psychisch kranke Welt erleben - Peter Langstrof - E-Book

psychisch kranke Welt erleben E-Book

Peter Langstrof

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  • Herausgeber: epubli
  • Kategorie: Ratgeber
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2024
Beschreibung

Dieses Buch ist ein Muss! Ein Muss für Menschen, die wissen wollen, wie es im Erleben eines psychisch kranken Menschen aussieht. Der Autor vermittelt dieses Erleben in seiner eigenen Art, mit Fachwissen, Metaphern und Gedichten, die sich an manchen Stellen zu Kritik und Anregung verdichten. Er schreibt aus eigener Betroffenheit als Sozialarbeiter und von seelischer Krankheit Betroffener, der schon vieles erlebt und bewirkt hat. Depressionen, Ängste und Süchte sind Volkskrankheiten. Viel ist darüber geschrieben worden. Aber wie ergeht es Menschen, die mit seelischen Krankheitssymptomen leben? Wie erleben sie "normale" und "eigene" Welt und Möglichkeiten in ihrem Leben klarzukommen? Es geht um Verstehen und Zuhören vor der Forderung nach Selbsthilfe. Ein solidarisches Buch für Betroffene. Ein Buch für Fachpersonal, Angehörige und Interessierte, die ehrlich etwas erfahren möchten über die Realität eines Lebens mit seelischen Symptomen und dazu bereit sind über den Rand des üblichen Schilderns von Diagnose, Betroffenheit und der Forderung nach Abhilfe und Selbstmanagement hinauszuschauen.

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Seitenzahl: 223

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Für alle,

die verstehen wollen!

Impressum

Texte, Umschlag, Bilder: Copyright 2024 by Peter LangstrofDruck: epubli - ein Service der neopubli GmbH,Berlin

Zum Autor

Lieblingsfarbe Rot, kreativ, Sozialarbeiter, cis, Frau und Hund, große Füße, erwerbsgemindert, depressiv und zwangsgestört, trockener Alkoholkranker, Antifaschist, naturliebend und ich mag Kartoffeln, Nu-Metal, Bäume, Nietzsche und die Logik der Theorie sozialer Systeme

gendern

Dieses Buch ist mit gendergerechte Sprache geschrieben, zumindest versucht. Falls es nicht immer gelingt, bitte ich um Nachsicht. Es ist dann die Macht der Gewohnheit und keine schlechte Absicht.

Gestaltungsweise

Dieses Buch wird im Text unterbrochen: es sind am Anfang zusammengehörige Textteile im dominierenden Text eingearbeitet, Bilder und Grafiken beliebig eingefügt und keine Unterkapitel angelegt, sondern Begriffe dick markiert. Und manche Kapitel gehören an andere Stelle.

Diese Gestaltungsweise soll dem Leser, der Leserin, die Innenwelt eines seelisch kranken Menschen etwas nahe bringen, denn die Eindrücke, welche auf uns einwirken, müssen gefiltert und geordnet werden. Das geschieht automatisch, bei uns Psychos jedoch oft lückenhaft. Sie werden bei uns teilweise ins bewusste Erleben gelassen und müssen bewusst gefiltert werden. Das ist anstrengend und kostet uns Aufmerksamkeit.

Inhalt

Vorwort

psychisch kranke Welt

Der nasse schwarze Mantel

alles schwer Briefkasten belastet Psychotypen schöne Geschichten Wir sind Gefühlslagen

Stromschläge

nochmal fremdgesteuert Kunst

Seelenkäufer

psychoaktive Unmut und Schultafel falsch denken zurecht biegen Stationen

Multikulturalität

Multikultur-Typen überhören akzeptieren normale Bedürfnisse Betrüger und Philosophen Zahlen gefährdet

Die Anderen

Öffentlichkeit Toleranz Ratschläge Quatsch Ignoranz vertraute Personen

Behandlungen

Aushalten Lektionen Stichworte der Weg das Auto Medis Klinik innere Stimme

gebrochenes Buch

Märchen Selbsthilfe

Gedichte

Gesellschaft

Krankheitsentstehung I Denken, tun, Konflikte Gleichgewicht Krankheitsentstehung II

