner und Springer. Sie führten das Kommando.

Niemand schien auf ihn zu achten, und doch spürte Tekener, dass er aufgrund seiner Kleidung überall auffiel. Er machte sich Vorwürfe, dass er nicht in der Nacht irgendjemanden überfallen und die Kleider weggenommen hatte. Das wäre nur konsequent gewesen. Er hätte leichter untertauchen können. Daran war jedoch seine Unsicherheit schuld gewesen. Er wollte Fehler vermeiden, um nicht unnötig Aufsehen zu erregen, zumal er nicht die geringste Ahnung hatte, welche Aufgaben er auf Yousphar zu erfüllen hatte.

Jetzt aber stach er aus der Menge hervor. Wohin er auch ging, er war als Neuankömmling und Übertölpelter zu erkennen, eine Rolle, die ihm ganz und gar nicht gefiel. Als USO-Spezialist musste er unauffällig sein. Er musste untertauchen und als Niemand in der Masse leben, um so die Position aufbauen zu können, die für seine spezielle Aufgabe nötig war.

Er bemerkte die spöttischen und verächtlichen Blicke der Menschen, denen er begegnete, konnte sich jedoch nicht dazu entschließen, sich auf illegale Weise Kleidung zu verschaffen. Ganz unverhofft ergab sich jedoch eine Gelegenheit, zu anderen Kleidern zu kommen, als er einen Park durchquerte und einige Männer sah, die auf dem Boden saßen und würfelten. Es waren verwahrloste Gestalten, Ausgestoßene der Gesellschaft, die kaum mehr hatten als eine Flasche mit billigem Fusel und das, was sie auf dem Leibe trugen.

Ronald Tekener gesellte sich zu ihnen und brachte sie mit einigen psychologischen Tricks dazu, dass sie ihn zum Spiel aufforderten. Keine zehn Minuten später wechselte er unter dem Hohngelächter der anderen die Kleider mit einem dunkelhaarigen Mann, gegen den er gewonnen hatte. Er steckte seine Arbeitsgenehmigung ein und verabschiedete sich.

Jetzt war er zwar nicht weniger auffällig als vorher, aber er war nicht mehr als Neuankömmling zu erkennen.

Ohne Schwierigkeiten drang er bis zum Stadtzentrum von Yousphar-City vor, wo sich die Menschen dicht an dicht in den Einkaufsstraßen drängten. Er erfuhr, dass Festtage bevorstanden, die umfangreiche Einkäufe notwendig machen.

Das war abermals eine Information, die nicht mit denen übereinstimmte, die er erhalten hatte.

Er setzte sich auf den Rand eines Brunnens, der neben dem als Denkmal aufgestellten Schott des ersten Einwandererschiffs sprudelte, und wartete.

Er hatte den Punkt erreicht, an dem er sich mit seinem Verbindungsmann treffen wollte.

Er wartete vergeblich.

Der Verbindungsmann kam nicht.

Und dann endlich begriff der Narbengesichtige.

Die USO hatte ihn fallengelassen.

Er war kein USO-Spezialist mehr.

Die USO hatte ihn auf einen unbedeutenden Planeten abgeschoben und sich selbst überlassen. Seine kaum begonnene Karriere war beendet.

Ronald Tekener blieb bis weit nach Einbruch der Dunkelheit am Brunnen, weil er nicht wahrhaben wollte, was absolut eindeutig war.

Er versuchte, sich einzureden, dass der Verbindungsmann verhindert war und nicht kommen konnte, doch er fühlte allzu deutlich, dass diese Vermutung nicht stimmte.

Alles passte zusammen.

Die unrichtigen Informationen, die man ihm mit auf den Weg gegeben hatte. Die Situation, in die er dadurch geraten war, und das Ausbleiben des Verbindungsmanns.

Er zog sich bis an den Stadtrand zurück und grübelte darüber nach, welchen Fehler er gemacht hatte. Bis jetzt war er der Ansicht gewesen, alle Aufträge so erledigt zu haben, wie die USO es von ihm erwartet hatte. Jetzt glaubte er zu wissen, dass er sich darin geirrt hatte. Die Belobigungen, die man ausgesprochen hatte, waren nichts als leere Worte gewesen.

Ronald Tekener fragte sich, warum die USO sich zu diesem Weg entschlossen hatte. Warum hatte man ihm nicht einfach den Laufpass gegeben und auf die Erde abgeschoben? War er ein Informationsträger, der für eine gewisse Zeit aus dem Weg sein musste?

Das war die einzig plausible Antwort, die er auf seine Fragen fand.

Er dachte jedoch nicht daran, länger als unbedingt notwendig auf Yousphar zu bleiben. Er wollte diese für ihn uninteressante Welt so schnell wie möglich verlassen und zur Erde zurückkehren. Dazu musste er einen Planeten erreichen, auf dem es eine galaktische Bank gab. Auf einer solchen brauchte er sich nur zu identifizieren, um von seinem Konto auf Terra abbuchen zu können.

Er entschloss sich, nach Xexter zu fliegen. Dieses Sonnensystem war nur vier Lichtjahre von Yousphar entfernt und gehörte zu den Terra angeschlossenen Welten. Dort gab es eine galaktische Bank, und von Xexter aus konnte er mit einem Passagierraumer zur Erde zurückkehren.

