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Studienarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Politik - Thema: Europäische Union, Note: 2,3, Universität Passau, Sprache: Deutsch, Abstract: In dieser Arbeit soll die Dänische Volkspartei (DVP) und ihr Einfluss auf die nationale dänische Politik untersucht werden. Besondere Relevanz erhält diese Betrachtung, da die DVP seit der Parlamentswahl im Jahr 2001 von der liberal-konservativen Regierungskoalition als Mehrheitsbeschaffer geduldet wird und als Gegenleistung einige ihrer eigenen Forderungen durchsetzen darf. Zentral sind dabei die Fragen, ob und nach welcher Definition die Partei als „populistisch“ gelten kann und inwiefern der im Programm verankerte Euroskeptizismus Auswirkungen auf die Politik des Landes hat und sich somit als Gefahr für die europäische Integration erweisen könnte. Für die empirische Analyse dieser Fragen ist es zunächst notwendig die hier angewandten theoretischen Grundlagen, sowohl zum Begriff des Populismus sowie dem des Euroskeptizismus, zu erörtern. Beide Analyseraster werden dann auf die DVP angewandt; dabei sind Überschneidungen beider Theorien unumgänglich. Hauptsächlich wird die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring angewandt; vor allem in der Variante der Explikation und der weiten Kontextanalyse. Parteiprogramme, Reden, Interviews und Zeitungsartikel sollen dabei als mögliche Indikatoren dienen. Zusätzlich wird anhand von Umfragedaten kurz überprüft, inwieweit der Euroskeptizismus in der dänischen Bevölkerung verankert ist. Aufgrund der Ergebnisse dieser Analysen wird im abschließenden Teil die Bedeutung für die europäische Integration erläutert und ein Ausblick gegeben, der sich besonders auf den Ausgang der dänischen Parlamentswahlen am 15. September 2011 bezieht und der in den vorausgehenden Kapiteln nicht berücksichtigt werden kann.
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Populismus als besondere Form der Politik, diedarauf abzielt eine „Nähe zum Volk“ zu beschwören, hat inDänemark eine lange Tradition, die bis heute auf die realpolitischen Entscheidungen der dänischen Volksvertreter jeglicher Couleur des politischen Spektrums erhebliche Auswirkungen hat. Insbesondere die von Morgens Glistrup 1972 als reine Steuersenkungs-und damit „single-issue“- Partei gegründete Fortschrittspartei konnte mit ihren radikalen Forderungen schnell bemerkenswerte Erfolge bei den dänischen Wählern verbuchen1, da es ihr gelang mit ihrerForderung „der allgemeinen Entmündigung freier Menschen ein Ende zu bereiten“2traditionelle Anhänger der unterschiedlichsten Parteien an sich zu binden. In den 1980er Jahren besetzte Glistrups Partei zusätzlich die Themen der ansteigenden Einwanderung und der Islamfeindlichkeit, welche ebenfalls die Emotionen eines großen Teils der Bevölkerung anzusprechen vermochte.3Obwohl sie im Parlament nie einen erheblichen Einfluss ausüben konnte, beeinflusste sie die politische Kultur Dänemarks nachhaltig, auch indem sie die Sozialdemokratie in eine schwere Krise stürzte und einige ihrer Forderungen von anderen Parteien aufgegriffen und in der Regierungsarbeit umgesetzt wurden. Genau dies wurde ihr dann aber letztendlich zum Verhängnis: Zunehmende Machtkämpfe in der Partei und eine Haftstrafe Glistrups wegen Steuerhinterziehung zermürbten sie; es gelang ihr nicht mehr ihre Wähler an sich zu binden.4
1995 entschloss sich deshalb die damalige Parteivorsitzende Pia Kjærsgaard dazu, die Fortschrittspartei zu verlassen und ihre eigene Partei, die Dänische Volkspartei (Dansk Folkeparti; im Folgenden DVP), zu gründen, die ihren thematischen Schwerpunkt auf die Selbstbehauptung Dänemarks alsNationsetzte. Dies implizierte zwei zentrale Forderungen: zum einen die Verteidigung des Sozialstaats gegen Nutznießer aus dem Ausland; zum anderen die Dämpfung des Einflusses der Europäischen Union, im besten Falle gar mit einer Beendigung der Mitgliedschaft Dänemarks.5
Gerade der Euroskeptizismus nahm seit den 90er Jahren innerhalb der europäischen Nationalstaaten zu, vor allem da die Mitgliedsstaaten immer mehr Souveränität und damit Kompetenzen abgaben, die vorher in den Händen der nationalen Regierungen lagen.6
Der sogenannte „Post-Maastricht-Blues“7, ausgelöst durch die Vertiefung der Integration und der Erweiterung der EU durch die Aufnahme neuer Mitgliedsstaaten, sollte im Laufe der Zeit nicht nur durch die politischen Eliten getragen werden. Großbritannien beispielsweise erweist sich schon seit Jahren als ein Europa gegenüber
1So erzielte sie bei der Parlamentswahl im Jahr 1973 auf Anhieb 15,9 % der Stimmen. Vgl. Andersen, Johannes (2008): Stabil, aber nicht hegemonial - Populismus und parlamentarische Demokratie in Dänemark. In: Faber, Richard / Unger,
Frank (Hrsg.): Populismus in Geschichte und Gegenwart. Würzburg. Verlag Königshausen & Neumann. S. 131-147; S. 134
2Ebd. S. 133
3Vgl. ebd. S. 134
4Vgl. ebd. S. 134-135
5Vgl. ebd. S. 135
6Als wichtiges Beispiel ist hier die Einrichtung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu nennen, die 1992 im Vertrag von Maastricht erfolgte. Siehe: Vertrag über die Europäische Union (1992). In: Amtsblatt Nr. C191 vom 29. Juli
1992. Online verfügbar unter:http://eur-lex.europa.eu/de/treaties/dat/11992M/htm/11992M.html#0001000001.(zuletzt
geprüft am 12.09.2011).
