Praxis Erfahrungen - Erik Schmidt - E-Book

Praxis Erfahrungen E-Book

Erik Schmidt

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Beschreibung

Jeder Tag in der Praxis bringt neue Geschichten, jede Patientenbegegnung ist eine Lektion in Menschlichkeit und Heilkunst. In diesem Buch öffnet ein langjähriger Heilpraktiker, Physio- und Hypnotherapeut seine Praxistüren und lädt Sie ein, an seinen Erfahrungen teilzuhaben. Es sind die kleinen Momente, die oft die größten Erkenntnisse bringen. Geschichten über Liebe, Schmerz, Freude und die Suche nach Wohlbefinden weben sich durch die Seiten dieses Buches. Der Autor teilt mit Ihnen, was er auf seinem Weg gelernt hat – nicht als allwissender Experte, sondern als stetig Lernender auf dem Pfad des Lebens. Hier finden Sie keine fertigen Antworten, sondern ehrliche Einblicke und anregende Gedanken, die dazu einladen, eigene Wege zu Gesundheit und Glück zu erkunden. Dieses Buch ist eine Sammlung von Momentaufnahmen, Reflexionen und Geschichten, die zeigen, wie vielschichtig und persönlich die Reise zur Heilung und zu einem erfüllten Leben sein kann.

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INHALT

VORWORT

WELTANSCHAUUNG

Blickwinkel

Wahrheit

Respekt

Gerechtigkeit

Freiheit

REGELN

Regelkreise

Systeme

Grenzen

ERZIEHUNG

Gewissen

Verantwortung

Entscheidungen

MENTALE PROZESSE

Vergleichen

Erinnerungen

Stress

100 %

Multitasking

Entspannung

Echo-Effekt

Psychopathen/Soziopathen

Opferrolle ablegen

Krisenbewältigung

GEDANKEN

Mantras

Meditation

Humor

Dankbarkeit

EMOTIONEN

Begriffserklärung

Angst

Wut

Trauer

Freude

Glück/Zufriedenheit

Geben – Nehmen

Helfersyndrom

Führen – Folgen

Sucht

KONSTANTEN

Begriffsklärung

Bewegung

Sexualität

Lebenspartner/-in

Eltern/Familie

Glaube

Vertrauen

Liebe

Beziehungen

Rhythmus

Gewohnheiten

Musik

Beruf

Finanzen

Wohnort

Tiere

Stammtisch

Konstanten stabilisieren

LAUF DES LEBENS

Die Zeit

Ein langes Leben

Energie

Schlaf

Demenz

Weisheit

Der Tod

Gesundheit

Krankheit

Schmerzen

Chronische Schmerzen

Körperwahrnehmungsübungen

Fit bleiben

Morgengymnastik

Ernährung

METAPHERN

DAS ENDE

Ziele & Aufgaben

Ein Traum

Der Weg ist das Ziel

Meine wichtigen Konstanten

FRAGEN & ANTWORTEN

ABSCHLIESSEND

VITA

LITERATUREMPFEHLUNGEN

ABBILDUNGSNACHWEISE

VORWORT

Eigene Erfahrungen sind kostbar, fremde unbezahlbar!

Erfahrungen lebendiger Organismen sind wie Diamanten: sehr kostbar und oft unbezahlbar. Beide überdauerten Millionen von Jahren. Mit der Zeit entwickelten Lebewesen und Diamanten ähnliche Eigenschaften: eine optimale Struktur und damit Stabilität und Widerstandsfähigkeit.

Mein Ziel ist es, meine beruflichen und privaten Lebenserfahrungen so weiterzugeben, dass Leser/-innen davon profitieren können. In diesem Buch werden Probleme und Lösungen beschrieben, denen wir häufig im Leben begegnen. Es ist so angelegt, dass Sie auf jeder Seite mit dem Lesen beginnen können. Die Erfahrung zeigt, dass es sich lohnt, das Buch mehrmals zu lesen. Sie entdecken mit Sicherheit immer wieder Neues.

