Pre-Suasion - Robert Cialdini - E-Book

Pre-Suasion E-Book

Robert Cialdini

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Beschreibung

So bekommen Sie, was Sie wollen! Immer wieder kommen Sie in Situationen, in denen Sie andere in ihrem Verhalten beeinflussen wollen. Ihr Kunde soll den Kaufvertrag unterschreiben oder Ihr Kind soll Vokabeln lernen. Egal wie: Die anderen sollen sich von uns überzeugen lassen und endlich Ja sagen. Doch wie bringen wir sie dazu? Der Sozialpsychologe und Meister der Beeinflussung Robert Cialdini hat es herausgefunden: Die überzeugendsten Verhandler gewinnen den Deal, schon bevor es zum eigentlichen Gespräch kommt. Wie sie das machen und wie auch Ihnen das gelingt, zeigt dieses augenöffnende Buch.

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Robert Cialdini

Pre-Suasion

Wie Sie bereits vor der Verhandlung gewinnen

Aus dem Englischen von Carl Freytag

Campus VerlagFrankfurt/New York

Über das Buch

Immer wieder kommen Sie in Situationen, in denen Sie andere in ihrem Verhalten beeinflussen wollen. Ihr Kunde soll den Kaufvertrag unterschreiben oder Ihr Kind soll Vokabeln lernen. Egal wie: Die anderen sollen sich von uns überzeugen lassen und endlich Ja sagen. Doch wie bringen wir sie dazu? Der Sozialpsychologe und Meister der Beeinflussung Robert Cialdini hat es herausgefunden: Die überzeugendsten Verhandler gewinnen den Deal, schon bevor es zum eigentlichen Gespräch kommt. Wie sie das machen und wie auch Ihnen das gelingt, zeigt dieses augenöffnende Buch.

Vita

Robert Cialdini ist emeritierter Professor für Psychologie an der Arizona State University und Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Influence at Work.

www.influenceatwork.com

Für Hailey, Dawson und Leia. Ich konnte mich nie dafür begeistern, von meinen Vorgesetzten herumgeschubst zu werden – bis ich Enkel hatte, die mich in ihre Freuden einbezogen.

Inhalt

Danksagung

Anmerkung des Autors

Kapitel 1Pre-Suasion: Eine Einführung

1.1Per-Suasion

1.2Pre-Suasion

1.3Alles bleibt …

1.4 … anders

1.5Zeit und Zeitmanagement

Teil 1: Pre-Suasion heißt: die Aufmerksamkeit wecken

Kapitel 2. Privilegierte Momente

Kapitel 3. Bedeutung der Aufmerksamkeit: Sie verleiht Bedeutung

Kapitel 4. Was im Mittelpunkt steht, kann etwas bewirken

Kapitel 5. Was steuert die Aufmerksamkeit? Attraktionen

Kapitel 6. Was hält die Aufmerksamkeit fest? Magnetisierung

Teil 2: Prozesse: Die Rolle der Assoziationen

Kapitel 7. Assoziationen: Links im Neuronennetz

Kapitel 8. Pre-suasive Umgebungen: äußere versus innere

Kapitel 9. Pre-Suasion: Ursachen, Grenzen, Verbesserungen

Teil 3: Die Optimierung der Pre-Suasion

Kapitel 10. Sechs Wege zum Wandel: breite Alleen, smarte Abkürzungen

Kapitel 11. Wege zur Gemeinschaft: zusammen sein

Kapitel 12. Gemeinschaft im Gleichklang: zusammen handeln

Kapitel 13. Prä-pre-suasive Überlegungen: Frage der Ethik

Kapitel 14. Post-pre-suasive Nachwirkungen: Frage der Nachhaltigkeit

Teil 1Pre-Suasion heißt, die Aufmerksamkeit wecken

Kapitel 2Privilegierte Momente

2.1Fokus statt Hokus und Pokus

2.2Rutschbahn zum Ziel

2.3Wie gewinnt man Abenteurer für Abenteuer?

2.4Was die fokussierte Aufmerksamkeit kann und was nicht

Kapitel 3Bedeutung der Aufmerksamkeit: Sie verleiht Bedeutung

3.1Was wichtig ist, springt ins Auge − was ins Auge springt, ist wichtig

3.2Schleichwege zur Aufmerksamkeit

Hintergrundgestaltung: Kuschelwolken und ratternde U-Bahnen

Kundenlob und »Satisfizierung«

Eingebettete Reporter und die Wahrheit des Krieges

Kapitel 4Was im Mittelpunkt steht, kann etwas bewirken

4.1Giftmord und Glück im Spiel

4.2Hexenjagd und falsche Geständnisse

Kapitel 5Was steuert die Aufmerksamkeit? Attraktionen

5.1Sex sells

5.2Attraktivität der Gewalt

5.3Der Reiz des Neuen

Kapitel 6Was hält die Aufmerksamkeit fest? Magnetisierung

6.1Selbstbezüglichkeit: Ich als Zentrum der Welt

6.2Offene Geschichten

6.3Rätselhafte Geschichten

1. Erzähle eine Rätselgeschichte

2. Vertiefe das Rätsel

3. Erklärungen, Argumente, Gegenargumente

4. Liefere den Schlüssel für die richtige Erklärung

5. Löse das Rätsel auf

6. Ziehe die Schlussfolgerungen

Teil 2Prozesse: Die Rolle der Assoziationen

Kapitel 7Assoziationen: Links im Neuronennetz

7.1Denken heißt, Links herstellen

Sprachregelungen: Kein böses Wort!

Das rechte Wort zur rechten Zeit

Metaphern und Methoden

Endstation Sehnsucht: Was erwärmt die Seele?

Ich bin wir – und wir sind die Nummer eins

Ois is easy

Kapitel 8Pre-suasive Umgebungen: Außenwelten − Innenwelten

8.1Reizvolle Umgebungen: Die können wir nutzen

8.2Der Positivitätseffekt im Seniorenstift

8.3Reizvolle Innenwelt: Auf uns können wir bauen

Kapitel 9Pre-Suasion: Ursachen, Grenzen, Verbesserungen

9.1Assoziationen auf Abruf: »Seid bereit! – Immer bereit«

Offene Fragen – überraschende Antworten

Wenn-dann-Pläne

9.2Gegen falsche Propheten

Glück und rosa Wölkchen

Geheime Verführer: zuviel des Guten

9.3Müde Kunden als Opfer

Teil 3Die Optimierung der Pre-Suasion

Kapitel 10Sechs Wege zum Wandel: breite Alleen, smarte Abkürzungen

10.1Vertraute Wege

10.2Ist das schon alles?