Möglichkeiten

Devianz Arbeitsweisen

Dynamiken und irrende Strohhalme

Dynamiken Strohhalm seek and destroy Gesundblender Burn-out Designerin Denkfehler vorgezeigte Wege unfähige Hilfeangebote Fehler und Interessen

Die Widerspenstigen

Kopfweh schlechte Gedanken Angst Bierchen

letzte Abrundung

Perspektive wichtig Stabilität Außen/Innen Widersprüche Schizo Mangel/Normales Phänomen Du

out of the book

Kindheit unvorhersehbar

Noch Was!

Lebenslinie

Kommen und Gehen und Bleiben

Ein-Satz-Erklärungen Prävention Heilung Durchleben von Krisen

Aus dem Nichts!

Ärger abfällig überarbeitet verletzend

Ich sehe dich!

die größte Hilfe zusammenlebende Paare

Andere Welten

Konstrukt Erleben Seele Teufelskreis

Anpassungen

Opfer-Status Individualisierungstechniken (Alte und Junge)

Resteessen

blockiert Hässlichkeit zu viel

Kurzinfo

Diagnosen Ersthilfe-Selbsthilfe-Ersthelfer

Vorwort

Was ist eine psychische Krankheit? Was ist ein psychisch kranker Mensch? Was kann man für Hilfen anbieten und was hat die Gesellschaft und Wissenschaft schon alles erprobt und erfunden, um mit psychisch kranken Menschen umzugehen? Was macht seine Welt aus? Was macht seine Innenwelt aus? Ich möchte in diesem Buch der letzten Frage nachgehen. Dieses Buch versucht die Welt des Erlebens des psychisch kranken Menschen zu schildern. Zu den anderen Fragen gibt es einschlägige Literatur genug. Doch was macht das Welterleben eines an der Seele kranken Menschen aus? Meine Schilderungen sollen einen Einblick geben. Hierzu kann und will ich vor allem mich als Quelle verwenden. Darüber hinaus versuche ich meine Erfahrungen mit anderen psychisch Erkrankten einzubeziehen und mein berufliches Wissen. Ich habe nämlich nicht nur eine psychische Krankheit oder besser gesagt mehrere Diagnosen aus diesem Bereich für meine Person gesammelt, sondern habe auch lange mit psychisch Erkrankten als Sozialarbeiter gearbeitet. Somit haben wir eine gute Mischung an Quellen: subjektiv als Betroffener und subjektiv als Fachkraft und subjektiv als lange in Selbsthilfegruppen aktiver Teilnehmender. Trotz alledem bleibt es eine subjektive Schilderung und ist keine objektiv ausgewertete oder wissenschaftlich begleitete Schrift. Ich hoffe den Schutz der Persönlichkeiten zu gewähren, meine und die von anderen, aus deren Schilderungen ich mir etwas geliehen habe.

Ich weiß um die Verschiedenartigkeit der Prägung und Wahrnehmung. Elemente, wie Körperform, Gender, sexuelle Orientierung, Hautfarbe, finanzielle Situation, Schicht und Klasse, cis/non-cis, Geist und Ideologie, Beruf und Neubürger oder biodeutsch u.a. sind natürlich entscheidend. Sie geben uns Erfahrungsfilter vor, die wir mit uns tragen und die vor allem die anderen tragen und mit denen sie uns lesen und Eigenschaften zuschreiben. Doch um nicht übergriffig zu sein, mir anzumaßen für andere schreiben zu können, ist dieses Buch aus der Welt von meiner Person geschrieben: Cis-Mann, also hetero, christlicher Prägung (heute ungläubig), biodeutsch, erfahren in körperlicher und geistiger Arbeit, seelisch behindert, mittlerweile erwerbsunfähig und ehrenamtlich aktiv und aktiv gewesen in verschiedenen Bereichen (Suchthilfe, Flüchtlingshilfe, Schüleraufklärung über seelische Entwicklungsverläufe, Menschenrechtsarbeit, Antifa...). Ich kann nicht alles aufführen, was wichtig ist für die persönliche Sicht und genauso ist es auch unklar, was davon definitiv an Lebenssicht ableitbar ist. Wir leben und bestimmen unser Leben ja mit und sind keine reinen Rechner, die über fixe Algorithmen gesteuert werden. Dies ist zumindest meine Auffassung.

