Psychosoziale Realitäten zwischen Praxisanalyse und kritischer Beoabachtung der Versorgungssituation (Band 2) -  - E-Book

Psychosoziale Realitäten zwischen Praxisanalyse und kritischer Beoabachtung der Versorgungssituation (Band 2) E-Book

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Beschreibung

Auch diese zweite Ausgabe des iba-Sammelbandes befasst sich eingehend mit den psychosozialen Realitäten dual Studierender im Studiengang Sozialpädagogik und Management an der Internationalen Berufsakademie. Dieses Werk repräsentiert eine facettenreiche Erforschung sozialpädagogischer und sozialarbeiterischer Themen. Die Autor:innen bieten umfassende Einblicke in die Praxis, sammeln wertvolle Erkenntnisse und fördern eine vertiefte Verständigung über psychosoziale Realitäten von dual Studierenden. Die Beiträge dienen als Anregung für Praxis, akademische Ausbildung und Forschung. Themen wie Praxisforschung, Burnout in der Kinder- und Jugendhilfe, emotionale Intelligenz bei Menschen mit geistiger Beeinträchtigung, Bindung im Internat, Beziehungsarbeit in der Eingliederungshilfe sowie Maskulinität und Gewalt in teilstationären Einrichtungen werden fundiert behandelt. Trotz der breiten thematischen Vielfalt verbindet die Beiträge ein gemeinsames Ziel: die präzise Erforschung, das Verständnis und die Verbesserung der psychosozialen Realitäten von dual Studierenden in der Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Jeder Beitrag ist ein einzigartiges Puzzlestück in dieser facettenreichen Handlungs- und Forschungslandschaft. Diese Sammlung soll nicht nur Wissenschaftler:innen, Praktiker:innen und Studierende ansprechen, sondern auch die breitere Öffentlichkeit. Die Herausgeber:innen: André Niggemeier, Prof. Dr., studierte Beratungswissenschaften, Mentoring und Coaching und promovierte zu den Themen Führung und Beratung. Er ist als Professor und als wissenschaftliche Studienortleitung im Studiengang Sozialpädagogik und Management an der Internationalen Berufsakademie (iba) in Münster tätig. Aktuelle Weiterbildungen zum Gruppenanalytiker und in psychosozialer Sozial- und Kulturtheorie. Arbeitsschwerpunkte: Psychodynamik der Pädagogik und psychodynamische Aktionsforschung. Ines Iwen, Prof. Dr., wissenschaftliche Studienortleiterin an der Internationalen Berufsakademie (iba) für den Studiengang Sozialpädagogik und Management Erfurt. Sie studierte Kulturwissenschaft, Informatik und BWL an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Freien Universität und promovierte zu Familien im Film in der Mikrosoziologie an der Humboldt-Universität zu Berlin. In selbstständiger Tätigkeit arbeitet sie als Paar- und Familientherapeutin in Erfurt und Berlin.

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André Niggemeier/Ines Iwen (Hrsg.)

Psychosoziale Realitäten zwischen Praxisanalyse und kritischer Beobachtung der Versorgungssituation (Band 2)

Neue Praxisbeiträge aus der Perspektive dual Studierender

2024

Der Verlag für Systemische Forschung im Internet:www.systemische-forschung.de

Carl-Auer im Internet: www.carl-auer.de

Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis an:

Carl-Auer Verlag

Vangerowstr. 14

69115 Heidelberg

Über alle Rechte der deutschen Ausgabe verfügt

der Verlag für Systemische Forschung

im Carl-Auer-Systeme Verlag, Heidelberg

Fotomechanische Wiedergabe nur mit Genehmigung des Verlages

Reihengestaltung nach Entwürfen von Uwe Göbel

Printed in Germany 2024

Erste Auflage, 2024

ISBN 978-3-8497-9066-0 (Printausgabe)

ISBN 978-3-8497-9067-7 (ePub)

DOI: 10.55301/9783849790660

© 2024 Carl-Auer-Systeme, Heidelberg

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.

Psychosoziale Realitäten zwischen Praxisanalyse und kritischer Beobachtung der Versorgungssituation ist eine Publikationsreihe der iba / Internationale Berufsakademie der F+U Unternehmensgruppe gGmbH.

Die Verantwortung für Inhalt und Orthografie liegt bei den Herausgebern.

Inhalt

Aufbau und Einleitung in den Sammelband(Ines Iwen und André Niggemeier)

Möglichkeiten von Praxisforschung für die Weiterentwicklung sozialpädagogischer bzw. sozialarbeiterischer Praxis und Professionalität am Beispiel einer psychosozialen Einrichtung(Carla Kühner)

Burnout bei Mitarbeiter:innen der Stationären Kinder- und Jugendhilfe – eine qualitative Studie zu besonderen Risiken im stationären Setting und präventiven Ressourcen zur Senkung der Arbeitsbelastung(Julius Staubach und Raik Zillmann)

Emotionale Intelligenz bei Menschen mit geistiger Beeinträchtigung – Eine qualitative Studie zur Selbstwahrnehmung von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung am Beispiel der aufsuchenden Hilfen in einer gGmbH(Niklas Breitbarth und Ines Iwen)

Bindung im Internat – eine qualitative Studie zur Bindungsthematik zwischen Kindern / Jugendlichen und Betreuer:innen sowie der Eltern-Kind-Beziehung im Kontext Leben im Internat(Lysann-Olivia Landgraf und Ines Iwen)

Beziehungsarbeit im Leistungsdreieck der Eingliederungshilfe(Nadine Buberl und Steven Koch)

Männlichkeit, Maskulinität und Gewalt. Eine qualitative Studie zu genderspezifischen Verhaltensweisen aus der Perspektive von Fachpersonen innerhalb teilstationärer Einrichtungen(Robyn Missa und Audris Muraitis)

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

ADS

Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom

ADHS

Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Syndrom

AfD

Alternative für Deutschland

AHA

Aufsuchende Hilfen und qualifizierte Assistenz für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung

