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Die Geschosse hinterließen mächtige Wunden. Unheiliges Fleisch regnete in Fetzen auf den nackten Erdboden der Höhle. Einen halben Herzschlag später brach der getroffene Untote zusammen, nutzlos wie ein leerer Sack.
Da waren’s nur noch drei, dachte Nicole grimmig.
Sie wirbelte auf dem Absatz herum und riss den provisorischen Prügel in die Höhe - allzeit kampfbereit.
Dann aber keuchte sie auf, denn die letzten drei Zombies rannten direkt auf sie zu!
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Seitenzahl: 136
Cover
Die Schiffbrüchigen der Zeit
Kapitel 1 Vor dem Fall
Kapitel 2 Die Wut der Frauen
Kapitel 3 In Cronoks Schatten
Kapitel 4 Die Schatten der Zukunft
Kapitel 5 Die Logik des Vril
Kapitel 6 »Das ist der Weg!«
Epilog Ein Fall wie kein anderer
Leserseite
Vorschau
Impressum
Die Schiffbrüchigender Zeit
von Simon Borner
Die Geschosse hinterließen mächtige Wunden. Unheiliges Fleisch regnete in Fetzen auf den nackten Erdboden der Höhle. Einen halben Herzschlag später brach der getroffene Untote zusammen, nutzlos wie ein leerer Sack.
Da waren's nur noch drei, dachte Nicole grimmig.
Sie wirbelte auf dem Absatz herum und riss den provisorischen Prügel in die Höhe – allzeit kampfbereit.
Dann aber keuchte sie auf, denn die letzten drei Zombies rannten direkt auf sie zu!
London, Gegenwart
Die Nacht vor Professor Zamorras Verschwinden
Zamorra erwachte mit einem Schrei.
Eben noch hatte der Meister des Übersinnlichen friedlich in seinem Hotelbett geschlafen, nun starrte er aus weit aufgerissenen Augen in das Unfassbare. Da klaffte ein gewaltiger Riss in der Wirklichkeit – mitten in seinem Zimmer!
Das unheimliche Gebilde war nahezu mannsgroß und glich einer offenen Wunde. Blaues Licht drang aus seinem Kern, und wann immer Zamorra es ansah, veränderte sich die längliche Form seiner beiden Ränder leicht. Sie schien sich zu winden, zu bewegen wie ein Wurm. Ein starker Sog ging von dem Ungetüm aus und zerrte an allem, was im Zimmer nicht niet- und nagelfest war. Dennoch machte das Gebilde keinerlei Geräusche. Es war da, und trotzdem blieb es still im Zimmer.
Zamorra keuchte innerlich. Was in aller Welt ...?
Er war zu Gast in der britischen Metropole, weil sein alter Freund Denny W. Shore ihn hier um einen Vortrag gebeten hatte. Die zahlreichen Fachbücher, aus denen er morgen früh auf dem Podium der Konferenz zitieren wollte, lagen um ihn herum auf dem Bett verstreut. Denn er war bei der Arbeit eingeschlafen und trug sogar noch immer seine Straßenkleidung. Nun aber rutschten erste Bücher auf den leuchtenden Riss zu, der mitten im Raum schwebte. Sie wurden regelrecht angesaugt vom mächtigen Sog dieses Dings!
Auch Merlins Stern reagierte darauf. Das magische Amulett hatte natürlich längst seine treue Schutzblase um den Meister des Übersinnlichen gebildet. Es schien nun aber darauf zu warten, dass Zamorra mittels eines Mentalbefehls auch die energetischen Blitze aktivierte. Sie bestanden aus purer weißer Magie und waren in der Lage, selbst Höllengegner zu vernichten.
Nur: War das da vor seinem Bett ein Gegner aus der Hölle?
Was du auch bist, dachte der Professor, du gehörst hier nicht hin.
Er beschloss, den Mentalbefehl nicht zu geben.
Noch nicht.
Fasziniert kroch er stattdessen etwas näher an die bizarre Erscheinung heran, deren Auftauchen ihn aus dem Schlaf gerissen hatte. Der unheimliche Wind zerrte dabei an seinem Haar und dem weißen Anzug, den er trug. Abermals verschwand ein aufgeschlagenes Buch in dem klaffenden Riss in seinem Zimmer. Die Seiten flatterten wie aufgeregte Vögel.
