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Mit Sherlock Holmes wurde Sir Arthus Conan Doyle unsterblich. Aber neben dem genialen Detektiv Holmes schuf er noch andere markante literarische Gestalten, die zu Unrecht fast vergessen sind.
Zum Beispiel der hünenhafte Wissenschaftler Professor Challenger – der Alptraum der Presse und der Schrecken der Londoner Gesellschaft.
Dieser Band präsentiert einen Roman und zwei Erzählungen über den streitbaren Akademiker: Das Ende der Welt berichtet davon, wie die Erde einen Gürtel giftiger kosmischer Gase durchquert und nur Challenger und seine Freunde verschont bleiben, da sie sich rechtzeitig in einer Sauerstoffkammer verschanzen. Das Ende der Welt ist die grandiose Beschreibung einer Erde ohne Leben, die von so eindringlicher Kraft ist, dass man 1944 in England eine Hörspielfassung absetzte, weil man glaubte, die düstere Geschichte könne die Hörer in Panik versetzen...
Auch die beiden anderen in diesem Band gesammelten Geschichten – Als die Erde schrie und Die Desintegrationsmaschine – verweisen auf sehr moderne Ängste: die Furcht vor ökologischer Zerstörung und Massenvernichtungswaffen.
Der Erfinder des Meisterdetektivs Sherlock Holmes brilliert hier als fesselnder Erzähler im Milieu der viktorianischen Science Fiction.
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SIR ARTHUR CONAN DOYLE
Professor Challenger und
das Ende der Welt
Ein Roman und zwei Erzählungen
Apex Science-Fiction-Klassiker, Band 8
Apex-Verlag
Inhaltsverzeichnis
Das Buch
PROFESSOR CHALLENGER UND DAS ENDE DER WELT
DAS ENDE DER WELT
I. Die Linien verblassen
II. Die Gezeiten des Todes
III. Vom Gift umgeben
IV. Das Tagebuch des Todes
V. Die tote Welt
VI. Das große Erwachen
ALS DIE ERDE SCHRIE
DIE DESINTEGRATIONSMASCHINE
Mit Sherlock Holmes wurde Sir Arthus Conan Doyle unsterblich. Aber neben dem genialen Detektiv Holmes schuf er noch andere markante literarische Gestalten, die zu Unrecht fast vergessen sind.
Zum Beispiel der hünenhafte Wissenschaftler Professor Challenger – der Alptraum der Presse und der Schecken der Londoner Gesellschaft.
Dieser Band präsentiert einen Roman und zwei Erzählungen über den Streitbaren Akademiker: Das Ende der Welt berichtet davon, wie die Erde einen Gürtel giftiger kosmischer Gase durchquert und nur Challenger und seine Freunde verschont bleiben, da sie sich rechtzeitig in einer Sauerstoffkammer verschanzen. Das Ende der Welt ist die grandiose Beschreibung einer Erde ohne Leben, die von so eindringlicher Kraft ist, dass man 1944 in England eine Hörspielfassung absetzte, weil man glaubte die düstere Geschichte könne die Hörer in Panik versetzen...
Auch die beiden anderen in diesem Band gesammelten Geschichten – Als die Erde schrie und Die Desintegrationsmaschine – verweisen auf sehr moderne Ängste: die Furcht vor ökologischer Zerstörung und Massenvernichtungswaffen.
Der Erfinder des Meisterdetektivs Sherlock Holmes brilliert hier als fesselnder Erzähler im Milieu der viktorianischen Science Fiction.
Jetzt, da die ungeheuren Ereignisse meiner Erinnerung noch klar verhaftet sind, ist es unerlässlich geworden, sie niederzuschreiben, bevor die Zeit sie verblassen lässt. Noch während ich dies tue, bin ich von dem Wunder der Tatsache überwältigt, dass es ausgerechnet unserer kleinen Gruppe von der Vergessenen Welt – Professor Challenger, Professor Summerlee, Lord John Roxton und mir – vergönnt war, diese verblüffenden Erfahrungen durchzumachen.
