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"Emily blickt skeptisch und auch ein wenig ängstlich an mir vorbei in das Dunkel, das sich keine zwei Schritte jenseits des Lichtkegels der Taschenlampe erstreckt. Der Gang ist schmal und die gemauerten Wände sind mit Moos bewachsen. Das Wasser auf dem Boden reicht uns bis über die Knöchel. Es riecht modrig und von der Betondecke hängen kleine Tropfsteingebilde. 'Können wir zurückgehen, Jonathan? Bitte!' Sie schmiegt sich an mich und ich spüre die Wärme ihres Körpers, nehme den leichten Geruch von parfümierter Seife wahr, der ihrem Haar entströmt. Sie ist toll. Ich will sie berühren, sie küssen. Hier, jetzt. Aber ich tue es nicht. Ich weiß nicht, wie oft sich uns diese Chance bieten wird. Unsere Klamotten sind nach einer Stunde in diesem unterirdischen Labyrinth völlig verdreckt. Das wird Fragen aufwerfen, Fragen, die vielleicht verhindern, dass wir jemals wieder nach einem Ausgang suchen können. Einem Ausgang nach Draußen." (Jonathan Sato, Porterville, Jahr 0048)
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Seitenzahl: 55
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Folge 13
„Die Ausgestoßenen“
Simon X. Rost
- Originalausgabe -
1. Auflage 2013
ISBN 978-3-942261-59-3
Lektorat: Hendrik Buchna
Cover-Gestaltung: Ivar Leon Menger
Fotografie: iStockphoto
© Verlag Psychothriller GmbH
www.psychothriller.de
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der mechanischen, elektronischen oder fotografischen Vervielfältigung, der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, des Nachdrucks in Zeitschriften oder Zeitungen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung, der Vertonung als Hörbuch oder -spiel, oder der Dramatisierung, der Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen, Video oder Internet, auch einzelner Text- und Bildteile, sowie der Übersetzung in andere Sprachen.
Ein Buch zu schreiben, dauert Monate. Es zu kopieren, nur Sekunden. Bleiben Sie deshalb fair und verteilen Sie Ihre persönliche Ausgabe bitte nicht im Internet. Vielen Dank und natürlich viel Spaß beim Lesen! Ivar Leon Menger
Prolog
„Wenigstens macht der Taxifahrer keine Probleme, als ich, beim Hilton angekommen, mit einem Dollarschein statt der hiesigen Währung Sucre bezahle. In der imposanten Hotellobby treten, noch bevor ich die Rezeption erreicht habe, zwei Männer in hellen Anzügen auf mich zu. In fließendem Englisch stellen sie sich als Mitarbeiter der Reisebehörde vor, die seitens der amerikanischen Botschaft im Vorfeld über den besonderen Anlass meiner Einreise informiert worden war. Wäre ich nicht so groggy, hätte ich mir sicher die Frage gestellt, wie die beiden mich unter all den anderen Touristen sofort erkannt haben. Schnell wird klar, dass die dauerlächelnden Herren offenbar gewillt sind, mir ab jetzt nicht mehr von der Seite zu weichen. Ihre Einladung zum Essen zwecks Klärung der weiteren Formalitäten lehne ich jedoch höflich mit Verweis auf meinen Erschöpfungszustand und die starken Kopfschmerzen ab. Ich bin jetzt definitiv nicht in der Lage, irgendwelche organisatorischen Gespräche über den Transport von Terrys Sarg zu führen.“
Quelle: Unbekannt
1
„Bist du sicher? Ganz sicher, dass es hier weitergeht?“
Ich zucke mit den Schultern. „Keine Ahnung. Denke schon.“
Emily blickt skeptisch und auch ein wenig ängstlich an mir vorbei in das Dunkel, das sich keine zwei Schritte jenseits des Lichtkegels der Taschenlampe erstreckt. Der Gang ist schmal und die gemauerten Wände sind mit Moos bewachsen. Das Wasser auf dem Boden reicht uns bis über die Knöchel. Es riecht modrig und von der Betondecke hängen kleine Tropfsteingebilde.
„Können wir zurückgehen, Jonathan? Bitte!“ Sie schmiegt sich an mich und ich spüre die Wärme ihres Körpers, nehme den leichten Geruch von parfümierter Seife wahr, der ihrem Haar entströmt. Sie ist toll. Ich will sie berühren, sie küssen. Hier, jetzt. Aber ich tue es nicht. Ich weiß nicht, wie oft sich uns diese Chance bieten wird. Unsere Klamotten sind nach einer Stunde in diesem unterirdischen Labyrinth völlig verdreckt. Das wird Fragen aufwerfen, Fragen, die vielleicht verhindern, dass wir jemals wieder nach einem Ausgang suchen können.
Einem Ausgang nach Draußen.