Kapitel 11Wege zur Gemeinschaft: zusammen sein

11.1Der siebte Weg: Gemeinschaft

11.2Zusammen sein

Kapitel 12Gemeinschaft im Gleichklang: zusammen handeln

12.1Gleichklang und Sympathie

12.2Einssein und Unterstützung

12.3Musik verbindet: Gebimmel und Geklimper

12.4System-Engineering: zwei Denkformen

12.5Immer wieder die Reziprozitätsregel

12.6Zusammen produzieren

12.7Guter Rat ist nicht teuer

12.8Zusammenführen, zusammensetzen

Kapitel 13Prä-pre-suasive Überlegungen: eine Frage der Ethik

13.1Unehrlichkeit im Unternehmen: der dreifache Tumor

Kapitel 14Post-pre-suasive Nachwirkungen: Frage der Nachhaltigkeit

14.1Nachhaltige Änderungen durch starke Verpflichtungen

14.2Nachhaltige Änderungen durch Schlüsselreize

14.3Sag mir, wo du bist, und ich sag dir wer du bist

Literatur

Anmerkungen

Anmerkung des Autors

1.Pre-Suasion: Eine Einführung

2.Privilegierte Momente

3.Bedeutung der Aufmerksamkeit: Sie verleiht Bedeutung

4.Was im Mittelpunkt steht, kann etwas bewirken

5.Was steuert die Aufmerksamkeit? Attraktionen

6.Was hält die Aufmerksamkeit fest? Magnetisierung

7.Assoziationen: Links im Neuronennetz

8.Pre-suasive Umgebungen: Außenwelten − Innenwelten

9.Pre-Suasion: Ursachen, Grenzen, Verbesserungen

10.Sechs Wege zum Wandel: breite Alleen, smarte Abkürzungen

11.Wege zur Gemeinschaft: zusammen sein

12.Gemeinschaft im Gleichklang: zusammen handeln

13.Prä-pre-suasive Überlegungen: eine Frage der Ethik

14.Post-pre-suasive Nachwirkungen: Frage der Nachhaltigkeit

Register

Danksagung

Mein Dank gilt den Vielen, die mitgeholfen haben, damit ich dieses Buch verwirklichen konnte. Ganz oben auf der Liste steht Bobette Gorden, die die Entstehung vom ersten bis zum letzten Wort mit mir durchlebt hat. Von ihrem klugen Kopf, ihrem unfehlbaren Ohr und ihrem liebevollen Herzen konnte ich unschätzbar viel profitieren. Andere − Doug Kenrick, Greg Neidert, Linda Demaine, Jennifer Jordan, Gerry Allen und Charlie Munger − lasen einzelne Kapitel oder ganze Gruppen von Kapiteln und machten mir hervorragende Vorschläge. Wieder andere gaben mir ein hilfreiches Feedback, was das gesamte Manuskript betrifft. Nigel Wilcockson schenkte mir einen überzeugenden Überblick und hervorragende Empfehlungen, während mir Andrew White zeigte, wie bestimmte Aspekte des Textes auf nützliche Weise durch Internet-Quellen verbessert werden konnten. Richard Cialdini und Katherine Wanslee Cialdini erduldeten lange Lesungen von Kapitelentwürfen und blieben doch aufmerksam genug, um darauf mit hoch willkommenen Beobachtungen zu reagieren und mich zu unterstützen. Anna Ropiecka steuerte großartige Kommentare als tiefe Denkerin bei und schärfte damit meine Gedankengänge. Dass Englisch nicht ihre Muttersprache war, half mir, meine Sprache zu glätten.

Zuletzt möchte ich noch zwei Profis für die Herausgabe von Büchern erwähnen, die beide nicht nur meinen Dank verdienen, sondern auch meine ungeschmälerte Empfehlung an jeden potenziellen Autor. Mein Agent Jim Levine war ein Geschenk des Himmels. Er führte mich mit nie nachlassender Professionalität, ethischer Korrektheit und Klugheit durch den gesamten Entstehungsprozess. Ben Loehnen, mein Redakteur bei Simon & Schuster, vertrat das Projekt im Haus mit Nachdruck und war die Quelle vorzüglicher editorischer Ratschläge für den Schreibprozess. Das nun abgeschlossene Projekt ist durch seine Mitwirkung entschieden besser geworden.

Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich die Unterstützung durch all die Genannten erfahren durfte.

Anmerkung des Autors

Im Jahr 1946 veröffentlichte der Dichter W. H. Auden ein Gedicht mit einer Zeile, die den ernsten Rat gab, sich weder mit Statistikern zusammenzutun noch das Verbrechen zu begehen, sich mit Sozialwissenschaften abzugeben.1 Lange Zeit schienen selbst hochrangige Entscheidungsträger damit übereinzustimmen, indem sie ihre Entscheidungen auf ihre Intuition, die persönliche Erfahrung und Anekdoten gründeten. Inzwischen haben sich die Begriffe geändert, und die alten Zeiten sind vorbei: Statt Statistik sagt man heute Datenanalyse, und aus Sozialwissenschaft ist Verhaltenswissenschaft geworden.

Die alten Zeiten wurden in den großen Bereichen der Gesellschaft, in Wirtschaft, Politik, Staat, Erziehung, Landesverteidigung und Sport durch eine Ära der »Entscheidungsfindung auf der Grundlage von Beweisen« ersetzt. Es ist eine Ära, in der die Informationen der Big-Data-Analysten und Verhaltensforscher hoch eingeschätzt werden. Ich weiß nicht aus eigener Erfahrung, wie dieser Übergang im Bereich der statistischen Analyse ablief, konnte aber aus erster Hand die wachsende Stellung der Verhaltenswissenschaften durch meine Erfahrungen als Sozialpsychologe und als Autor des Buches Influence (deutschsprachige Ausgabe: Die Psychologie des Überzeugens) verfolgen.2

Als Influence 1984 veröffentlicht wurde, war die Resonanz zunächst nur gering. Die Verkaufszahlen waren so enttäuschend, dass mein Verleger das Geld für Werbung mit der Erklärung zurückzog, man könne es auch gleich im Kamin verbrennen. Nur wenige Leser interessierten sich für das, was ein Sozialpsychologe über sozialen Einfluss zu sagen hatte. Das wurde anders, als vier oder fünf Jahre später die Verkaufszahlen anstiegen und schließlich Bestsellerniveau erreichten, ein Niveau, auf dem sie seither blieben. Inzwischen weiß ich, was diesen Auftrieb verursacht hat: Die Zeiten hatten sich geändert, die Idee der »Entscheidungsfindung auf der Grundlage von Beweisen« wurde weitgehend akzeptiert, und Influence lieferte aus der sozialpsychologischen Forschung wertvolle Belege, wie man andere erfolgreich überzeugt − Belege, die zuvor nicht zur Verfügung standen, zumindest nicht so praktisch zusammengefasst.

Zwei weitere Faktoren haben zu der aktuellen Popularität solcher sozialpsychologischer Analysen und, darüber hinausgehend, von Influence beigetragen. Der erste Faktor ist der Aufstieg der Verhaltensökonomie, also einer Theorie, die ökonomischen Entscheidungen des Menschen zu verstehen. Die Verhaltensökonomie stellte das klassische ökonomische Denken infrage und fegte es zum Teil hinweg. Obwohl sie ihr eigenes Arbeitsfeld absteckte, hat sie Aspekte des sozialpsychologischen Denkens (beispielsweise die häufige Irrationalität des menschlichen Verhaltens) und der sozialpsychologischen Methodik (randomisierte, kontrollierte Experimente) mit einbezogen.

Einige meiner Kollegen haben das Gefühl, die Verhaltensökonomen haben sie beraubt, indem sie einige Entdeckungen als ihre eigenen ausgaben und vergaßen, die Existenz höchst ähnlicher sozialpsychologischer Erkenntnisse anzuerkennen. Ich teile diese Verbitterung nicht. Es gibt zwar einige Überschneidungen, sie sind aber nicht groß. Wenn überhaupt, hat die Verhaltensökonomie die öffentliche Anerkennung der Sozialpsychologie verstärkt, indem sie einige Kernstücke übernommen hat und ihnen einen Platz in den Köpfen der Entscheidungsträger sicherte. Vor zehn Jahren wurden keine Sozialpsychologen zu internationalen Konferenzen über Politik und Wirtschaft eingeladen − und auch das ist heute vorbei.

Der andere Beitrag zur derzeitigen Akzeptanz des sozialpsychologischen Ansatzes ist die neu entstandene Bereitschaft der Sozialpsychologen, ihre Arbeiten (und deren Bedeutung) einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Das ist eine Wendung, zu der meiner Meinung nach Influence beigetragen hat. Bevor das Buch erschien, waren die meisten meiner Kollegen unsicher, wenn es um die Veröffentlichung populärwissenschaftlicher Texte ging. Wäre die Sozialpsychologie ein Unternehmen gewesen, hätte sie über eine starke Abteilung für Forschung und Entwicklung verfügt – aber über keine Verkaufsabteilung. Wir sind mit unserer Forschung nicht nach außen gegangen und haben uns nur untereinander durch Aufsätze in Fachzeitschriften ausgetauscht, die vermutlich kein Nichtfachmann lesen würde. Eine Beobachtung des Rechtswissenschaftlers James Boyle nennt den Hauptgrund: »Du hast noch nie etwas wirklich Herablassendes gehört, wenn du nicht gehört hast, wie ein Akademiker das Wort ›Popularisierer‹ ausspricht.« Das hat sich inzwischen geändert. Die Sozialpsychologen kommunizieren wie unzählige andere Verhaltenswissenschaftler mit der breiteren Öffentlichkeit wie nie zuvor in weit verbreiteten Blogs, Kolumnen, Videos und Büchern. In dieser Hinsicht befindet sich die Verhaltenswissenschaft in einer Art Goldenem Zeitalter.

