Professor Zamorra 1165 - Simon Borner - E-Book

Professor Zamorra 1165 E-Book

Simon Borner

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Beschreibung

Fassungslos starrte Lina ihren Freund an. Hatte ... hatte diese Babypuppe ihm wirklich gerade die Kehle aufgeschlitzt?
Röchelnd griff sich Nino an den Hals. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor, als er hilflos zu Lina schaute. Seine Miene war ein Spiegel seines Entsetzens.
Die Puppe fiel zu Boden. Lina sah nach unten.
Im selben Augenblick biss das unheimliche Spielzeug ihr in den nackten wehrlosen Fuß!
Ein Blitz aus unvorstellbarem Schmerz schoss durch Linas Körper. Sie schrie laut auf. Was in aller Welt passierte hier?

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Inhalt

Cover

Impressum

Das Mädchen und der Rattenfänger

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Irina Alexandrovna / shutterstock

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-7613-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Das Mädchen und der Rattenfänger

von Simon Borner

Fassungslos starrte Lina ihren Freund an. Hatte … hatte diese Babypuppe ihm wirklich gerade die Kehle aufgeschlitzt?

Röchelnd griff sich Ninoan den Hals. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor, als er hilflos zu Lina schaute. Seine Miene war ein Spiegel seines Entsetzens.

Die Puppe fiel zu Boden. Lina sah nach unten.

Im selben Augenblick biss das unheimliche Spielzeug ihr in den nackten wehrlosen Fuß!

Ein Blitz aus unvorstellbarem Schmerz zuckte durch Linas Körper. Sie schrie laut auf. Was in aller Welt passierte hier?

»Die Kindheit ist eine Welt an sich, in der die Problemquellen namens Vergangenheit und Zukunft nicht existieren, sondern nur die ewig scheinende Gegenwart.«

– Cosmin Neidoni

Kapitel 1 Nacht der blutigen Träume

Lina Pizulli atmete schwer. Ihre kurze Jeans hing ihr bereits in den Kniekehlen, und zwei starke Männerhände kämpften gerade mit dem Verschluss ihres BHs. Endlich! Endlich würde es passieren.

»U … und deine Eltern kommen auch wirklich nicht wieder?«, stammelte Nino. Für einen kurzen Moment ließ er von ihrer BH-Schnalle ab. »Ich meine, was, wenn die plötzlich hier reinplatzen? Mitten während wir …«

Lina seufzte. Nino war heiß, aber auch ziemlich doof. »Willst du meine Stimmung töten, bevor sie richtig anfängt?«, schimpfte sie.

Draußen vor dem Zimmerfenster schien ein fahler Vollmond auf die Dächer und Straßen der Innenstadt Roms. Lina musste sich das Zimmer mit ihrer kleinen Schwester teilen, denn die Mieten in Italiens Metropole waren exorbitant hoch. Entsprechend selten kam es vor, dass sich die Siebzehnjährige daheim mit einem Jungen treffen konnte. Dort hätte die dämliche kleine Nervensäge namens Aurora nämlich schnell alles verdorben. Auch jetzt lag die Erinnerung an den elenden Dreikäsehoch wie ein Schatten über der nächtlichen Zusammenkunft, war doch das halbe Zimmer noch voll mit Auroras Spielzeugen: Auf dem zweiten Bett, auf dem Fußboden und auf dem kleinen Tisch in der Ecke stapelten sich die Puppen, Malstifte und Plastik-Einhörner. Und was erotische Stimmung anging: Die erzeugte sich äußerst mühsam, wenn man dabei auf ein Poster von Justin Bieber in Lebensgröße starren musste, wie es seit Monaten schon über Auroras Bett hing.

Lina beschloss, schnell woandershin zu gucken. Nino bot sich an. Er war wirklich hier. Bei ihr. Es passierte! Fast schon zu gierig strichen ihre Hände über seine nackten Schultern. Ihr Blick wanderte seinen Oberkörper entlang bis zum Bund seiner Boxershorts. Und dann tiefer.

Oha, ein Zelt, freute sie sich in Gedanken. Ein bisschen fürchtete sie sich vor ihm, aber nur ein bisschen. Ihr Herz pochte wie wild, und ihre Knie zitterten vor Aufregung. Lass nicht zu, dass es vorzeitig einstürzt.

Sie wollte diese Nacht! Mehr als alles andere.