Wo kommst du her?, wunderte sich Zamorra. Und warum bist du ausgerechnet hier bei mir?
Daheim auf Château Montagne blieben seine Partnerin Nicole Duval und er vor paranormalen Erscheinungen dieser Art meist verschont. Die M-Abwehr, die das komplette Grundstück seit Jahrzehnten umgab, sorgte dafür. Kein Gegner konnte sie durchdringen, deshalb musste sie auch regelmäßig erneuert werden. Wenn er aber auf Reisen war, hatte Zamorra keine M-Abwehr. Und als Dämonenjäger gehörte das Reisen quasi zum Beruf ...
Das Gebilde reagierte nicht auf den Meister des Übersinnlichen. Es blieb, wo es war. Es schien zu warten – aber worauf?
Welchen Zweck erfüllst du?, fragte sich Zamorra. Der alte Para-Wissenschaftler in ihm brach wieder durch, und das Gebilde weckte sein Forschungsinteresse. Was ist der Grund, aus dem du existierst? Wem nützt du?
Es lag schwarze Magie in der unheimlichen Erscheinung. Das war völlig klar. Zum einen spürte Zamorra es mit jeder Faser seines Körpers, und zum anderen hätte Merlins Stern nicht reagiert, wenn es nicht so wäre.
Und doch ...
Wenn du ein Gegner bist, dachte Zamorra, warum greifst du dann nicht an? Ich hocke doch direkt vor dir.
Er wartete noch immer. Er bot dem rätselhaften Gebilde alle Möglichkeiten, sich ihm genauer zu offenbaren.
Anzugreifen!
Zu handeln!
Doch nichts geschah.
Du bist kein Gegner, folgerte der Meister des Übersinnlichen. Sondern ...
Ja, was genau? Das Werkzeug eines Gegners? Steckte da jemand hinter dem Gebilde und steuerte es? Wenn ja, wo war dieser Jemand? Warum nutzte er sein Werkzeug nicht endlich?
Zamorra war nun schon seit Sekunden wach, und noch immer hatte sich die Macht hinter dem Riss ihm nicht gezeigt. Gab es diese Macht überhaupt?
Abermals flogen Bücher durch den Riss und verschwanden im Irgendwo jenseits des unheimlichen blauen Lichts. Seine gebrauchten Socken, die am Boden gelegen hatten, taten es ihnen gleich. Aus den Augenwinkeln sah Zamorra, wie die Bilder an den Wänden wackelten und auch die Topfpflanze in der Ecke neben dem Fenster allmählich auf den Riss zurutschte.
Und mit einem Mal begriff er!
Ein Portal!, durchzuckte es ihn, und ihm war, als fielen ihm Schuppen von den müden Augen. Du bist kein Gegner, sondern eine Tür. Richtig? Und du bist nicht hier, weil jemand – oder etwas – durch dich hindurch zu mir kommen will. Sondern weil ich durch dich durchgehen soll!
Wohin mochte das Ding führen? Was erwartete ihn auf der anderen Seite?
Zamorra wusste es nicht. Genauso wenig wusste er, wer oder was ihm das Gebilde hierher nach London geschickt hatte. Oder ob seine Portal-Theorie überhaupt zutraf.
Doch der Forscher und der Dämonenjäger in ihm waren sich in einer Sache nun vollends einig: Sie wollten mehr darüber wissen.
Versuchen wir's, dachte er und wappnete sich.
Denny Shore, ein Experte für alte Kulturen und ihre paranormalen Aspekte, hätte ihn gewiss dafür beneidet.
Zamorra kroch so dicht an das vermeintliche Portal, wie er konnte, ohne es den Büchern und der Topfpflanze gleichzutun und durch das Loch hindurch zu verschwinden. Der lautlose Wind zerrte an ihm, an seinen Kleidern und seinen Haaren. Dennoch: Die grüne Schutzblase hielt, und er fühlte sich halbwegs sicher. Zamorra schloss die Augen.
Es gab viele Menschen – und viele Wesen von anderen Welten und Realitäten – die sich auf Magie und Zauber verstanden. So manchen von ihnen war er auf seinen Reisen bereits begegnet, und nicht immer waren diese Begegnungen friedlich verlaufen. Doch nur wenige Magiebegabte schafften es so mühelos wie der Meister des Übersinnlichen, sich in eine Trance zu versetzen.