Dieses Buch gibt eine vielfältige Sammlung beruflicher und privater Erfahrungen des Autors wieder. Persönliche Erlebnisse sind wahrheitsgetreu dargestellt, Geschichten aus dem Berufsleben dagegen so verändert, dass die Anonymität gewahrt bleibt. Es gibt keine namentlichen Angaben, es werden keine Geburtsjahrgänge genannt, auch nicht, in welchem Jahr die Ereignisse stattfanden.

Obwohl wir einzigartig sind, müssen wir immer wieder erkennen, dass sich unser „Innenleben“ und auch unsere Lebensläufe gar nicht so stark voneinander unterscheiden.

Warnhinweis: Einige Geschichten können bei Leser/-innen schmerzhafte Erinnerungen auslösen. Dabei kann es zu sogenannten Flashbacks kommen, die das Erlebte wieder aufleben lassen. Sind die Erinnerungen belastend für den Alltag, ist eine therapeutische Intervention hilfreich.

Lesen bedeutet, dass man außer dem eigenen auch das Gehirn von anderen nutzt!

Viel Freude beim Lesen wünscht

Erik Schmidt

WELTANSCHAUUNG

Wir wissen, dass Körper, Geist und Seele eine Einheit bilden und sich gegenseitig beeinflussen. Körperliche Beschwerden spiegeln sich in unserem geistigen Zustand und umgekehrt, unsere mentalemotionale Stimmung hat Auswirkungen auf körperliche Reaktionen, wie Hormonausschüttung, Blutdruck und Muskelspannung. Findet die Wechselwirkung in gewisser Harmonie statt, haben wir die gute Voraussetzung für ein erfolgreiches Leben. Deshalb hat die Weltanschauung wesentlichen Anteil an unseren Entscheidungen und unserem Erfolg.

Blickwinkel

Abb. 1. Blickwinkel

Wenn wir etwas betrachten, tun wir dies immer nur von unserem eigenen Standpunkt aus. Die Person gegenüber hat eine andere Perspektive, einen anderen Blickwinkel. Wenn auf einem Tisch ein Spielwürfel liegt und ich die Seite mit einem Punkt sehe, kann die Person mir gegenüber diese nicht sehen. Sie erfährt nur, was ich sehe, wenn ich es ihr sage. Der Spielwürfel repräsentiert symbolisch eine geografische, kulturelle, moralische, gesetzliche und politische Realität sowie geschichtliche und persönliche Erfahrungen.

Angenommen, wir hätten einen riesigen runden Tisch, an dem 8 Milliarden Menschen sitzen könnten. Auf dem Tisch wäre ein Objekt, das nun von diesen 8 Milliarden Blickwinkeln aus betrachtet wird. Wie das Objekt wirklich aussieht, könnte man nur durch den Dialog mit den anderen am Tisch erfahren. Personen, die nebeneinandersitzen, bilden dabei eine Gruppe, die ähnliche, aber nicht die gleichen Blickwinkel haben. Dennoch ist es für diese Personen viel einfacher, sich zu verstehen, da sie sich einer Gemeinschaft zugehörig fühlen. Einander gegenübersitzende Personen haben es viel schwerer, auf den gleichen Nenner zu kommen. Es wäre leichter und erfolgversprechender, wenn wir den Personen von gegenüber mehr zuhörten. Warum tun Menschen das so selten? Weil es zu anstrengend oder nicht interessant genug für sie ist. Oder misstrauen sie den anderen? Entwickeln sie dabei Gefühle des Unwohlseins oder der Angst? Oder ahnen sie, dass sie ihre eigene festgefahrene Meinung sowohl mental-emotionaler Art als auch in sozialer Hinsicht ändern müssten? Wahrscheinlich – deshalb bleiben viele Menschen lieber bei den alten Strukturen. Nichts zu ändern, ist wesentlich bequemer.

Erfahrungen aus der Praxis

Blickwinkel eines Kindes

Als meine Patientin sechs Jahre alt war, musste ihr Vater in den Zweiten Weltkrieg ziehen. Meine Patientin dachte allerdings, dass sie etwas Falsches getan habe und ihr Vater deshalb so plötzlich verschwunden sei. Sie lebte mit einem schlechten Gewissen über Monate und Jahre hinweg. Der Zweite Weltkrieg war zu Ende und eines Tages kam ihr Vater zurück. Sie war schon älter und verstand erst dann, warum der Vater damals so plötzlich nicht mehr da gewesen war. Der Krieg war schuld und nicht sie. Hätte sie schon damals jemand aus der Familie aufgeklärt, hätte sie weniger unter den Schuldgefühlen gelitten.

