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Magisterarbeit aus dem Jahr 2006 im Fachbereich Medien / Kommunikation - Medien und Politik, Pol. Kommunikation, Note: 2, Universität Salzburg (Kommunikationswissenschaft), Sprache: Deutsch, Abstract: Was zeichnet eine qualitativ hochwertige Tageszeitung aus? Welche sprachlichen Kriterien müssen erfüllt werden? Dürfen Metaphern verwendet werden und wie sieht es mit dem Gebrauch von Redewendungen aus? Ist Politainment ein Zeichen schlechter journalistischer Qualität? Beschäftigt man sich mit der Qualität von Tageszeitungen, stellt man schnell fest, dass man sich in einem trüben Gewässer bewegt und zunächst nicht um die Frage herumkommt, was journalistische Qualität bedeutet, und welche Qualitätsmerkmale gerade für Tageszeitungen wichtig sind. Seit den 1990er Jahren wird in der Wissenschaft und in der Praxis verstärkt diskutiert, dass auch, oder gerade im Journalismus, die Frage nach der Einhaltung bestimmter Qualitätsstandards sowie der Etablierung bestimmter Regeln und Verfahren zur Qualitätssicherung zentral zu beachten ist. Mittlerweile werden auch betriebswirtschaftliche Konzepte wie das Total Quality Management auf Redaktionen übertragen. Die Magisterarbeit behandelt das Thema Qualität im Politikjournalismus. Die beiden gesellschaftlichen Subsysteme Politik und Medien stehen in einem engen Verhältnis, deren Beziehung zueinander für eine funktionierende Demokratie von großer Bedeutung ist. Dementsprechend groß ist auch die wissenschaftliche Literatur, welche sich mit dem Verhältnis und der Wechselbeziehung dieser beiden Systeme beschäftigt. Bei der Auswahl meines Themas für diese Arbeit war ich von der Idee geleitet, ausreichend Informationen über die Qualität der Berichterstattung vorfinden zu können. Meine Überraschung war umso größer, als ich nach zahlreichen ergebnislosen Literaturrecherchen keine wirklich brauchbaren Analysen, die sich speziell mit der Qualität der politischen Berichterstattung auseinandersetzen, gefunden habe.
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Was zeichnet eine qualitativ hochwertige Tageszeitung aus? Welche sprachlichen Kriterien müssen erfüllt werden? Dürfen Metaphern verwendet werden und wie sieht es mit dem Gebrauch von Redewendungen aus? Ist Politainment ein Zeichen schlechter journalistischer Qualität?
Beschäftigt man sich mit der Qualität von Tageszeitungen, stellt man schnell fest, dass man sich in einem trüben Gewässer bewegt und zunächst nicht um die Frage herumkommt, was journalistische Qualität bedeutet, und welche Qualitätsmerkmale gerade für Tageszeitungen wichtig sind.
Seit den 1990er Jahren wird in der Wissenschaft und in der Praxis verstärkt diskutiert, dass auch, oder gerade im Journalismus, die Frage nach der Einhaltung bestimmter Qua-litätsstandards sowie der Etablierung bestimmter Regeln und Verfahren zur Qualitätssicherung zentral zu beachten ist. Mittlerweile werden auch betriebswirtschaftliche Konzepte wie das Total Quality Management auf Redaktionen übertragen.
Die Magisterarbeit behandelt das Thema Qualität im Politikjournalismus. Die beiden gesellschaftlichen Subsysteme Politik und Medien stehen in einem engen Verhältnis, deren Beziehung zueinander für eine funktionierende Demokratie von großer Bedeutung ist. Dementsprechend groß ist auch die wissenschaftliche Literatur, welche sich mit dem Verhältnis und der Wechselbeziehung dieser beiden Systeme beschäftigt. Bei der Auswahl meines Themas für diese Arbeit war ich von der Idee geleitet, ausreichend Informationen über die Qualität der Berichterstattung vorfinden zu können. Meine Überraschung war umso größer, als ich nach zahlreichen ergebnislosen Literaturrecherchen keine wirklich brauchbaren Analysen, die sich speziell mit der Qualität der politischen Berichterstattung auseinandersetzen, gefunden habe.