Als ich vor ein paar Jahren in der Daily Gazette den aufsehenerregenden Bericht über unsere Südamerikareise veröffentlichte, wäre mir nicht im Traum eingefallen, dass das Schicksal mich dazu ausersehen würde, über ein noch ungewöhnlicheres Ereignis zu berichten – ein Ereignis, das in der Menschheitsgeschichte nicht nur einmalig war, sondern alle anderen, so spektakulär sie auch gewesen sein mögen, weit in den Schatten stellte. Das Ereignis selbst wird für mich immer wundersam bleiben, aber die Umstände, die dazu führten, dass ausgerechnet wir vier beim Eintreffen dieser außergewöhnlichen Episode wieder beisammen waren, erfolgte aus absolut banalen, aber folgerichtigen Beweggründen heraus. Ich will alles, was zu unserem erneuten Zusammentreffen führte, so kurz und knapp wie möglich erzählen, obwohl ich mir natürlich dessen bewusst bin, dass ein detaillierterer Bericht dem Leser mehr geben würde; schließlich ist die Neugier des Publikums heutzutage ebenso unersättlich, wie sie früher gewesen ist.
Am Freitag, dem 27. August – einem Datum, das die Welt so schnell nicht wieder vergessen wird – begab ich mich hinunter in die Redaktion meiner Zeitung und bat Mr. McArdle, der immer noch die Nachrichtenabteilung regierte, mir einen dreitägigen Urlaub zu gewähren. Der nette, alte Schotte schüttelte den Kopf, kratzte seinen immer schütterer werdenden rötlichen Haarkranz und kleidete seine Ablehnung schließlich in Worte.
»Ich glaube, Mr. Malone, dass wir Sie ausgerechnet jetzt am dringendsten benötigen. Ich glaube, wir haben da eine Geschichte, die nur ein Mann wie Sie in die richtigen Proportionen bringen kann.«
»Wie schade«, sagte ich und versuchte meine Missstimmung zu verbergen. »Wenn man mich braucht, sieht die Sache natürlich anders aus. Aber meine Verabredung ist ziemlich wichtiger privater Natur. Wenn Sie mir vielleicht doch freigeben könnten…«
»Leider weiß ich nicht, wie ich das bewerkstelligen sollte.«
Es war natürlich bitter für mich, aber ich musste das Beste daraus machen. Immerhin hatte ich einen großen Fehler begangen, denn damals hätte ich natürlich schon wissen sollen, dass man als Journalist nicht das Recht hat, eigene Pläne zu verfolgen.
»Nun, ich werde die Sache dann wohl besser vergessen«, sagte ich mit so viel Freundlichkeit, wie man einer kurzen Abfuhr gegenüber aufbringen konnte. »Welchen Auftrag soll ich übernehmen?«
»Nun, Sie brauchen bloß diesen entsetzlichen Querkopf in Rotherfield zu interviewen.«
»Sie meinen doch nicht etwa Professor Challenger?«, sagte ich laut.
»Doch, doch, genau den meine ich. Er hat den jungen Alec Simpson vom Courier vergangene Woche an Hinterteil und Kragen eine Meile weit die Hauptstraße hinuntergeschleppt. Möglicherweise haben Sie davon im Polizeibericht gelesen. Unsere Jungs wollen nun alle lieber einen ausgebrochenen Alligator aus dem Zoo interviewen. Aber Sie, denke ich, könnten es schaffen. Immerhin sind Sie seit langer Zeit mit ihm befreundet.«
»Aber natürlich«, sagte ich erleichtert. »Nichts einfacher als das. Zufällig war Professor Challenger nämlich der Grund, weswegen ich Sie um Urlaub bat. Es ist nämlich so, dass wir heute den dritten Jahrestag unseres großen Abenteuers in Südamerika feiern wollen. Er hat uns alle in sein Haus eingeladen, um das Ereignis gebührend zu feiern.«
»Prächtig!«, schrie McArdle. Er rieb sich die Hände und strahlte mich durch seine Brillengläser an. »Dann werden Sie es auch schaffen, ihn nach seiner Meinung zu befragen. Bei jedem anderen Mann würde ich sagen, dass man Perlen vor die Säue wirft, aber der Bursche hat einmal eine überragende Tat vollbracht, und man kann nie wissen, wann er die nächste vorbereitet!«
»Nach was soll ich ihn fragen?«, fragte ich. »Was hat er denn getan?«
»Haben Sie in der heutigen Times seinen Brief zur Rubrik Wissenschaftliche Möglichkeiten nicht gesehen?«
»Nein.«
McArdle bückte sich und hob die Zeitung vom Boden auf.