Meine Patientin meinte, dass eine Aufklärung nicht nur für Kinder notwendig sei, sondern auch für Erwachsene. Man kann nicht alles im Leben wissen und begreifen. Wenn man Ereignisse und Vorgänge gut versteht, geht man mit sich selbst und anderen Personen entspannter um.

Ähnliche Blickwinkel

Ein Anwalt erzählte, dass er bei der Arbeit am Anfang eines Treffens gegenüber dem Klienten sitzt und sich das Anliegen anhört. Bei der Lösungsfindung jedoch ändert mein Patient die Sitzposition und setzt sich neben den Klienten. Seiner Erfahrung nach wird schneller eine Lösung gefunden, wenn er neben dem Klienten sitzt. „Symbolisch betrachtet schauen wir in die gleiche Richtung und haben ähnliche Blickwinkel“, sagte er. Dadurch lassen sich Konflikte oft einfacher lösen. Eine weitere Möglichkeit, diese Verbundenheit zu schaffen, ist ein gemeinsamer Spaziergang.

Großstädter im Dorf

Ein Patient erzählte, dass er mit seiner Familie von einer Großstadt in ein Dorf umgezogen war. Nach ein paar Monaten hatte er über Bekannte erfahren, dass man dort unvorteilhaft über ihn sprach. Die Dorfbewohner meinten, dass mein Patient überheblich und arrogant sei, weil er niemanden im Dorf grüße. In der Großstadt grüßte er allerdings nur Freunde und Bekannte. Den Blickwinkel der Dorfbewohner und deren Lebensart kannte er nicht. Das Missverständnis war schnell geklärt und inzwischen ist das Zusammenleben in der Dorfgemeinschaft harmonischer und entspannter.

Wenn man die Lebensart der Bewohner eines Ortes, eines Landes kennt, funktioniert eine Integration in eine Gemeinschaft viel einfacher und schneller.

Gruppenbildung

Ein Patient war nach der Operation in einer Rehaklinik. Ihm ist folgendes Phänomen aufgefallen: An den Esstischen trafen sich regelmäßig bestimmte Gruppen von Menschen. Die einen waren beispielsweise immer fröhlich gestimmt, die anderen immer nörgelig und unzufrieden. Es kam nur selten vor, dass eine Person aus der „Nörgler“-Gruppe sich zu den „Fröhlichen“ gesellte. Und wenn doch, dann geschah dies nur einmalig, da die unterschiedlichen Weltanschauungen nicht harmonierten. Wir entscheiden uns oft unbewusst für soziale Kontakte, die ähnliche Perspektiven wie wir selbst haben. Besonders in den Zeiten, wo wir viel Ruhe und Entspannung brauchen.

Neugier

Eine 90-jährige Patientin sagte: „Ich bin nicht neugierig, ich will nur alles wissen.“ Ich sagte ihr, dass ich sie dafür sehr bewundere. Sie meinte, dass es ihr Charakter sei. „Ich denke, wenn ich auf dem

Sterbebett liegen würde, würde ich noch immer etwas wissen wollen und zu den Anwesenden sagen: „Schau mal im Internet nach, was das bedeutet“, sagte sie.

Man sollte immer bereit sein, etwas Neues zu lernen.

„Alt macht nicht das Grau der Haare,

alt macht nicht die Zahl der Jahre,

alt ist, wer den Humor verliert

und sich für nichts mehr interessiert.“

GOTTHOLD E. LESSING (1729–1781)

Abschließend

Seit Tausenden von Jahren, als Menschen noch um das Lagerfeuer saßen, war das Erzählen von Geschichten, Legenden, Mythen, Märchen und persönlichen Erlebnissen essenziell für das Überleben einzelner Personen und Gemeinschaften. Diese Geschichten waren lehrreich und nützlich. Kleine Kinder, von Natur aus neugierig, lauschen aufmerksam und lernen durch Zuhören, wie das Leben der Erwachsenen gemeistert werden kann. Wenn wir uns diese kindliche Neugier bewahren, öffnen wir uns die Tür zu einer spannenden Zukunft, egal in welchem Alter. Selbst mit hundert Jahren können wir immer noch neue und interessante Aspekte des Lebens entdecken!