Er wollte so schnell wie nur irgend möglich zur Erde und sich dort bei der USO abmelden. Er war sicher, dass man ihm die entstandenen Kosten ersetzen, ihm jedoch keinerlei Auskünfte über die getroffene Entscheidung über ihn geben würde.

Tekener durchstreifte die Außenbezirke der Stadt, bis er ein paar Männer an einem offenen Feuer fand, die um Geld spielten. Er gesellte sich zu ihnen, knüpfte ein Gespräch an und nahm ihnen beim Spiel ein paar Münzen ab. Das Geld reichte gerade für ein neues Hemd und eine Morgenzeitung.

In der Zeitung fand er Anzeigen von einigen Spielhöllen, in denen um geringe Beträge gespielt wurde. Mit den letzten beiden Münzen suchte er eines dieser Casinos auf und gewann innerhalb einer Stunde soviel, dass er sich neu einkleiden und einen besseren Spielsalon aufzusuchen konnte.

Nachdem Tekener zwei Stunden in diesem gespielt hatte, wies man ihm die Tür, da er allzu viel gewonnen hatte. Der Gewinn reichte noch nicht aus, die Passage nach Xexter zu finanzieren.

Das restliche Geld verschaffte sich der Terraner jedoch in einem anderen Casino, in dem er mit einigen Kaufleuten Karten spielte.

Er buchte die Reise nach Xexter für den nächsten Tag. Dann kehrte er zu dem Brunnen im Zentrum der Stadt zurück und wartete hier drei Stunden lang, doch auch jetzt tauchte der Verbindungsmann nicht auf.

2.

Nur zehn Stunden darauf landete das Raumschiff auf Xexter. Tekener tauschte sein letztes Geld an Bord in Xexter-Rents um und betrat dann eine raue, stürmische Welt. Ein eisiger Wind fegte über das Landefeld, das die Passagiere in Prallfeldgleitern verließen. Am Kontrollgebäude hatten sich hohe Schneeverwehungen gebildet.

Als Ronald Tekener mit den anderen Passagieren durch einen Flur zur Abfertigung ging, erfasste ihn ein eigenartiges Gefühl. Plötzlich war ihm, als kehre sich ihm das Innere nach außen. Etwas Fremdes schien in ihn hineinzugreifen und von ihm Besitz zu nehmen. In wenigen Sekunden kam die Erinnerung an zahlreiche wichtige Situationen seines Lebens in ihm auf.

Er blickte sich verunsichert um. Die vier Männer und die beiden Frauen, die mit ihm nach Xexter gekommen waren, stierten mit leeren Augen vor sich hin. Sie schienen mit ihren Gedanken ganz woanders zu sein.

Tekener ging weiter, während das Gefühl, von einer unsichtbaren Kraft übernommen zu werden, immer intensiver wurde. Er versuchte, sich gegen das Fremde zu wehren, doch das gelang ihm nicht. Völlig hilflos stand er ihm gegenüber.

Panik kam in ihm auf.

Verlor er seine eigene Persönlichkeit? Versuchte eine fremde Intelligenz, ihn zu versklaven?

Er glaubte, eine Stimme zu vernehmen. Abermals wandte er sich den anderen zu. Sie waren noch bleicher als vorher, und es schien, als könnten sie sich kaum noch auf den Beinen halten. Ihnen ging es deutlich schlechter als ihm.

Er stieß eine Schwingtür auf und betrat einen Kontrollraum, in dem zwei Uniformierte auf die Passagiere warteten. Im gleichen Augenblick wurde er wieder frei. Das Fremde zog sich zurück, und er war wieder er selbst.

Während die anderen Passagiere hinter ihm erregt miteinander zu schwatzen begannen, konzentrierte er sich auf das Gespräch mit den Beamten.

Die befürchteten Schwierigkeiten blieben aus. Die Kontrolleure ließen ihn passieren, obwohl er statt eines Ausweises nur die Arbeitserlaubnis von Yousphar vorzeigen konnte. Da die Arbeitserlaubnis auf seinen Namen ausgestellt war, reichte sie als Legitimation aus. Die Beamten machten jedoch zur Auflage, dass er sich innerhalb von drei Tagen eine gültige Karte beschaffte.

Er lächelte nur, als sie ihn darauf aufmerksam machten, dass er danach ausgewiesen werden würde. Er hatte nicht vor, drei Tage auf Xexter zu bleiben.

»Wann geht das nächste Schiff zur Erde?«, fragte er.

»Morgen«, antwortete einer der Beamten.

Er bedankte sich für die Auskunft und konnte passieren. An einem Zeitungsstand kaufte er sich ein Boulevardblatt, weil darin die meisten Lokalanzeigen enthalten waren. Mit ihrer Hilfe hoffte er sich schnell über die wirtschaftliche Situation auf Xexter informieren zu können. Er wollte die Passagekosten notfalls im Casino erspielen, wenn es ihm nicht gelang, sie bei der galaktischen Bank abbuchen zu lassen.