»Lesen Sie es mir vor«, sagte er und deutete mit dem Finger auf eine bestimmte Spalte. »Ich würde es gerne noch einmal hören, denn ich bin immer noch nicht sicher, ob ich den Mann richtig verstanden habe.«
Der Brief, den ich dem Nachrichtenchef der Gazette vorlas, hatte folgenden Wortlaut:
WISSENSCHAFTLICHE MÖGLICHKEITEN
Mein Herr, mit ziemlicher Amüsiertheit und auch weniger schmeichelhaften Emotionen habe ich den selbstzufriedenen, gänzlich närrischen Brief des James Wilson MacPhail gelesen, der letztlich zum Thema »Das Verblassen der Fraunhofer'schen Linien in den Spektren von Planeten und Fixsternen« in Ihrer Zeitung abgedruckt wurde. Mr. MacPhail misst diesen Erscheinungen wenig Bedeutung bei. Einer ausgeprägteren Intelligenz wird dies jedoch als von allergrößter Wichtigkeit erscheinen müssen und sollte demgemäß die absolute Aufmerksamkeit jedes Mannes, jeder Frau und jedes Kindes dieses Planeten hervorrufen. Da ich kaum zu hoffen wage – und schon gar nicht durch die Verwendung der wissenschaftlichen Sprache –, jene Dilettanten zum Nachdenken zu bewegen, die ihre Ideen aus den Spalten von Tageszeitungen beziehen, will ich mich bemühen, mich dazu herabzulassen, ihre Begrenzungen hinzunehmen und die Situation anhand eines kleinen Beispiels erläutern, das die Intelligenz Ihrer Leser nicht überbeanspruchen wird.
»Mann, der Kerl ist ein Wunder – ein lebendes Wunder!«, sagte McArdle und schüttelte sinnierend den Kopf. »Er würde sogar eine Quäkerversammlung zu Gewalttaten treiben. Kein Wunder, dass ihm in London der Boden zu heiß geworden ist. Es ist ein Jammer, Mr. Malone – ein Mann mit solchen Geistesgaben! Aber kommen wir nun zu seinem Beispiel.«
»Nehmen wir an«, las ich weiter, »dass man während einer Atlantiküberquerung ein kleines Bündel miteinander verbundener Korken ins Wasser geworfen hat. Den sie umgebenden Bedingungen gemäß werden sie Tag für Tag langsam vor sich hintreiben. Wären die Korken mit Intelligenz versehen, könnte man sich vorstellen, dass sie der Meinung huldigen müssten, die Umstände, unter denen sie existieren, seien beständig und unveränderlich. Wir aber, mit unserem überlegenen Wissen, wissen, dass viel geschehen kann, das die Korken überraschen müsste.
Sie können vielleicht gegen eine Schiffswand treiben – oder gegen einen schlafenden Wal; sie können sich aber ebenso gut in Seetang verstricken. In jedem Fall würde ihre Reise aber möglicherweise damit enden, dass die Elemente sie gegen die Felsenküste von Labrador werfen. Aber wie sollen sie sich so etwas vorstellen können, wenn sie Tag für Tag von einem Ozean, den sie für grenzenlos und allgegenwärtig halten, sanft getragen werden?
Ihre Leser werden möglicherweise einsehen, dass der in dieser Parabel erwähnte Atlantik die Stelle jenes mächtigen Ozeans einnimmt, den wir als Weltenraum kennen und die kleinen Korken nichts anderes darstellen, als das winzige und obskure Planetensystem, zu dem wir gehören: Eine Sonne drittrangiger Größe und eine Ansammlung belangloser Satelliten, die unter den gleichen täglichen Bedingungen einem unbekannten Ende entgegen schweben, einer elenden Katastrophe, die uns im Ultimaten Grenzgebiet des Weltraums erwartet, wo wir über einen ätherischen Niagarafall gespült oder an ein unvorstellbares Labrador geworfen werden.