APA

American Psychological Association

AU

Action Unit

BOSS

Burnout-Screening-Skalen

BPS

Borderline-Persönlichkeitsstörung

CHC-Modell

Cattell-Horn-Carroll-Modell

CPS

Child-protective Services

DBT

Dialektisch-Behaviorale Therapie

EI

Emotionale Intelligenz

FFH

Facial-Feedback-Hypothese

GbR

Gesellschaft bürgerlichen Rechts

ICD

International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems

ICD-11

International Classification of Diseases, 11. Revision

IM

Intelligenzminderung

JD-R

Job-Demands-Resources-Model

LRS

Lese-Rechtschreibschwäche

MBI

Maslach Burnout Inventory

MSCEIT

Mayer-Salovey-Caruso Emotional Intelligence Test

OLBI

Oldenburg Burnout Inventory

PTBS

Posttraumatische Belastungsstörung

SEL

sozial-emotionales Lernen

SGB

Sozialgesetzbuch

SOC

Sense of Coherence

PSYCHOSOZIALE REALITÄTEN ZWISCHEN PRAXISANALYSE UND KRITISCHER BEOBACHTUNG DER VERSORGUNGSSITUATION – DIE ZWEITE AUSGABE

Herzlich willkommen zur zweiten Ausgabe unseres Sammelbands, der sich eingehend mit den psychosozialen Realitäten von dual Studierenden im Studiengang Sozialpädagogik und Management an der Internationalen Berufsakademie auseinandersetzt. Dieses Werk repräsentiert eine facettenreiche und tiefgreifende Erforschung eines breiten Spektrums sozialpädagogischer und sozialarbeiterischer Themen. Unsere Autor:innen haben umfassende und reflexive Einblicke in die Praxis gewonnen und wertvolle Erkenntnisse aus verschiedenen Feldern innerhalb der Sozialarbeit und Sozialpädagogik zusammengetragen.

Die folgenden Beiträge, die in diesem Sammelband versammelt sind, dienen als Anregung für Praxis und akademische Ausbildung, aber auch für die Beforschung und Analyse von psychosozialen Realitäten von dual Studierenden. Diese Arbeiten zeugen von der Vitalität und Relevanz dieses Themas in der heutigen Gesellschaft:

„Möglichkeiten von Praxisforschung für die Weiterentwicklung sozialpädagogischer bzw. sozialarbeiterischer Praxis und Professionalität am Beispiel einer psychosozialen Einrichtung“ – In diesem Beitrag erforscht Carla Kühner die Bedeutung der Praxisforschung für die Weiterentwicklung sozialarbeiterischer Praxis und beleuchtet die Rolle der von ihr untersuchten Praxiseinrichtung als Fallstudie. Die Autorin versucht dabei ein Studiendesign zu entwickeln, das untersucht, inwieweit die sozialpädagogische Arbeit mit Borderline-Klient:innen auf der Basis von Grundannahmen der „Dialektisch-Behavioralen Therapie“ hilfreich sein könnte.

„Burnout bei Mitarbeiter:innen der Stationären Kinder- und Jugendhilfe – eine qualitative Studie zu besonderen Risiken im stationären Setting und präventiven Ressourcen zur Senkung der Arbeitsbelastung“ – Dieser Beitrag von Julius Staubach und Raik Zillmann widmet sich der kritischen Frage des Burnouts bei Mitarbeiter:innen in der Kinder- und Jugendhilfe. Es wird nach den speziellen Risiken und Ressourcen bei der bisher wenig untersuchten Zielgruppe gefragt. Dabei widmen sie sich u. a. den Themen Engagement und Erschöpfung als Untersuchungskategorien in der sozialen Arbeit und präsentieren präventive Ansätze zur Arbeitsbelastungssenkung.

In dem Beitrag „Emotionale Intelligenz bei Menschen mit geistiger Beeinträchtigung – eine qualitative Studie zur Selbstwahrnehmung von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung am Beispiel der aufsuchenden Hilfen in einer gGmbH“ gehen Niklas Breitbarth und Ines Iwen mit einer hohen einfühlsamen Professionalität auf die emotionale Intelligenz von Menschen mit geistiger Beeinträchtigung ein, basierend auf Erkenntnissen aus einer gGmbH, in der Betroffene betreut werden. Ein selbstentwickeltes Messinstrument wird hierbei zur Erforschung der Ausdrucksfähigkeit bezüglich der Emotion Angst konzipiert. Dieses dient nicht nur als Grundlage für deren Messung, sondern kann ebenso auch für die Fördermöglichkeit von emotionaler Ausdrucksfähigkeit für Menschen mit geistiger Beeinträchtigung eingesetzt werden.

„Bindung im Internat – eine qualitative Studie zur Bindungsthematik zwischen Kindern/Jugendlichen und Betreuer:innen sowie der Eltern-Kind-Beziehung im Kontext Leben im Internat“ – Dieser Artikel von Lysann-Olivia Landgraf und Ines Iwen untersucht die komplexen Bindungsbeziehungen in Internaten und beleuchtet die Auswirkungen auf die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen.

„Beziehungsarbeit im Leistungsdreieck der Eingliederungshilfe“ – Hier wird die zentrale Rolle der Beziehungsarbeit in der Eingliederungshilfe am Sozialwerk einer gGmbH von Nadine Buberl und Steven Koch beleuchtet. Zudem reflektieren sie, wie diese die Interaktionen zwischen Fachkräften und Klient:innen beeinflusst.