Er mietete einen Antigravgleiter und flog zur nächsten Stadt, die fast hundert Kilometer vom Raumhafen entfernt war. Dazu brauchte er nur einige vorgegebene Daten in das Programmteil der Maschine einzutippen. Alles weitere übernahm die Positronik.

Dann lehnte er sich in seinem Sessel zurück und las die Zeitung. Das Blatt verriet ihm auf den ersten Blick, dass er auf eine Welt gekommen war, auf der sich eine bürokratisierte, diktatorisch regierende Gesellschaft etabliert hatte.

Der Gleiter stieg auf, beschleunigte scharf und flog mit hoher Geschwindigkeit nach Südwesten. Tekener blickte kaum auf. Er raste mit der Maschine durch dichtes Schneetreiben. Die Sicht reichte keine fünfzig Meter weit. Unter diesen Umständen gab es ohnehin kaum etwas zu sehen.

Plötzlich ertönte eine Stimme.

»Wir freuen uns, dass Sie zu uns gekommen sind, Mr. Tekener«, klang es aus einem Lautsprecher über ihm. »Würden Sie uns freundlicherweise sagen, warum Sie hier sind? Diese Frage dient rein statistischen Zwecken. Sie müssen Sie nicht beantworten.«

»Allerdings würden Sie es befremdlich finden, wenn ich es nicht täte«, stellte er fest.

»Das kann ich nicht leugnen.«

»Ich mache hier nur Zwischenstation. Ich will zur Erde, und zwar so schnell wie möglich. Es gibt allerdings gewisse finanzielle Probleme, so dass ich gezwungen sein könnte, hier für einige Tage zu arbeiten und Geld zu verdienen.«

»Wieso finanzielle Probleme? Wer ist daran schuld?«

»Ich bin auf dem Planeten Yousphar ausgeplündert worden.«

Der Unbekannte lachte leise. »Das erklärt alles, Mr. Tekener. Wir hoffen, dass es Ihnen gelingt, Ihre finanziellen Probleme recht bald zu lösen, und wir wünschen Ihnen einen angenehmen Aufenthalt auf Xexter.«

Die Stadt, die dem Raumhafen am nächsten lag, war die größte Ansiedlung von Xexter. Sie lag in einer langgestreckten Tiefebene an einem Fluss, der in ein rot schimmerndes Meer mündete. Abgesehen von einigen kleinen, bungalowartigen Häusern, gab es nur ringförmige Hochbauten. Sie prägten das Bild der Stadt, die von oben aussah wie ein großes Kastanienblatt.

Tekener flog direkt zu der galaktischen Bank, die sich im Zentrum der Stadt befand. Er landete auf dem Dach des Gebäudes, zu dem ihn die Zielprogrammierung des Gleiters geführt hatte.

Der Mann am Schalter der terranischen Abteilung blickte ihn forschend an, als er von seinem Konto abbuchen wollte.

»Haben Sie vergessen, Mr. Tekener, dass Sie Ihr Konto vor vier Tagen aufgelöst haben?«, fragte er.

Der USO-Spezialist schaltete schnell. Er gab sich zerstreut und entschuldigte sich.

»Das habe ich tatsächlich übersehen«, erklärte er. »In letzter Zeit ist einiges passiert, was für ein gewisses Durcheinander gesorgt hat.«

Er täuschte Verlegenheit vor und ging.

Seine Situation hatte sich nicht geändert. Nach wie vor war er ohne Geld, und die Rückkehr zur Erde war in weite Ferne gerückt.

Ronald Tekener dachte jedoch nicht daran, allzu lange zu warten. Er wollte Xexter bald verlassen. Deshalb setzte er sich in eine Informationskabine und rief über Video die Anzeigen der Unterhaltungsindustrie ab.

Auf Xexter gab es nur ein Spielcasino, das jedoch nicht jedem zugänglich war. Die Voraussetzungen, die verlangt wurden, waren Nachweis über ein ausreichendes Vermögen und Referenzen von örtlichen Persönlichkeiten. Tekener konnte sich denken, was das bedeutete. Wer spielen wollte, musste zunächst einmal jemanden bestechen, um die verlangten Empfehlungen zu erhalten.

Also blieb ihm nur der Weg in den Untergrund. Er war sicher, dass es in den Vergnügungszentren illegale Spielhöllen gab, in denen er zur Not ebenfalls das nötige Geld für den Rückflug zur Erde verdienen konnte.

Zehn Stunden später hatte er das Geld. Er verließ ein düsteres Haus im Vergnügungsviertel von Eyster, das sich auf ein Hochhaus beschränkte und sämtliche Stockwerke umfasste, wobei von Etage zu Etage beträchtliche Unterschiede im Niveau bestanden. Die Buchungsstellen für Raumflüge waren geschlossen, so dass er bis zum nächsten Tag warten musste.

Als die Buchungsstelle öffnete, versuchte er, einen Platz auf einem der Raumschiffe zu bekommen, die zur Erde flogen.

Es gelang ihm nicht.

Er erfuhr, dass erst in etwa drei Wochen Plätze frei waren. Doch damit wollte er sich nicht abfinden.