Ich sehe keinen Grund für den seichten und unwissenden Optimismus Ihres Korrespondenten Mr. James Wilson MacPhail, aber ich sehe viele Gründe, warum wir sehr genau und interessiert unsere Aufmerksamkeit allen Anzeichen des Wechsels schenken sollten, die in dem uns umgebenden Kosmos sichtbar werden und von denen letztendlich vielleicht unser Schicksal abhängt.«
»Mensch, er wäre der ideale Prediger geworden«, sagte McArdle. »Er hört sich an wie eine Orgel. Aber nun zu der Sache, die ihm Sorgen bereitet.«
»Das allgemeine Verblassen und die Verschiebungen der Fraunhofer'schen Linien im Spektrum deuten meines Erachtens auf eine ausgedehnte kosmische Veränderung subtiler und einmaliger Art hin.
Das Licht eines Planeten ist das reflektierte Licht der Sonne. Das Licht eines Sternes hingegen ist selbst erzeugt. Aber die Spektren von Planeten und Sternen sind in diesem Fall dem gleichen Wechsel unterworfen. Heißt das also, dass die Sterne und Planeten sich verändert haben? Eine solche Vorstellung ist für mich undenkbar. Welche plötzliche Veränderung könnte gleichzeitig sowohl über Sterne als auch Planeten hereinbrechen? Haben wir es mit einem Wechsel in unserer Atmosphäre zu tun?
Es ist zwar möglich, aber im höchsten Grade unwahrscheinlich, da wir um uns herum keinerlei Anzeichen dafür erblicken können und selbst chemische Analysen keine Ergebnisse gebracht haben. Worin besteht also die dritte Möglichkeit? Kann es sein, dass eine Veränderung im Leitungsmedium am Verblassen der Fraunhofer'schen Linien schuld ist? dass der unendlich feine Äther, der sich von Stern zu Stern erstreckt und sich über das ganze Universum ausbreitet, sich verändert hat? Inmitten dieses tiefen Ozeans treiben wir auf einer trägen Welle dahin.
Könnte diese Welle uns nicht in einen Bereich verschlagen, in dem ungewöhnliche Zustände herrschen und der über Eigenschaften verfügt, von denen wir noch nie gehört haben? Die Möglichkeit besteht. Die Störungen, denen das Spektrum unterliegt, beweisen es. Es kann ein Wechsel zum Guten hin sein, aber auch zum Bösen. Ebenso kann sich die Veränderung als neutral erweisen. Wir wissen es nicht. Oberflächliche Beobachter mögen der Meinung sein, dass man die Sache mit einem Schulterzucken abtun kann, aber ein Mensch wie ich, der über die höhere Intelligenz des wahren Denkers verfügt, muss einsehen, dass die Möglichkeiten des Universums unkalkulierbar sind und sich derjenige, der sich für weise hält, besser auf das Unbekannte vorbereitet. Um ein offensichtliches Beispiel heranzuziehen: Wer würde zu behaupten wagen, dass die unter den Eingeborenenrassen Sumatras wütenden Epidemien, die in der Morgenausgabe Ihrer Zeitung verzeichnet sind, etwas mit der Veränderung des Kosmos zu tun haben? Vielleicht reagieren die Eingeborenen auf diese Veränderung nur schneller als die Völker Europas?
Mit diesem Gedanken sollten Sie sich beschäftigen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wäre die Verteidigung dieser Idee sicher ebenso unprofitabel wie ihre Ablehnung, aber wer nicht erkennt, dass sie sich innerhalb der von der wissenschaftlichen Möglichkeit gesetzten Grenze befindet, kann nur schwer von Begriff und ein phantasieloser Gimpel sein, Hochachtungsvoll, GEORGE EDWARD CHALLENGER, The Briars, Rotherfield.«
»Ein netter, zum Nachdenken anregender Brief ist das«, sagte McArdle nachdenklich und steckte eine Zigarette in die lange Glasröhre, die ihm als Spitze diente. »Was halten Sie davon, Mr. Malone?«
Mir blieb nichts anderes übrig, als demütigst einzugestehen, dass ich mit dem hier angesprochenen Thema nicht das Geringste anfangen konnte. Was, zum Beispiel, waren Fraunhofer'sche Linien?
