Queer*Welten 03-2020 - James Mendez Hodes - E-Book

Queer*Welten 03-2020 E-Book

James Mendez Hodes

0,0

Beschreibung

Queer*Welten ist ein halbjährlich erscheinendes queerfeministisches Science-Fiction- und Fantasy-Magazin, das sich zum Ziel gesetzt hat, Kurzgeschichten, Gedichte, Illustrationen und Essaybeiträge zu veröffentlichen, die marginalisierte Erfahrungen und die Geschichten Marginalisierter in einem phantastischen Rahmen sichtbar machen. Außerdem beinhaltet es einen Queertalsbericht mit Rezensionen, Lesetipps, Veranstaltungshinweisen und mehr. In dieser Ausgabe Präventive Devastation von Anne Neuschwander (Kurzgeschichte) Held*innen-Collage von Patricia Eckermann, Judith C. Vogt, Susanne Pavlovic, Lena Richter, Sarah Stoffers und Iris Villiam That Escalated Quickly von Oliver Kontny (Kurzgeschichte) Lasst uns die Phantastik zerstören von Frank Reiss (Essay) Eine alte Liebe von Daniela Schreiter (Comic)

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 89

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



https://queerwelten.de

Ach je Verlag

Traunstein - AT&Tlantis - Tschuri

https://ach.je

Impressum

Herausgeberinnen:

Judith Vogt, Lena Richter, Kathrin Dodenhoeft

1. Auflage

©2020 Ach je Verlag

ein Imprint des Amrun Verlag, Traunstein

Layout: Kathrin Dodenhoeft

Covergestaltung Thiemo Pitsch

Queer*Welten Logo: Milan Dangol

https://milandangol.de

Ebook Herstellung im Verlag

ISBN 978-3-947720-57-6 (Heft)

ISBN 978-3-95869-484-2 (E-Book)

Inhaltsverzeichnis

Impressum

Vorwort

Präventive Devastation

Über Anne Neuschwander

Heldi*innen-Collage

Schwarze Heldinnen – Empowerment & Inspiration

Über Patricia Eckerman

Lieber Held

Über Judith C. Vogt

Hauptfigur mit Emanzipations­hintergrund oder: Wie man’s macht, isses falsch

Über Susanne Pavlovic

Mosaik

Über Lena Richter

Alte Sehnsüchte und neue Utopien

Über Sarah Stoffers

Heldin

Über Iris Villiam

Eine alte Liebe

Über Daniela Schreiter

That Escalated Quickly

Über Oliver Kontny

Lasst uns die Phantastik zerstören

Über Frank Reiss

Queer*Welten – Der Queertalsbericht 04/2020

Über unseren Cover-Künstler: Thiemo Pitsch

Orientierungsmarken

Inhaltsverzeichnis

Schmutztitelseite

Impressum

Hauptteil

Vorwort

Hauptteil

Hauptteil

Hauptteil

Hauptteil

Hauptteil

Hauptteil

Hauptteil

Hauptteil

Hauptteil

Hauptteil

Hauptteil

Cover

Vorwort

Liebe Leser*innen, dass wir in Geschichten auch immer einen Blick auf Held*innen werfen, versteht sich von selbst. Doch was ist für uns heldenhaft? Hat sich das verändert? Ist die Zeit des Heroismus vorbei? Aşkın-Hayat Doğans junge Hauptfigur stellte sich solche Fragen schon in Ausgabe 2 – und auch für Ausgabe 3 erreichten uns zunehmend Texte, die sich mit dem Konzept „Held*in“ beschäftigten. Wir konnten nicht widerstehen: Hiermit haltet ihr die erste thematisch fokussierte Ausgabe von Queer*Welten in den Händen!

Frank Reiss’ Essay spricht davon, wie queeres Erzählen die Phantastik zerstört – im besten Sinne. Wir brauchen nicht nur queere Held*innen, sondern möchten auch Welten, Kontexte und Storys gegen den Strich bürsten.

Dann versuchen wir uns an einem neuen Format: Eine Collage aus sechs Kurztexten wirft drei fiktionale und drei autobiografische Schlaglichter auf Held*innen.

„That escalated quickly“ von Oliver Kontny spielt mit klassischen Fantasytropes und -held*innen und treibt sie zu aberwitzigen Spitzen.

In „Präventive Devastation“ von Anne Neuschwander wird die Protagonistin unfreiwillig zur Heldin – nur sie kann die Menschheit noch retten. Aber wird ihr das gelingen?