Zamorra kämpfte nun schon seit vielen Jahrzehnten gegen die Mächte der Finsternis, und inzwischen gelang die Trance ihm nahezu überall in Sekundenschnelle. Er brauchte keine Ruhe dazu, denn die Ruhe erschuf er sich kurzerhand selbst. In seinem Inneren. Gekonnt blendete er im Geiste alles aus, was ihn in seiner Konzentration ablenken mochte.
Das Hotelzimmer an der Themse mit dem Bett, auf dem er saß? Ein Gedanke genügte, und schon spürte er es nicht mehr. Der gierige Wind, der aus dem Riss drang und an ihm zerrte? Zamorra blendete ihn vollkommen aus. Ebenso die Wärme, die Merlins Stern an seiner Brust erzeugte. All das existierte natürlich nach wie vor, doch für die Dauer seiner magischen Konzentration nahm er sie nicht länger wahr. Für den Moment gab es nichts mehr hinter seiner Stirn, denn alles war fort. Und Zamorra konnte beginnen, dieses frisch erzeugte Nichts nach eigenem Ermessen zu gestalten.
Am Anfang erschuf er sich selbst. Sein Geist war plötzlich wieder da, sein Körper ebenfalls. Sie schwebten im Nichts, das sein Geist sich vorstellte, und er spürte sie genau. Das war der Anfang.
Im zweiten Schritt beschwor er sich dann den mysteriösen Riss vor das geistige Auge – exakt so, wie er auch in der Wirklichkeit ausgesehen hatte. Jedes kleinste Detail rief er sich ins Gedächtnis zurück, bis das geistige Abbild des Gebildes direkt vor dem geistigen Abbild seines Körpers schwebte – genau wie in echt.
Dann kamen die »Fühler«. In seiner Vorstellung waren es gleißende Strahlen, ähnlich den Blitzen des Amuletts. Sie entstanden an der Stirn des Gedanken-Zamorras und reckten sich nach dem blauen Licht des Gedanken-Risses aus wie Blumenstängel nach dem Schein der Sonne. Es gab diese »Fühler« nicht in Wirklichkeit. Sie waren bloß ein Sinnbild, ein Platzhalter für die Magie, die er schuf.
Die »Fühler« tasteten nach dem Riss. Sie waren die Macht, die Zamorra beherrschte. Sie waren alles, was er an weißer Magie aufzubringen und was ihm in dieser Situation nutzen mochte. Sie waren sein sechster Sinn.
Zamorra konzentrierte sich. Wartete auf die Informationen, die die magischen »Fühler« ihm gaben.
Und schrie!
Die Bilder kommen ohne jede Vorwarnung. Von einem Moment zum anderen sind sie einfach da. Sie fluten seinen Geist und drohen sein Bewusstsein wegzuspülen wie der Tsunami das Haus an der Küste.
Zamorra sieht ...
... Hass!
... Gier!
... Zerstörungswut!
Er weiß nicht, was da zu ihm spricht. Die Quelle der Bilder ist schlicht zu groß, zu stark, als dass er sie erkennen oder gar benennen könnte. Doch er weiß, dass sie existiert.
Er weiß, dass er sich gegen sie wehren muss!
Zamorra stemmt sich gegen die Flut. Aber der Tsunami ist bereits nah. Die Bilder werden zu Empfindungen – zu seinen Empfindungen!
Mit einem Mal ist er es, der hasst! Er selbst hat diese schreckliche Gier! Er spürt den unstillbaren Hunger, alles zu vernichten, was ihm im Wege steht.
Ein schwächerer Geist würde sterben, jetzt und hier. Aufgeben vor der Flut und mitgerissen werden. Ein schwächerer Geist wäre nun ein Opfer.
Doch Zamorras Geist ist stark! Der Meister des Übersinnlichen erkennt die fremden Gefühle als Fremdkörper – und er stemmt sich gegen sie mit allem, was er hat. Krampfhaft versucht er, die »Fühler« zu kappen. Sein sechster Sinn ist wie ein Loch in seiner Defensive, das erkennt er nun, und er muss es stopfen, bevor er in der Flut ertrinkt.
Es gelingt ihm ... gerade noch.