***

Pre-Suasion, mein neues Buch, versucht nun, den Wissensschatz der Verhaltenswissenschaften durch Informationen zu ergänzen, die ein breiteres Publikum schon an sich interessant findet, die aber auch nützlich für das Alltagsleben sind. Das Buch identifiziert, was kluge Kommunikatoren vor ihrer eigentlichen Botschaft tun, damit diese auch ankommt. Diese strenge Zeitabfolge ist neu. Schon früher hat man festgestellt, dass es klug ist, durch vorausgehende Maßnahmen den späteren Erfolg zu sichern. Der chinesische Militärstratege Sunzi bekräftigte beispielsweise die Bedeutung früher Planung und erklärte in seiner Kunst des Krieges, dass die Schlachten bereits gewonnen oder verloren sind, bevor sie überhaupt begonnen haben. Beratern bringt man bei, das Unternehmen eines Kunden für sich zu gewinnen, indem sie zuerst den Status eines »Ratgebers« erlangen, »dem man vertraut«. Und schließlich hat uns Dale Carnegie versichert: »Wer sich für andere interessiert, gewinnt in zwei Monaten mehr Freunde als jemand, der immer nur versucht, die anderen für sich zu interessieren, in zwei Jahren.« Das sind alles weise Ratschläge. Aber es gibt einen Haken: Sie benötigen Tage, Wochen und Monate an Vorbereitung.3

Wäre es nicht möglich, die Effizienz nicht nur mit einem so langen zeitlichen Vorlauf zu verbessern, sondern in einem Augenblick, dem letzten Moment, bevor die Botschaft verkündet wird? Es ist nicht nur möglich, sondern wird schon gemacht! Kommunikatoren können ihren Erfolg vergrößern, wenn sie wissen, was sie kurz vor der eigentlichen Botschaft sagen oder tun müssen. Marcus Tullios Cicero, der römische Rhetoriker des 1. Jahrhunderts v. Chr., wusste von der Macht lang andauernder Einflüsse auf das menschliche Verhalten und klagte in seiner Zweiten Rede gegen Verres: »O tempora, o mores« – »Was für Zeiten, was für Sitten«. Dieses Buch bietet eine viel unmittelbarere und handhabbarere Quelle des Einflusses: Es ist der richtige, der privilegierte Moment.4

Eine letzte Anmerkung gilt passenderweise den Endnoten. In ihnen finden Sie nicht nur weitere Zitate aus relevanten Forschungsarbeiten und die Nachweise der Quellen, sondern auch Informationen zu den Themen, die dazu dienen können, Ihr Wissen in interessante Richtungen zu erweitern. Entsprechend können Sie sie zum Teil als Co-Kommentare sehen.5

Kapitel 1Pre-Suasion: Eine Einführung

1.1Per-Suasion

Ich habe einmal als eine Art Geheimagent die Trainingsprogramme einer ganzen Reihe von Berufszweigen unterwandert, die darauf aus waren, ihre Adressaten dazu zu bringen, Ja zu sagen. Über fast drei Jahre habe ich die Kurse aufgezeichnet, mit denen angehende Autoverkäufer, Direktvermarkter, TV-Werbeleute, Frontline-Manager, Fundraiser von Wohltätigkeitsorganisationen, PR-Experten und Personalreferenten von Unternehmen angelernt wurden. Ich wollte herausfinden, mit welchen Praktiken sie immer wieder arbeiteten. Ich antwortete also auf die Anzeigen der Firmen, die Lehrgangsteilnehmer suchten oder versuchte auf andere Weise, mit meinem Notebook in der Hand am Training teilzunehmen und die Weisheiten aufzusaugen, die das Ergebnis jahrelanger Erfahrungen in der Kunst des Überzeugens oder der Persuasion waren.

Bei diesen Programmen durften fortgeschrittene Teilnehmer oft einem alten Profi dabei zusehen, wie er seinem Geschäft nachging. Ich versuchte immer, solche Gelegenheiten zu nutzen, weil ich nicht nur herausfinden wollte, was die Praktiker ganz allgemein taten, um Erfolg zu haben, sondern vor allem, was die Besten ihres Berufs taten. Ich traf dabei sehr schnell auf ein Vorgehen, das meine bisherige Vermutung erschütterte, die Asse ihres Berufs würden mehr Zeit als die kleineren Lichter darauf verwenden, das ganz besondere ihres Angebots zu entwickeln, also seine Klarheit, seine Logik und andere wünschenswerte Eigenschaften herauszuarbeiten. Aber gerade das hab ich nicht gefunden.

1.2Pre-Suasion

Die allerbesten Spitzenkräfte verwendeten mehr Zeit darauf, zu entwickeln, was sie vor der Formulierung des eigentlichen Anliegens taten und sagten. Sie gingen es wie erfahrene Gärtner an, die wissen, dass selbst das beste Saatgut keine Wurzeln fassen und keine Früchte tragen wird, wenn der Boden steinig und nicht gut vorbereitet ist. Sie verbrachten viel Zeit mit dem Beackern der Felder des Einflusses, indem sie über deren Bestellung und den Anbau nachdachten. Sie wollten damit sicherstellen, dass die Situation, mit der sie konfrontiert werden würden, schon vorgeprägt war und ihre eigentliche Botschaft Früchte tragen konnte. Natürlich überlegen sich die Besten auch, was sie eigentlich anbieten wollten, und kümmerten sich darum. Aber weit mehr als ihre weniger erfolgreichen Kollegen verließen sie sich nicht auf die zu Recht bestehenden Vorzüge eines Angebots, um für seine Akzeptanz zu sorgen. Sie hatten begriffen, dass der psychologische Rahmen, in dem ein Angebot zum ersten Mal präsentiert wird, ein ebenso großes oder sogar größeres Gewicht haben kann. Ohnehin waren sie oft nicht in der Position, an den Vorzügen ihres Angebots herumbasteln zu können. Die Produkte, Programme oder Pläne, die sie anzupreisen hatten, waren von jemand anderem in der Firma geschaffen worden und konnten oft auch nicht verändert werden. Sie waren nur dafür verantwortlich, sie auf die produktivste Weise vorzustellen. Um das zu erreichen, versuchten sie etwas, was ihrem Vorgehen eine besonders verführerische Zugkraft verlieh: Vor der eigentlichen Botschaft stellten sie sicher, dass ihr Publikum gegenüber dem Angebot wohlwollend eingestellt war. Kurz: Sie machten die Überzeugung oder »Persuasion« durch eine »Pre-Suasion« noch wirkungsvoller.1

Für alle, die mehr Einfluss haben wollen, ist das eine entscheidende Einsicht: Die besten Überzeugungskünstler werden durch Pre-Suasion noch besser, wodurch die Adressaten der Botschaft für die Botschaft empfangsbereit gemacht werden, bevor sie überbracht wird. Um jemanden auf optimale Weise zu überzeugen, ist es notwendig, ihn optimal pre-suasiv einzustimmen. Aber wie?

Zur Antwort gehört ein wichtiger, aber nur wenig berücksichtigter Grundsatz jeder Art von Kommunikation: Was wir als Erstes vorbringen, ändert die Art und Weise, wie unser Publikum auf das darauf Folgende reagiert. Ich erzähle dazu gern eine kleine Geschichte von einem Kollegen aus Toronto. Achten Sie einmal darauf, wie schon eine kleine Differenz im Vorgehen die Grundlagen seiner Beratertätigkeit verändert hat! Über Jahre war es für ihn nicht ungewöhnlich, dass bei einem Angebot für ein großes Projekt die Kunden einen Preisnachlass von 10 oder 15 Prozent wünschten. Wie er mir sagte, war es frustrierend, weil er nie damit zufrieden war, das Budget aufzupolstern, um der möglichen Kostenerhöhung etwas entgegenzusetzen. Stimmte er dem Preisnachlass zu, wurde sein Profit so gering, dass es sich fast nicht lohnte, den Auftrag anzunehmen. Nahm er die Kürzung nicht hin, hätte er entweder den Auftrag verloren oder seine Geschäftspartner wären zunächst verärgert gewesen, weil er mit ihnen nicht über den Preis verhandeln wollte.