Innerhalb weniger Stunden fand er Zugang zu den Flugplänen der nächsten Tage. Er stellte fest, dass tatsächlich keine Plätze mehr frei waren. Daher notierte er sich die Adressen von einigen Passagieren und versuchte, einem von ihnen die Flugkarte abzukaufen.

Auch das gelang nicht, nachdem es zunächst so ausgesehen hatte, als könne er endlich ans Ziel kommen.

Als er in einem Automatenrestaurant aß, verlor er plötzlich das Bewusstsein. Sein Geld war weg, als er wieder zu sich kam. Er hatte es nicht anders erwartet.

Und so ging es weiter.

Acht Tage lang bemühte Tekener sich, die Voraussetzungen für eine Rückkehr zur Erde zu schaffen, ohne den geringsten Erfolg zu erzielen. Seine Anstrengungen verringerten sich allerdings von Tag zu Tag, bis er sie schließlich als eine Art sportliche Betätigung ansah. Nun bedauerte er ein wenig, dass er sich rechtzeitig eine neue Identifikationskarte besorgt hatte. Er fragte sich, was die Behörden von Xexter wohl getan hätten, wenn er dieser Empfehlung nicht nachgekommen wäre.

Er merkte, dass er bei seinen Anstrengungen Xexter zu verlassen, immer wieder scheiterte, weil irgendjemand gegen ihn arbeitete. Er konnte diesen Unbekannten jedoch nicht fassen, so geschickt er auch gegen ihn vorging.

Schließlich empfand Tekener Bewunderung für seinen unsichtbaren Gegner, der von beängstigender Geschicklichkeit war und offenbar nur das eine Ziel hatte, ihn von der Rückkehr zur Erde abzuhalten.

Einige Tage lang glaubte er, ihn entdeckt zu haben, denn er merkte, dass er beschattet wurde. Doch dann fand er heraus, dass sein Schatten nicht mit seinem Gegenspieler identisch war. Daraus schloss er, dass er es mit zwei Mächten zu tun hatte. Die eine gehörte offenbar zur Abwehrorganisation von Xexter, während die andere nebulös und nicht greifbar blieb.

Tekener beschloss, die Dinge treiben zu lassen und zunächst einmal abzuwarten. Diesen Entschluss fasste er allerdings erst, nachdem er einen Flug gebucht hatte, der drei Wochen später stattfinden sollte. Die Registrierung dieses Platzes gab ihm eine gewisse Sicherheit.

Danach konzentrierte er sich nur noch auf seinen Schatten. Ihm kam es nun darauf an, diesen zu täuschen und von seiner Harmlosigkeit zu überzeugen. Er dachte an das Gespräch, dass er unmittelbar nach seiner Ankunft im Gleiter mit einer Computerstimme geführt hatte, und nahm eine einfache Arbeit in einem Büro an, um ein paar Xexter-Rents zu verdienen.

Einige Tage verstrichen, und der Schatten verschwand. Tekener führte absichtlich einige Situationen herbei, in denen er einen Schatten hätte entdecken müssen, wenn einer da gewesen wäre, und wusste danach, dass er einige kritische Tage schadlos überstanden hatte.

Nun setzte er sich mit einem Passagier in Verbindung, der eine Flugkarte für den nächsten Tag hatte. Von ihm wusste er mittlerweile, dass er eine Spielernatur war. Es gelang ihm, das Interesse des Mannes zu wecken und ihn zu einem Spiel zu verleiten. Dabei gab er offen zu, dass es ihm um die Flugkarte ging. Wie nicht anders erwartet, war der Spielpartner bereit, die Flugkarte einzusetzen.

Der Narbengesichtige traf sich mit ihm in einem verschwiegenen Lokal im Vergnügungsviertel von Eyster. Der andere streckte ihm lachend die Hand entgegen.

»Ich bin Belem Aghun«, stellte er sich vor. Er war größer als Tekener, hatte tiefschwarzes Haar und forschende, blaue Augen. »Ich habe fürchterlich gelacht, als Sie mir vorschlugen, um die Flugkarte zu spielen. Sie wollen Xexter möglichst bald verlassen. Ich habe Zeit. Dennoch werden Sie nicht gewinnen. Ich hätte mich nicht auf das Spiel eingelassen, wenn ich nicht ganz fest davon überzeugt gewesen wäre, dass ich gewinne. Natürlich spielen wir mit Xexter-Würfeln.«

»Einverstanden«, erwiderte der Terraner und setzte sich mit Belem Aghun an einen Tisch in der hintersten Ecke des Lokals. Von hier aus konnte er alle anderen Gäste sehen.

Xexter-Würfel hatten keine immer sichtbaren Augen. Alle Seiten der Würfel sahen gleich aus. Erst wenn man die Würfel geworfen hatte, leuchtete im Inneren der Würfel ein Licht auf, das die Augen an die Wände der Würfel projizierte. Daher konnte man tatsächlich erst sehen, wie viel Augen man geworfen hatte, wenn das Spiel vorbei war. Manipulationen schienen unmöglich zu sein, und auch Geschicklichkeit schien in diesem Fall nichts zu helfen.