Entsprechend wenig Geduld hatte sie mit Feiglingen. »Ich sagte dir doch schon, dass ich sturmfrei habe«, schimpfte sie und stieß den schönsten Jungen ihrer Klasse von sich. »Das ganze Wochenende lang. Meine Eltern sind aufs Land zu Oma gefahren, und Aurora haben sie mitgenommen. Ich durfte allein hier in der Stadt bleiben. Weil sie mir vertrauen. Weil ich alt und verantwortungsbewusst genug bin.« Nun zog sie Nino wieder zu sich. »Beweisen wir ihnen das Gegenteil.« Sie drückte ihre Lippen auf seinen Mund.

Anfangs war er überrascht, doch dann erwiderte Nino den Kuss. Seine Scheu von eben wich atemberaubendem Verlangen, und plötzlich stand die Siebzehnjährige vollkommen nackt vor ihm.

Lina spürte seine Blicke auf ihrem Körper, sah wie schnell sich sein Brustkorb hob und senkte. Sie genoss den Moment. Zu lange schon hatte sie ihn herbeigesehnt. Es würde passieren. Zum allerersten Mal. Heute Nacht.

Keuchend vor Lust stieg Nino aus seinen Shorts. Die Zeltstange stand tadellos. Dann trat er auf Lina zu, nahm ihre Hand und zog sie zu ihrem Bett.

Doch Lina hatte plötzlich eine bessere Idee. »Weißt du, was noch heißer wäre?«, fragte sie mit einem schelmischen Grinsen. Dabei zeigte sie an die gegenüberliegende Wand. Auf das Kinderbett ihrer lästigen Mitbewohnerin.

Nino hob die wunderschönen Brauen. »Da?«, staunte er. »Du willst … unter Justin Bieber??«

»Gerade da«, antwortete sie betont. Ihre Eltern waren strenger als streng – und erzkatholisch. Und Aurora … Das verzogene Gör musste direkt aus der Hölle stammen, anders ließ sich ihre böse Natur nicht erklären. Es wäre das ultimative »Leckt mich!«, wenn Lina ihr verbotenes erstes Mal ausgerechnet in Auroras Bett hätte. Es wäre der Gipfel der Rebellion. »Wir wollen denen doch was beweisen, oder?«

Ihr Freund sah aus, als wüsste er nicht, wen sie meinte. Doch seiner Zeltstange waren Worte ohnehin längst egal. »Du bist ja hart drauf …«, murmelte er grinsend. Dann ging er mit ihr zum anderen Bett.

Sie legten sich hin. Küssten sich. Streichelten sich. Schmiegten sich aneinander. Ninos Hand wanderte an ihren Brüsten entlang, über ihren flachen Bauch, runter zu …

»Au!« Frustriert verzog Lina das Gesicht. »Jetzt reicht’s, verdammt noch mal!«

Dieses elende Spielzeug! Auroras Bett war voll mit dem Scheiß. In jeder Falte und unter jeder Decke lag irgendein neues Plastikding mit spitzen Kanten, das sich einem in den Rücken drückte. So ging das nicht.

»Was ist?«, zögerte Nino. Einmal mehr verstand er nur Bahnhof.

Lina griff unter sich und unter die Bettdecke, auf der sie lagen. »Das ist«, sagte sie und zog eine langbeinige Barbie hervor. Wütend schmiss sie sie auf den Boden. »Und da ist noch mehr. Warte kurz, ja?«

Ohne auf seine Reaktion zu warten – denn mal ehrlich: Nicht er, sondern sie steuerte diesen Abend – begann sie, die Kissen und Decken ihrer kleinen Schwester gründlich zu durchwühlen. Überall fand sie Spielsachen. Autos, Pferde, Malstifte und allerlei anderen Kram.

»Im Bett, ey?«, regte sie sich auf. »Wer zur Hölle braucht Wachsmalstifte im Bett?«

Nino grinste wieder. »Du bist sexy, wenn du wütend bist.«

»Dann bin ich in diesem Zimmer immer sexy«, knurrte sie, lächelte aber. »Ernsthaft, Aurora ist eine Plage. Das Kind raubt mir noch den letzten …« Dann stutzte sie.