In unserer heutigen Welt mit 195 souveränen Nationen und schätzungsweise 5.000 verschiedenen Stämmen, wie beispielsweise im Kongo mit seinen 12 Hauptstämmen und etwa 240 Unterstämmen, spiegelt sich diese Vielfalt auch in den über 7.000 Sprachen wider, die weltweit gesprochen werden. Von Chinesisch über Spanisch bis hin zu Englisch reicht das Spektrum der verbreitetsten Sprachen. In der heutigen Zeit wird unser Leben durch die Möglichkeit, mit der gesamten Welt in Kontakt zu treten und voneinander zu lernen, immens bereichert. Dank fortschrittlicher Technologie ist die Kommunikation einfacher denn je.

Doch um wirklich von dieser globalen Vernetzung zu profitieren, ist es entscheidend, nicht nur die Werkzeuge der Kommunikation zu beherrschen, sondern auch die Kunst der Verständigung und des zwischenmenschlichen Respekts zu pflegen. Echtes Verständnis und gegenseitiger Respekt sind die Grundlage dafür, andere Menschen wirklich zu verstehen – selbst wenn wir dieselbe Sprache sprechen. Je mehr wir uns in den Austausch mit anderen begeben und uns für unterschiedliche Perspektiven öffnen, desto reicher, anregender und erfüllender wird unser Leben.

Wahrheit

Wahrheit setzt sich zusammen aus aktuellen Informationen (Fakten) und Erfahrungen. Jeder Mensch hat eine andere Vergangenheit, andere Erfahrungen. Deshalb gibt es so viele Wahrheiten wie Menschen, nämlich 8 Milliarden. Eine absolute Wahrheit könnte es theoretisch über ein Objekt geben, wenn wir in der Lage wären, dieses gleichzeitig aus allen möglichen Blickwinkeln zu betrachten. Doch dazu müssten wir die Vergangenheit der 8 Milliarden Menschen kennen. Wir wissen, dass dies unmöglich ist.

Als Wahrheit erkennen wir an, wenn wir uns als Gruppe über den Eindruck eines Objekts einigen. Eine Einigung erreicht man über Fakten, die bestimmte Emotionen hervorrufen können. Das nutzen Firmen, um ihre Produkte zu verkaufen. Es ist bekannt, dass die Wahrnehmung der Menschen über Emotionen beeinflusst wird.

Das wusste schon Niccolo Machiavelli (1469–1527). In seinem Buch „Der Fürst“ beschreibt er, wie man eine Bevölkerung beeinflussen und erfolgreich regieren kann.

Erfahrungen aus der Praxis

Zeugen des Unfalls

Ein Patient erzählte, dass Staatsanwälte und Richter zu einem Jubiläum der Polizeiakademie eingeladen waren. Ein Bus hat alle eingeladenen Personen zum Ort der Feier gebracht. Als die Gäste aus dem Bus gestiegen sind, passierte ein Verkehrsunfall mit Fahrerflucht. Die Gäste waren Zeugen und mussten aussagen, was sie wahrgenommen haben. Sie wussten nicht, dass dieser Unfall inszeniert war und gefilmt wurde. Die Aussagen variierten stark. Das Fluchtfahrzeug hatte alle möglichen Farben und unterschiedliche Marken. Zum Schluss der Feier zeigte man den Film mit dem inszenierten Unfall. Viele der Gäste waren überrascht von der eigenen verfälschten Wahrnehmung. Man wollte die Gäste mit dieser Aktion darauf aufmerksam machen, dass unsere Wahrnehmung nicht immer mit tatsächlichen Ereignissen übereinstimmt, da sie von vergangenen Erlebnissen beeinflusst wird.