Viel Spaß beim Lesen!

Der nasse, schwarze Mantel

Ich habe einen schwarzen nassen Mantel. Er ist immer über mir und fordert von mir die ständige Kapitulation vor dem Leben. Zudem schluckt er die Sonne, die Wärme. Er lässt nur viele Stufen von Grau durchdringen. Die Sonne, die Wärme, das angenehme Empfinden des Anstrengens und Ankommens sind nur Erinnerungen. Ich wate durch matschigen Sand, wenn ich mich bewege. Es nutzt kein Muskelaufbau und kein Vitamin B-Komplex. Es ist ein anstrengendes Laufen und Bewegen. Es ist die Krankheit des Nicht-Wollen-Könnens (Viktor Frankl). Ich weiß, was ich wollen müsste und wollte und ich weiß, was es dazu braucht, aber kann es nicht angehen. Mein Wille versagt mir den Impuls des Anfangens und fährt hohe Gewalten auf zur Verhinderung von Veränderungen. Veränderungen, die notwendig wären. Denn ich habe die Erfahrung gemacht, dass Veränderungen nur die nächsten unüberwindbaren Wälle bereit halten an denen ich verzweifeln werde. Der Weg des Scheiterns ist eingegraben in meine Seele und auch in meinen Körper. Ich werde gedrückt, werde bedrückt, werde unten gehalten und verhindert durch meinen nassen und schwarzen Mantel. Alle meine Kraft fließt in die alltäglichen Verrichtungen, die ein Hamster auch vollführen muss: aufstehen, Hygiene, Essen, Haushalt, Besorgungen und Verrichtungen, die notwendig sind, um leben zu können. Es ist wie in der maslow´schen Bedürfnispyramide: Schutz, Nahrung! Die sozialen Interaktionen und die persönlichen Interessen sind in der Regel schon nicht mehr leistbar für mich. Es ist zu anstrengend, was Kontakte mit Menschen ohne Mantel von mir einfordern. Es übersteigt meine Energievorhaltungen. Die Welten sind zu unterschiedlich. Die Vermittlung der und Übersetzung der Differenzen sind zu anstrengend und auch zu verletzend. Sie beschränke ich auf das Nötigste. Was macht es nur für mich so schwer, den normalen Kontakt zu halten und zu erfüllen? Was ist so schlimm daran mit normalen Menschen umzugehen? Warum bin ich so und wie soll ich damit auf Dauer leben können? Es ist die mangelnde positive Veränderung, die sich nicht nur nicht nach Tabletten und Therapien einstellt, sondern die erdrückenden Mauern, die sich in und um mich bilden durch schwindende Hoffnung auf dauerhafte Besserungen, durch schwindendes Selbstwertgefühl ob der schwierigen Aussichten in der Gesellschaft meinen Platz zu finden und der ständigen Schilderung meiner Probleme und meiner Situation Fachleuten und anderen Personen gegenüber, die nicht in Ansätzen verstehen können und sich entsprechend verständnisvoll-interessiert zeigen oder eben nicht. Besonders deprimierend wird es, wenn andere glauben mitzureden und eigene Erfahrungen gleichsetzen mit dem Happyend des Münchhausen, sich selber an den Haaren aus dem Sumpf zu ziehen.