Da McArdle diese Angelegenheit bereits mit einem seinem Büro zur Verfügung stehenden Fachmann geklärt hatte, zeigte er mir zwei auf der Platte seines Schreibtisches liegende Spektralstreifen. Sie hatten eine gewisse Ähnlichkeit mit den Hutbändern, die die Mitglieder junger und ambitionierter Cricket-Klubs tragen. Er machte mir klar, dass sich zwischen den einzelnen Farbabstufungen – sie waren Rot, Orange, Gelb, Grün, Blau, Indigo und Violett – schwarze Querbalken befanden, die die Ränder der Farben überlagerten.
»Die dunklen Streifen sind die Fraunhofer'schen Linien«, sagte McArdle. »Die Farben selbst sind nichts anderes als Licht. Wenn Sie Licht mittels eines Prismas in seine Wellenbestandteile zerlegen, weist es keine Farbe mehr auf. Sie können ihm nichts mehr entnehmen. Es sind die Linien, die zählen, da sie sich der jeweiligen Lichtquelle anpassen. Aber anstatt fest zu bleiben, zeigen sie seit einer Woche Auflösungserscheinungen, und nun fragen die Astronomen natürlich nach der Ursache.
Hier ist ein Photo der verblassenden Linien für die morgige Ausgabe. Bisher hat das Publikum noch kein Interesse an dieser Angelegenheit gezeigt, aber Challengers Brief in der Times wird es sicher aufrütteln, nehme ich an.«
»Und was hat seine Bemerkung über Sumatra zu bedeuten?«
»Nun, es erscheint mir zwar ein wenig an den Haaren herbeigezogen, irgendwelche Verbindungen zwischen den verblassenden Linien des Spektrums und einem kranken Nigger auf Sumatra zu ziehen, aber der alte Fuchs hat uns bereits einmal gezeigt, dass er weiß, wovon er redet. Irgendeine komische Epidemie ist dort unten ausgebrochen, das steht außer Zweifel. Heute hat uns ein Kabel aus Singapur erreicht, das besagt, dass die Leuchttürme in der Sundasee ausgefallen und daraufhin zwei Schiffe auf Grund gelaufen sind. Auf alle Fälle wäre es nicht übel, wenn Sie Challenger in dieser Hinsicht ausfragen würden. Wenn Sie etwas Handfestes bekommen, hätten wir den Artikel gerne für die Montagsausgabe.«
Ich kam gerade aus dem Büro des Nachrichtenchefs und dachte noch über den Auftrag nach, als ich hörte, dass unter mir im Wartezimmer jemand meinen Namen rief. Es war der Telegrammbote, den man mir von meiner Wohnung in Streatham nachgeschickt hatte. Die Botschaft, die er mir überbrachte, stammte von dem Mann, über den wir gerade gesprochen hatten, und lautete folgendermaßen:
Malone, Hill Street 17, Streatham.
Sauerstoff mitbringen. Challenger.
»Sauerstoff mitbringen!« Der Professor hatte, wie ich mich erinnerte, einen derben Humor, der zu den ungeschicktesten und schwerfälligsten Purzelbäumen fähig war. War dies einer von jenen Scherzen, die ihn zu einem brüllenden Gelächter veranlassen konnten, wobei seine Augen sich schlossen, und er nur noch aus einem weit aufgerissenen Mund und einem gesträubten Bart bestand, wobei er alle Ernsthaftigkeit um sich herum vergaß? Ich las seine Botschaft noch einmal, aber es war mir nicht im Entferntesten möglich, irgendeinen Ulk aus ihr herauszulesen. Also musste es sich um eine lapidare Anweisung handeln – wenn auch um eine äußerst seltsame. Er war der letzte Mensch auf der Welt, dessen wohlüberlegte Anweisungen ich in den Wind geschlagen hätte. Möglicherweise bereitete er ein chemisches Experiment vor; vielleicht… Nun, es konnte mir egal sein, wozu er den Sauerstoff brauchte. Ich musste ihn besorgen. Ich hatte noch eine gute Stunde Zeit, bis der Zug von der Victoria-Station abfuhr.
Ich nahm mir, nachdem ich die entsprechende Adresse aus dem Telefonbuch herausgesucht hatte, ein Taxi und fuhr zur Oxygen Tube Supply Company in der Oxford Street.