7Vgl. Dalton, Russell J. / Eichenberg, Richard (2007): Post-Maastricht Blues: The Transformation of Citizen Support for European Integration, 1973-2004. In: Acta Politica 42 (2-3), S. 128-152.
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äußerst skeptisches Land, das möglichst keine tiefergehende europäische Integration vorantreiben möchte.8Außerdem sind die gescheiterten Referenden zum Verfassungsvertrag der EU in Frankreich und den Niederlanden sowie das im ersten Anlauf gescheiterte Referendum zum Lissabonner Vertrag in Irland als Indikator dafür zu sehen, dass die EU mittlerweile nicht mehr als reines Elitenprojekt voranschreiten, sondern auch die europäische Öffentlichkeit den Prozess der europäischen Integration mitbestimmen und im äußersten Falle ver- oder zumindest behindern kann.
In dieser Arbeit soll die DVP und ihr Einfluss auf die nationale dänische Politik untersucht werden. Besondere Relevanz erhält diese Betrachtung, da die DVP seit der Parlamentswahl im Jahr 2001 von der liberalkonservativen Regierungskoalition als Mehrheitsbeschaffer geduldet wird und als Gegenleistung einige ihrer eigenen Forderungen durchsetzen darf.9Zentral sind dabei die Fragen, ob und nach welcher Definition die Parteials „populistisch“ geltenkann und inwiefern der im Programm verankerte Euroskeptizismus Auswirkungen auf die Politik des Landes hat und sich somit als Gefahr für die europäische Integration erweisen könnte. Für die empirische Analyse dieser Fragen ist es zunächst notwendig die hier angewandten theoretischen Grundlagen, sowohl zum Begriff des Populismus sowie dem des Euroskeptizismus, zu erörtern. Beide Analyseraster werden dann auf die DVP angewandt; dabei sind Überschneidungen beider Theorien unumgänglich. Hauptsächlich wird die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring angewandt; vor allem in der Variante der Explikation und der weiten Kontextanalyse.10Parteiprogramme, Reden, Interviews und Zeitungsartikel sollen dabei als mögliche Indikatoren dienen. Zusätzlich wird anhand von Umfragedaten kurz überprüft, inwieweit der Euroskeptizismus in der dänischen Bevölkerung verankert ist.11Aufgrund der Ergebnisse dieser Analysen wird im abschließenden Teil die Bedeutung für die europäische Integration erläutert und ein Ausblick gegeben, der sich besonders auf den Ausgang der dänischen Parlamentswahlen am 15. September 2011 bezieht und der in den vorausgehenden Kapiteln nicht berücksichtigt werden kann. Aufgrund der Komplexität beider theoretischen Ansätze kann nur ein kurzer Einblick in den aktuellen Forschungsstand gewährt werden; dies wird jeweils in den dazu gehörigen Kapiteln getan. Über die dänische Volkspartei und die Entwicklung der dänischen Politik im Allgemeinen gibt es mittlerweile eine Vielzahl an wissenschaftlicher Literatur. Am bedeutsamsten sind für diese Arbeit sicherlich die auch in weiterführenden Texten viel zitierten Untersuchungen von Jens Rydgren12, Jørgen Goul Andersen13(i.F. Andersen, J.G.) sowie
8Vgl. bspw. George, Stephen (2000): Britain: Anatomy of a Eurosceptic state. Journal of European Integration, 22:1. S. 15-33. Online verfügbar unter:http://dx.doi.org/10.1080/07036330008429077(zuletzt geprüft am 12.09.2011).
9Vgl. Rydgren, Jens (2010): Radical Right-wing Populism in Denmark and Sweden. Explaining Party System Change and Stability. In: The SAIS Review of International Affairs 30, Heft 1, S. 57-71. Online verfügbar unter:http://muse.jhu.edu/journals/sais_review/v030/30.1.rydgren.pdf(zuletzt geprüft am 12.09.2011). S. 58