In dem Beitrag „Männlichkeit, Maskulinität und Gewalt. Eine qualitative Studie zu genderspezifischen Verhaltensweisen aus der Perspektive von Fachpersonen innerhalb teilstationärer Einrichtungen“ widmen sich Robyn Missa und Audris Muraitis den komplexen hochaktuellen Fragen von Maskulinität und Gewalt in teilstationären Einrichtungen. Theoretisch interessant sind hierbei die Verbindung des Konzepts der Familiennähnlichkeiten von Ludwig Wittgenstein mit dem sozialkonstruktivistischen Männlichkeitsbegriff von Raewyn Connell und dem Bewältigungsparadigma Lothar Böhnischs sowie die praktischen Exkurse in rechtsextreme Thematiken und die Mannosphäre insbesondere der Incel-Bewegung.

Trotz der breiten thematischen Vielfalt, die diese Beiträge abdecken, verbindet sie ein gemeinsamer Nenner: Die Notwendigkeit, die psychosozialen Realitäten von dual Studierenden in der Sozialarbeit und Sozialpädagogik genauer zu erforschen, zu verstehen und zu verbessern. Jeder Beitrag in diesem Sammelband bietet ein einzigartiges Puzzlestück in dieser facettenreichen Handlungs- und Forschungslandschaft.

Wir sind überzeugt, dass diese Sammlung von Beiträgen nicht nur Wissenschaftler:innen, Praktiker:innen und Studierende, sondern auch die breitere Öffentlichkeit ansprechen wird. Wir hoffen, dass Sie aus diesen Erkenntnissen Inspiration und wertvolle Einblicke ziehen werden, die unsere sozialarbeiterische und sozialpädagogische Praxis und Professionalität weiterentwickeln können.

Mit diesem Gedanken im Hinterkopf wünschen wir Ihnen eine inspirierende Lektüre und hoffen, dass die Texte in diesem Sammelband eine Quelle der Erkenntnis und des Diskurses für Sie darstellen.

Erfurt und Kassel im Frühjahr 2024,Ines Iwen & André Niggemeier

Möglichkeiten von Praxisforschung für die Weiterentwicklung sozialpädagogischer bzw. sozialarbeiterischer Praxis und Professionalität am Beispiel einer psychosozialen Einrichtung

Carla Kühner

1 EINFÜHRENDE WORTE

Bei der vorliegenden Arbeit handelt es sich um eine Anregung und ein Konzept für eine mögliche Praxisforschung, welche eine Verifizierung oder ggfs. Falsifizierung einer aufgestellten These ermöglichen soll. Die zu beantwortende Forschungsfrage lautet: Inwieweit können die Grundannahmen der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT) Fachkräfte der Sozialen Arbeit im Umgang mit Menschen mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung unterstützen? Da die Forschungsfrage mithilfe bereits vorhandener Literatur nicht ausreichend beantwortet werden kann, wird ein mögliches Forschungsdesign zur Überprüfung einer aufgestellten These entwickelt. Das verwendete Forschungsparadigma beschäftigt sich sowohl mit der Theorie als auch mit der Praxis und kann so zur Weiterentwicklung der Praxis beitragen.

Der Beginn dieser Arbeit widmet sich theoretischen Grundlagen der Praxisforschung und geht auf deren Bedeutung und Nutzen ein. Es folgen theoretisch relevante Grundlagen zum Thema Borderline-Persönlichkeitsstörung und dem Behandlungskonzept der Dialektisch- Behavioralen Therapie. Genanntes bildet die Grundlage der im Anschluss folgenden Entwicklung eines möglichen Forschungsdesigns. Den praktischen Teil dieser Forschung stellt das Arbeitsprojekt der betrachteten Praxiseinrichtung dar. Die Arbeit endet mit einer kritischen Diskussion zur Umsetzbarkeit der Studie und einer Schlussbetrachtung.

2 THEORETISCH RELEVANTE GRUNDLAGEN: PRAXISFORSCHUNG

Dieser Punkt befasst sich mit theoretischen Aspekten und dem Nutzen zum Thema Praxisforschung.

2.1 Die hier gewählte Perspektive auf Praxisforschung

Praxisforschung ermöglicht das Nutzbarmachen von Forschungsergebnissen im Rahmen Sozialer Arbeit. Einerseits zur Weiterentwicklung der Profession, andererseits aber, um diese kritisch zu hinterfragen. Elementar ist hierbei die stetige „Zusammenarbeit“ von Praxis und Wissenschaft und somit von Praktiker:innen und Wissenschaftler:innen der Sozialen Arbeit (vgl. Thole 2012, S. 1177 ff.). Somit ist Praxisforschung eine anwendungsorientierte Forschung und erforscht Strukturen und Prozesse der alltäglichen sozialarbeiterischen Praxis (vgl. Maus u. a. 2013, S. 111 ff.).

Nach Munsch zählen alle Forschungsvorhaben zur Praxisforschung, „bei denen in unterschiedlich intensiver Kooperation mit den PraktikerInnen […] Projekte dokumentiert, analysiert, evaluiert, beraten und weiterentwickelt werden“ (Thole 2012, S. 1177). Sie bezeichnet die Praxisforschung als Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis. Bei Praxisforschung handelt es sich prinzipiell um das Einbeziehen von Forschung in Praxiszusammenhänge, die Verknüpfung zwischen Forschung und ihrem Objekt. Innerhalb dieses Prozesses ist die Anwendung unterschiedlicher Forschungsmethoden zugelassen. Wichtig ist nur, dass es sich um eine sozialwissenschaftliche Forschungsmethode, sprich zum Beispiel ein Gruppendiskussionsverfahren, handelt (vgl. ebd.). Praxisforschung umfasst Adressat:innenforschung, Nutzer:innenforschung, Agencyforschung, Evaluations- und Wirkungsforschung (vgl. Schneider 2016, S. 14).