Als ich den Hof meines Ziels erreichte, erschienen im Eingang des Gebäudes zwei junge Männer, die einen eisernen Zylinder hinausschleppten und ihn mit sichtlicher Anstrengung in einem wartenden Auto verstauten. Ein älterer Mann folgte ihnen keifend auf dem Fuße und gab ihnen mit quäkender, sardonischer Stimme Anweisungen. Dann wandte er sich mir zu. Es gab keinen Zweifel: Die asketischen Gesichtszüge und der Ziegenbart gehörten niemand anderem als meinem stets übelgelaunten Gefährten Professor Summerlee.
»Was?«, rief er. »Nun sagen Sie bloß nicht, dass Sie auch eines dieser hirnverbrannten, nach Sauerstoff schreienden Telegramme erhalten haben!«
Ich musste es zugeben.
»So, so! Ich erhielt auch eines und habe mich, wie Sie sehen, ganz im Gegensatz zu meiner Laune, danach verhalten. Unser guter Freund benimmt sich mal wieder unmöglich. Nicht einmal das Verlangen nach Sauerstoff kann so dringend sein, dass man den üblichen Weg der Versorgung außer Acht lässt und die Zeit derjenigen missbraucht, die mehr zu tun haben, als man selbst. Warum hat er es nicht direkt bestellt?«
Ich konnte nur annehmen, dass er es vielleicht sofort haben wollte.
»Oder er bildet es sich jedenfalls ein, aber das, ist wieder eine andere Sache. Jetzt dürfte es allerdings überflüssig sein, dass Sie sich auch noch mit einem Tank belasten. Ich habe meine Ladung ja schon gekauft.«
»Aber trotzdem… Aus irgendeinem Grunde scheint er zu wünschen, dass ich auch einen Tank mitbringe. Es wird sicherer sein, wenn ich genau das tue, was er von mir verlangt.«
Ungeachtet des Gebrummels und der Einwände Summerlees bestellte ich noch einen zusätzlichen Tank, der zusammen mit dem ersten in seinem Wagen verstaut wurde, da er mir angeboten hatte, mich zum Bahnhof mitzunehmen.
Ich begab mich zu meinem Taxi, um zu zahlen. Was das Fahrgeld anbelangte, so entpuppte sich der Fahrer als ziemlich streitsüchtig und beleidigend. Als ich zu Professor Summerlee zurückkehrte, hatte dieser gerade einen wütenden Wortwechsel mit den Männern, die den Sauerstoff hinausgetragen hatten, und sein kleiner weißer Ziegenbart hüpfte vor Entrüstung auf und nieder. Wie ich mich erinnere, nannte einer der Männer ihn einen »bescheuerten alten Kakadu«, was Summerlees Chauffeur so in Rage brachte, dass er aus dem Wagen sprang und die Stelle seines beleidigten Herrn einnahm und uns nichts anderes mehr übrig blieb, als ihn daran zu hindern, einen Auflauf zu verursachen.
Die Beschreibungen dieser Kleinigkeiten mögen trivial erscheinen – und als sie stattfanden, dachten wir uns auch nichts dabei.
Erst jetzt, wo ich mich darauf zurückbesinne, sehe ich, dass sie mit der Geschichte, die ich erzählen will, in einem ursächlichen Zusammenhang standen.
Ich hatte den Eindruck, dass der Chauffeur entweder ein Anfänger in seinem Beruf sein müsse oder aufgrund des Zwischenfalls stark erregt war, denn als er uns zum Bahnhof fuhr, erwiesen sich seine Fahrkünste als ziemlich schlecht. Wir wären beinahe zweimal mit anderen, sich auf eine ähnliche Weise konfus bewegender Fahrzeuge zusammengestoßen, und ich erinnere mich daran, Summerlee gegenüber erwähnt zu haben, dass die Moral der Londoner Autofahrer ziemlich heruntergekommen sei. Einmal jagten wir haarscharf am Rande einer Menschenmenge vorbei, die einen Sportplatz umringte. Die Leute, die das offenbar sehr verdross, erregten sich daraufhin in höchstem Maße, und es kam sogar so weit, dass einer der Zuschauer auf das Trittbrett sprang und uns mit einem Knüppel bedrohte. Ich stieß ihn herunter, aber wir waren ziemlich froh, als wir ihn endlich los waren und der Park hinter uns lag. All diese kleinen Zwischenfälle, die mir jetzt nach und nach wieder einfallen, setzten meinen Nerven zu, und ich erkannte, dass auch meinem Gefährten allmählich der Kragen zu platzen drohte.