Die vorliegende Literatur handelt meist vom Verhältnis zwischen den gesellschaftlichen Systemen Medien und Politik, die politische Berichterstattung wird nicht behandelt oder nur angeschnitten. Auch Donges/Jarren (2002a: 203) halten fest: „Spezifische Studien über den politischen Journalismus, zumal jüngeren Datums, liegen nicht vor.“ Diese Tatsache erweist sich als überraschend und bedenklich zugleich. Dass es gerade zu dieser Thematik keine konkreten Untersuchungen gibt, erachte ich als großes Manko.
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In der Magisterarbeit steht daher die Qualität der politischen Berichterstattung im Vorder-grund. So werden einige Qualitätsstandards, die für die Politikberichterstattung von großer Bedeutung sind, definiert, und anschließend der aktuelle politische Journalismus anhand dieser Kriterien untersucht, um schließlich Rückschlüsse auf die Qualität zu erhalten.
Der theoretische Teil der Arbeit beschäftigt sich eingehend mit der Qualität im Journalismus. Zunächst wird jedoch im ersten Kapitel der Journalismus als soziales System be-handelt, bevor im zweiten Kapitel der Qualitätsbegriff im Journalismus definiert und anschließend einzelne Qualitätsstandards und Verfahren zur Sicherung der Qualität im Journalismus erklärt werden.
Im dritten Kapitel des theoretischen Teils wird das Verhältnis zwischen den beiden Subsystemen Politik und Medien näher erläutert. In der Literatur findet man dazu drei unterschiedliche Sichtweisen, welche die Beziehung des politischen Systems mit dem Mediensystem beschreiben. Einige Autoren sprechen von einer Mediatisierung der Politik, also einer Anpassung des politischen Systems an die Regeln des Mediensystems. Die gegensätzliche Meinung vertreten Autoren, die von einer Instrumentalisierung der Medien durch die Politik ausgehen. Eine dritte Gruppe charakterisiert das Verhältnis zwischen Medien und Politik als eine Art „Symbiose“, die durch wechselseitige Nutzen und Abhängigkeiten gekennzeichnet ist.
Wichtig für das Verständnis des politischen Journalismus scheint das Aufzeigen der Entwicklung desselbigen, was Aufgabe des vierten Kapitels ist. Die entscheidenden Etappen der Politikberichterstattung von der präjournalistischen Periode, der Zeit des korrespondierenden Journalismus und jener, als der Journalismus schriftstellerische Funktionen hatte, sowie der redaktionelle Journalismus sind darin dargestellt. Am Ende des Kapitels wird die Frage gestellt, ob heute nicht schon von einer weiteren, neueren Generation gesprochen werden kann.
Ruß-Mohl (2003) hält fest, dass es den einen Qualitätsmaßstab nicht gibt. Qualität ist abhängig von zahlreichen Faktoren, wie dem jeweiligem Medium, dem Selbstverständnis der Journalisten oder der jeweiligen Funktion, die der Journalismus erfüllt. Entsprechend diesem Verständnis wird im fünften Kapitel der Magisterarbeit zunächst auf die Qualitätsmaßstäbe der Ausbildung und des Selbstbildes politischer Journalisten eingegangen, und anschließend die normative Funktion der politischen Berichterstattung nach Information, Kontrolle und Kritik mit dem aktuellen politischen Journalismus verglichen. Danach wer- den die Qualitätskriterien Unabhängigkeit bzw. Autonomie der Journalisten und Vielfalt
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der Berichterstattung, die von besonderer Bedeutung für eine qualitätsvolle politische Berichterstattung sind, untersucht. Im letzten Teil der Theorie wird ein kleiner Ausblick gegeben, indem die Befunde einzelner Autoren zur zukünftigen Entwicklung der Politikberichterstattung dargestellt werden.
Aufgabe des theoretischen Teils der Magisterarbeit ist es, Antwort auf folgende Forschungsfrage und die daraus resultierenden Unterfragen zu geben:
In welcher Weise nehmen die Medien den ihnen normativ zugewiesenen Politikvermittlungsauftrag nach Information, Kritik und Kontrolle wahr und welche Rückschlüsse ergeben sich daraus auf die Qualität der politischen Berichterstattung?