Relevant ist auch, in welcher Hinsicht sich Anliegen an die Praxisforschung zwischen Praktiker:innen und Wissenschaftler:innen unterscheiden. Praktiker:innen erwarten von der Praxisforschung eine Erweiterung ihres Handlungswissens, Beratung und Unterstützung in Bezug auf ihre Profession. Wissenschaftler:innen hingegen bemühen sich um publizierfähige Ergebnisse. Wichtig ist, die Interessen vorab zu klären und zu bestimmen, welche der beiden benannten Bestrebungen im Forschungsprozess priorisiert wird. Dabei geht es nicht darum, dass Wissenschaftler:innen und Praktiker:innen gegeneinander arbeiten. Im Gegenteil, es soll möglichst ein Diskurs zustande kommen, da dieser ein hohes Potential an Erkenntnissen birgt (vgl. Thole 2012, S. 1183 f.).

2.2 Nutzen von Praxisforschung

Praxisforschung soll zu neuen Erkenntnissen führen. Hierzu werden reale Handlungsfelder, wie zum Beispiel das der Suchthilfe, genau erfasst und Schlüsse daraus gezogen (vgl. König & Ottmann 2020). Praxisforschung liegt die Überlegung zugrunde, dass die Generierung neuer Theorien nur dann sinnvoll ist, wenn sich diese als praxistauglich erweisen (vgl. institutpraxisforschung, o.J.). Somit wird die Optimierung üblicher Handlungen der Sozialen Arbeit möglich. Darüber hinaus ist Praxisforschung in der Lage, gesamte Abläufe umzugestalten und zu verbessern. Somit dient sie Praktiker:innen im Umgang mit alltäglichen Herausforderungen. Praxisforschung ermöglicht Kontrolle, da Maßnahmen und Projekte im Hinblick auf Effektivität und Effizienz untersucht werden können. Durch die Anwendung bestimmter Forschungsmethoden gelingt es Organisationen, sich unter bestehender Komplexibilität besser zu strukturieren und so übersichtlicher zu organisieren. Praxisforschung trägt auch zur Professionalisierung sozialpädagogischen Handelns bei, da ihre Ergebnisse zur Stärkung fachbezogener Kompetenzen von Praktiker:innen führen. Darüber hinaus dient sie der Legitimation von Angeboten und/oder Maßnahmen gegenüber Kostenträgern. Beispielsweise durch zuvor benannte Dokumentation können Erfolge und Effizienz und somit die Qualität der Arbeit deutlich gemacht werden (vgl. König & Ottmann, Sebastian 2020).

Zusammenfassend liegt der Nutzen der Praxisforschung also in der Verbesserung der untersuchten Situation für alle daran Beteiligten (vgl. Stöckli 2019).

3 THEORETISCH RELEVANTE GRUNDLAGEN: BORDERLINE- PERSÖNLICHKEITSSTÖRUNG

Es folgt eine Darstellung der Borderline-Persönlichkeitsstörung und der Dialektisch-Behavioralen Therapie, um die Grundannahmen dieser Therapieform umfassend zu erklären.

3.1 Krankheitsbild

Grundsätzlich lässt sich über Persönlichkeitsstörungen sagen, dass diese die Flexibilität innerhalb des Handelns Betroffener deutlich einschränken. Auch die hohe Ich-Syntonität ist typisch für Persönlichkeitsstörungen. Betroffene nehmen demnach störende Aspekte ihrer Störung nicht als solche wahr (vgl. Sachse 2020, S. 365). Fiedler betont, dass Dreh- und Angelpunkte von Persönlichkeitsstörungen Beziehungs- und Interaktionsstörungen sind (vgl. Fiedler 2003, S. 26).

Bereits 1915 beschreibt Kraepelin die Borderline-Persönlichkeitsstörung:

„Die hervorstechendste Eigenschaft war eine starke gemütliche Erregbarkeit. Die Kranken […] bekamen maßlose Wutanfälle mit Gewalttätigkeit gegen sich oder die Umgebung […]. Beziehungen sind gekennzeichnet durch die Häufigkeit von Eifersucht und der Zerwürfnisse. Die Leidenschaft der Kranken machte es ihnen unmöglich, den Bruch einfach hinzunehmen, sondern veranlasste sie, mit allen Mitteln die Wiederaussöhnung zu erreichen […]“ (Schnell 2014, S. 60).

Diese Beschreibung gibt erste Hinweise auf die Komplexität dieser Störung. Bei der Borderlinestörung (BPS) handelt es sich um eine Störung der Affektregulation. Betroffene leiden fast ununterbrochen unter Zuständen innerer Anspannung. Zuvor beschriebene extreme Emotionen klingen, unter anderem aufgrund biologischer Vorgänge, nur langsam wieder ab. Das Gefühlssowie das Gemütsleben werden als äußerst instabil beschrieben. Dieses Symptom wird besonders durch wechselnde Interessen bei Betroffenen deutlich. Beispiele hierfür sind Religion und Beruf, aber auch sexuelle Interessen. Weitere Symptome können ein unklares Identitätsgefühl oder Probleme mit Interaktion und Störung der Impulskontrolle sein. Betroffene haben, aufgrund der Identitätsstörung, das Gefühl, ohne Unterstützung nicht lebensfähig zu sein, und fühlen sich ständig einsam und allein. Ein gängiges Therapiekonzept zur Behandlung der BPS ist die Dialektisch-Behaviorale Therapie von Marsha M. Linehan (vgl. ebd., S. 60 ff.).

3.2 Die Dialektisch-Behaviorale Therapie

Die Dialektisch-Behaviorale Therapie vereint unterschiedliche psychotherapeutische Methoden und Techniken miteinander und ist eine Form der kognitiven Verhaltenstherapie (vgl. Stiglmayr 2017, S. 151). Ziel dieser Therapieform ist, Betroffene trotz extremer emotionaler Belastungen zu (mehr) Handlungsfähigkeit zu befähigen, um langfristig komplexe Krisen zu verhindern bzw. ihnen vorzubeugen. Hierfür bedarf es eines komplexen therapeutischen Netzwerks, welches auch Sozialarbeiter:innen mit integriert (vgl. Reicherzer 2015, S. 120). Zwar behandeln Sozialpädagog:innen Klient:innen mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung, im Gegensatz zu Psychotherapeut:innen, nicht, dennoch ist die Auflistung der Grundannahmen für die in Punkt vier folgende These relevant.