Wenn man nicht kann, ob sozial, wirtschaftlich, seelisch oder kommunikativ, dann glauben alle mitreden zu können und ich hörte schon die verschiedenen Geschichten, die immer auf Vergleichbarkeit der eigenen Erlebnisse hinauslaufen, gepaart mir der Möglichkeit, sich zu retten. Daran erkenne ich immer, dass es keine vergleichbaren Erfahrungen sind. Die Menschen sind z.T. sogar selber in Behandlung gewesen, sie waren in der Tagesklinik oder in ambulanter Therapie und reden von Überanstrengung und Burn-out. Ich habe oft den Eindruck für sie war es eine Krise, in der sie die richtigen Hilfen bekamen – glücklicherweise. Für mich jedoch ist es eine Verwachsung, eine Symbiose mit meinem Selbst, meinem ganzen Sein. Ich kann nicht einfach unterscheiden was „Ich“ und was Krankheit ist, denn wir sind „Ich“. Ich trage diesen nassen, schwarzen Mantel schon so lange, dass er mit mir verwachsen ist. Ich musste mich schon lange mit ihm arrangieren als Teil von mir, der alles beeinflusst. Stehe ich auf, so kämpfe ich gegen die Schwerkraft und strenge ich mich an, so ist die Belohnung kein gutes Gefühl, sondern eine Erleichterung, wenn es vorbei ist. Immer gegen etwas angehen zu müssen im normalen Alltag, ohne besondere Zielvorgaben, das erschöpft, das bringt dich nicht weit weg. Der Mantel zwingt dich zur Verzweiflung, wenn du versuchst ein ordentliches Maß zu absolvieren. Und er verdunkelt die Sicht, nimmt die Farben, die Hoffnung auf Besserung, die Gewissheit, dass du mit Anstrengung etwas dauerhaft Besseres erreichen kannst. Bevor du einen Gedanken fasst, hat der Mantel dir schon eine Nachricht gesendet:: „Hallo, mein Schatz, ich bin schon da, ich brauche dich, du kannst nicht weg, ich beschütze dich, ich verlass dich nicht. Du bist mein und ich gebe mich dir!“ Du kämpfst ständig gegen die versperrte Sicht und die versperrte Energie. Ein ständiges Gefühl der Erschöpfung nimmt sich deiner an. Dein Mantra lautet:

Alles ist schwer.

Alles bleibt schwer.

Lass es, dann ist es leichter.

Und du weißt, dass es nicht leichter wird. Und du bist erschöpft bevor du angefangen hast. Und du lässt es, in dem Versprechen, dass es beim nächsten Anlauf geht. Das Scheitern des letzten Versuches macht es jedoch schwer wieder Anlauf zu nehmen, wieder gegen den Mantel deiner selbst, Energie zu sammeln und Hoffnung zu schöpfen. Das ganze in der Gewissheit, am Ende lässt du es doch oder bist erleichtert über eine Wegstrecke. Wahrscheinlich kannst du es nicht fertigstellen, wahrscheinlich bist du nicht ausdauernd genug. Wahrscheinlich musst du den Teilerfolg, der für dich Teilmisserfolg ist, aushalten, schlaflos sein, aufmerksam, den Stimmen des Mantels zu entgehen, der dir dein Hirn zermartert mit seiner Rechthaberei: „Ich habe es dir ja gleich gesagt. Warum hörst du nicht auf deine innere Stimme. Jedes mal das Gleiche. Wann lernst du endlich mal dazu!“.

Zwischenspiel „Briefkasten I“

Ich bin´s, deine Stimme, dein inneres Ich, deine Drohung, die dir den Moment und jeden folgenden Moment und alle folgenden Momente zur Qual machen kann und das werde ich auch tun, wenn du mir nicht folgst: Du musst den Briefkasten überprüfen!!! Ich weiß, du warst schon am Briefkasten, aber bist du sicher, dass er leer war? Vielleicht hast du ja zu hastig nachgesehen? Na, hat dich schon der Blitz getroffen, der Stress ist dir in den ganzen Körper gestiegen, deine Muskeln am Hals sind verspannt und dein Kopf wird bestimmt wehtun, gleich, gleich werde ich dir den Kopf explodieren lassen. Noch mal Glück gehabt! Wir gehen zum Briefkasten. Du bist nervös, wer nervös ist, der übersieht schnell was. Aber du kannst dir ja Zeit lassen. In Ruhe in den scheiß Kasten gucken. Also: Schlüssel rein, aufmachen, rein sehen, noch mal und noch mal in alle Ecken, dann zu machen. Gut! Erleichternd! Oder? … Scheiße, da ist es wieder, das bedrückende Gefühl? Ich habe doch nachgeschaut und er war leer... Oder? Ich muss, muss nochmal prüfen! Also: aufmachen, reinsehen und zu! Das war flüchtig! Also: aufmachen, reinsehen, ...langsam..., nochmal in die Ecken sehen... und vielleicht noch mal mit der Hand in die Ritzen gehen … und sicher? … … … … … … … O.K! Ich muss hier weg! Peinlich, ich stehe hier schon zehn Minuten und mache den Briefkasten in aller Öffentlichkeit auf und zu. … … …