Abermals schreckte Zamorra keuchend auf. Dieses Mal nicht aus dem Schlaf, sondern aus seiner schlafähnlichen Trance. Seit er die Augen schloss, waren nur wenige Sekunden vergangen. Doch die wenige Zeit genügte, um ihm einen Großteil seiner Kraftreserven zu rauben.
Der Professor saß noch immer auf seinem Hotelbett, direkt vor dem klaffenden blauen Riss. Nun aber war er schweißgebadet. Sein Atem ging schwer, sein Herz pochte wie wild, und hinter seinen Schläfen regierte die Mutter aller Kopfschmerzen.
»Was bist du?«, fragte er knurrend.
Die Bilder, die das Ding ihm gesendet hatte, waren fort. Er hatte sie vertrieben, als er seinen sechsten Sinn zurückrief – als er aufhörte, den Riss mit magischen Mitteln zu untersuchen. Gerade noch rechtzeitig. Doch der Schrecken, den sie ihm beschert hatten, blieb.
Es war knapp gewesen. Zu knapp.
Merlins Stern war von dem weisen Magier höchstpersönlich erschaffen worden. Merlin hatte sich dafür der Kraft einer entarteten Sonne bedient. Doch das Amulett bezog die Energie, die es im Kampf benötigte, auch von seinem jeweiligen Träger. Es schwächte Zamorra, wenn es zu stark oder zu lange beansprucht wurde. Ja, es war und blieb eine mächtige Waffe im Kampf gegen die Finsternis – doch diese Waffe hatte Grenzen. Zamorra wusste das genau.
Deshalb wusste er auch, dass die grüne Schutzblase nicht mehr lange existieren würde!
Was immer da gerade passiert ist, dachte er grimmig, hat mich gehörig geschwächt. Das ist nicht gut.
Dennoch blieb die Faszination. Dieser Riss war ein Portal – und es rief nach ihm.
Ich muss es genauer untersuchen, beschloss Zamorra. Aber nicht, ohne dabei gut auf mich aufzupassen.
Er schob das letzte verbliebene Buch vom Bett und stand auf. Der Vortrag und die morgige Konferenz waren vergessen. Im Moment gab es nur das Rätsel dieses Risses, und er wollte es um jeden Preis lösen.
Das TI-Gamma lag auf dem Nachttisch neben dem Bett. Zamorra griff nach dem High-Tech-Handy und rief Nicole Duvals Nummer auf. Sein Zeigefinger näherte sich dem Wähl-Icon und ...
Der Sog war wie die Druckwelle einer lautlosen Explosion! Mit einem Mal verstärkte er sich um ein Vielfaches. Er riss nicht länger an Zamorra, sondern griff regelrecht nach ihm – und nach allem anderen im Zimmer.
Der Meister des Übersinnlichen spürte gerade noch, wie die Wucht des bizarren Angriffs an der brüchig gewordenen Schutzblase zerrte. Dann riss es ihn auch schon von den Füßen.
Er reagierte instinktiv, stemmte sich gegen die drohende Gefahr. Doch der Tsunami war schneller. Zamorra konnte es nicht verhindern und verschwand mit Haut und Haar im Licht des blauen Risses!
London, Gegenwart
Nach Zamorras Verschwinden
»Was in aller Welt geht hier vor?«, fragte Nicole. Ratlos saß sie auf der Bettkante, das verwüstete Hotelzimmer rings um sich, und sah zu dem Silbermonddruiden. »Agatha Halliday? Die berühmte Krimi-Autorin? Ist das dein Ernst?«
Gryf ap Llandrysgryf hob die Schultern. Er wirkte noch immer blass. Aber seine Kräfte kehrten nach dem ungewollten zeitlosen Sprung, den er hinter sich hatte, merklich schnell zu ihm zurück.
»Schätze schon«, antwortete er. »Zumindest fiel der Name. Die Frau, die ich gesehen habe, war Autorin und hieß offenbar so. Warum ich ausgerechnet sie gesehen habe, vermag ich aber nicht zu sagen. Kann Zufall gewesen sein.«
Nicole wusste natürlich, dass es Zufälle gab. Dennoch hegte sie Zweifel. So viel lag noch im Dunklen, dass sie jedes einzelne Detail als mögliches Puzzleteil betrachten wollte – als ihren Weg hin zu Antworten.
»Das ist ... interessant«, murmelte Denny W. Shore.