Fremdgehen

In meiner Praxis erzählte eine Patientin von einer Freundin, die eine mehrmonatige Affäre hatte, obwohl sie seit 15 Jahren in einer glücklichen Ehe lebte. Nach dem Ende der Affäre war die Freundin hin- und hergerissen, ob sie ihrem Ehemann davon berichten sollte. Meine Patientin riet ihr, diese Information für sich zu behalten, da das Offenlegen nur eine unnötige Belastung für den Ehemann darstellen würde. Dennoch entschied sich die Freundin, die Wahrheit zu offenbaren, was zur sofortigen Trennung und Scheidung führte.

Ich sehe in dieser Geschichte eine tiefgreifende Lektion über die Verantwortung in Beziehungen. Sie zeigt, dass Ehrlichkeit zwar eine grundlegende Säule in jeder Beziehung ist, jedoch auch, dass das Tragen der Konsequenzen unserer Handlungen eine persönliche Verantwortung ist. Manchmal kann das Schützen des Partners vor der eigenen Last der richtige Weg sein, um die Ehe zu bewahren und selbst Verantwortung zu übernehmen. Diese Situation unterstreicht die Bedeutung von Selbstreflexion und das Abwägen der Auswirkungen unserer Entscheidungen auf unsere Liebsten.

Gewissen erleichtern

Ein Patient erzählte, dass sein Onkel mit der Ehefrau vor dem Zweiten Weltkrieg einen Laden mit Kaffee, Schokolade und anderen Produkten hatte. Es gab eine Zeit, da fehlten immer kleine Mengen an Schokolade und Kaffee. Als sein Onkel über 80 Jahre alt war, erkrankte er so schwer, dass er dachte, er würde sterben. Er beichtete daher seiner Ehefrau, dass er damals vor dem Krieg Schokolade und Kaffee mitgenommen habe zu seiner damaligen Geliebten. Seine Frau war davon ausgegangen, dass die Angestellte die Sachen mitgenommen habe, und hatte sie deshalb entlassen. Seine Frau bat, er möge doch bitte sein schlechtes Gewissen vor einem Priester entlasten und nicht vor ihr, denn das sei grausam! Auch hier war die Wahrheit nur verletzend.

Besorgte Mutter

Ich behandelte eine 96-jährige Patientin in einem Altenheim. Sie wusste, dass ihr Sohn auch bei mir in Behandlung war. Dieser war allerdings schwer krank und starb. Eines Tages fragte mich meine Patientin, wie es ihrem Sohn gehe. Zu diesem Zeitpunkt waren schon ein paar Monate seit seiner Beerdigung vergangen. Ich überlegte kurz, was ich antworten sollte, und sagte, dass es ihm sehr gut gehe. Ich wusste, dass er durch den Tod von seinem Leiden erlöst worden war. Sie war über meine Antwort sehr erfreut.

Man sollte sich fragen: Wenn eine Wahrheit nur noch verletzend ist, ist es dann wirklich nötig, sie zu erzählen?

Man kann auch eine Wahrheit so vermitteln, dass sie nicht verletzend ist, wie in der folgenden Erzählung dargestellt wird.

Ein Herrscher hatte einen Traum. Er rief einen Traumdeuter zu sich. Dieser sagte, dass der Traum bedeute, dass der Herrscher einsam sterben wird. Der Herrscher war unzufrieden, warf den Traumdeuter in den Kerker und rief einen anderen. Dieser erzählte, dass der Herrscher so gesund wird, dass er alle Familienmitglieder überleben wird. Der Herrscher war sehr zufrieden und beschenkte den Traumdeuter reichlich. Die Erklärungen des Traums sind unterschiedlich, aber das Ergebnis ist gleich. Es kommt immer auf die Formulierung an.

Respekt

Respekt bedeutet Wertschätzung gegenüber Personen, Tieren, Pflanzen, Natur, ja gegenüber dem gesamten Universum! Wertschätzung erfordert eine mental-emotionale Haltung. Wir sind nur Teil der Natur und leben dank gegenseitiger Unterstützung aller Lebewesen in Symbiose, in Kooperation. Da alles, was im Universum existiert, Teil der Natur und erforderlich für das Zusammenleben aller Lebensstrukturen ist, muss alles als gleichwertig betrachtet werden.