Ronald Tekener verfügte jedoch über besondere Talente, die ihn zu einem großen Spieler machten. Er hatte ein fast fotografisches Gedächtnis. Ihm genügte es, wenn die Würfel einmal über den Tisch gegangen waren, um sich winzige Unterschiede an ihren Außenseiten zu merken und daran zu erkennen, wo die höchste Augenzahl angezeigt wurde. Für ihn waren die Wertigkeiten immer sichtbar. Das gab ihm von vornherein deutliche Überlegenheit über seinen Gegenspieler, die durch seine überragende Intelligenz noch verdeutlicht wurde.

Als die beiden Männer etwa eine halbe Stunde gewürfelt hatten, zeichnete sich ein klarer Sieg für Tekener ab. Der Narbengesichtige begann zu lächeln.

Belem Aghun blickte ihn kopfschüttelnd an.

»Ich begreife nicht, wie so etwas möglich ist«, sagte er und versuchte, seine Nerven mit einem hochprozentigen Schnaps zu beruhigen.

Ronald Tekener nahm die Würfel in die Hand, um zum letzten und entscheidenden Wurf anzusetzen.

In diesem Augenblick fiel ihm eine seltsame Gestalt auf, die hinter seinem Gegenspieler vorbeischlurfte.

Der Mann war ein hässlicher Zwerg, der etwa 1,50 Meter groß war und schwach wie ein Kind zu sein schien. Er hatte eine stark vorgewölbte Brust und einen riesigen Schädel mit einem verlegen wirkenden Kindergesicht. Die wasserblauen Augen quollen weit vor, und das spitze Kinn schien so empfindlich zu sein, dass Tekener meinte, es müsse unter der geringsten Belastung, wie etwa durch einen leichten Schlag, zerbrechen. Das Haar war dünn und strohblond, und die abstehenden Ohren waren selbst im Verhältnis zu diesem Riesenschädel zu groß. Die Füße dieses Zwerges schienen so schwer, dass er sie mit seinen dünnen Beinen kaum zu heben vermochte.

Der Fremde blickte ihn an. Sein linkes Lid zuckte nervös. Aber darauf achtete Tekener nicht.

Für einen kurzen Moment fanden sich die beiden Hände des Verwachsenen zusammen und formten in der Taubstummensprache der Terraner ein NEIN.

Dann war der Zwerg auch schon vorbei.

Tekener blickte auf die Würfel. Er ließ sie in seinen Händen hin und her rollen. Er wusste genau, wie er sie werfen musste, wenn er gewinnen wollte. Winzige Unebenheiten verrieten ihm, an welchen Seiten die höchsten Augenzahlen waren. Er ließ sie über den Tisch rollen.

»Sie haben verloren«, stellte Belem Aghun verblüfft fest. Er lachte und schob die Flugkarte, die er bereits aus der Jackentasche gezogen hatte, wieder weg. »Sie haben tatsächlich verloren. Das nenne ich Pech. Ich dachte nicht, dass so etwas noch passieren könnte, nicht nach dem, was Sie bis jetzt gezeigt haben.«

Ronald Tekener zuckte mit den Schultern.

»Das macht ein Spiel erst interessant«, erwiderte er, lächelte kalt und erhob sich.

Belem Aghun lud ihn zu einem Umtrunk ein, doch er lehnte ab.

Zwei Tage später sah Tekener den Zwerg wieder. Er saß in einem Gleiter, der unter vielen anderen auf dem Dach eines Kaufhauses parkte. Tekener zögerte keine Sekunde. Er stieg zu ihm in die Maschine. Wortlos startete der Verwachsene.

»Ronald Tekener«, sagte er, als sie etwa einen Kilometer vom Kaufhaus entfernt waren. »Sie haben verdammt lange gebraucht, aber das ist ganz gut so. Die Abwehrorganisation von Xexter ist extrem gut und gefährlich.«

Er lachte schrill.

»Sie hätten ihr Misstrauen erregen sollen, dann wären Sie jetzt schon längst auf dem Weg zur Erde. Aber das wäre Ihnen nicht bekommen.«

»Tatsächlich?«

»Sie haben nur einen Schatten bemerkt«, erklärte der Zwerg. »Tatsächlich waren vier auf Sie angesetzt. Aber jetzt nicht mehr. Man hat Sie als ungefährlich eingestuft, und darauf kam es an.«

Die Stimme des Verwachsenen schwankte. Sie verriet, dass er nervös war. Immer wieder zuckte das linke Lid des seltsamen Fremden, der offenbar genau wusste, wer Tekener war.

Dieser fühlte, wie es ihn kalt überlief. Längst war er sich darüber klar geworden, dass er früher oder später einem anderen Spezialisten der USO begegnen würde. Jetzt aber erkannte er, dass er neben dem Mann saß, der in den vergangenen Tagen dafür gesorgt hatte, dass er Xexter nicht verlassen konnte. Er gab ihm zu verstehen, dass er diese Leistung bewunderte.

»Das waren Kleinigkeiten«, erwiderte der Zwerg. Er landete auf dem Dach eines Wohnhauses und führte Tekener in eine Wohnung im mittleren Bereich des Hauses. Sie war spartanisch eingerichtet.