Während einer Präsentation stieß er dann durch Zufall auf ein Manöver, das ihm das Problem für immer vom Hals schaffte. Es war kein Versuch, Schritt für Schritt die Kosten für seine Dienste zu spezifizieren oder den Preis zu begründen. So etwas hatte er schon längst aufgegeben, weil es nur zu einer genaueren Überprüfung der Kalkulation führte. Stattdessen machte er nach seiner Standardpräsentation und kurz bevor er seinen Preis (75 000 Dollar) nannte, einen Scherz: »Es ist klar, dass ich Ihnen dafür nicht eine Million Dollar abknöpfen kann.« Der Kunde blickte von dem schriftlichen Entwurf auf, den er gerade studierte, und sagte, »Okay, da haben Sie Recht!« Die Besprechung ging dann ohne jeden weiteren Hinweis auf einen Preisnachlass weiter und endete mit der Unterzeichnung des Vertrags. Mein Kollege behauptet, dass diese Taktik, einen offenkundig unrealistischen Preis für den Auftrag zu nennen, nicht immer Erfolg hat, denn es gibt allzu viele andere Faktoren zu berücksichtigen, aber fast immer Preisdiskussionen ausschließt.

Obwohl er einfach nur darüber stolperte, ist mein Freund mit der Erkenntnis nicht allein, wie bemerkenswert effektiv es sein kann, einfach eine große Zahl in den Raum zu stellen und damit in die Köpfe der anderen zu pflanzen. Forscher haben herausgefunden, dass der Geldbetrag, den jemand für ein Dinner auszugeben bereit ist, größer ist, wenn das Restaurant »Studio 97« heißt und nicht »Studio 17«. Oder auch, dass der Betrag, den jemand für eine Packung belgischer Schokolade bezahlen will, größer wird, wenn man ihn vorher gebeten hat, zwei große Ziffern seiner Ausweisnummer aufzuschreiben. Eine Studie über Arbeitsleistungen zeigte dann noch, dass die Teilnehmer ihre Anstrengungen und das Resultat größer einschätzten, wenn die Studie als »Experiment 27« statt als »Experiment 9« bezeichnet wurde. Und schließlich hat man herausgefunden, dass die Abschätzung der Leistungen eines Sportlers besser ausfällt, wenn sein Trikot eine große Ziffer zeigt.

Die mächtige Wirkung dessen, was vorausgeht, ist nicht auf große Zahlen beschränkt. Andere Forscher haben gezeigt, dass College-Studenten, nachdem sie eine Reihe langer Linien auf ein Blatt Papier gezeichnet hatten, die Länge des Mississippi größer einschätzten als andere, bei denen es kurze Linien waren. Kunden in einer Weinhandlung griffen wiederum eher zu deutschen Weinen, wenn deutsche Schlager aus dem Lautsprecher quollen, während sie nach der Berieselung mit französischen Chansons französische Weine vorzogen.2

Es sind also alle möglichen Erfahrungen, die die Richtung für das Weitere vorgeben: das Zeigen von Ziffern, die Länge einer Linie oder ein Musikstück. Und es kann, wie wir noch in den späteren Kapiteln sehen werden, ein kurzes Aufblitzen von Aufmerksamkeit sein, das auf einen Aspekt aus einer Reihe ganz bestimmter psychologischer Konzepte gerichtet ist. Dieses Buch handelt hauptsächlich von den Dingen, die die Überzeugungsarbeit verbessern, die einzelnen Kapitel stellen daher die Konzepte vor, die am ehesten geeignet sind, die Zustimmung der Rezipienten zu erreichen. Es ist hier wichtig, die Rolle der Wahrscheinlichkeit im Auge zu behalten, auf die man unausweichlich trifft, wenn man sich im Reich des menschlichen Verhaltens betätigt: In diesem Reich kann man über Gewissheiten nur lächeln. Keine Überzeugungstechnik wirkt mit Sicherheit. Es gibt aber Ansätze, die die Wahrscheinlichkeit der Zustimmung konsequent erhöhen. Und das ist genug. Schon eine merkliche Zunahme der Chancen reicht aus, um einen deutlichen Vorsprung zu erreichen.

Zuhause reicht diese Zunahme der Chancen aus, uns die Mittel in die Hand zu geben, damit unsere Wünsche selbst gegenüber den widerspenstigsten Adressaten, unseren Kindern, erfüllt werden. Bei der Arbeit reicht sie aus, wenn die Organisationen oder Unternehmen, die solche Ansätze verwenden, mit ihnen ihre Konkurrenten ausstechen, und zwar selbst Konkurrenten, die ein gleich gutes Angebot haben. Sie reicht auch aus, um denen, die wissen, wie man diese Ansätze verwendet, die Mittel zu geben, in einem Unternehmen besser, ja die Besten zu werden.

Nehmen wir zum Beispiel eine dieser Spitzenkräfte. Wir wollen den Mann Jim nennen, denn zum Henker, er hieß einfach so. Er arbeitete für eine Firma, deren Trainingsprogramm ich zu studieren begonnen hatte. Die Firma stellte teure, auf Hitze reagierende Feueralarm-Systeme für Wohnungen her. Jim war der beste Verkäufer. Ihm gelang natürlich nicht jeder Abschluss, aber die Wahrscheinlichkeit, nach einem ersten Telefonanruf schließlich einen unterschriebenen Vertrag in der Tasche zu haben, wurde von Monat zu Monat größer, und der Abstand zu seinen Konkurrenten wuchs. Nach einer Einführung im Unterrichtsraum wurde ich dazu bestimmt, die nächsten paar Tage verschiedene Verkäufer zu begleiten, um zu lernen, wie sie durch den Verkaufsprozess navigieren. Dazu gehörte immer ein Besuch bei einer Familie, mit der eine Vorführung vereinbart worden war.

Jim war der Star, deshalb wollte ich mir seine Technik genauer anschauen. Ein Trick trug zu seinem Erfolg ganz besonders bei: Bevor er das eigentliche Verkaufsgespräch begann, schuf er eine Aura des Vertrauens in der Familie. Vertrauen zählt zu den Qualitäten, die zur Zustimmung führen, vorausgesetzt, es wird hergestellt, bevor das eigentliche Anliegen vorgebracht wird. Jenseits all der Berge wissenschaftlicher Arbeiten und Bücher, die diesen Punkt betonen und Wege vorschlagen, wie man Vertrauen gewinnt, ging Jim in einer Weise vor, von der ich noch nirgends gelesen hatte: Er gab vor, wieder einmal alles vermasselt zu haben.

Das übliche Vorgehen bei den Verkaufsgesprächen, das alle Verkäufer gelernt hatten, war ein Standardprogramm der Unternehmen dieses Wirtschaftszweigs. Nach ein wenig Smalltalk, um ein gutes Klima herzustellen, sollten die Interessenten (gewöhnlich ein Paar) in zehn Minuten einen schriftlichen Test ausfüllen, der ihnen zeigen sollte, wie wenig sie über die wirklichen Gefahren eines Feuers im Haus wussten und wie wenig Ahnung sie von Brandsicherung hatten. Nach Absolvierung des Tests kamen die Vertreter zur Sache und begannen ihr aktives Verkaufsgespräch, indem sie das Alarmsystem vorstellten und mit den potenziellen Käufern ein dickes Buch durchblätterten, das dokumentierte, dass ihr System besser als alle anderen war. Jeder Vertreter brachte dieses Buch gleich mit ins Haus und hatte es immer für den Fall in der Nähe, dass es nötig wurde. Nicht aber Jim. Er wartete, bis das Paar mit dem Test anfing, um sich mit der Hand auf die Stirn zu schlagen: »Oh, ich habe wirklich wichtige Infos im Auto gelassen und muss sie holen. Ich will den Test nicht unterbrechen, es ist doch okay, wenn ich kurz selbst rausgehe und mit den Infos zurückkomme?« Die Antwort war immer so etwas wie »Klar, kein Problem«. Oft brauchte er auch einen Schlüssel, um wieder ins Haus zu kommen − und er bekam ihn.