Ich lasse den Lichtkegel der Taschenlampe wieder auf die verwitterte Karte gleiten, die ich für einen Haufen Kohle in Amy’s Bakery erstanden habe. Doch. Wir sind richtig. Aus dem großen quadratischen Raum, den wir gerade verlassen haben, gibt es nur drei Ausgänge. Wir haben den rechten genommen. Wir sind richtig, auch wenn es hier enger, feuchter und glitschiger ist, als zuvor.
Ich nicke Emily zuversichtlich zu: „Komm. Es ist nicht mehr weit“
Sie folgt mir. Als ich die Taschenlampe wieder nach vorne richte, wuselt es. Greybugs flüchten nach allen Seiten vor dem Licht. Aber sie sind das Einzige, was hier unten zu leben scheint. Das dumpfe Grollen, das wir am Vortag aus dem Schacht in Amy’s Bakery gehört haben, ist bislang nicht zu vernehmen gewesen. Auch sonst haben wir niemanden hier unten gesehen, die Gänge sind bis auf die Greybugs verwaist. Vor uns ist ein Teil der Decke eingestürzt. Am Boden hat sich ein kleiner Schuttkegel gebildet. Als ich ihn erklimme und mich umdrehe, um Emily die Hand zu reichen, durchfährt es mich eiskalt.
Sie ist weg. Emily ist weg!
Vor einer Sekunde war sie noch hinter mir!
„Emily?“, hauche ich erst leise und dann, als keine Antwort kommt, rufe ich laut: „Emiiiilyyyy?“
Wieder nichts. Mein Herz schlägt schneller. Ich schlucke, stolpere den kleinen Schutthügel herunter und gehe ein Stück zurück, leuchte in den Gang, aus dem wir gekommen sind. Sie ist nicht da!
„EMIIIILLYYYY!“
Mein Schrei verhallt. Plötzlich schießt etwas aus einer dunklen Nische links von mir, packt mich und reißt mich herum. Mein Herz setzt für einen Moment aus. Ich hebe die Taschenlampe, will zuschlagen, mich losreißen, da spüre ich feuchte Lippen auf den meinen. Und dann höre ich ihr Lachen.
„Na, du großer Held? Hast du dich vielleicht erschreckt?“ Sie lacht und das Geräusch klingt herrlich fröhlich in dieser trostlosen unterirdischen Dunkelheit. Mein Herz schlägt immer noch wie ein Dampfhammer, ich drücke sie an mich.
„Du Biest! Na, warte, das wirst du mir büßen ...“
Ich küsse sie. Lange. Sie öffnet ihren Mund, unsere Zungen umspielen sich.
„Oh, so büße ich aber gerne ...“ sagt sie und dann küssen wir uns. Leidenschaftlich. Sie schmiegt sich an mich, ich spüre jede Kontur ihres Körpers. Meine lederne Umhängetasche gleitet zu Boden. Emily muss bemerken, wie erregt ich bin, aber es ist mir nicht peinlich. Bei ihr ist mir nichts peinlich. Und sie sträubt sich nicht. Im Gegenteil. Sie drückt sich mit der Hüfte fest an mich, als es plötzlich da ist.
Das Geräusch.
Das dunkle Grollen.
2
Wir stehen wie versteinert da. Die aufgeheizte Stimmung, die Leidenschaft, alles ist mit einem Mal verflogen. „Hast du das gehört?“, haucht sie. Ich nicke, ziehe sie langsam ein Stück in Richtung Schuttkegel. „Was war das?“, fragt Emily, aber ich lege den Finger an die Lippen, bedeute ihr, leise zu sein. Wir lauschen.
Da ist es wieder. Und es klingt näher.
Man hört Schritte im flachen Wasser. Da kommt etwas auf uns zu.
„Komm!“, schreie ich, ziehe Emily hinter mir her, stürme auf den Schuttkegel zu. Wir hasten ihn hinauf. Folgt es uns? Ist es immer noch hinter uns her? Im Rennen werfe ich kurz einen Blick über die Schulter. Etwas ist da. Etwas Bleiches, Helles.
Wir lassen den Schutthügel hinter uns, das Wasser spritzt zur Seite, während wir vorwärts hasten. Irgendwo da vorne muss der Ausgang sein, wenn die Karte stimmt. Irgendwo da vorne geht es nach Draußen. Wir schrammen mit den Schultern gegen die engen Wände. Das dumpfe Grollen hinter uns wird lauter. Das bleiche Ding kommt näher. Der Gang zweigt nach links ab, dann wieder nach rechts. Das Etwas folgt uns noch immer.
Emily keucht heftig, hält sich an mir fest, um mich nicht zu verlieren. Ich wechsle die Taschenlampe in die andere Hand, fummele in der Umhängetasche nach dem Revolver aus der Sammlung meines Großvaters, den ich heimlich eingesteckt habe. Hoffentlich funktioniert das Ding.
Ich werde ihn benutzen, wenn es nötig ist.