Aber wieso sollten wir mit einem Einzeller gleichwertig sein? Sind wir nicht mehr wert?

Das Leben ist auf Einzeller und sehr kleinen Lebewesen wie Viren, Pilzen, Flechten und Bakterien aufgebaut. Wir bestehen aus etwa 40 Billionen Zellen und leben mit ca. 400 Billionen Bakterien in Symbiose, in Kooperation. Sie helfen uns und wir helfen den Bakterien, zu überleben. Beispielsweise unterstützen Darmbakterien den Verdauungsprozess und die Nahrungsaufnahme in unserem Körper. Ein Teil der Nahrung garantiert den Bakterien ihr Überleben.

Abb. 2. Kooperation

An einer Wand im Robert-Koch-Museum befindet sich ein Kreis mit einem Durchmesser von 2 m (2.000 mm). Er stellt alle bekannten nicht krankmachenden Bakterien dar. Dazu ist auch ein stecknadelkopfgroßer Kreis, etwa 2 mm, zu sehen. Er stellt symbolisch alle bekannten krankmachenden Bakterien dar.

Wie man auf der Abb. 2. sieht, ist der größte Anteil der Bakterien für uns nützlich. Sie helfen uns nicht nur bei der Verdauung der Nahrung, sondern unterstützen auch unser Immunsystem bei der Abwehr von Krankheitserregern im und auf dem Körper.

Auch wir Menschen leben, seit es uns gibt, in einer Art Symbiose, in Kooperation. In allen Epochen mussten sich die Menschen mit ihren besonderen Fähigkeiten gegenseitig unterstützen und ergänzen. So entstanden wirtschaftliche, finanzielle, wissenschaftliche, politische und soziale Netzwerke. Wir sind ein fester Bestandteil dieser Netzwerke. Und diese funktionieren nur mit Wertschätzung, sprich Respekt voreinander. Denn Respekt bedeutet, alles gleichwertig zu betrachten.

Gerechtigkeit

Wer unter Gerechtigkeit „für jeden das Gleiche“ versteht, muss wissen, dass dies zwar mathematisch, jedoch physikalisch nicht möglich ist. Es gibt keine zwei Hälften oder drei Teile, die gleich sind, weil eine exakte Teilung nicht durchführbar ist. Gerechtigkeit empfindet man dann, wenn nach einem Kompromiss jeder zufrieden ist. Streit, Gerichtsverhandlungen und Kriege werden geführt, weil Menschen nicht bereit sind, Kompromisse zu schließen. Es bedeutet, dass eine Seite sich benachteiligt fühlt oder durch Gier in jeglicher Form wie Macht, Geld, Besitz und Erfolg übertriebene Vorstellungen hat.

Psychologische Experimente zeigen, dass schon kleine Kinder ein Gerechtigkeitsempfinden haben und zu Kompromissen bereit sind.

Erfahrungen aus der Praxis

Erbstreit

Nach sieben Jahren in einem ungelösten Erbstreit berichtete eine Patientin von ihrem tiefen Bedauern, das Erbe damals nicht ausgeschlagen zu haben. Diese Entscheidung führte nicht nur zu anhaltendem rechtlichen Stress, sondern beeinträchtigte auch massiv ihre Gesundheit und Schlafqualität. Diese Erfahrung lehrt uns, dass es manchmal besser ist, materiellen Gewinn abzulehnen, um seelisches und körperliches Wohl zu bewahren. Sie betont die Bedeutung, die langfristigen gesundheitlichen Folgen einer Entscheidung zu bedenken, gerade in komplexen Situationen wie Erbstreitigkeiten.

Im Voraus gedacht

Ein Patient erzählte, dass er und seine Geschwister über die Teilung der Erbschaft, schon als sie sehr jung waren, offen miteinander gesprochen haben. Als die Eltern gestorben waren, haben sich alle an die Vereinbarungen gehalten, obwohl keine schriftlichen Belege existierten. Sie handelten nach dem Motto: „Versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen.“ Sie haben bis heute eine freundschaftliche und harmonische Beziehung.

