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„Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes tritt eine Gestalt aus dem Dickicht. Reflexartig richte ich meine Waffe auf sie. Es ist ein Mensch. Ein junger Mann, der jetzt mit beiden Händen winkend auf uns zurennt. Er trägt Shorts, halbhohe Stiefel und ein T-Shirt. 'Hilfe!', ruft er. Der junge Bursche bleibt unmittelbar vor Mr. Landino stehen, ist völlig außer Atem, und ich stelle fest, dass sein Shirt an der linken Schulter eingerissen ist. An einem Unterschenkel, oberhalb des Stiefels, entdecke ich ein paar ovale Narben, die anhand ihrer Farbe und Struktur vor noch nicht allzu langer Zeit entstanden sein müssen. 'Ich kenne Sie!', sagt der Junge und japst dabei nach Luft. 'Sie waren bei meinem Großvater. Aber ich habe Ihren Namen vergessen.' 'Gerome Landino', klärt ihn mein Chef auf. 'Und du bist Jonathan, der Enkel unseres Bürgermeisters. Wir haben uns alle sehr große Sorgen gemacht. Wo ist Emily?' Er reißt die Hände vors Gesicht und schluchzt hemmungslos.“ (Maurizio, Draußen, Jahr 0048)
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Seitenzahl: 56
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Folge 15
„Im Garten der Schlange“
Raimon Weber
- Originalausgabe -
1. Auflage 2013
ISBN 978-3-942261-60-9
Lektorat: Hendrik Buchna
Cover-Gestaltung: Ivar Leon Menger
Fotografie: iStockphoto
© Verlag Psychothriller GmbH
www.psychothriller.de
Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der mechanischen, elektronischen oder fotografischen Vervielfältigung, der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, des Nachdrucks in Zeitschriften oder Zeitungen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung, der Vertonung als Hörbuch oder -spiel, oder der Dramatisierung, der Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen, Video oder Internet, auch einzelner Text- und Bildteile, sowie der Übersetzung in andere Sprachen.
Ein Buch zu schreiben, dauert Monate. Es zu kopieren, nur Sekunden. Bleiben Sie deshalb fair und verteilen Sie Ihre persönliche Ausgabe bitte nicht im Internet. Vielen Dank und natürlich viel Spaß beim Lesen! Ivar Leon Menger
Prolog
„Ich räuspere mich. Vor mir auf dem Tisch liegt ein Tablet. Es zeigt ein Textdokument. Vor dem Tisch steht eine Kamera.
‚Prägen Sie sich den Text in Ruhe ein‘, sagt eine Stimme aus der Dunkelheit jenseits der Schweinwerfer. ‚Schauen Sie während der Aufnahme nicht nach unten, sondern die ganze Zeit direkt in die Kamera. Haben Sie das verstanden?‘
Ich nicke. Ich schwitze. Die Scheinwerfer sind sehr warm.
‚Wenn Sie nach unten auf das Tablet schauen, müssen wir die Aufnahme wiederholen.‘
‚Okay‘, sage ich.
‚Ja?‘
‚Ich habe es verstanden.‘
‚Gut. Fangen Sie einfach an, wenn Sie so weit sind.‘
Ich räuspere mich. Dann beginne ich zu sprechen.“
Martin Prey
Porterville, Jahr 0048
1
Draußen, Jahr 0048
Private Botha hat sein Gewehr entsichert und sucht mit nervösem Blick die Umgebung ab. Mehr scheint ihm in dieser Situation nicht einzufallen.
Ich hingegen versuche zu verstehen. Aber meine Überlegungen erzielen zunächst nur ein Resultat: Ich fürchte mich.
Seit Minuten betrachten wir die sogenannte Golden Record an diesem riesigen, schwarzen Würfel. Er strahlt eine Kühle aus, die ich selbst aus zwei Metern Entfernung fühlen kann.
Mr. Landino erklärte, dass zwei goldene Scheiben mit gespeicherten Daten über die Menschheit mittels Sonden in den Weltraum geschossen wurden. Im Jahre 1977.
Zwar haben wir keine Ahnung, in welchem Jahr unsere Stadt Porterville gestrandet ist, aber Fakt bleibt, dass die Existenz dieser Scheibe hier und jetzt ein unerklärbares Phänomen darstellt.
Ist eine der Golden Records zurückgekehrt, oder befinden wir uns an jenem Ort, wo sie, wie auch immer, gelandet ist? Dann wäre der Boden unter meinen Füßen nicht irdischen Ursprungs. Und wer hat den Würfel und die ihn umgebenden zwölf Säulen errichtet?
Außerhalb von Porterville deutet nichts auf die Existenz einer Zivilisation hin.
Mr. Landino, der Leiter der Instanz für Innere Sicherheit und in meinen Augen der aufrichtigste Mensch in unserer Stadt, schwankt, will sich am Würfel abstützen und zieht seine Hand sofort wieder zurück, als hätte er etwas Abstoßendes berührt. Ich biete ihm meinen Arm als Stütze an.