Ich schaute Jim bei drei solcher Vorstellungen zu. Er gestand jedes Mal beim gleichen Stand des Kundengesprächs auf die gleiche Weise seine »Vergesslichkeit«. Bei der Rückfahrt ins Büro am Abend fragte ich nach. Zweimal gab er mir keine direkte Antwort, er war gereizt und dachte, ich würde ihn zwingen, sein Geschäftsgeheimnis zu verraten. Aber nachdem ich beharrlich blieb, platzte er damit heraus: »Bob, denk mal nach! Wen lässt du ohne Aufsicht in deinem Haus ein- und ausgehen? Nur jemand, dem du vertraust, okay? Ich möchte in den Köpfen der Familienmitglieder mit ›Vertrauen‹ verbunden werden.«

Der Trick war brillant − wenn auch ethisch nicht ganz einwandfrei. Er steht für eine der zentralen Aussagen dieses Buches: Die wirklich einflussreichen Dinge, die wir vor der eigentlichen Botschaft sagen oder tun, dienen dazu, auf unser Publikum pre-suasiv einzuwirken. Das geschieht, indem die Assoziationen des Publikums verändert werden, die es mit dem verbindet, was wir als nächstes sagen oder tun wollen. In Kapitel 7 werde ich das Argument vertreten, dass sich alle geistigen Aktivitäten als Assoziationsmuster innerhalb eines weiten und komplizierten neuralen Netzwerks entwickeln, und dass der Versuch, Einfluss zu nehmen, nur in dem Maß erfolgreich sein kann, wie die Assoziationen, die von ihm angerührt werden, für einen Wechsel (der Ansichten, des Lieblingssoftdrinks, der Partei …) günstig sind.

Jims Taktik illustriert das sehr schön. Um ein Superverkäufer zu werden, musste er nicht an den Eigenschaften des Alarmsystems drehen, das er verkaufte. Er musste auch nicht an der Logik, der Wortwahl oder dem Stil basteln, mit dem er es vorstellte. Tatsächlich wich er von der Standardpräsentation überhaupt nicht ab. Er versuchte nur zuerst, von den potenziellen Käufern mit »Vertrauen« assoziiert zu werden. Alle daran hängenden und höchst positiven Assoziationen würden sich dann auch mit ihm und seinem Angebot verbinden. Selbst Jims unorthodoxe Methode, sich selbst mit »Vertrauen« zu verbinden, war rein assoziativ. Er gab gar nicht erst vor, ein Mensch zu sein, dem die Leute offenen Zugang zum Haus gewähren, wie etwa einem engen Freund oder einem Familienmitglied. Er arrangierte es nur so, dass er in einer Weise behandelt wurde, wie sie für vertrauenswürdige Personen aus diesem Kreis charakteristisch ist. Es ist bemerkenswert, dass diese Taktik der einzige wirkliche Unterschied zwischen Jims Performance und der seiner deutlich weniger erfolgreichen Kollegen war. So stark wirken bloße Assoziationen!

Alles in allem gibt es außer dem Aufbau von Vertrauen etliche andere »erste Schritte«, die Überzeugungskünstler einsetzen können, um ihr Gegenüber für das offener zu machen, was sie präsentieren wollen. Die Schritte können verschiedenster Art sein und werden dementsprechend von den Verhaltenswissenschaftlern ganz unterschiedlich eingeordnet: als Rahmen, Anker, Hauptpunkt, Einstellung oder erster Eindruck. Ich werde mich mit all diesen Formen im Weiteren auseinandersetzen und sie dabei immer als Öffner bezeichnen, denn sie öffnen Dinge auf zweierlei Weise für Einflüsse: Sie stoßen den Überzeugungsprozess an, indem sie die ersten Punkte vorgeben, die Anfänge des Überzeugungsappells. In ihrer zweiten Funktion bereiten sie aber den Weg für die Überzeugung selbst vor, indem sie existierende Hindernisse beseitigen und das Denken öffnen − und für potenzielle Super-Überzeuger wie Jim sogar die Haustüren.3

1.3Alles bleibt …

Es gibt einen witzigen Dialog, von dem ich gehört habe, dass ihn Profis der Beeinflussung gern erzählen. Er handelt von den Schwierigkeiten, Kunden in die gewünschte Richtung zu bewegen. Es ist ein Dialog zwischen einem Vertreter einer Marketingfirma und einem potenziellen Kunden, der eine neue Sorte von tiefgefrorenem Spinat unter die Leute bringen will.

Kunde: Haben Sie Erfahrungen im Vermarkten neuer Nahrungsmittel?

Marketingexperte: Wir haben da eine Menge Erfahrung.

Kunde: Schließt das auch den Verkauf von Tiefkühlkost ein?

Marketingexperte: Aber ja.

Kunde: Was ist mit eingefrorenem Gemüse?

Marketingexperte: Im Lauf der Jahre haben wir einige Sorten vermarktet.

Kunde: Spinat auch?

Marketingexperte: Ja, auch Spinat.

Kunde: (lehnt sich jetzt vor, die Stimme voll angespannter Erwartung) Ganze Blättern oder … geschnitten?

In Geschäftsbesprechungen erzeugt der Dialog bei den Beeinflussungsprofis spöttisches, wissendes Gelächter. Natürlich finden sie ihn überhaupt nicht lustig, wenn der Scherz ihnen gilt, beispielsweise wenn sie einen Vertrag oder einen Verkauf bei einem zukünftigen Kunden vermasselt haben, weil sie sich in Details verbissen hatten und nicht das große Ganze vermitteln konnten. Die verächtliche Reaktion auf die Pointe des Scherzes erschien mir immer seltsam, denn ich fand, dass diese Überzeugungsprofis genau so kleinlich und eng waren: nicht in den Treffen mit einem Kunden, aber bei den Trainingskursen, die sie auf solche Treffen vorbereiten sollten.

Es war nicht lange nachdem ich »undercover« in den Trainingskursen dieser Praktiker saß, als ich mit etwas Sonderbarem konfrontiert wurde: Die Teilnehmer der Kurse wussten fast immer, dass die Überzeugungsarbeit je nach Sparte unterschiedlich angegangen werden musste. Will man jemand umstimmen und zu einem Wechsel überreden, funktioniert Werbung anders als das Vermarkten, das Vermarkten wieder anders als das Spendensammeln, das wiederum anders als Public Relations, die wieder anders als Lobbyarbeit und die anders als das Anwerben von Personal.

Mehr noch: Die Unterschiede waren sogar innerhalb der Sparten groß. Um Lebensversicherungen zu verkaufen, die bis ans Lebensende reichen, muss man anders vorgehen als bei Versicherungen über kurze Zeiträume, LKW verkaufen sich anders als PKW, der Online-Verkauf läuft anders als der Verkauf in einem Laden, Waren verkaufen sich anders als Dienstleistungen, es ist anders, etwas privat zu verkaufen als an eine Firma, und Großhandel und Einzelhandel unterscheiden sich auch.

Nicht dass es falsch war, dass die Ausbilder ihr eigenes Steckenpferd von dem der Kollegen aus anderen Berufszweigen unterschieden, aber ihr ständiger Hinweis auf ihre Einzigartigkeit führte auch zu Fehlentscheidungen: Sie verzettelten sich oft in Kleinigkeiten, die ohne Bedeutung waren. Schlimmer noch: Bei ihrer Betonung der Unterschiede erfolgreicher Überzeugungsmethoden konzentrierten sie sich nicht genug auf eine außerordentlich wichtige Frage: Was ist bei ihnen gleich?