»Am Raumhafen wacht eine telepathische Einheit«, erläuterte er, nachdem Tekener sich gesetzt hatte. »Ich habe noch nicht herausgefunden, was diese Einheit ist. Ich weiß jedoch, dass sie alle ankommenden und abfliegenden Reisenden mit ihren parapsychischen Sinnen durchleuchtet. Mit Verdächtigen macht man kurzen Prozess. Ich war dabei, als ein uniformiertes Killerkommando auftauchte und einen Mann tötete, ohne ihn zu befragen oder zu Wort kommen zu lassen. Ein Wink der telepathischen Einheit genügte für ein Todesurteil. Daher war es nötig, dass Sie zunächst nach Yousphar geschickt wurden. Dort mussten wir Ihnen klarmachen, dass Sie verladen worden waren. Wir wollten, dass Sie an eine unrühmliche Entlassung glaubten. Nur so konnten wir hoffen, Sie durch die telepathische Schleuse nach Xexter zu bringen.

Das Verhalten der Abwehragenten hat nun bewiesen, dass der Plan in dieser Phase geglückt ist. Wir können mit unserer Arbeit auf Xexter beginnen. Nebenbei – ich bin hierher gekommen, als dieses telepathische Element noch nicht existierte. Das war vor genau fünf Monaten.«

Seine Augen schienen noch weiter als sonst aus den Höhlen zu quellen. Er blickte Tekener wie ein Ertrinkender an.

»Mein Name ist Sinclair Marout Kennon«, fügte er hinzu.

3.

»Weshalb bin ich hier?«, fragte Tekener.

»Weil ich fürchte, dass sich hier etwas entwickelt, was ich allein nicht in den Griff bekomme«, antwortete Kennon. »Exakt kann ich es jedoch noch nicht sagen.« Er versuchte, sich in einen Sessel zu setzen. Da er zu klein und die Beine zu kurz waren, schaffte er es nicht auf Anhieb.

Tekener erhob sich, um ihn zu helfen.

»Hände weg!«, kreischte Kennon, bevor er ihn berühren konnte. »Ich brauche keine Hilfe. Von niemandem. Haben wir uns verstanden?«

Er rutschte von der Sesselkante und stürzte zu Boden. Schnaufend richtete er sich wieder auf, drehte sich um und warf sich mit dem Oberkörper nach vorn auf die Sitzfläche des Sessels. Seine Finger krallten sich in die Polster, und dann kletterte er keuchend auf das Sitzmöbel. Seine Beine waren so kurz, dass die Füße gerade über die Kante der Sitzfläche ragten. Er war so erschöpft, dass er für einige Minuten nicht sprechen konnte. Seine Hände zitterten, als er sich den Schweiß aus dem Gesicht wischte.

Tekener fragte sich verblüfft, wie dieser Mann USO-Spezialist hatte werden können. Dass er es war, daran zweifelte er nicht mehr, nachdem Kennon ihm einen Codesatz gesagt hatte. Der Narbengesichtige konnte sich nicht vorstellen, dass Kennon die schweren Aufgaben eines USO-Spezialisten erfüllen konnte, da er kaum kräftig genug war, sich selbst zu bewegen.

Wie konnte er beispielsweise einen Mann beschatten, ohne aufzufallen? Wie konnte er sich wehren, wenn er angegriffen wurde?

Sinclair Marout Kennon verzog das Gesicht.

»Sie fragen sich, wie Sie mit mir arbeiten sollen«, sagte er mit schriller, überkippender Stimme. »Nun, das werden Sie schon noch erleben. Einstweilen erinnern Sie sich daran, wie ich verhindert habe, dass Sie von Xexter verschwinden.«

»Ich weiß, dass Sie besondere Fähigkeiten haben müssen. Hätten Sie diese nicht, wären Sie nicht hier.«

»Kommen Sie nicht noch einmal auf den Gedanken, mir helfen zu wollen«, sagte Kennon drohend und blickte Tekener hasserfüllt an. »Tun Sie so etwas nie wieder!«

Der Mann mit den Lashat-Narben war sicher, dass er an einen USO-Spezialisten geraten war, der psychisch stark gestört war. Das war eine neue Erfahrung für ihn. Bisher war er stets davon ausgegangen, dass zur USO nur seelisch und körperlich gesunde Menschen kommen konnten. Jetzt erkannte er, dass er sich grundlegend geirrt hatte. Er war sicher, dass Kennon lange Jahre psychiatrisch behandelt worden war. Die Störungen waren jedoch nicht beseitigt worden. Wenn Atlan einen solchen Mann in der USO duldete, dann musste Kennon in der Tat ungewöhnlich fähig sein. Mit seiner Intelligenz konnte er die körperlichen und seelischen Schwächen kompensieren.

»Ich werde Ihnen nicht helfen«, versprach Tekener. »Auf keinen Fall. Jedenfalls nicht bei solchen Lappalien.«

»Ich weiß, dass ich bis zur Lächerlichkeit hässlich bin«, sagte der Verwachsene. »Vergessen Sie es.«

Er fuhr sich mit den Händen über die Augen.