Mittlerweile weiß ich es ja: Ich werde mich immer mit dem Mantel abstimmen. Es wird keine Heilung geben und Genesung ist das Arrangement mit der Scheiße. Sie darf stinken und ich darf sie abdecken. Aber wo ich was machen kann, das hängt immer mit ihrem Gestank zusammen, denn sie ist immer mit dabei – keine Verhandlung! Ich habe kapituliert. Ich weiß darum. Der Mantel sagt mir wann er etwas will bzw. er proklamiert ja, dass er etwas verhindert. Und umso konkreter ich etwas anfangen möchte an Vorhaben, umso stärker drückt er mich zu Boden. Ich bin erschöpft bevor ich etwas angefangen habe. Er lässt mich denken, planen und vorbereiten. Aber kaum kommt der erste Schritt des Handelns, so wirft er mich zu Boden: Panik ergreift mein Gehirn und meine Gedanken schleudern zerfetzt durch meinen Kopf. Mit viel Übung habe ich das Stocken und Stottern bewältigen können, ich traue mich und ich traue mich Fehler zu machen und ich … Aber ich will gut sein und ich bin schnell, sehr schnell überfordert. Ich musste lernen, selbst was ich will und gut finde, selbst was ich muss, um zu existieren, das muss ich abbrechen lernen. Ich mache es in einer verantwortlichen Form, aber ich gebe nicht nur die Früchte preis, sondern auch die Freude auf etwas. Es gibt keinen Lohn, keine Freude und keinen Erfolg. Selbst bei vermeintlich gelungenen Ergebnissen bei Lob anderer bin ich maximal nur erleichtert. Erleichtert, dass nichts Schlimmes passiert ist, dass es vorbei ist, dass die Verantwortung um evtl. Fortführung abgewendet wurde. Selbst Gutes darf nicht gut bleiben und weiter geführt werden. Ich bin erschöpft und enttäuscht von mir. Der Mantel hat seinen Teil bekommen. Ich habe akzeptiert was er will und gestehe mir ein, dass er mich nur vor Schlimmem, vor Scheitern, vor Scham, vor Verlust schützen will. Ich darf froh sein, dass ich ab und zu etwas zustande bringe und keine Folgeverpflichtungen daraus entstehen. Ich wäre noch überforderter als ehedem. Mein Mantel, mein Freund, mein Bremser und Schutz, mein Verhinderer, meine Last, mein Vertrauter, mein Vordenker, mein Gefühlsverankerer, meine Sicherheit.

Zwischenspiel „Briefkasten II“

Ich bin´s, deine Stimme, dein inneres Ich, deine Drohung, die dir den Moment und jeden folgenden Moment und alle folgenden Momente zur Qual machen... … Jetzt spricht mich auch noch jemand aus dem Haus an, ob alles in Ordnung ist! „Ja“, sage ich. Es ist alles gut! Das glaubt mir doch niemand. Schön verrückt! Toll! Ich bin noch unsicherer, und nervös, mein Kopf platzt gleich. Bleib ruhig! Ich muss noch mal gucken – Scheiß Briefkasten! … … … … … O.K! Ich muss hier weg! Peinlich, ich stehe hier schon zehn Minuten und mache den Briefkasten in aller Öffentlichkeit auf und zu. … … …