Das zu übersehen, schien mir ein ernsthafter Fehler zu sein, denn wenn man den Lehrgangsteilnehmern wirklich zeigen konnte, was sich über ein weites Feld von Einflusssituationen als überzeugend bewiesen hat, konnte ihnen das helfen, in allen möglichen Zusammenhängen, seien sie vertraut oder neu, den Sieg davonzutragen. Wenn man ihnen wirklich beibringen konnte, diese universellen Prinzipien zu verstehen und anzuwenden, die einer effizienten Überzeugung zugrunde liegen, würden die Details des Wechsels, den sie zu erzielen hoffen, keine Rolle spielen. Sie würden glänzen, ganz gleich ob ihr Beeinflussungsversuch dem Groß- oder dem Einzelhandel gilt, für das ganze Leben oder nur für eine befristete Zeit gedacht ist − oder ob es um ganze oder geschnittene Spinatblätter geht.4

In dieser Zeit, in der ich mich bei Trainingsprogrammen von Wirtschaftsunternehmen umsah, wollte ich herausfinden, was bei all den wirklich tollen professionellen Ansätzen der Beeinflussung parallel ablief. Für mich war die Leitfrage in diesen fast drei Jahren: »Was ist das Gemeinsame dieser Ansätze? Was sorgt dafür, dass sie gut funktionieren?« Die Antworten auf diese Fragen, die sich herausschälten, zeigten eine erste Spur, die mich überraschte. Ich kam auf nur sechs psychologische Prinzipien, die gewöhnlich im auf Dauer erfolgreichen Beeinflussungsgeschäft verwendet werden. Ich habe behauptet, dass diese sechs − Reziprozität, Konsistenz, soziale Bewährtheit, Sympathie, Autorität und Knappheit − bestimmte universelle psychologische Komponenten der Überzeugungskunst repräsentieren. Jedem dieser sechs Prinzipien habe ich ein Kapitel von Influence gewidmet.

1.4 … anders5

In einem Teil des vorliegenden neuen Buches habe ich versucht, mich wieder mit diesen sechs Prinzipien zu befassen, habe aber eine wichtige Richtungsänderung vorgenommen. Das frühere Buch habe ich geschrieben, um Kunden darauf zu bringen, wie sie Widerstand gegen Einflüsse leisten können, die sie auf unangemessene und unwillkommene Weise treffen. Es gab einen Faktor, der mich angespornt hatte, das neue Buch zu schreiben, obwohl Influence (und auch die deutsche Übersetzung Die Psychologie des Überzeugens) inzwischen zahlreiche Auflagen hat und in einem Maß ein Bestseller wurde, das ich mir nicht hatte vorstellen können: Aus einigen Verbraucherschutzgruppen kam der Wunsch nach einer Fortsetzung. Mein Telefon stand auch noch wegen zwei anderen Sorten von Anrufern nicht still: Vertreter von Unternehmen luden mich ein, zu ihren Gruppen zu sprechen und einzelne Leser wollten wissen, wie sie im Alltagsleben bei ihren Kollegen, Freunden, Nachbarn und in der Familie mehr Einfluss bekommen könnten. Mir war klar geworden, dass viele Menschen ganz hungrig darauf sind, nicht nur zu lernen, wie man Überzeugungskünste abwenden oder zurückweisen kann, sondern wie man sie anwenden kann.

Anders als in Influence ist eines der Ziele dieses Buches, diesen Hunger direkt zu stillen – aber mit zwei Diäteinschränkungen. Die erste betrifft die Ethik von Überzeugungserfolgen. Wenn wir psychologische Taktiken anwenden können, um Übereinstimmung zu erzielen, heißt das noch nicht, dass wir das dürfen. Die Taktiken können Gut und Böse dienen. Sie können so aufgebaut sein, dass sie die anderen täuschen und damit ausbeuten, sie können aber auch informieren und damit die anderen voranbringen. Die ökonomischen Folgen für ein Unternehmen aufgrund eines verspielten Rufes wegen unethischer Überzeugungskünste sind ja bekannt, in Kapitel 13 werde ich aber weitere Gründe nennen, warum ein Unternehmen solche Praktiken meiden sollte: Es liefert sich damit auch den eigenen Beschäftigten aus, denn die werden das Unternehmen betrügen, wenn in ihm Betrügereien akzeptabel sind.

Das Buch hält auch noch an einer zweiten Einschränkung fest. Es basiert auf vielen persönlichen Eindrücken und Berichten, aber die wesentlichen Erkenntnisse sollen auch eine solide wissenschaftliche Basis haben. Bei jeder Anstrengung, den Einflussprozess erfolgreich zu gestalten, bringt ein wissenschaftlich untermauerter Ansatz einen echten Fortschritt. Traditionellerweise galt das Überzeugen als eine schwer fassbare Kunst, die eine Domäne der wenigen war, die intuitiv wussten, wie man einen Satz richtig hindrehen konnte. In den vergangenen 50 Jahren hat sich aber in der Erforschung des Überzeugens etwas Radikales ereignet, das es auch uns anderen erlaubt, wie die geborenen Meister Erfolge zu erzielen.

Die Forscher sind der Frage, welche Botschaften Menschen dazu bringen, nachzugeben, einzuwilligen und sich zu ändern, mit einem strengen wissenschaftlichen Ansatz nachgegangen. Sie haben den manchmal atemberaubenden Unterschied dokumentiert, der entsteht, wenn man anstelle der gängigen Verfahren Ansätze verwendet, die sich auf eine solidere, sachkundigere Basis stützen. Neben der bloßen Wirkung dieser Ansätze ist noch etwas bemerkenswert: Der Überzeugungsprozess wird von psychologischen Gesetzen bestimmt, was heißt, dass ähnliche Prozeduren in einem weiten Spektrum von Situationen zu ähnlichen Resultaten führen können.

Folgt das Überzeugen aber Gesetzen, ist es ganz anders als künstlerische Inspiration auch erlernbar. Ob man von Haus aus Talent dazu hat, andere zu beeinflussen oder nicht, ob man die Methoden kennt oder nicht, ob man ein begabter Sprachkünstler ist oder nicht: Wissenschaftlich belegte Techniken, die es jeden von uns erlauben, mehr Einfluss zu erzielen, kann man erlernen.6

***

Das neue Buch unterscheidet sich von Influence vor allem durch die wissenschaftliche Erkenntnis, dass es nicht nur wichtig ist, was wir am besten sagen, um jemanden zu überzeugen, sondern auch wann wir es tun sollten. Von dieser Erkenntnis ausgehend geht es darum, zu lernen, wie wir das natürliche Auftauchen des idealen Moments für die Überzeugungsarbeit erkennen und festhalten. Wir können Moment-Maker werden und lernen, solche Momente herzustellen − was allerdings vom ethischen Standpunkt her gefährlicher ist. Egal, ob wir die Momente erkennen oder ob wir sie herstellen: Wenn wir wissen, wie man ein Anliegen, eine Empfehlung oder einen Vorschlag zeitlich perfekt platziert, werden wir damit außerordentlich gut fahren.

Teil 1

Pre-Suasion heißt, die Aufmerksamkeit wecken

Kapitel 2Privilegierte Momente

Es gibt nicht viele, die das von mir wissen, aber ich bin Handleser. Zumindest war ich das einmal. Als junger Mann habe ich die Handlesekunst eingesetzt, um bei Partys schnell jemand kennenzulernen. Schließlich habe ich diese Praxis aber aufgegeben, denn sobald ich damit anfing, bildete sich eine Reihe erwartungsvoller Kandidaten, und ich verlor den Anschluss an bedeutungsvolle Gespräche – und das Buffet.

In jenen zwei Jahren habe ich aber doch einige bemerkenswerte Dinge über die Informationen herausgefunden, die ich aus den Händen herauslas: Sie haben fast immer gestimmt. Meine »Klienten« bei diesen Versuchen waren meistens Fremde. Sie waren von der Genauigkeit meiner Beschreibung ihrer Charakterzüge verblüfft. »Das stimmt!«, sagten sie. »Wie haben Sie das nur herausgefunden?« Ich lernte, ein Allwissenheit vortäuschendes Lächeln herbeizuzaubern, um weitere Fragen zu vermeiden, denn ich war, ehrlich gesagt, auch verblüfft.

Inzwischen hat sich meine Verblüffung gelegt, denn ich konnte zwei generelle Erklärungen dafür finden, warum ich so oft richtig lag. Die erste setzt auf paranormale Mechanismen, die nur einige Auserwählte perfekt beherrschen. Die zweite hat mit ausgesprochen normalen Prozessen zu tun, die jeder ablaufen lassen kann. Einerseits ist es nicht von der Hand zu weisen (ehrlich, damit will ich nicht nur ein Wortspiel machen), dass es eine reale Verbindung zwischen dem Charakter, der Vergangenheit und der Zukunft eines Menschen und den Eigenschaften seiner Hand gibt. Erklärungen dieser Art liefern die Vertreter verschiedener paranormaler Systeme, wobei ihre Systeme außer auf den Eigenschaften der Handfläche auf allem Möglichen basieren − von den Sternbildern über die Aura eines Körpers bis zu Ausbeulungen am Kopf.