»Kommen wir zu Xexter. Irgendetwas ist hier nicht in Ordnung. Xexter hat ein streng kontrolliertes Gesellschaftssystem mit einem Diktator an der Spitze. Alhad Besk ist dieser Mann. Er ist ein Epsaler, der davon träumt, Xexter zu einer der einflussreichsten Welten der Milchstraße zu machen. Er will sich eine wirtschaftliche und militärische Basis schaffen, auf der er aufbauen kann. Ich habe vor fünf Monaten eine Rede von ihm gehört, in der er erklärt hat, dass Xexter eine Waffe entwickeln wird, wie es sie in der Galaxis bisher noch nicht gegeben hat. Das ist alles, was ich weiß.«

»Nicht viel«, entgegnete Tekener.

»Ich hatte ausreichend damit zu tun, diese Nachricht nach Quinto-Center zu schicken und von dort Hilfe anzufordern. Ich wäre froh gewesen, wenn man mir einen Schatten geschickt hätte, nicht aber jemanden mit einem Ausrufezeichen im Gesicht.«

Ronald Tekener lächelte ungerührt.

Er wusste, was Kennon meinte. Ein Schatten war ein Spezialist, der so unauffällig war, dass man sein Aussehen sofort vergaß, sobald er einem aus den Augen war. Mit dem Ausrufezeichen hatte der Verwachsene die Lashat-Narben gemeint, die tatsächlich so auffällig waren, dass niemand so leicht an diesem Gesicht vorbeisah. Doch das störte Tekener nicht. Er hatte seine eigenen Arbeitsmethoden entwickelt. Zudem hatte Kennon keinen Grund, ihm Vorwürfe zumachen, da er selbst alles andere als ein Schatten war.

»Quinto-Center wird sich etwas dabei gedacht haben, dass Sie ausgewählt wurden. Auf jeden Fall bin ich froh, dass Sie an dem telepathischen Element vorbeigekommen sind. Einen mentalstabilisierten Spezialisten hätte das Element sofort getötet, eben weil es keinen einzigen seiner Gedanken hätte erfassen können.«

Ronald Tekener dachte daran, dass er mentalstabilisiert werden sollte. Eine entsprechende Ankündigung hatte er bereits erhalten. Der risikoreiche Eingriff sollte demnächst vorgenommen werden.

»Unsere Aufgabe ist also, herauszufinden, ob es diese Waffe tatsächlich gibt, welcher Art sie ist und wie sie eingesetzt werden soll«, stellte er fest.

»Es gibt Gerüchte über den Einsatz«, erwiderte Kennon. »Es heißt, dass Alhad Besk die Waffe gegen einen der wichtigsten Planeten der Milchstraße einsetzen will, um dann nach einem Erfolg die anderen Mächte der Galaxis erpressen zu können.«

»Es genügt also nicht, die Waffe zu finden, sie muss auch unschädlich gemacht werden. Das bedeutet, dass wir uns um diejenigen kümmern müssen, die sie entwickelt haben und um die Waffe selbst.«

»Und dass wir anschließend versuchen müssen, an dem telepathischen Element vorbeizukommen, ohne umgebracht zu werden«, ergänzte Kennon.

»Wenn es heißt, dass die Waffe gegen einen der wichtigsten Planeten der Galaxis gerichtet werden soll, müssen wir davon ausgehen, dass die Xexterer die Erde ins Auge gefasst haben.«

»Richtig. Deswegen müssen wir eingreifen.«

»Wo können wir ansetzen?«

»Wir müssen Eyster-City verlassen«, erwiderte Kennon, »und nach Xekon überwechseln. Das ist eine kleine Stadt in Äquatornähe. Xekon ist nicht nur die Hauptstadt von Xexter, sondern auch ein Forschungs- und Wirtschaftszentrum. Wir müssen versuchen, uns in die Nähe eines einflussreichen Politikers vorzuarbeiten, um mit seiner Hilfe an das Geheimnis heranzukommen.«

Tekener unterdrückte die Bemerkung, Kennon habe also noch keinen Plan, da er selbst auch noch nichts zu den zunächst notwendigen Schritten sagen konnte.

Bevor sie die politische Szene in Xekon nicht kannten, konnten sie nichts unternehmen. Es wäre sinnlos gewesen, sich um eine politisch unwichtige Persönlichkeit zu bemühen. Das hätte sie keinen einzigen Schritt vorangebracht.

Tekener ging zum Getränkeautomaten und zapfte sich einen Tee aus heimischen Sorten ab.

»Was wäre gewesen, wenn ich von Yousphar nicht nach Xexter geflogen wäre, sondern mehr Geld verdient und einen anderen Planeten ins Auge gefasst hätte?«

»Das hätte Ihrer Karriere zweifellos sehr geschadet.«

Die Stadt Xekon lag auf der größten Insel einer hufeisenförmigen Inselkette am Äquator. Es war eine der schönsten Städte, die Tekener je gesehen hatte. Auffallend war besonders die kühne Architektur der Häuser, die der Natur nachempfunden war. So hatten einige Häuser die Form von Blumen oder Blättern, andere hatten sich offensichtlich die Korallen der Meere als Vorbild genommen. Es schien, als sei es das höchste Ziel der Architekten und Bauherren gewesen, sich gegenseitig zu übertreffen.