Unter dem Kopfkissen war die vielleicht schönste Puppe zum Vorschein gekommen, die Lina je gesehen hatte. Knapp so groß wie ein Baby, hatte sie ein weiches, weibliches Gesicht, eine bezaubernde Stupsnase und hellblaue Kulleraugen. Der speckige Körper steckte in einem bezaubernden Kleidchen, das klar Handarbeit sein musste. Jedes einzelne Detail war kunstvoll gefertigt – von den Äderchen in den Glasaugen bis hin zu den perfekt geformten Nägeln der kleinen Finger. Das Haar der Puppe war rotblond und glänzte im Mondschein wie Feenstaub.

»Wow«, sagte Nino. »Die ist wunderschön.«

Lina nickte. Fast schon ehrfurchtsvoll hob sie die Puppe auf. »Das muss die Neue sein«, sagte sie. »Aus dem Laden drüben in der Gasse. Aurora redet seit Tagen von nichts anderem. Das Geschäft ist ganz neu in der Stadt, sagt sie. Und laut meiner Schwester hat es die tollsten Spielsachen von allen.«

»Sieht ganz so aus«, fand er. »Vermutlich auch die teuersten. Ist das echtes Haar?«

Woher nahmen ihre Eltern nur das Geld für so teure Puppen? Nina war beinahe wieder wütend, doch die bezaubernde kleine Dame in ihrem Kleidchen ließ jeden Zorn sofort verfliegen. »Wirklich wunderschön.«

Vorsichtig hob Lina die Puppe vom Bett. Sie wollte sie gerade auf den Boden stellen, da griff Nino nach ihr.

»Zeig doch mal«, sagte er. Nachdenklich studierte er die rotblonden Haare. »Tatsächlich, die müssen echt sein. Und die Augen sind auch nicht einfach nur Glas, sondern …«

Er kam nicht dazu, den Satz zu beenden. Die Worte endeten in ersticktem Gurgeln. Ein Schwall dunkelroten Blutes drang plötzlich aus der klaffenden Wunde, die auf seinem Hals erschien. Ein wahrer Wasserfall von Blut ergoss sich über seine nackte Brust und auf das Bett.

Mehr und immer mehr Blut.

***

Fassungslos starrte Lina ihn an. Es war so schnell gegangen und so bizarr, dass sie jetzt erst begriff, was geschah. Hatte … Hatte die Puppe ihm wirklich gerade die Kehle aufgeschlitzt?

Röchelnd griff Nino sich an den Hals. Blut quoll zwischen seinen Fingern hervor, als er hilflos zu Lina schaute. Seine Miene war ein Spiegel seines Entsetzens. Seiner kompletten Ratlosigkeit.

Die Puppe fiel zu Boden. Lina sah nach unten.

Im selben Augenblick biss die Puppe ihr in den nackten wehrlosen Fuß!

Ein Blitz aus unvorstellbarem Schmerz schoss Linas Körper hinauf und überlagerte alles andere. Sie kniff die Augen zusammen, schrie laut auf. Was in aller Welt passierte hier?

Erst als sie die Augen wieder öffnete, sah sie die Wunde. Ein Loch von der Größe einer Mandarine prangte in ihrem Fuß. Die Puppe hatte ein gutes Stück Fleisch herausgerissen. Sogar die Knochen waren zu erkennen.

Dann sah sie das kleine Monster. Die Babypuppe mit dem rotblonden Haar war noch immer schön. Doch ihr engelsgleiches Gesicht hatte sich in eine hasserfüllte Fratze verwandelt. Der Mund stand sperrangelweit offen und präsentierte rasiermesserscharfe, spitze Raubtierzähne. Die Fingernägel hatten sich in Krallen verwandelt.

Und das Ding war schnell! Ehe Lina richtig hinsehen konnte, war die Puppe schon wieder heran. Mit einem gewaltigen Satz sprang sie aufs Bett und schlug Nino mit der Krallenfaust in den Bauch. Blut spritzte, als die scharfen Krallen die Haut und die Adern durchschnitten. Nino schrie, als das Monstrum in seine Gedärme fuhr.

»Nein!«, brüllte Lina. Sie wusste nicht, woher sie den Mut dazu nahm. Doch sie griff vor, packte die Puppe mit beiden Händen und zog sie zurück.

Das war ein Fehler. Denn das kleine Engelchen kam nicht mit leeren Händen. Teile von Ninos Gedärmen prangten zwischen den Puppenfingern, blutig und zerfetzt. Lina schrie so laut, als hätte sie sie ihm persönlich ausgerissen. Entsetzt ließ sie die Puppe fallen.