Diese Unterschiede sind für die Propagandisten der Systeme entscheidend, für die in den Ausbeulungen oder der Aura die Wahrheit steckt, aber was immer es ist: Uns wird bei allen Varianten versichert, dass ein Experte mit speziellen Informationen des Systems unsere Persönlichkeit, unsere Vergangenheit und die Zukunftsaussichten erkennen kann. Ich bezweifle, dass meine Handlesekunst paranormal erklärt werden kann. Wann immer man eines dieser Systeme genauer untersucht, scheitert es.1

Das Medium ist die Botschaft: Séance mit der Hauskatze. Wie ich noch aus meiner Handlesezeit weiß, können paranormale Methoden manchmal erstaunlich exakt sein.

© Bizarro Comics. Verbreitet durch King Features Syndicate, Inc.

Zurück zu meiner Handlesezeit. Es gab damals untrügliche Anzeichen, dass etwas mit den paranormalen Methoden zur Charakterisierung von Menschen nicht in Ordnung war. Da ich wegen meiner Erfolge beim Handlesen neugierig war, testete ich Teile des Systems, indem ich beispielsweise die »Herzlinie« von jemandem so interpretierte, als wäre sie die »Kopflinie« oder dergleichen. Keine Änderung der exakt vorgegebenen Deutungen reduzierte meinen Erfolg! Ob ich zum Beispiel mit einer einfachen Prozedur herausfand, dass in meinen Opfern die »Gegenwart eines geheimen Bereichs von Selbstzweifel« zu lesen war, oder ob ich die Prozedur veränderte und zum gleichen Ergebnis kam: Sie antworteten typischerweise mit dem gleichen schuldbewussten Nicken.

An einem der Abende hatte ich das Gefühl, fehl am Platz zu sein. Es war eine Party, bei der ich praktisch niemand kannte. Weil die soziale Interaktion mit Fremden einer meiner geheimen Bereiche von Selbstzweifel ist, fing ich mit meiner Handleserei an, um mich »einzubringen«. Ich las sogar die Handlinien des Hausbesitzers zweimal: einmal am Beginn des Abends und dann, als er ein paar Stunden und ein paar Drinks später wieder zu mir kam und mehr wissen wollte. Mitten im ersten Versuch bog ich seinen Daumen zurück und erklärte ihm: »Wissen Sie, ich kann Ihnen sagen, dass sie ein ganz sturer Mensch sind«. Beim zweiten Versuch bog ich wieder den Daumen zurück und sagte, »Wissen Sie, ich kann Ihnen sagen, dass sie ein ganz flexibler Mensch sind«. Nach jeder der beiden gegensätzlichen Aussagen dachte er eine Sekunde nach und gab zu, dass es absolut richtig war, was ich über ihn sagte.

Was hatte sich abgespielt? Wie konnte er meine Diagnosen für exakt halten, ganz gleich, was ich zu sehen behauptete? Die Kritiker der Paranormalität haben eine Standarderklärung: Handleser, Astrologen oder Phrenologen (das sind die »Experten«, die die Ausbeulungen des Kopfes interpretieren) beschreiben den Charakter so weitläufig, z.B. mit »stur« oder »flexibel«, dass sich fast jeder mit den Aussagen identifizieren kann. Das ist sicher richtig, aber es erklärt nicht das ganze Geheimnis. Wenn es so leicht für jemanden ist, sowohl seine Tendenz zu Sturheit als auch zu Flexibilität zu erkennen, sollten sich diese beiden gegensätzlichen Eigenschaften nach kurzem Nachdenken nicht gegenseitig aufheben? Warum widersprach mir der Hausbesitzer bei der Party nicht, als ich ihn als stur bezeichnete? Und warum wies er mich nicht darauf hin, dass er sich selbst natürlich als flexibel einschätzte? Warum sah er immer die Wahrheit in meinen Vorschlägen?

2.1Fokus statt Hokus und Pokus

Die Antwort hat etwas mit einer geläufigen Vorgehensweise zu tun, die die Entscheidungen einer Person deutlich ändern kann. Stellen Sie sich vor, dass ich auf einer Party Ihren Daumen sanft zurückbiege und Ihnen auf der Grundlage seines Widerstands und seiner Krümmung erkläre, Sie seien stur, »jemand, der sich nicht gegen seinen Willen in eine Richtung treiben lässt«. Ich habe Ihren Blick auf das Charaktermerkmal »Sturheit« fokussiert und Sie damit auf eine psychologische Rutschbahn gesetzt, die ich auf unfaire Weise konstruiert habe, um mein Urteil bestätigt zu bekommen.

Und so funktioniert das: Um zu überprüfen, ob ich mit meiner Behauptung Recht habe, suchen Sie automatisch in Ihrem Gedächtnis nach Zeiten, in denen Sie sich stur verhalten haben. Sie suchen nur nach diesen Zeiten, und natürlich finden Sie fast sicher einen Augenblick, denn Sturheit zählt, wenn man unter Druck steht, zu den häufigen persönlichen Schwächen. Sie sind also befangen, und wenn Sie weiter suchen, würden Sie auf andere ähnliche Situationen treffen. Mit einem Hauch von Selbsterkenntnis würden Sie zu mir aufschauen und zugeben, dass ich ins Ziel getroffen habe.

Stellen Sie sich jetzt vor, dass ich Sie als einen »ziemlich flexiblen Menschen« bezeichne, als »jemand, der bei neuen Informationen bereit ist, sie zu berücksichtigen und seine Position anzupassen«. Ich habe ihren Fokus umgekehrt eingestellt und Sie auf eine andere Rutschbahn geschickt: Sie ist so zusammengebastelt, dass sie Sie zu Momenten in Ihrer Vergangenheit führt, in denen Sie flexibel waren und Änderungen befürwortet haben. Das Ergebnis ist, dass Sie von dieser wiederum befangenen Suche aufblicken und mir sagen, ich habe mit der Diagnose »ziemlich flexibel« voll ins Schwarze getroffen.

Es gibt einen zutiefst menschlichen Grund dafür, dass Sie Gefahr laufen, auf meinen Trick hereinzufallen. Sein platter wissenschaftlicher Name ist »positive Teststrategie«. Es läuft auf das Folgende hinaus: Wenn es darum geht, welche Möglichkeit die richtige ist, suchen Sie eher nach Erfolgen statt nach Misserfolgen, nach Bestätigungen der Idee und nicht nach Widerlegungen. Es ist einfach leichter, die Anwesenheit von etwas zu registrieren als die Abwesenheit. Der große Kriminalschriftsteller Sir Arthur Conan Doyle war sich dieser Tendenz bewusst, als er Sherlock Holmes auf ganz und gar ungewöhnliche Weise denken ließ. Der brillante Holmes richtete seine Aufmerksamkeit sowohl auf das, was passierte als auch auf das, was nicht passierte. Wir erinnern uns an Silberstrahl, eine der bekanntesten Geschichten, in der Holmes feststellt, dass ein Diebstahl, den er untersucht, von jemandem aus dem engeren Freundes- oder Familienkreis begangen sein musste – und nicht von dem Fremden, den die Polizei festgenommen hatte. Der Grund seiner Annahme: Ein Wachhund hatte nicht gebellt. Seine intellektuell weniger strengen Gegenspieler, wie etwa der Inspektor von Scotland Yard, konnten nie das hohe logische Niveau seiner Schlüsse erreichen, da sie sich nur auf Vorhandenes stützten und das Fehlende ignorierten.2

Was das betrifft, gehören leider Sie, ich und fast jeder dieser sub-Holmes’schen Kategorie an. In einem Song von Jimmy Buffett muss ein früherer Liebhaber fünfmal informiert werden, dass etwas Fehlendes die vielsagende Botschaft von etwas Vorhandenem übermitteln kann: »Wenn das Telefon nicht klingelt – dann bin das ich.«3