Zwischenspiel „Briefkasten III“

Ich bin´s, deine Stimme, dein inneres Ich, deine Drohung, die dir den Moment und jeden folgenden Moment und alle folgenden Momente zur Qual machen … … Ob der Briefkasten kaputt sei, fragt jemand, den ich kenne und der vorbeigeht. „Nein“ sage ich. Ich brauche nur sehr lange. Er fragt nach warum! O.K., ich erläutere, dass ich Zwänge habe und ich verunsichert bin, mein inneres Gefühl, meine innere Stimme zwingt mich immer noch einmal nach zuschauen. Weil ich dies tue, bestätige ich allerdings meinen Zweifel, denn warum sollte ich sonst gucken. Also wiederhole ich den Kontrollscheiss nochmal... und nochmal, und nochmal...! Er gibt zu Bedenken, dass es doch klar ist, ob was drin ist, wenn man nachschaut. So groß ist der Kasten ja nicht. Toll, denke ich mir, war ja klar, dass das niemand versteht. Ich bin der Doofe! O.K., einigen wir uns drauf und lass mich in Ruhe meine Rituale fertig machen. Er schüttelt unverständlich den Kopf und geht weiter. Ich stehe schön beschämt da und weiß ja um die Differenzen zwischen Wahrnehmung und Gefühl. Das Gefühl ist so stark, dass ich wiederholen muss!! … … … O.K! Ich muss hier weg! Peinlich, ich stehe hier schon zehn Minuten und mache den Briefkasten in aller Öffentlichkeit auf und zu. … … …

Ich weiß nicht, wo mein Mantel her ist, wo ich ihn bekommen oder erstiegen habe. Ich glaube, ich habe ihn irgendwann sogar selbst geschaffen. Er sollte mich vor Enttäuschungen und Fehlentscheidungen schützen. Das hat er und heute ist er Routine. Er ist zum Navigator meiner Gefühle, Affekte und Gedankenbewertungen geworden.