Die Grundannahmen setzen eine bestimmte Grundhaltung voraus: Klient:innen zu akzeptieren, wie sie sind. Sozialpädagog:innen sollen unterstützend fungieren, um Klient:innen so das Erreichen ihrer eigenen Ziele zu ermöglichen. Das bewusste Annehmen dieser Grundannahmen schützt vor Vorurteilen, was notwendig ist, da die Arbeit mit Betroffenen häufig als sehr anstrengend erlebt wird. Grundannahmen können als Fundament professionellen Handelns verstanden werden: Relevante Grundannahmen für diese Arbeit (vgl. Stiglmayr 2017, S. 158):

„1. Borderline-Patienten geben sich wirklich Mühe. Das heißt, sie versuchen, das Beste aus ihren gegenwärtigen Situationen zu machen. 2. Borderline-Patienten wollen sich verändern. 3. Borderline-Patienten müssen sich stärker anstrengen und härter arbeiten, um sich zu verändern. 4. Borderline-Patienten haben ihre Schwierigkeiten nicht selbst verursacht, müssen sie aber selbst lösen. 5. Das Leben suizidaler Borderline-Patienten ist so [sic!] wie es gegenwärtig ist [sic!] unerträglich. 6. Borderline-Patienten müssen neues Verhalten in allen relevanten Lebensbereichen erlernen. 7. Patienten können in der Therapie nicht versagen“ (ebd., S. 158).

Jede dieser Grundannahmen dient einer bestimmten Funktion. So liegt der Fokus bei der dritten Grundannahme auf der Anstrengung von bereits Geleistetem. Gleichzeitig erinnert sie auch daran, dass insbesondere in Anfangszeiten Veränderungen zusätzlich mehr Mühe und Einsatz kosten. Die vierte Grundannahme weist zum einen auf Eigenverantwortung auf Seiten der Betroffenen hin, ebenso betont sie aber auch die Entstehung von Wut, welche aufgrund eines hohen Maßes an Anstrengung entstehen kann. Grundannahme fünf widmet sich der erlebten Verzweiflung und emotionalen Notlage von Menschen mit BPS (vgl. ebd., S. 158). Die Grundannahmen richten sich in erster Linie an Therapeut:innen, können aber aufgrund ihrer Aussagekraft auch von pädagogischen Fachkräften verstanden werden.

4 PRAXISFORSCHUNG IN EINER PSYCHOSOZIALEN EINRICHTUNG

Im Rahmen der in 4.1. skizzierten Problemanalyse werden drei Kernherausforderungen benannt. Hierauf aufbauend folgt der Entwurf eines möglichen Forschungsdesigns.

4.1 Problemanalyse

Durch Punkt 3.1. dieser Arbeit lassen sich die Komplexität der Erkrankung, der damit verbundene Leidensdruck für Betroffene und die sich daraus ergebenden, hohen Anforderungen an Mitarbeitende bereits erahnen. Doch welche Herausforderungen ergeben sich tatsächlich innerhalb der praktischen Arbeit mit Betroffenen?

Betroffene haben häufig mit Schwierigkeiten innerhalb der Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen zu kämpfen (vgl. Haaf 2002, S. 17 f.). Dies zeigt sich in der praktischen Arbeit, da insbesondere die Beziehungsarbeit von Mitarbeitenden des Arbeitsprojekts als schwierig wahrgenommen wird. Insbesondere im Kontext des Arbeitsprojekts spielt auch die häufig bei Borderlinestörung beobachtbare, unregelmäßige Anwesenheit eine Rolle. Zwar sind Klient:innen nicht zur Anwesenheit verpflichtet, jedoch fehlen Menschen mit BPS signifikant häufiger als Teilnehmer:innen mit anderen Krankheitsbildern. Das Fehlen von Kontinuität und Regelmäßigkeit erschwert die Beziehungsarbeit. Dass Betroffene sich hauptsächlich an eine/n bestimmte/n Mitarbeitende/n wenden, erschwert die Beziehungsarbeit zusätzlich. Hierbei handelt es sich meistens um die Fachkraft, welche über einen längeren Zeitraum am meisten Zeit mit Betroffenen verbringt. Diese „intensive“ Beziehung zeigt sich auch im Kontakt zu anderen Teilnehmenden; hier haben sie häufig ein bis zwei Bezugspersonen. Gegenüber anderen Teilnehmenden besteht kaum bis kein Kontakt. Da im Arbeitsprojekt keine:r der Mitarbeitenden an fünf Tagen in der Woche arbeitet, ist die Fokussierung von Menschen mit BPS auf eine:n Mitarbeiter:in durchaus problematisch zu werten. Andere Mitarbeitende nehmen diese Fokussierung wahr, was zu Hemmungen in Bezug auf die Kontaktaufnahme ihrerseits führen kann.

Eine weitere Herausforderung, welche Mitarbeitende im Umgang mit Betroffenen wahrnehmen, sind schnelle, unvorhergesehene Stimmungs- und Verhaltenswechsel. Ein adäquater Umgang damit ist hier mindestens genauso herausfordernd wie das frühzeitige Erkennen und Darauf-Reagieren.

Menschen mit einer diagnostizierten Borderline-Persönlichkeitsstörung gelten nicht selten als „schwer zu behandeln“ (vgl. Hayes et al. 2004, S. 3 f.). Dass Borderline-Patient:innen als schwer zu behandeln gelten, wird im Praxisalltag immer wieder deutlich. Im psychiatrischen Versorgungssystem bestehen viele Vorurteile gegenüber BPS-Patienten. Zu hinterfragen ist jedoch, ob es sich hierbei nicht vielmehr um eine Unsicherheit von Fachkräften im Umgang mit Betroffenen und um einen Mangel an Wissen um das Krankheitsbild handelt. Auch Frustration und Emotionalität, eben in Bezug auf benannte Themen wie Beziehungsarbeit, aber auch in Bezug auf die Anwesenheit, spielen eine Rolle.