•Wie ist das Verhältnis zwischen den Teilsystemen Medien und Politik zu beurteilen?
•Welche Abhängigkeiten und Wechselbeziehungen gibt es und welche Auswirkungen ergeben sich dadurch auf die politische Berichterstattung in den Medien?
•Wie ist die Professionalität politischer Journalisten zu beurteilen? Welche Qualifikation haben Journalisten? Wie sieht das journalistische Selbstverständnis aus?
•In welchem Ausmaß erfüllen die Medien (im Besonderen die politische Berichterstattung in den Medien) ihren öffentlichen Auftrag nach Information, Kritik und Kontrolle?
•Inwieweit werden Qualitätskriterien wie Objektivität und Vielfalt in der Politikberichterstattung erfüllt?
Anlehnend an die theoretischen Ergebnisse über das Verhältnis zwischen Medien und Politik wurde ein Kategoriebogen entwickelt, mittels dessen die Qualität der innenpolitischen Berichterstattung von vier österreichischen Tageszeitungen untersucht wurde. Unterschiedliche Medien weisen unterschiedliche Muster der Berichterstattung auf. Ruß-Mohl (1996: 103) hält fest: „Wer konkret werden will, darf dabei nicht Äpfel mit Birnen vergleichen.“ Als Untersuchungsobjekte wurden deshalb die Zeitungen Presse, Standard, Kurier und Salzburger Nachrichten herangezogen, wobei ein Untersuchungszeitraum von zwei Wochen gewählt wurde.
Für die Entwicklung der forschungsleitenden Frage des empirischen Teils der Arbeit war das Finden von Qualitätsmerkmalen für die Politikberichterstattung von entscheidender Bedeutung. Durch das Aufzeigen der wesentlichen Qualitätsunterschiede zwischen Boulevard- und Qualitätsmedien im ersten Kapitel der Empirie sollen die wichtigsten Qualitätskriterien der politischen Berichterstattung veranschaulicht werden. Darauf aufbauend werden in weiterer Folge die Forschungsfrage sowie die Unterfragen und die Hypothesen dargestellt. Die Forschungsmethode und das genaue Untersuchungsdesign sind im dar- auf folgenden Kapitel zu finden.
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Zur Analyse der Tageszeitungen werden die Qualitätskriterien der Vielfalt, Verständlichkeit, Unterhaltung, Transparenz, Richtigkeit, Orientierung und Ausgewogenheit herangezogen. Darüber hinaus wird die Qualität der Sprache in den Zeitungen untersucht.
Das Kriterium der Vielfalt der Berichterstattung zeichnet sich dadurch aus, dass alle politischen Akteure ausreichend behandelt und niemand ausgeschlossen werden soll. Qualität ergibt sich demnach durch das Aufzeigen unterschiedlicher Sichtweisen, welche gleichwertig behandelt werden. Die politische Berichterstattung ist also umso vielfältiger, je mehr unterschiedliche Meinungen und Akteure darin dargestellt sind. Für die Berichterstattung hat das zur Folge, dass alle politischen Parteien ausgewogen behandelt werden sollen. In der Fallstudie wird deshalb analysiert, wie oft Regierungs- bzw. Oppositionsparteien Thema der Berichterstattung sind, und wie häufig Spitzenpolitiker behandelt werden bzw. wie viele unterschiedliche Quellen in der Berichterstattung herangezogen werden und wie ausgewogen die Perspektivendarstellung ist.
Das Kriterium der Verständlichkeit von Zeitungen lässt sich an der Erklärung von Abkürzungen und Fremdwörtern, sowie an der Trennung von Nachrichten und Meinungen und der Verständlichkeit der Sätze ablesen, während die Transparenz auf eine genaue Angabe der Quellen abzielt. Die unterhaltenden Elemente in der Zeitung werden durch das Ausmaß an Politainment und emotionalisierenden Überschriften ermittelt. Zudem wird eine Analyse der jeweiligen Anlässe der Berichterstattung vorgenommen.