Auf dem höchsten Hügel der Insel stand das Regierungsgebäude, das aussah wie der Kopf eines riesigen Fisches, der sich aus dem Meer erhob. Die anschließenden Gebäude glichen den Flossen, und ein anderes sollte einen kleineren Fisch darstellen, der vor dem Giganten floh.

Fast alle Gebäude waren mit farbigen Steinen geschmückt, so dass sich selbst bei großen Flächen stets ein Bild einer gewissen Leichtigkeit ergab.

Neben dem Regierungsgebäude ragte ein etwa hundert Meter hoher Metallturm in den Himmel. Er wollte nicht so recht ins Bild passen, da er nichts weiter als ein blanker Metallzylinder ohne jeden Zierrat zu sein schien.

»Ich habe keine Ahnung, welche Bedeutung der Turm hat«, erklärte Kennon, als Tekener ihn danach fragte. »Niemand konnte mir eine entsprechende Auskunft geben. Auch die Presse schweigt sich darüber aus. Sie verhält sich, als sei der Turm nicht existent.«

Er hustete krampfhaft.

»Ich habe für Quartier gesorgt«, fuhr er fort, als sie mit dem Gleiter auf einer kleinen Insel landeten, die etwa fünf Kilometer von der Hauptinsel entfernt war. »Wir können nur hoffen, dass wir nicht allzu viel Aufsehen erregen.«

Das Haus, das Kennon gemietet hatte, stand allein an einer Bucht, so dass die beiden USO-Spezialisten ungestört arbeiten konnten. Es war vollständig eingerichtet, so dass sie nur wenige Dinge zu kaufen brauchten, um den Bestand zu ergänzen. Dazu waren vor allem Nahrungsmittel zu beschaffen, mit denen die computergesteuerten Haushaltsgeräte versorgt wurden.

Die Kosten für die verschiedenen Besorgungen wurden von einem Konto abgebucht, das Kennon eingerichtet hatte. Der Zwerg verriet Tekener nicht, wie er zu dem Geld gekommen war, das sich auf dem Konto befand.

Während Sinclair Marout Kennon über Video die Bestellungen aufgab, überprüfte Tekener das Haus, um versteckte Abhöranlagen aufzuspüren. Er fand vier Info-Einheiten, die in dem Kunststoffbeton der Wände eingelassen waren. Um sie untersuchen zu können, baute er eines der positronischen Geräte auseinander, die dem Haushaltscomputer angeschlossen waren, und montierte aus den Einzelteilen eine Analyse-Sonde. Danach beriet er sich kurz mit Kennon.

»Ganz abschalten können wir die Geräte nicht«, sagte der Verwachsene. »Das würde sofort ein Signal beim Überwachungscomputer auslösen. Unsere Gegner von der Abwehr würden sich einschalten, und keine zehn Minuten später wären sie hier. Abhören lassen wir uns natürlich auch nicht. Aber sicher kennen Sie einen Ausweg.«

Er blickte Tekener lauernd an.

»Wir müssen die Geräte auf die Frequenz eines anderen bewohnten Hauses schalten«, bemerkte Tekener. »Wenn wir sie richtig umstellen, stimmen sie sich auf diese Geräte ein und übertragen nur, was unsere Nachbarn sich erzählen.«

Er wartete den Einbruch der Dunkelheit ab, dann verließ er das Haus und eilte zu einem etwa drei Kilometer entfernten Gebäude, das von zwei Akonen und zwei Neu-Arkonidinnen bewohnt wurde. Er untersuchte die Außenwände des Hauses und stellte fest, dass sich darin Abhörgeräte vom gleichen Typ befanden. Gleichzeitig ermittelte er die Frequenz, auf der sie sendeten, wenn die in ihnen gespeicherten Daten abgerufen wurden. Mit Hilfe des von ihm zusammengebauten positronischen Geräts programmierte er die Info-Einheiten so um, dass sie mit den Einheiten in dem von Kennon und ihm bewohnten Hauses gekoppelt wurden und die gespeicherten Daten bei Abruf über diese abgaben. Nun konnte er sicher sein, dass Kennon und er nicht abgehört werden konnten.

»Wenn unsere Freunde von der Abwehr durch die Umschaltungen aufmerksam geworden sind, werden sie hier schnell auftauchen«, sagte er zu Kennon. »Wir werden uns etwas einfallen lassen müssen, wenn sie kommen.«

Doch in den nächsten Tagen erschien niemand bei ihnen, so dass sie davon ausgehen konnten, nirgendwo Argwohn erregt zu haben.

Mit Hilfe von Informationen, die sie vom Video-Computer der staatlichen Fernsehanstalt abriefen, unterrichteten sie sich über die wichtigsten Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens von Xexter und vor allem über die führenden Politiker, doch sie merkten bald, dass sie damit nicht weiterkamen. Die Nachrichten waren zu dürftig und zudem zensiert.

Anders sah es dagegen mit den Informationen aus, die im Video-Archiv der privaten Presseunternehmungen gespeichert waren. Auch sie verrieten durch ihre vorsichtige Formulierungen, dass die Journalisten und Reporter einen gehörigen Respekt vor den öffentlichen Organen hatten, waren aber dennoch wesentlich aussagekräftiger als die Daten der staatlichen Anstalt.