Dass Vorurteile und Stigmatisierungen ein weit verbreitetes Problem sind, bestätigt eine Studie der SRH Hochschule für Gesundheit. Die Studie zeigt, dass Fachkräfte Menschen mit BPS negativer behandeln als Menschen mit anderen psychischen Erkrankungen, zum Beispiel Depressionen. Grundsätzlich bestehe bei Fachkräften eher der Wunsch nach Distanz (vgl. Anvo 2020). Es ist denkbar, dass die Grundannahmen der DBT hier unterstützend eingesetzt werden können und sowohl Professionelle als auch Betroffene von ihnen profitieren.

4.2 Mögliches Forschungsdesign

Der praktische Teil der Forschung findet im Arbeitsprojekt der hier betrachteten Einrichtung statt. Hierbei handelt es sich um ein niederschwelliges Beschäftigungsangebot zur sozialen und gesellschaftlichen Teilhabe. Das Angebot mit arbeitsähnlichem Charakter wird von Menschen mit psychischen Erkrankungen freiwillig in Anspruch genommen. Eine Teilnahme ist drei Stunden täglich an bis zu fünf Wochentagen möglich (vgl. Psychosozialer Hilfsverein Heppenheim e.V. 2017, S. 6 f.).

Basierend auf zuvor beschriebenen theoretischen Grundlagen und der Problemanalyse dient die Forschung zur Verifizierung oder Falsifizierung folgender These:

„Das Behandlungskonzept der Dialektisch-Behavioralen Therapie hat, in seinen Grundzügen umgesetzt, eine positive Wirkung auf Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Die im Konzept beschriebenen Grundannahmen können, werden sie von Fachkräften der Sozialen Arbeit angenommen, diesen im Umgang mit Betroffenen helfen.“

Um die Wirksamkeit durch die Übernahme der Grundannahmen in Bezug auf die zuvor beschriebene Problematik untersuchen zu können, eignet es sich, qualitativ zu forschen. Studienteilnehmer sind folgerichtig Mitarbeitende des entsprechenden Projekts.

Die zu verwendende Forschungsmethode ist ein semistrukturiertes Interview, auch Leitfadeninterview genannt. Hierbei handelt es sich um ein Interviewverfahren, bei welchem ein Teil der zu stellenden Fragen vorab festgelegt wird. Es eignet sich besonders gut, da Fragen sowohl im Voraus als auch ergänzend im Gesprächsverlauf formuliert werden können. Das Stellen der Fragen unterliegt keiner Chronologie, was innerhalb des Interviews die Flexibilität erhöht und den Interviewpartner offener und uneingeschränkter antworten lässt. Die Auswertung erfolgt interpretativ (vgl. Genau 2019). Innerhalb des Forschungsprozesses sollten (mindestens) zwei Interviews mit allen Mitarbeitenden stattfinden. Eines vor dem bewussten Vertreten und Annehmen der Grundannahmen auf Seiten der Mitarbeiter:innen und eines danach. Als geeigneter Abstand zwischen den beiden Befragungen werden sechs bis acht Monate erachtet.

Das erste Interview soll sich auf den Status quo konzentrieren. Ziel ist es, zu erfahren, wie Mitarbeitende die Arbeit und den Kontakt mit Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung wahrnehmen. Der Fokus liegt auf eigenen Empfindungen, dem Aufdecken möglicher Vorurteile und dem Wissen um das Krankheitsbild. Im Anschluss daran lernen Mitarbeitende die Grundannahmen als Teil der DBT kennen. Im zweiten Interview können ähnliche Fragen gestellt werden; der Fokus liegt diesmal auf der Frage, ob und was sich seit dem Kennenlernen der Grundannahmen für Mitarbeitende verändert hat.

Es ist denkbar, im Rahmen der zweiten Forschungsphase betroffene Klient:innen miteinzubeziehen und diese zu befragen, ob sie eine Veränderung im Kontakt mit Mitarbeitenden wahrnehmen konnten.

Die durch die Interviews gewonnenen Daten können mithilfe der inhaltlich-semantischen Transkription aufgearbeitet werden, da dieses Transkribiersystem einen schnellen Zugang zum Text erleichtert. Die aufgearbeiteten Daten können mittels der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet werden.

5 SCHLUSSBETRACHTUNG

In dieser Arbeit wurde besonders die Komplexität der Borderline-Persönlichkeitsstörung deutlich. Da bei der Praxisforschung wissenschaftliche Erkenntnisse in Verbindung mit praktischer Arbeit erforscht werden, entsteht die Annahme, dass diese zur Professionalisierung der Arbeit mit Menschen mit BPS eingesetzt werden kann. Auch, da die beschriebenen Herausforderungen in Bezug auf die Arbeit mit Menschen mit einer Borderlinestörung sich teilweise in vorliegender Literatur wiederfinden und erklären lassen. Ebenfalls wurde deutlich, dass Vorurteile gegenüber Menschen mit einer Borderlinestörung in sozialen Berufen keine Seltenheit sind.

Durch die Betrachtung der theoretischen Aspekte mitsamt der Beschreibung der Dialektisch-Behavioralen Therapie, in Kombination mit der Problematik in der Praktischen Arbeit, kommt folgende Behauptung zustande:

„Das Behandlungskonzept der Dialektisch-Behavioralen Therapie hat, in seinen Grundzügen umgesetzt, eine positive Wirkung auf Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung. Die im Konzept beschriebenen Grundannahmen können, werden sie von Fachkräften der Sozialen Arbeit angenommen, diesen im Umgang mit Betroffenen helfen.“

Um die Wirksamkeit der Grundannahmen untersuchen zu können, wurde im Rahmen dieser Arbeit ein mögliches Forschungsdesign skizziert. Zur Umsetzbarkeit der Studie lässt sich sagen, dass diese, im Arbeitsprojekt umgesetzt, alle Mitarbeitenden (4) miteinbeziehen könnte und somit, zumindest für das Arbeitsprojekt, repräsentativ wäre. Aufgrund der einschlägigen und ausdrucksstarken Formulierung der Grundannahmen sind diese für Fachkräfte und angehende Fachkräfte der Sozialen Arbeit begreiflich. Wird die These verifiziert, bedeutet dies eine Professionalisierung der Arbeit.