Charakteristisch für Qualitätsmedien ist eine ausführliche Hintergrundberichterstattung mit Infografiken, Interviews und Stichwort-Kästen, wodurch der Leser eine Orientierung erhalten soll. Neben der Orientierung als Qualitätskriterium spielt auch die Ausgewogenheit eine wichtige Rolle. Sie zielt auf eine entsprechende Darstellung aller politischen Parteien ab.
Ein wichtiger Aspekt in der empirischen Untersuchung bildet zudem die in den Tageszeitungen verwendete Sprache. Zunächst wird deshalb der Frage nachgegangen, welcher Sprachgebrauch, unter Berücksichtigung der Funktionen des politischen Journalismus, für die politische Berichterstattung angebracht ist. Dabei werden unter anderem Pöttker (2000) und Ahlke/Hinkel (1999) herangezogen, die einige „Sprachmissbräuche“, wie die häufige Verwendung des Superlativs oder den unpassenden Gebrauch von Euphemismen, festgestellt haben. Ebenso zeugen umgangssprachliche Formulierungen wie „bleibts“ oder „vorbei ists“ sowie die häufige Verwendung affektiver Wörter oder Meta- phern mit affektiver Wirkung wie „auf Konfrontationskurs gehen“ von verminderter Qualität
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in der Berichterstattung, da die aufgeführten Beispiele keiner neutralen Sprache Rechnung tragen.
Welche Ergebnisse die Untersuchung der einzelnen Qualitätskriterien bei den vier Tageszeitungen erbracht haben, und wie diese Erkenntnisse zu bewerten sind, ist im fünften Kapitel der Empirie nachzulesen, während im letzten Kapitel der Magisterarbeit eine Zusammenfassung und ein Resümee gezogen wird.
Zum Abschluss wird darauf hingewiesen, dass sämtliche in der Arbeit vorzufindenden personenbezogenen Bezeichnungen geschlechtsneutral zu verstehen sind.
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Der theoretische Teil der Arbeit beschäftigt sich mit dem Journalismus als soziales System und insbesondere mit der Systemtheorie, bevor auf den Begriff der journalistischen Qualität und die Methoden der Qualitätsbewertung eingegangen wird. Zudem erscheint es notwendig, auch das Verhältnis zwischen Medien und Politik darzulegen, und auf die Entwicklung des politischen Journalismus einzugehen. Der Abschluss der Theorie bildet eine Literaturanalyse und die Darstellung der Ergebnisse wichtiger Arbeiten zu den Qualitätsmerkmalen und Qualitätskriterien der Politikberichterstattung.
Bevor auf das Verständnis von Journalismus als soziales System eingegangen wird, soll vorab allgemein der systemtheoretische Ansatz behandelt werden. Im Folgenden wird daher eine Definition des Begriffes „System“ vorgenommen, ehe ein geschichtlicher Abriss der Entwicklung der Systemtheorie und die verschiedenen systemischen Ansätze dargestellt werden. Im Anschluss daran sind die wichtigsten Erkenntnisse des systemthe-oretischen Ansatzes von Luhmann zu finden.
Der Begriff „System“ fand im 18. Jahrhundert Eingang in die Wissenschaftssprache und stammt aus dem griechischen Wort „sýstema“, das ein geordnetes Ganzes, welches aus verschiedenen Komponenten besteht, bezeichnet. Wichtig ist die Tatsache, dass das System mehr ist als die bloße Summe der Einzelteile. Diese Auffassung von Systemen greift auch die Allgemeine Systemtheorie von Ludwig von Bertalanffy im 20. Jahrhundert auf, die als erste große wissenschaftliche Systemtheorie begriffen werden kann. Bertalanffy versteht Systeme als einzelne miteinander in Beziehung stehende Teile eines Ganzen und trifft eine Unterscheidung in offene und geschlossene Systeme. (Vgl. Weber 2003: 203f)