Unsere gute Laune kehrte allerdings zurück, als wir auf dem Bahnsteig auf Lord John Roxton stießen, der uns bereits erwartete. Seine hoch gewachsene Gestalt war in einen beigen Jagdanzug aus Tweed gekleidet, und sein lebhaftes Gesicht und seine unvergesslichen Augen, die gleichzeitig streng und humorvoll blicken konnten, leuchteten freudig auf, als er uns sah.
In seinem rötlichen Haar zeigten sich ein paar graue Strähnen und die letzten Jahre hatten seine Stirnfalten ein wenig vertieft – alles in allem war er aber immer noch der gleiche Mann, der in der Vergangenheit unser Kamerad gewesen war. »Hallo, Herr Professor! Hallo, junger Freund!«, rief er, als er auf uns zukam.
Er brüllte vor Vergnügen, als er die beiden Sauerstofftanks auf dem Wägelchen des uns begleitenden Dienstmannes gewahrte.
»Sie haben also auch welche mitgebracht!«, rief er. »Meiner ist schon im Gepäckwagen. Was, um Himmels willen, hat der alte Bär vor?«
»Haben Sie seinen Brief in der Times gelesen?«, fragte ich.
»Um was ging es denn?«
»Um dummes Zeug!«, grunzte Summerlee.
»Nun, ich nehme an, dass es irgendetwas mit dem Sauerstoff zu tun hat«, sagte ich.
»Dummes Zeug!«, rief Summerlee erneut, aber diesmal etwas wütender.
Als wir uns in das Raucherabteil der Ersten Klasse setzten, hatte er sich bereits die kleine, stummelige Bruyere-Pfeife angezündet, die die Spitze seiner langen, aggressiv vorgereckten Nase anzusengen drohte.
»Freund Challenger ist ein gerissener Bursche«, sagte er vehement. »Das kann niemand abstreiten. Wer das tut, ist ein Narr. Sehen Sie sich nur seinen Hut an. Er enthält ein Gehirn von sechzig Unzen Gewicht – eine große Maschine, die sanft vor sich hin schnurrt und saubere Arbeitsergebnisse produziert. Zeigen Sie mir das Maschinenhaus, und ich sage Ihnen, wie groß die Maschine ist, die sich darin befindet. Aber er ist ein geborener Scharlatan, das habe ich ihn, wie Sie selbst wissen, offen ins Gesicht gesagt; ein geborener Scharlatan, der dem kindischen Zwang verhaftet ist, im Rampenlicht stehen zu müssen. Es ist wieder einmal Sauregurkenzeit; da sieht Freund Challenger natürlich wieder einmal die Möglichkeit, ganz groß von sich reden zu machen. Sie nehmen doch nicht im Ernst an, dass er wirklich an diesen Unsinn von der Veränderung des Weltraums und einer darauf fußenden möglichen Gefahr für die Menschheit glaubt? Einen solchen Schwachsinn halbe ich ja noch nie gehört!«
Er saß da wie ein alter weißer Rabe und wurde von einem krächzenden Gelächter geschüttelt.
Ich wurde von einer Welle des Ärgers erfasst, als ich Summerlee zuhörte. Es schickte sich einfach nicht, so über einen Mann zu sprechen, der nicht nur unser Führer gewesen war, sondern uns auch den Ruhm hatte zuteilwerden lassen, mit dem man uns nach unserem bemerkenswerten Abenteuer in Südamerika überschüttete. Ich hatte gerade den Mund geöffnet, um ihm eine passende Antwort zu geben, als Lord John mir zuvorkam.