Andererseits stellt sich die Frage, ob Mitarbeitende zwischen den Befragungszeiträumen regelmäßig an die Grundannahmen denken und wie sich hier eine Gewohnheitsbildung unterstützen lässt. Zudem ist fraglich, wer die Informationen innerhalb des Arbeitsprojekts vermittelt und die Interviews durchführt. Es ist denkbar, Mitarbeitende der städtischen Psychiatrie in der betreffenden Stadt miteinzubeziehen, da eine Zusammenarbeit bereits besteht.

Um also die Frage, ob und wie die Grundannahmen Fachkräfte der Sozialen Arbeit tatsächlich im Praxisalltag unterstützen, beantworten zu können, bedarf es der Durchführung der hier beschriebenen Forschung. Mithilfe von Praxisforschung können Professionalisierungspotenziale identifiziert und die Arbeit für Fachkräfte optimiert werden.

LITERATUR- UND QUELLENVERZEICHNIS

Anvo (2020). gesundheitsstadt-berlin. Abgerufen am 13. März 2022 von

https://www.gesundheitsstadt-berlin.de/patienten-mit-borderline-stoerung-besonders-stark-stigmatisiert-13973/

Dresing, T., & Pehl, T. (2018). Praxisbuch Interview, Transkription & Analyse. Anleitungen und Regelsysteme für qualitativ Forschende. 8. Auflage Januar 2018, Marburg: Eigenverlag.

Fiedler, P. (2003). Integrative Psychotherapie bei Persönlichkeitsstörungen, 2., Göttingen: Hogrefe.

Genau, L. (2019). scribbr. Abgerufen am 13. März 2022 von

https://www.scribbr.de/methodik/semistrukturiertes-interview/

Haaf, B. (2002). freidok.uni-freiburg. Abgerufen am 13. März 2022 von

https://www.freidok.uni-freiburg.de/fedora/objects/freidok:511/datastreams/FILE1/content

Hayes, S. C., Masuda, A., Luoma, J., Guerrero, F. L., & Bissett, R. (2004). Researchgate. Abgerufen am 13. März 2022 von

https://www.researchgate.net/publication/222560834_DBT_FAP_and_ACT_How_empirically_oriented_are_the_new_behavior_therapy_technologies

Institut für Praxisforschung (o. J.). institut-praxisforschung. Abgerufen am 13. März 2022 von

https://www.institut-praxisforschung.com/forschung-entwicklung/praxisforschung/#gsc.tab=0

König, J. & Ottmann, S. (2020). Socialnet. Abgerufen am 13. März 2022 von

https://www.socialnet.de/lexikon/Praxisforschung

Linehan, M. M., Folette, V. M., & Hayes, S. C. (2004). Dialectical Behavior Therapie: Synthesizing Radical Acceptance with Skillfull Means, in: Hayes, F. L. (Hrsg.): Mindfulness and Acceptance: Expanding the Cognitive Behavioral Tradition, New York City: Guilford Press, S. 30–45.

Maus, F., Nodes, W., & Röh, D. (2013). Schlüsselkompetenzen der sozialen Arbeit, 4., Frankfurt am Main: Wochenschau Verlag.

Psychosozialer Hilfsverein Heppenheim e.V. (2017). psh-heppenheim. Abgerufen am 13. 03. 2022 von

https://psh-heppenheim.de/wp-content/uploads/konzept-zap.pdf

Reicherzer, M. (2015). sbt-in-berlin. Abgerufen am 15. März 2022 von

https://sbt-in-berlin.de/cip-medien/02.-Reicherzer-DBT.pdf

Sachse, R. (2020). Persönlichkeitsstörungen, in: Schnell, T., & Schnell, K. (Hrsg.): Handbuch klinische Psychologie, Berlin, Heidelberg: Springer Verlag, S. 1–13.

Schneider, A. (2016). Forschungsperspektiven in der Sozialen Arbeit, 2., Schwalbach: Wochenschau Verlag.

Schnell, T. (2014). Persönlichkeitsstörung am Beispiel der Borderlinestörung, in: Schnell, T. (Hrsg.): Moderne Kognitive Verhaltenstherapie bei schweren psychischen Störungen, Berlin Heidelberg: Springer Verlag, S. 59–82.

Stiglmayr, C. (2017): Die Dialektisch Behaviorale Therapie bei der Borderline-Persönlichkeitsstörung, in:

PSYCH up2date

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Stöckli, G. (2019). Pädagogische Entwicklung durch Praxisforschung, 2., Solothurn.

Thole, W. (2012). Grundriss Soziale Arbeit, 4., Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Burnout bei Mitarbeiter:innen der Stationären Kinder- und Jugendhilfe – Eine qualitative Studie zu besonderen Risiken im stationären Setting und präventiven Ressourcen zur Senkung der Arbeitsbelastung

Julius Staubach und Raik Zillmann

1 EINLEITUNG

“What is special about [Social Workers] is that their tools are their own social skills, attitudes, and personality characteristics in addition to their professional technical abilities. The professionals ´ relationship with the recipient is the vehicle for change and hence the source of accomplishment (or of failure). […] this relationship is demanding and exhausting by its very nature […].”