2.2Rutschbahn zum Ziel

Wenn ich Sie beispielsweise frage, ob Sie mit Ihrem sozialen Umfeld unglücklich sind, werden Sie ganz natürlich dazu tendieren, nach Bestätigungen zu suchen und nicht nach Widerlegungen. Sie werden also mehr Beweise von Unzufriedenheit finden, als wenn ich gefragt hätte, ob Sie glücklich sind. So sah auch das Ergebnis einer Untersuchung einer Gruppe Kanadier aus: Die Teilnehmer, die gefragt wurden, ob sie unglücklich waren, trafen weit öfter auf Unzufriedenheit als sie selbst vermutet hatten. Verglichen mit denen, die gefragt wurde, ob sie glücklich sind, war die Wahrscheinlichkeit 4,75 Mal größer, sich selbst als unglücklich einzuordnen.4

Aus diesen Ergebnissen kann man verschiedene Schlüsse ziehen. Erstens: Will ein Meinungsforscher nur wissen, ob Sie mit etwas unzufrieden sind – sei es mit einer Ware, einem Abgeordneter oder der Politik der Regierung −, dann Vorsicht! Seien Sie auch einem Meinungsforscher gegenüber misstrauisch, der nur fragt, ob Sie zufrieden sind. Fragen dieser Art, die in nur eine Richtung gehen, können dazu führen, dass sie missverstanden und falsch gedeutet werden. Ich rate, die Teilnahme an solchen Befragungen abzulehnen, die diese voreingenommene, suggestive Art von Fragestellung wählen. Weit besser sind Fragen mit mehreren möglichen Antworten: »Wie zufrieden oder unzufrieden sind Sie mit dieser Marke?« »Machen Sie die Leistungen des Oberbürgermeisters glücklich oder unglücklich?« »In welchem Ausmaß sind Sie mit dem Ansatz des Landes für die Mittelostpolitik einverstanden oder nicht einverstanden?« Derart ergebnisoffene Befragungen bringen Sie dazu, all Ihre Haltungen gleichermaßen zu berücksichtigen.5

Noch viel problematischer als ein Meinungsforscher, dessen Befragung Sie in eine ganz falsche Position rückt, ist jemand, der sie ausnutzt, indem er genau diese Fragen in einem privilegierten Moment stellt. Sektenwerber beginnen oft den Versuch, neue Anhänger zu akquirieren, indem sie fragen, ob Sie unglücklich sind (eher selten, ob Sie glücklich sind). Ich dachte zuerst, dass eine solche Formulierung nur dazu dient, diejenigen Menschen herauszufiltern, die ihre tiefe persönliche Unzufriedenheit für einen radikalen Wechsel bereit macht, wie ihn die Sekte verlangt. Inzwischen bin ich aber überzeugt, dass die Frage »Sind Sie unglücklich?« mehr als ein Mittel ist, um potenzielle Kandidaten herauszufiltern. Es ist auch eine Mittel der Anwerbung, mit dem ein übles Spiel getrieben wird, weil es die Opfer über jedes Maß auf ihr Unglück festgelegt. (Die Wahrheit ist, dass Sekten eigentlich gar keine Unglücklichen wollen, sie sind eher an im Grunde gut »sortierten« Personen interessiert, deren positiver, zupackender Stil auf die Absichten der Sekte ausgerichtet werden kann.) Die Ergebnisse der erwähnten kanadischen Studie zeigen, dass auch die Befragten nach der Aufforderung, über ihr Unglück zu reden, eher dazu neigten, sich als unglücklich zu beschreiben. In dem auf unfaire Weise eingebauten Moment nach einem solchen Eingeständnis sind die Moment-Maker der Sekten darauf trainiert, zuzuschlagen: »Gut, wenn Sie unglücklich sind, wollen Sie das sicher ändern, oder?«6

Natürlich liefert uns die Taktik der Sektenwerber provokative Anekdoten. Aber Sektenmitglieder (und damit auch die Sektenwerber) sind für ihre Bereitschaft bekannt, sich täuschen zu lassen. Es mag sein, dass sie sich selbst wegen der Effektivität dieser besonderen Praktiken zum Narren halten. Was ist aber der schlüssige Beweis, dass ein solcher gezielt hergestellter Moment zu mehr führt als zu einem kurzzeitig veränderten Selbstbild, das ohne Folgen bleibt? Kann jemand diesen Moment mit pre-suasiven Methoden nutzen, um die Bereitschaft eines anderen zu ändern, einer Idee zuzustimmen oder etwas wirklich Wichtiges zu tun oder es zu liefern?

Kaufleute schätzen die Informationen ihrer Kunden sehr hoch ein. Verfechter der Marktforschung sagen, sie dienen dem großartigen Zweck, den Verkäufern die Daten zu liefern, die sie brauchen, um mögliche Kunden zufriedenzustellen. Sie sind mit dieser Ansicht über den Segen solcher Daten nicht allein. Unternehmen, die gut im Geschäft sind, kennen den Vorteil, genaue Informationen über die Wünsche und Bedürfnisse ihrer vorhandenen und möglichen Kunden zu haben. Die besten von ihnen geben ständig große Summen dafür aus, um Einzelheiten herauszufinden.

Ein Riesenproblem dieser Unternehmen ist, dass wir uns gar nicht so leicht dazu bewegen lassen, an ihren Umfragen, Untersuchungen und Zielgruppen- und Geschmackstests teilzunehmen. Selbst mit beträchtlichen Anreizen in Form von Geld, Gratisprodukten oder Geschenkgutscheinen kann der Prozentsatz derer, die mitwirken wollen, gering sein. Das bereit den Marktforschern Bauchweh, weil sie nicht sicher sein können, dass die Daten, die sie gesammelt haben, die Gefühle der Mehrheit ihrer Zielgruppe repräsentieren. Könnten diese Forscher ihr Problem eliminieren, indem sie die Kundeninformationen in dem Moment abfragen, der einer pre-suasiven eingleisigen Rutschbahnfrage folgt?

Wir wollen uns dazu die Ergebnisse eines Experiments ansehen, das von den Kommunikationswissenschaftlern San Bolkan und Peter Andersen durchgeführt wurde. Sie fragten Personen, ob sie bereit seien, bei einer Umfrage mitzuwirken. Wir kennen alle solche Situationen: Ein Typ mit einem Klemmbrett versucht uns in einem Shoppingcenter oder Supermarkt zu stoppen und will, dass wir ihm ein paar Minuten unserer Zeit schenken. Wie bei einem solchen typischen Meinungsforscher im Shoppingcenter war der Erfolg der Wissenschaftler mager: Nur 29 Prozent der Befragten waren zur Mitwirkung bereit. Aber Bolkan und Andersen hatten eine Idee, wie sie die Mitarbeit anheizen konnten, ohne auf teure Geldgeschenke zurückgreifen zu müssen, an die die Marktforscher oft glauben. Sie stoppten eine zweite Gruppe von Leuten und begannen diesmal ihre Aktion mit einem pre-suasiven Öffner: »Halten Sie sich für einen hilfsbereiten Menschen?« Nach kurzem Nachdenken antwortete fast jeder mit Ja. In diesem »privilegierten Moment«, nachdem die Befragten ganz privat für sich und auch öffentlich bekannt hatten, hilfsbereit zu sein, schlugen die Forscher zu und baten um Mithilfe bei ihrer Umfrage. Jetzt beteiligten sich 77,3 Prozent!

***

In Kapitel 10 werden wir den besonderen psychologischen Mechanismus genauer untersuchen, jenen Wunsch nach Konsistenz, der dazu führte, dass die Leute zweimal häufiger als üblich mitmachten. Jetzt wollen wir aber noch einmal auf eine Erkenntnis zurückkommen, die auch eine der Hauptthesen dieses Buchs ist: Häufig ist der Faktor, der am wahrscheinlichsten die Entscheidung einer Person in einer bestimmten Situation bestimmt, nicht der, der den klügsten Rat vermittelt, sondern der, der im Augenblick der Entscheidung in der Aufmerksamkeit ganz oben steht und damit privilegiert ist.