Dann sah sie zu ihrem Freund. Der junge Mann, mit dem sie eben noch hatte schlafen wollen, kämpfte ums nackte Überleben. Er röchelte noch immer. Ein Sturzbach an Blut benetzte seinen kompletten Oberkörper. Die Bauchhöhle war ein einziges Gemetzel, überall rot dampfende Feuchtigkeit, Hautfetzen und tausend andere Details, über die Lina nicht nachdenken wollte. Nino wurde schwächer. Sein Gesicht war beinahe leichenblass, seine Lippen zitterten. Er würde es nicht schaffen. Das begriff Lina in diesem schrecklichen Moment. Nino würde sterben – heute und hier.

»Li …«, stieß er gurgelnd hervor. Eine Fontäne roten Blutes schoss aus seiner Mundhöhle und über sein Kinn. »Li …na.«

Sie weinte um ihn. Hilflos, ratlos und fassungslos saß sie neben dem nackten Mann ihrer Träume und konnte nichts tun.

Bis der Schmerz wiederkam. Die Wunde im Fuß hatte Lina vor lauter Entsetzen ausgeblendet. Nun aber schoss neuer Schmerz durch ihren Körper. Sie drehte den Kopf um … und erstarrte.

Die Puppe kletterte ihr nacktes Bein hinauf! Sichtlich genießerisch schlug das kleine Monster die krallenartigen Finger in ihren wehrlosen Unterschenkel wie ein Bergsteiger seine Kletterhilfen. Blut spritzte, und Lina sah Brocken blutigen Fleisches in alle Richtungen davonstieben, wann immer die Puppe neu ausholte.

»Waaaaahh!«, schrie die Siebzehnjährige. Sie sprang auf, um das Monstrum von sich abzuschütteln. Doch sie konnte den wunden Fuß nicht länger belasten, kippte prompt zur Seite und landete unsanft auf dem Boden. Hart stieß sie mit dem Kopf gegen Auroras Bettkante, und für einen gar nicht mal kurzen Moment sah sie nur Sterne.

Genau das hatte die Puppe beabsichtigt. Im Nu war sie auf Linas Brust gesprungen. Zielsicher kam sie bis zum Kopf der jungen Frau getrampelt, die blutigen Krallen zum nächsten Angriff erhoben. Als Lina wieder begriff, was geschah, schlug das Engelchen des Todes bereits zu und …

Nino! Er reagierte absolut gekonnt. Er hatte mit dem Fuß ausgeholt, zugetreten – und nun segelte das Monstrum in hohem Bogen durch das Zimmer.

Lina zögerte nicht. Keuchend stemmte sie sich vom Boden hoch und sah hinter sich. »Wo ist sie?«, rief sie, die Stimme zittrig und panisch. »Scheiße, wo ist sie?« Doch sie konnte das unheimliche Spielzeug nicht mehr erkennen. Es war zu dunkel im Zimmer. Wolken waren vor den Mond gezogen.

Abermals röchelte Nino. Lina schleppte sich schnaufend zu ihm.

Auroras Bett glich einem Schlachtfeld. Alles war voller Blut und Gedärmebrocken. Nino lag inmitten der Zerstörung. Er war dem Tode nah. Seine Lider flatterten. Aus seiner Kehle drang ein ganz und gar entsetzliches Gurgeln. Es klang wie die letzten Zuckungen eines Ertrinkenden.

»Nino«, weinte sie. Sie griff nach dem Kopfkissen und presste es gegen seinen Hals, als könne sie die Sturzbäche so aufhalten. Doch das war Unsinn, und sie beide wussten es. »Nino. Halt durch. Hörst du? Es wird alles wieder gut. Wir schaffen das. Du musst einfach bei mir bleiben, okay? Bleib hier und …«

Plötzlich wurde sein Blick wieder klar. Er sah sie – und dann sah er an ihr vorbei.

Entsetzt riss er die Augen auf. »Li …«, drang es warnend aus seinem Mund.

Einen Sekundenbruchteil später spürte Lina Pizulli einen stechenden Schmerz im Hinterkopf, und die Welt wurde schwarz.

***

Zur gleichen Zeit am Rande der Stadt

Der Schmerz füllte den kompletten Hinterkopf aus. Ted Ewigk verzog das Gesicht und rieb sich den dröhnenden Schädel. Dann drehte er sich um.