(Schaufeli et al. 1993, S. 255)

Burnout bei Sozialarbeiter:innen wird bereits seit Langem wissenschaftlich betrachtet und begleitet; fast so lange, wie das Konzept „Burnout“ existiert. Ein Bereich der Sozialen Arbeit wurde dabei aber fast gänzlich außer Acht gelassen: die stationäre Kinder- und Jugendhilfe. Dabei könnten hier abseits wissenschaftlich-theoretischer Erkenntnisse auch praktisch anwendbare Verbesserungen identifiziert werden: Umstände, die den Mitarbeiter:innen solcher Einrichtungen die Arbeit erleichtern und damit im Endeffekt den Rezipient:innen sozialarbeiterischer Bemühungen zugutekommen. Dies ist die Besonderheit des Burnouts im sozialarbeiterischen Bereich: das „Ausbrennen“ der Mitarbeitenden wirkt sich auch immer auf die Klient:innen aus. Warum „brennen“ jedoch Sozialarbeiter:innen, genauer Mitarbeiter:innen der stationären Kinder- und Jugendhilfe, aus? Welche Faktoren beeinflussen dies, sowohl negativ als auch positiv? Und: welche Schlüsse können hieraus für den wissenschaftlichen Diskurs und die Gestaltung einer Jugendeinrichtung gezogen werden? Dies soll exemplarisch in der vorliegenden Arbeit anhand folgender Fragestellung eruiert werden:

Welche speziellen Risiken in Bezug auf Burnout sind der stationären Kinder- und Jugendhilfe inhärent und über welche speziellen Ressourcen zur Verringerung der Burnoutgefährdung verfügt diese?

Die untersuchte Einrichtung hat bis zu 26 Plätze für Kinder und Jugendliche ab dem Schuleintritt. Zum jetzigen Stand (August 2022) werden elf Jugendliche betreut. Das Team besteht aus neun Fachkräften und sechs Hilfskräften, die die Klient:innen unter der Woche im Dreischicht- und an Wochenenden und Feiertagen im Zweischichtsystem betreuen. Aufgrund von Langzeiterkrankungen und Renteneintritten ist das Team zum jetzigen Stand etwas kleiner. Unterstützt wird dieses Team durch zwei Hauswirtschaftlerinnen, eine Psychologin, einen Nachhilfelehrer und eine Verwaltungsfachangestellte. Die Klient:innen der Einrichtung sind vor allem minderjährige unbegleitete Geflüchtete, jedoch werden auch Jugendliche ohne Fluchtgeschichte betreut. Da hier bereits seit der Inbetriebnahme 2016 vor allem Geflüchtete betreut werden, hat das Team der Einrichtung in diesem Bereich eine besondere Expertise. Die Bedarfe der Klient:innen umfassen ein großes Spektrum. Seien dies die grundlegende Unterstützung in der Schulbildung, von der Erziehung bis hin zur Verselbstständigung, oder speziellere Interventionen und Hilfemaßnahmen bei ärztlich/psychotherapeutisch diagnostizierten Erkrankungen. Zudem werden den Jugendlichen außerhalb der Schule Freizeitangebote bereitgestellt.

2 „BURNOUT“ ALS WISSENSCHAFTLICHER DISKURS

2.1 Zum Begriff und zur Symptomatik des „Burnouts“

Die Symptomatik des Burnouts wurde, geschichtlich betrachtet, zunächst bei „helfenden“ Berufen beschrieben (Schaufeli et al. 1993, S. 255). Hier wurde zunächst vom „hilflosen Helfer“ und „Praxisschock“ gesprochen; der Begriff des Burnouts wurde gegen Ende der 1970er geprägt und wird seitdem als Überbegriff für ein breites Feld an Symptomen benutzt (Burisch 2014, S. 5). Damals wie heute waren die genauen Dimensionen im wissenschaftlichen Diskurs umstritten (z. B. Harrison 1980). Die Diagnose „Burnout“ mag implizieren, dass hierzu ein Symptomkatalog zur Diagnostik verwendet wurde. Dem ist nicht so; Burnout stellt bis heute keine offizielle medizinische Diagnose dar, sondern dient eher als Sammelbegriff für verschiedene Symptomatiken, seien dies psychische, physische oder psychosomatische. Insgesamt sind über 160 Symptome bekannt, die bei einem Burnout auftreten können (Steinlin et al. 2016, S. 165). Differentialdiagnosen, wie zur Depression, gestalten sich weiterhin wenig trennscharf (Elsässer 2013, S. 9). In einer Studie konnte bei 86% der Befragten mit Burnout eine Vordiagnose der Depression gestellt werden, während es bei der Kohorte der „Nicht-Ausgebrannten“ weniger als 1% war (Schonfeld & Bianchi 2016, S. 30 f.). Infolgedessen wird das Symptom des Burnouts mitunter auch als eine spezielle Form der Depression gesehen (Schonfeld & Bianchi 2016, S. 317–321). Abseits von der Frage, ob und wie Depressionen ein Teil des Burnouts, oder Burnout eine Art der Depression ist, besteht eine hohe Korrelation zwischen den beiden Krankheitsbildern (Lundgren-Nilsson et al. 2013, S. 2).

Laut der 11. Revision der International Classification of Diseases (ICD-11) kann Burnout als ein Faktor betrachtet werden, der den Gesundheitszustand beschreibt – nicht als medizinische Diagnose (Kersten & Formazin 2022, S. 1). Hier wird das Burnout ausschließlich als Folge der Arbeitsbelastung gesehen: „Burnout is a syndrome conceptualized as resulting from chronic workplace stress that has not been successfully managed.” Die genauere Definition nach dem ICD-11 stellt für Betroffene eine Chance dar: deren Leiden wird wahrgenommen und strukturelle Ressourcen zur Genesung können bereitgestellt werden.

Die drei wesentlichen Komponenten dieses Syndroms sind: völlige Erschöpfung, emotionale Distanzierung und verringerte Effizienz bei der Bewältigung der Aufgaben (Burn-out an „Occupational Phenomenon“