Vielleicht habe ich ihn gewollt? Vielleicht habe ich ihn gebraucht? Jedenfalls habe ich nicht gewusst wie ich leben, kämpfen und überwinden sollte. Wie versteht man das Leben, wie soll man leben, Wie erreiche ich etwas, wie ertrage ich etwas und vor allem, wie lerne ich das Richtige aus dem Misserfolg? Wie machen das die anderen? Woher wissen sie, was sie machen sollen und was sie wollen? Kritik ist kein Pfeil, der mich trifft. Es ist ein angespitzter Baum, der mich zerfetzt. Jeder Schlag ist eine Vernichtung. Nach verschiedenen Schlägen versuche ich nur noch die Teile so weit zusammen zuhalten, dass sie eine gewollte und machbare Form ergeben. Was bin ich darin? Ich muss mich schützen, Misserfolg vermeiden. Als junger Mensch habe ich provoziert und dadurch meinen Misserfolg eingefordert. Ich konnte nicht gewinnen und das wusste ich. Viel Feind, viel Ehr´! Ich war der Protagonist meines Scheiterns und die hären Ziele waren und sind noch heute gut zu vertreten. Das, was ich geschafft habe, verdanke ich meiner Intelligenz und Strategie mit der ich mich, meinen Mantel und das Wagnis des Lebens jonglieren konnte. Ich habe das eine für anderes Preis gegeben und immer wieder mit Autoaggression und dem nötigen Erreichen von Lebensstationen (Abschlüsse und Jobs, Lebenspartnerinnen, Hobbies, Freunde) gedealt, sodass ich überleben konnte. Es waren harte Verhandlungen und Drohungen, die ich mit mir und meinem Mantel austragen musste. Heute sind wir beide müde und der Schmerz und die Tagesabläufe sind in einer langen Reihe von Schlachten, Erfolgen und Verlusten, im gegenseitigen energetischen Messen an Kraft, Wille und Ausdauer geprägt und in vielem fixiert worden. Ich hätte vielleicht mit dem Energieaufwand auch beruflich Karriere machen können, Vermögen ansammeln, die Welt anschauen, aber ich habe mich für den Mantel entschieden bzw. entscheiden müssen. Dies ist noch immer die offene Frage! Wer war eher da: der Mantel oder ich? Ich kann nicht erklären wie anstrengend diese Lebensführung ist, aber ich kann euch versichern, dass es mich nicht mehr verzweifeln lässt. Ich habe meinen Frieden! Allerdings nicht durch den Umstand meines tollen Eigenmanagement, sondern dem Umstand, dass ich eine, für mich lebenssinnrettende, Partnerin gefunden habe und einen Hund unser Familienmitglied nennen dürfen, der uns zu dritt komplettiert. Habe ich dies entschieden oder das Leben? Habe ich es in meinen Verhandlungen dem Mantel abgetrotzt? Was hat es mich dann gekostet? Ich weiß es nicht, wahrscheinlich war die Henne zu erst... oder das Ei,,, aber die Wahrscheinlichkeit ist eher das Ei, oder? … aber Ei oder Henne... Ich gehe davon aus, dass wir im Leben immer auf Gelegenheiten stoßen. Diese sind vielfältig. Es gibt uns einen Rahmen vor, denn nicht jeder und jede hat die gleichen Chancen und Gelegenheiten. Aber nicht jede und jeder braucht oder nutzt die gleichen Gelegenheiten. Wir können an uns arbeiten und aufmerksam sein und dann werden wir die entsprechenden Chancen entdecken oder nicht. Sie werden von unserer Bereitschaft und unserer Fertigkeit, uns in Bezug auf unserer Chancen richtig einzuschätzen genutzt. Wir sehen, was wir sehen können und übersehen, was wir nicht fähig sind zu sehen. Wir werden sehend durch das Leben und seinen Einfluss auf uns. Wir werden geblendet durch das Erfahren von Illusionen. Wir sterben jeden Tag neu und stehen jeden Tag wieder auf. Manchmal sind wir stark und manchmal schwach, wer kann sagen was wir sind und was das Leben. Wir gehören zum Leben und wir haben Leben. Wir müssen das gegebene Leben leben, das in uns ist, zu dem wir gehören, das uns macht und das wir mit seinen uns gegebenen Chancen mitgestalten. Es gibt ein „Ich“, ein „Wir“, ein „Du“, ein „Alles“ und ein „Eins“. Wir sehen und Verstehen und teilen die Welt damit in für uns verstehbarere Teile. Sie interpretieren wir dann in unserer Welt bis das Provisorium um ein neues Teil erweitert werden kann, das wiederum irgendwann als Teil insgesamt beschnitten werden muss, um zu einem größeren Gebilde zugefügt werden kann. Dieses ist dreidimensional und wir ahnen weitere Dimensionen, die uns vor etwas stellen, das wir nicht erfassen können. Was ist richtig und was falsch? Wie machen das die anderen? Ich sollte eher vermeiden als versuchen, denn meine Erkenntnis ist nichtig und unfertig, egal was passiert. So verhindere ich Fehler, die mich in Blendung bilden würden und so verhindere ich die Enttäuschungen, die mir jetzt schon sichtbar scheinen. Da bist du ja, mein Mäntelchen. Spielerisch mit meinen Gefühlen spielend und wirbelnd, etwas Zweifel und etwas Enttäuschung, dazu mangelnder Mut und Selbstwert. So läuft alles seinen Weg und wer will sagen wo der Anfang ist. Es bleibt alles egal! Aber man muss doch...! Ja, der Überzeugung bin ich und bleibe ich: Es ist egal, aber man muss für etwas sein, damit man ist! Für sich und den eigen Anspruch! Nichts muss, aber ohne ein Muss ist kein Dasein gerechtfertigt. Ein Muss von außen oder von innen, das können wir mitentscheiden. Das ist unsere Aufgabe und Probe, die das Leben und damit wir selber als „Ich“ oder „Wir“ im sozialen Gefüge an uns heran trägt. Wille, Bewusstsein, Streben und Ethik. Wir müssen Müssen! Auch wenn wir, ich mit meinem Mantel nicht Wollen kann. Das ist die Tragik!