Auch in der Kybernetik erster Ordnung von Norbert Wiener (1992) wird dieser Systembegriff verwendet. Ein wesentliches Merkmal hierbei ist die Differenzierung zwischen einem System und dessen Umwelt. Neben offenen und geschlossenen Systemen unterscheidet Wiener auch zwischen Systemen, die sich selbst steuern und jenen, die von der System- umwelt gesteuert werden. (Vgl. Weber 2003: 204)
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Eine Abweichung von diesen Auffassungen trifft George Spencer Brown (1997) mit seiner Arbeit „Laws and Form“. Darin ist die Entstehung eines Systems durch eine Unterscheidung, die von einem Beobachter getroffen wird, der in einem unmarkierten Raum zwischen einen markierten und unmarkierten Zustand differenziert, begründet. Als Beispiel für den unmarkierten Raum kann ein leeres Blatt Papier, auf das die Fläche eines Kreises, der markierte Zustand, gezeichnet wird, genannt werden. Der unmarkierte Zustand würde dem Kreisäußeren gleichkommen. (Vgl. Weber 2003: 204)
Willke (1996: 53, zit. nach Kohring 2004: 186) versteht unter einem System „ein Netz zusammengehöriger Operationen (…), die sich von nicht-dazugehörigen Operationen abgrenzen lassen“. Entscheidend ist die Tatsache, dass ein System gemäß den eigenen Strukturen auf Einflüsse von außen reagiert. Dadurch können Systeme eine Autonomie beanspruchen, was jedoch nicht bedeutet, dass sie autark, sondern offen für Umwelteinflüsse sind. (Vgl. Kohring 2004: 186)
Es gibt verschiedene Ansätze, die sich mit Systemen auseinandersetzen. Huber (1998) trifft folgende Kategorisierung:
•Allgemeine Systemtheorie: Nach diesem Ansatz besteht ein System aus verschiedenen Elementen, zwischen denen eine Wechselbeziehung herrscht. Die einzelnen Elemente bilden in Summe ein ganzes System, allerdings stellt „das Ganze immer mehr als die Summe seiner Teile“ (Huber 1998: 22) dar. Aus der Idee der Allgemeinen Sys-temtheorie leitet sich der Isomorphismus ab, welcher besagt, dass trotz der Verschiedenartigkeit aller Systeme deren wichtigste Strukturen sowie die grundlegenden Prozesse gleich sind. (Vgl. Huber 1998: 22)
•Kybernetischer Ansatz: Zentrale Aussage dieses Ansatzes ist, dass ein System nur dann eingehend untersucht werden kann, wenn die Systemumwelt mitberücksichtigt wird. Systeme werden als „black-box“ betrachtet. Inputs und Outputs beeinflussen die Gesetzmäßigkeiten des Systems. (Vgl. Huber 1998: 23)
•Input-/Output-Modell: Der kybernetische Ansatz hat die Entstehung so genannter Input-/Output-Modelle angeregt. Die entscheidende Annahme dieses Modells ist, dass Systeme durch „Inputs“ Leistungen aus der Umwelt aufnehmen und mittels „Outputs“ wiederum Leistungen an die Umwelt abgeben, die wieder als Eingaben in das System zurückgelangen. „Systeme werden als offen, adaptiv, zweckgerichtet, zielsuchend und von eigener Dynamik erklärt.“ (Huber 1998: 24) Die Kritik an diesem Ansatz ist, dass Macht und Kontrolle eine untergeordnete Rolle spielen, und auch der Wandel kaum beachtet wird. (Vgl. Huber 1998: 24)
•Strukturell-funktionaler Ansatz: Dieser Ansatz bezieht sich ausschließlich auf den human-gesellschaftlichen Bereich und stellt somit eine soziologische Systemtheorie dar. Im strukturell-funktionalen Ansatz weisen alle Systeme bestimmte Strukturen auf. Ziel ist, dass die Systeme reguliert werden und erhalten bleiben. Kritik wird dahingehend geäußert, dass beim strukturell-funktionalen Ansatz die Strukturen der Systeme als
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vorgegeben betrachtet und daher nicht auf deren Funktion hin untersucht werden. (Vgl. Huber 1998: 25)
•Funktional-struktureller Ansatz: Dieser Ansatz wurde von Niklas Luhmann entwickelt, der die Strukturen des Systems nicht mehr als gegeben voraussetzt, sondern sie selbst zum Analysegegenstand heranzieht. Von zentraler Bedeutung ist, dass sich „soziale Systeme umstrukturieren und somit auf Veränderungen in der Umwelt reagieren können.“ (Huber 1998: 27) Entscheidend ist also nicht die Erhaltung des Systems, sondern die Lösung von Problemen. (Vgl. Huber 1998: 27)