In der letzten Zeit habe ich mit Sorge verfolgt, wie Mr. Landino langsam aber sicher vom Alter eingeholt wird. Bewegte er sich trotz seiner Beinprothese bis vor ein paar Monaten beinahe so geschmeidig wie ein junger Mann, so ist er mittlerweile schnell außer Atem.
„Das ist unglaublich, Maurizio“, höre ich ihn wispern, und er senkt die Stimme noch weiter, als er mir ins Ohr flüstert: „Sato und seine Clique dürfen davon noch nichts erfahren.“
Ich deute mit einem Kopfnicken auf Private Botha, der aus mir unerfindlichen Gründen damit beschäftigt ist, mit weit ausholenden Schritten hin und her zu gehen.
Mr. Landino lächelt mich an. „Mein lieber Maurizio, ich werde ihm ein Angebot machen, das er nicht ablehnen kann.“
„Gut zwanzig Meter“, verkündet Botha. „In einem Umkreis von zwanzig Metern nähert sich nicht ein Greybug dem Gebilde.“ Er kickt mit der Stiefelspitze gegen den grauen Käfer am Boden. Das knapp fünf Zentimeter große Insekt liegt mit verkrümmten Gliedmaßen auf dem Rücken. Es hatte sich an Mr. Landinos Kampfanzug festgeklammert und war dann in unmittelbarer Nähe des Würfels krepiert.
„Vielleicht sendet das Ding irgendeine Strahlung aus. Hoffentlich ist die nicht auch für uns schädlich.“ Botha bleibt vorsichtshalber auf Abstand.
„Wir werden jetzt zu den Sammlern zurückkehren“, verkündet Landino. „Und ich möchte, dass über unsere Entdeckung Stillschweigen bewahrt wird.“ Er sieht Botha direkt an. „Sie wollen doch sicher weiterhin ihren lukrativen und gleichzeitig illegalen Handel mit den Früchten betreiben, oder?“
Botha öffnet einige Male den Mund, bringt aber kein Wort hervor und sieht dabei sehr albern aus.
Schließlich gelingt ihm ein „Geht klar, Sir“.
Während wir uns auf den Rückweg machen und Botha die Vorhut bildet, frage ich Mr. Landino, woher er von dem Handel unseres Begleiters mit den berauschenden Früchten weiß.
Der ergraute Leiter der IFIS lächelt milde. „Ich kenne eben Typen wie Botha, aber ich mache ihnen gar keinen Vorwurf. Portervilles ungerechtes System treibt sie dazu.“
Botha tritt zuerst aus dem Dickicht, und ich höre ihn einen lauten Fluch ausstoßen. Ich schiebe mich an ihm vorbei und starre auf den großen Platz, auf dem eigentlich die gepanzerten Fahrzeuge der Früchtesammler auf uns warten sollen. Aber die sind verschwunden.
„Das kann doch nicht sein“, sage ich zu Mr. Landino. „Sie haben der Truppführerin Raskin doch den ausdrücklichen Befehl gegeben, nicht ohne uns loszufahren!“
Ein Windstoß bringt die Blätter in den Bäumen zum Rascheln. Der Platz, der abgesehen von seiner grauen Farbe, aus einem ähnlichen Material wie der Würfel besteht und auch eine leichte Kühle abstrahlt, ist zu allen Seiten von Bäumen und Büschen umgeben. An ihnen wachsen die von Sato und seinem Hofstaat so begehrten Früchte. Private Botha pflückt wie beiläufig eine gelbe Beere und lässt sie flink in seinem Mund verschwinden.
„Lassen Sie das!“, herrsche ich ihn an. „Wir brauchen jetzt alle einen klaren Kopf.“
Botha beißt auf die Beere und sie zerplatzt leise zwischen seinen Zähnen. „Dann werden wir wohl zu Fuß gehen müssen“, stellt er fest. „Es sind ja nur ein paar Meilen.“
„Nein, nein, nein“, gibt Mr. Landino leise, aber eindringlich von sich. Ich kenne diese Form der Betonung bei ihm nur zu genau. Er benutzt sie, wenn ihm etwas außerordentlich gegen den Strich geht.
„So einfach ist das nicht“, fährt er fort. „Raskin kann unmöglich selbstständig die Abfahrt veranlasst haben. Vermutlich stand sie oder ein anderes Truppmitglied in Verbindung mit gewissen Elementen innerhalb der Stadt. Als wir einen Spaziergang machten, beschloss man, uns einfach im Draußen zu belassen.“
Ich überlege, dass für eine solche Aktion in erster Linie Bürgermeister Satos intrigante Frau Eleanor in Frage käme. Blitzschnell ziehe ich meine Waffe aus dem Holster und richte sie auf Private Botha. „Du legst jetzt dein Gewehr ganz langsam auf den Boden.“
„Hä?“, macht der schnauzbärtige Bursche nur und reagiert nicht.
„Zum Plan gehört garantiert, dass uns Botha hier umlegen soll“, sage ich zu meinem Vorgesetzten.