Zwischenspiel „Briefkasten IV“

Ich bin´s, deine Stimme, dein inneres Ich, deine Drohung, die dir den Moment und jeden folgenden Moment und alle folgenden Momente zur Qual machen … … Es ist nicht zu fassen, ich muss wieder runter und nachschauen. Es lässt mich nicht in Ruhe. Ich gehe und komme mir scheiß manipuliert vor. Ich weiß, der Kasten ist leer und ich bin gefühlsmäßig so verunsichert, dass ich nichts, gar nichts, absolut nichts anderes machen kann, als an den Kasten zu denken.

Der Ablauf ist schon längst über die Jahre ritualisiert:

Ich schaue nach und kontrolliere mehrmals, bis ich weggehen kann (mit heftigen Gefühlen und mehr oder weniger Ärger).

Ich schreibe einen Zettel, um die Zweifel auszulagern, dass der Kasten nicht leer sei. Das hilft erst mal, denn dann geht es nicht vergessen.

Ich kontrolliere den Kasten wider und habe ja mein Zettel, so dass ich immer wieder erinnert werde.

Es geht irgendwann mit der Gefühlsintensität abwärts, sie verflacht. Ist sie flach genug, dann kann ich es vergessen, d.h. Ich werde es vergessen, denn es gibt 1000 andere Vorgänge, die mich am Verzweifeln halten. Manchmal dauert es Stunden und manchmal Wochen bis der Vorgang aus dem Kopf ist

Zwischenspiel „Briefkasten „V“

Ich bin´s, deine Stimme, dein inneres Ich, deine Drohung, die dir den Moment und jeden folgenden Moment und alle folgenden Momente zur Qual machen …

Einteilung:

Es gibt Alltagsvorgänge, die ich versuche zu bewältigen: Tür zu? Auto aus? Kühlschrank zu? Toilette gespült? … Es ist quälend und ich versuche alles an Tätigkeit zu reduzieren und einfacher zu machen. Ich habe einen Herd, aber ich koche nicht, denn es wird kalt, bis ich essen kann. Ich weiß nicht, ob der Herd aus ist und sauber und … Ich esse dann mit dieser Pein und irgendwann lernt man: lass das, schmiere dir ein Brot: Das geht! Warum? Keine Ahnung?

Dann gibt es komplexere Vorgänge, wie arbeiten gehen oder jemand besuchen oder Arztbesuche. Auch hier gibt es Zettel vorher und währen dessen und nachher. Ein Besuch beim Arzt ist ein kleiner Nervenzusammenbruch. Ich bin an diesem Tag nicht mehr zu gebrauchen. Verspannt und ständig Zettel schreibend und sammelnd und zuordnend.

Manches ist langfristig belastend: Ein Untersuchungsmarathon mit Überweisung und Folgeterminen oder die jährliche Steuerabgabe in der ich auf den Bescheid warten muss. Bei solchen Vorgängen strukturiere ich genau den Ablauf in verschiedene Schritte und Stufen und Unterschritte und zusammenhängende Klaster und Handlungs-, Diagnose-, Überprüfungsabläufe. Mit dem Organisieren drumherum (Fahrt, …) habe ich dann einen Entscheidungs- und Prüfungs- und Handlungs-Baum im Kopf wie ein Organigramm und gehe es permanent durch – den ganzen Tag. Am nächsten Tag wird geprüft und bei jedem Folgetermin, bei jeder Änderung muss ich ihn entsprechend neu bauen und abändern und die neue über die alte Fassung legen.

Es gibt nach Jahren des „mehrfachen Zettelsystems der Kontrolle in dem Wissen, dass es nicht funktional ist“ manchmal Tage, in denen ich alte Zettelvorgänge entdecke und mit Glück auch wegwerfen kann. Das ist ein Triumph. Du hast mich gequält und aufgehalten, aber am Ende, auch nach Jahrzehnten, bin ich der, der noch da ist und dich weg wirft! Selbstverachtung, schwindendem Selbstwert, aller Scham und Zeitverschwendung zu Trotz: Ich bin da und du bist weg!

… … … Peinlich, … … …