»Nee, oder?«, fragte er – ungläubig und sogar ein wenig amüsiert. »Du hast nicht wirklich mit dem Salzstreuer nach mir geworfen.«

Doch Mysati hatte. Mehr noch: Sie hatte getroffen! Und ihr Griff, der zum Pfefferstreuer ging, machte deutlich, dass sie nachzuladen gedachte.

Ein typischer Abend im Hause Ewigk, schoss es dem blonden Reporter durch den Kopf. Auch Sarkasmus war eine Waffe.

Ted Ewigk, der einstige »Reporter des Paranormalen«, lebte nun schon eine ganze Weile am Stadtrand von Rom. Dort verbrachte er seine Tage – und die angenehmen Nächte – mit einer Frau, die er mit Fug und Recht als neue Liebe seines Lebens bezeichnen würde. Vielleicht sogar als größte. Mysati, die ehemalige Herrscherin der Kuppel, war die beeindruckendste Frau, der er je begegnet war. Und ihre gemeinsame Geschichte war der Stoff, aus dem die Träume waren: bizarr, wendungsreich und absolut unglaublich. Im Grunde waren sie völlig verschiedene Personen, mit eigenen Interessen und Vorstellungen. Nichts sprach dafür, dass sie es auch nur fünf Minuten gemeinsam in einem Raum aushalten würden, ohne einander an die Gurgel zu gehen. Dennoch lebten sie nun schon seit Jahren in einer ebenso innigen wie mitunter hitzigen Liebesbeziehung, die alles überstieg, was beide je zuvor erlebt hatten. Trotz aller Gegensätze wollte Ewigk, immerhin schon über sechzig und von vielen Abenteuern müde, sich ein Leben ohne die launenhafte Frau mit der bizarren Vorliebe für die Farbe Grün heute nicht mehr vorstellen.

Was nicht bedeutete, dass sie es ebenfalls nicht konnte.

»Geh mir aus den Augen, Ted Ewigk«, knurrte Mysati. Sie hatte den Pfefferstreuer in der Hand und holte erneut aus. »Ich will dich nie wieder sehen, hörst du? Nie wieder! Raus aus meinem Haus!«

Im Grunde war der sogenannte Palazzo Eternale, das weitläufige und geheimnisumwobene Anwesen am nördlichen Stadtrand der Tiber-Metropole, sein Haus. Aber im Grunde hatte Ewigk auch keinen blassen Schimmer, was er nun schon wieder getan haben sollte, um Mysatis Zorn zu verdienen. Auch das war eine Lehre, die er früh in seinem Leben mit ihr gelernt hatte: Im Grunde hatten ihre Launen nur dann eine logische Grundlage, wenn sie es wollte.

»Du wirfst mich raus?«, fragte er ungläubig. Dabei machte er einen Schritt auf sie zu.

Das war ein Fehler. Mysati, die in der Küche hinter der Anrichte stand, sah in dieser Bewegung Provokation genug für die zweite Salve. Der Pfefferstreuer verfehlte Ewigks Kopf nur um Millimeter.

»Himmel, Mysati!«, zuckte der Reporter zusammen. Fassungslos starrte er sie an. »Was hast du denn jetzt schon wieder? Was habe ich gemacht, hm?«

»Den Verstand verloren, das hast du«, stieß sie zischend zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ihr Zorn war echt. »Und ich will dich nicht mehr sehen. Also verschwinde endlich, Ted Ewigk, bevor ich richtig böse werde.« Sie griff nach der heißen Bratpfanne auf dem Herd. Lammkeulen fielen zu Boden, als sie die Pfanne zum Wurf hob.

Ewigk hob abwehrend die Hände und wich zurück. »Okay, okay.« Auch in ihm loderte nun die Wut auf. War diese spinnerte Frau jetzt völlig durchgeknallt? Verletzter Stolz und trotzige Sturheit vermischten sich in ihm zu einer ätzenden Melange aus Zorn. »Dann bleib halt allein. Juckt mich nicht. Schönen Abend noch.«

Sprach’s, drehte sich um und verließ wortlos die Villa.

***

Dass er besser einen Mantel mitgenommen hätte, merkte Ted Ewigk erst nach einigen Dutzend Schritten. Die Nacht war kalt. Kein Wunder, regierte doch noch immer der Januar, und auch wenn es in Rom länger nicht geschneit hatte und auch kein Frost zu erwarten war, blieb ein Winter ein Winter.