»Sie haben sich schon einmal mit Challenger auf einen Streit eingelassen«, sagte er finster, »und ich erinnere mich, dass er Sie in weniger als zehn Sekunden am Boden hatte. Mir scheint, Professor Summerlee, dass er Sie um Klassen überragt. Das Beste, was Sie tun könnten, wäre, dass Sie schnell eine gewisse Entfernung zwischen sich und ihn brächten und ihn im Übrigen in Ruhe ließen.«
»Davon abgesehen«, sagte ich, »ist er für uns alle stets ein guter Freund gewesen. Was immer er auch für Fehler haben mag, er ist aufrichtig wie kein zweiter, und ich zweifle stark daran, dass er hinter unseren Rücken je in ähnlicher Weise über einen von uns sprechen würde.«
»Gut gesagt, junger Freund«, sagte Lord John Roxton. »Sie sind ein aufrechter Bursche.«
Dann klopfte er Professor Summerlee mit einem freundlichen Lächeln auf die Schulter. »Na, kommen Sie, Herr Professor. Wir wollen uns doch den schönen Tag nicht mit Streitereien vergällen. Wir haben zusammen einfach zu viel erlebt. Aber mäßigen Sie sich, wenn das Thema auf Challenger kommt, denn dieser junge Mann und ich haben eine Schwäche für den alten Knaben.«
Aber Summerlee war nicht in der Stimmung, die Goldene Brücke zu beschreiten, die Lord John ihm baute. Sein Gesicht zeigte deutliche Missbilligung. Sogar seine Pfeife stieß drohende Rauchwolken aus.
»Was Sie anbetrifft, Lord John Roxton«, quäkte er, »so haben Ihre Ansichten über eine wissenschaftliche Angelegenheit in meinen Augen den gleichen Stellenwert, wie meine Meinung über ein neu entwickeltes Schießgewehr in den Ihren. Ich besitze eine eigene Urteilsfähigkeit, Sir, und ich setze sie nach eigenem Gutdünken ein. Und wenn ich auch einmal geirrt habe – ist das ein Grund, fortan mit meinen Ansichten hinter dem Berg zu bleiben? muss ich selbst dort schweigen, wo ein Mann den hanebüchensten Unsinn als wissenschaftliche Erkenntnis verkauft? Haben wir etwa einen Wissenschaftspapst, der seine Ansichten ex cathedra niederlegt und das gemeine Volk dieselben widerspruchslos hinzunehmen hat? Ich versichere Ihnen, Sir, dass auch ich ein Gehirn besitze. Und ich käme mir wie ein Snob oder ein Sklave vor, würde ich es nicht auch benutzen. Wenn es Ihnen Spaß macht, an das Gewäsch über den Weltraum und die Fraunhofer'schen Linien zu glauben, dann sei Ihnen das unbenommen, aber verlangen Sie nicht, dass jemand, der Sie an Alter und Weisheit überragt, bei dieser Torheit mitzieht. Ist es denn nicht offensichtlich, dass die Resultate auch an uns sichtbar sein müssten, wenn Challengers Behauptungen in dem Maße zuträfen, wie er es sich wünscht?« An dieser Stelle musste er über seine eigene Argumentation laut lachen.
»Jawohl, Sir, auch wir müssten die Auswirkungen längst zu spüren bekommen haben, und anstatt gemütlich in diesem Zug zu sitzen und wissenschaftliche Probleme zu diskutieren, sollten wir längst die Symptome einer Vergiftung zeigen. Wo aber sehen wir sie? Darauf verlange ich eine Antwort, Sir! Und kommen Sie mir bloß nicht mit Ausflüchten! Ich nagle Sie auf eine Antwort fest!«
Ich fühlte, dass ich immer wütender wurde. In Summerlees Verhalten zeigten sich etwas Aggressives und Irritierendes.
»Ich glaube, dass Sie weniger sicher in Ihrer Meinung wären, wenn Sie mehr über die Tatsachen wüssten«, sagte ich. Summerlee nahm die Pfeife aus dem Mund und musterte mich mit einem unbeweglichen Blick.
»Darf ich Sie vielleicht fragen, was Sie mit dieser offenbar dreisten Bemerkung bezwecken, Sir?«
»Ich meine damit, dass mir unser Nachrichtenchef, bevor ich sein Büro verließ, erzählte, dass er ein Telegramm erhalten hat, das ihn davon in Kenntnis setzte, dass unter den Eingeborenen Sumatras eine allgemeine Epidemie ausgebrochen sei und dass darüber hinaus in der Sundasee die Leuchttürme nicht funktionieren.«
»Es sollte wirklich so etwas wie Grenzen menschlicher Torheit geben!«, schrie Summerlee in entschiedener Rage.