„Kleinigkeit spaltet, Großzügigkeit verbindet.“

EMMA GOLDMAN (1869–1940),

AMERIKANISCHE FRIEDENSAKTIVISTIN

Freiheit

Wir befinden uns in einem sozialen Netzwerk. Es ist unmöglich, aus diesem System auszusteigen. Absolute Freiheit kann es nicht geben, weil wir Einschränkungen wie Gesetzgebung, Moral und Sitten unterworfen sind. Überall begegnen uns Grenzen, deshalb können wir nicht machen, was wir wollen.

Eigene Erfahrung

Begrenzte Wahl

Ich bin mit meiner Familie in einem kommunistischen Land groß geworden. Wir bekamen die Einschränkungen in vielen Bereichen des Lebens zu spüren. Eines Tages ging meine Frau einkaufen und versicherte mir, dass sie rechtzeitig zurück sei, damit ich pünktlich zur Arbeit gehen könne. Ich wartete, aber sie kam nicht. Ich konnte nicht einfach weggehen, weil ich auf die Kinder aufpassen musste. So organisierte ich telefonisch eine Vertretung für die Klasse, in der ich Sport unterrichten sollte. Meine Frau kam nach einer Stunde Verspätung mit der Begründung, dass es Käse zu kaufen gab und sie deshalb lange in einer Schlange stehen musste. Meine Frau hatte die freie Wahl, den Käse zu kaufen oder nicht zu kaufen. Sie entschied sich für den Kauf. Wir haben uns sehr auf den Käse gefreut, weil wir seit Wochen keinen mehr gegessen hatten. Bei meiner Arbeit hatten alle Verständnis dafür, dass ich zu spät kam, weil sie die Realität und die Knappheiten kannten.

Große Auswahl

Ein paar Jahre später wohnten wir bereits in Deutschland. Meine Frau hat mich zum Geschäft geschickt, damit ich Nudeln, und zwar „ganz bestimmte“, kaufen sollte. Ich stand vor zwei Regalen mit Nudeln und konnte diese „ganz bestimmten“ nicht finden. Ich spürte die Qual der Wahl und fühlte mich absolut nicht frei. Eine vorbeigehende Verkäuferin, die ich gefragt habe, half mir, die Nudeln zu finden. Ich kam nach Hause und habe sie stolz meiner Frau überreicht. Ende vom Lied: Es waren die falschen. Meine Frau musste die Nudeln dann selbst besorgen.

Große Auswahl kann überfordern, man fühlt sich eher eingeschränkt als frei. Beispielsweise durch die Vielfalt von Angeboten im Internet. Es werden Tausende von Eintragungen gezeigt. Woher soll man wissen, welche die richtigen sind?

Wenn ein Mensch sich im Alltag nicht eingeschränkt fühlt, wenn er das Gefühl hat, frei über sein Leben bestimmen zu können, spielen politische, wirtschaftliche und digitale Systeme für ihn eine untergeordnete Rolle.

Erfahrung aus der Praxis

Frei im Kloster

Ein Patient erzählte, dass er zwei Jahre in einem buddhistischen Kloster verbracht hat. Er hatte sich in seinem Leben eingeengt gefühlt. Er war ins Kloster gegangen, weil er nach Freiheit trachtete. Nach zwei Jahren war er der Meinung, dass er jetzt die Freiheit in sich spüre, die er sich ersehnt hatte. Nach drei Monaten zu Hause wurde er, für ihn völlig überraschend, in eine psychiatrische Klinik eingeliefert. Die Alltagsentscheidungen hatten ihn so stark überfordert, dass er einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte. Im Kloster musste er wenige Entscheidungen treffen, da der Alltag präzise vorbestimmt war.

Wenn jemand nach mehr Freiheit ruft, dann ruft er nach mehr Verantwortung.

Freiheit bedeutet, Verantwortung zu übernehmen!

» Eine realistische Sichtweise auf die Welt trägt wesentlich zu unserer Gesundheit und zu einem freundlichen und respektvollen Umgang miteinander bei. Es ist wichtig, dass wir uns selbst, anderen Menschen und der Natur gegenüber als gute Freunde verhalten.