Die moderne Systemtheorie in der Kommunikationswissenschaft geht auf Niklas Luhmann (1984) zurück, der Systeme als operativ geschlossene und selbstreferenzielle Einheiten, die in Differenz zu deren Umwelt stehen, betrachtet. Unter operativer Geschlossenheit wird der geschlossene Regelkreis, der durch das Arbeiten von Systemen entsteht, und unter Selbstreferentialität der ständige Bezug von Systemelementen auf andere Systemelemente, verstanden. Entscheidend ist, dass Systeme nicht immer vollständig geschlossen sind. Luhmann (1984) spricht von der operativen Geschlossenheit und verweist darauf, dass Systeme durchaus Inputs aus der Umwelt aufnehmen können, diese aber sofort in systemeigene Elemente umwandeln. (Vgl. Weber 2003: 204f) Im Konkreten hält Luhmann (1984: 63) fest: „Dies Konzept des selbstreferentiell-geschlossenen Systems steht nicht im Widerspruch zur Umweltoffenheit der Systeme; …“
In den achtziger Jahren kann eine „autopoietische Wende“ (Weber 2003: 205) in der Sys-temtheorie ausgemacht werden. Dabei werden soziale Systeme als sich selbst reproduzierende, also autopoietische Einheiten, betrachtet. Die Elemente, aus denen die Systeme bestehen, werden zwingend durch eigene Elemente reproduziert. (Vgl. Weber 2003: 205) Den Begriff „Autopoiesis“ gebraucht Luhmann (1984) anlehnend an Maturana (1982) und Varela (1979). (Vgl. Luhmann 1984: 60) Wichtig für das Verständnis der Autopoiesis ist, dass der Autor Offenheit und Geschlossenheit nicht als Widerspruch sieht. Die Autopoiesis ermöglicht, dass sich die geschlossenen Systeme ständig reproduzieren. Diese Geschlossenheit bildet in weiterer Folge die Grundlage für die Offenheit der Systeme. (Vgl. Luhmann 1984: 297)
Luhmann unterscheidet in seiner Systemtheorie vier verschiedene Systemtypen: Maschinen, biologische Systeme wie Organismen, psychische Systeme wie das Bewusstsein und soziale Systeme, wobei nur erstgenannte keine autopoietischen Systeme darstellen, weil sie etwas produzieren, das von ihnen verschieden ist. (Vgl. Weber 2003: 207)
Als wesentliche Funktion sozialer Systeme führt Luhmann in seiner funktional- strukturellen Systemtheorie die Erfassung und Reduktion von gesellschaftlicher Komplexi-
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tät an. Die Art dieser Reduktion durch Selektion ermöglicht eine Unterscheidung der Systeme. Erst wenn ein System dauerhafte Selektionskriterien aufbauen kann, werden eine Orientierung und letztlich eine soziale Ordnung ermöglicht. Die verschiedenen sozialen Systeme lassen sich in Interaktionssysteme wie beispielsweise eine Unterhaltung, Organisationssysteme wie Redaktionen und dem sozialen System Gesellschaft unterteilen. Das Gesellschaftssystem wiederum setzt sich aus verschiedenen Funktionssystemen wie dem Politiksystem oder dem Wissenschaftssystem zusammen. (Vgl. Kohring 2004: 187f) Neben dieser vertikalen Unterscheidung von sozialen Funktionssystemen kann auch eine horizontale Unterscheidung zwischen der Wirtschaft, Politik und Religion getroffen werden. (Vgl. Weber 2003: 208f)
Soziale Funktionssysteme erfüllen für die Gesamtgesellschaft eine Primärfunktion und erbringen gleichzeitig bestimmte Leistungen für die anderen Funktionssysteme. Darüber hinaus, weisen sie einen binären Code auf, der darüber entscheidet, was zum System gehört und was nicht. Zudem bestehen soziale Funktionssysteme ausschließlich aus Kommunikationen, die die Selbstproduktion ermöglichen. Luhmann versteht unter Kommunikation Information, Mitteilung und Verstehen. (Vgl. Weber 2003: 209f)