Der kleine Akademiker war der dritte Anwesende in Zamorras verwüstetem Hotelzimmer. Er war es auch, der die parawissenschaftliche Konferenz organisierte, derentwegen sich der Meister des Übersinnlichen an die Themse aufgemacht hatte. Zamorra hatte für seinen alten Freund Shore einen Vortrag halten sollen, wusste Nicole – doch in der Nacht vor seinem großen Auftritt war er verschwunden. Das verwüstete Zimmer, in dem sie nun saß, hatte der örtlichen Polizei einige Rätsel aufgegeben und sie zu dem Schluss gebracht, hier liege ein Gewaltverbrechen vor – beispielsweise eine Entführung.
Doch genau wie Shore und der Druide glaubte Nicole nicht an die Theorie. Gewalt ja, denn Zamorra war vermutlich nicht freiwillig verschwunden, ohne jemanden darüber zu informieren. Aber ein Verbrechen? Das wohl kaum.
Und Gryfs eigene Erlebnisse bestätigten es.
Der Druide vom Silbermond hatte Nicole mit dem zeitlosen Sprung hergebracht. Gemeinsam wollten sie in London nach dem Verbleib des Professors ermitteln. Doch schon bei ihrer Anreise waren erste Probleme aufgetreten: Nicole kannte den zeitlosen Sprung aus zahlreichen vorherigen Reisen und wusste genau, wie reibungslos er normalerweise ablief. Dieses Mal jedoch waren sie und Gryf mit starken Schwindel- und Kopfschmerzgefühlen an ihrem Zielort materialisiert. Mehr noch: Kaum waren sie dort angekommen, war Gryf ein weiteres Mal verschwunden – ohne sein eigenes Zutun! Vor Nicoles schreckensweit aufgerissenen Augen war er einfach verblasst wie ein werdender Geist. Sie hatte ihn greifen und festhalten wollen, aber ihre Hand war durch ihn hindurchgegangen, als sei er schon gar nicht mehr da. Einen Herzschlag später war der Druide tatsächlich spurlos verschwunden – und nun, nach mehreren langen Minuten, war er auf ebenso unerklärliche Weise wieder aufgetaucht. Mit Geschichten über Agatha Halliday.
»Wie meist du das, Denny?«, fragte Nicole. Sie folgte einer spontanen Eingebung, denn irgendetwas an Shores Kommentar hatte sie stutzig werden lassen. »Was genau findest du interessant?«
Der kleine Para-Wissenschaftler, zu dessen Fachgebiet versunkene Kulturen zählten, strich sich nachdenklich über das Doppelkinn. »Nun ja, es mag natürlich alles nichts mit Zamorras Verschwinden und Gryfs eigenem Erlebnis zu tun haben. Ich denke hier nur laut vor mich hin, aber ...«
»Nur raus damit«, sagte der Druide. »Ich bin für jeden Ansatz dankbar, Dr. Shore. Denn eins ist sicher: Es gefällt mir ganz und gar nicht, wenn etwas Schindluder mit meinen magischen Talenten treibt. Ich weiß aktuell ja nicht einmal, ob ich gleich wieder irgendwohin verschwinde oder nicht – geschweige denn warum.«
»Dieses Zimmer«, begann Shore. Er sah fast schon entschuldigend zu Nicole. »Du weißt, dass ich die Konferenz organisiert habe, richtig?«
Sie nickte. »Klar.«
»Und zu meinen Aufgaben als Organisator zählt natürlich auch, dass ich Hotelzimmer für unsere Gastredner besorge«, fuhr Shore fort. »Ich konnte sie alle hier im Haus unterbringen, Nicole. Aber als ich Zamorras Zimmer buchte, sagte mir der Concierge, es sei ein ganz besonderes. Denn in ihm habe vor knapp einhundert Jahren eine der berühmtesten Persönlichkeiten des gesamten Königreiches genächtigt.«
»Agatha Halliday«, sagten Nicole und Gryf im Chor.
Staunend sahen sie Shore an. Der nickte.
»Ganz genau.« Shore rieb sich nervös die schweißfeuchten Hände an den Hosenbeinen trocken. »Hätte ich gewusst, dass es hier drin spukt oder so, hätte ich das Zimmer natürlich nicht gebucht. Großer Gott, das ist mir alles so unangenehm. Bin ich schuld an Zamorras Schicksal?«