Im Comic von Daniela Schreiter aka Fuchskind begegnen wir zwei Heldinnen einer Lovestory, die man sonst nur selten sieht.

Im Queertalsbericht werfen wir Blicke auf Fantasy und Science-Fiction, auf (virtuelle) Ausstellungen, Podcasts und das Online-Rahmenprogramm der Frankfurter Buchmesse.

Und nicht zuletzt bietet uns das ­Cover von Thiemo Pitsch mit seiner Space-Drag-Queen ungewöhnliches Held*innentum im luftleeren Raum.

Nicht im luftleeren Raum hingegen schwebt Queer*Welten: Wir danken euch für eure Treue als Lesende, dafür, dass ihr über Queer*Welten redet, dass ihr sie rezensiert, verschenkt, empfehlt. Es ist ein hartes Jahr für Kleinverlage, der Ach Je Verlag, bei dem unser Zine erscheint, hat bislang etwa 20 % des Vorjahresumsatzes gemacht. Die nächsten drei Ausgaben sind unter anderem dank großzügiger Spenden gesichert (1000 Dank dafür!), aber wie es 2021 weitergeht, wird sich zeigen. Wie immer könnt ihr helfen und zum Beispiel ein Steady-Abo bei Ach Je abschließen, Queer*Welten abonnieren, unser Magazin rezensieren und Freund*innen zu Weihnachten schenken. Leider drehen sich die meisten dieser Maßnahmen wieder einmal um Geld. Wir wünschten, es wäre anders. Aber ihr könnt uns noch einen Gefallen tun: Sendet uns weiterhin Geschichten! Denn auch die brauchen wir, damit Queer*Welten fortbesteht.

Doch auch andere sind auf Geld angewiesen: Auch in diesem Jahr beteiligen wir uns mit anderen deutschsprachigen Autor*innen an einer Spendenaktion, mit der ihr beispielsweise die Seenothilfe oder die queere Jugendhilfe Lambda e.V. unterstützen könnt. Wenn diese Ausgabe erscheint, ist die Aktion bereits gestartet. Informationen dazu findet ihr auf unter Website und in den Social Media unter dem Hashtag #HoffnungSpenden. Und bei aller Kritik an Heroismus: Seid in diesem Pandemiewinter Held*innen füreinander. Nicht immer, aber abwechselnd alle ein kleines bisschen. Wir sind uns sicher, das macht schon eine Menge aus.

Wir hoffen, ihr bleibt gesund,

Eure Queer*Welten-Redaktion

Präventive Devastation

von Anne Neuschwander

Inhaltshinweise

Fluchen, drohende Vernichtung der Menschheit, Eingesperrtsein/enge Räume, Feuer, Ausgeliefertsein, Hilflosigkeit

Es war keine echte Wand. Sie hatte keine Tür, keine Klinke und kein Schloss, nichts, das ihre glatte, bunt schillernde Oberfläche unterbrach, die sich vom Boden bis hin zur vergipfelten Decke des alten Herrenhauses zog. Und doch erfüllte sie genau denselben Zweck wie eine herkömmliche Wand, und als solche sollte sie eigentlich auch eine Tür haben. Eine, die sich öffnen ließ, vorzugsweise. Genau eine solche aber fehlte Sara Ferdinand an diesem sonnigen Maidonnerstag, an dem sie eigentlich in einer Mathevorlesung hätte sitzen sollen, und stattdessen durch einen dummen Zufall mitten in einem Endzeitszenario gelandet war, das nicht nur die Grenzen der Logik, sondern auch die der Physik auszuhebeln schien.

„Lass mich raus!“, schrie sie schließlich frustriert, nachdem alles Hämmern, Treten, Schieben und Fluchen ihr nicht mehr eingebracht hatten als rasende Kopfschmerzen und ein übles Verlangen nach einem eisgekühlten Mocca Frappuccino.

„Negativ.“

Eine Ader auf Saras Stirn begann zu pochen. „Du Scheiß-Ding“, fauchte sie. „Ich schwör’s dir, ich schlag dich kurz und klein.“

„Unratsam, da von zweifelhafter Erfolgswahrscheinlichkeit.“

„Ich geb’ dir gleich ’ne zweifelhafte Erfolgswahrscheinlichkeit, und zwar mitten in die Fre–“

„Gewaltandrohungen sind eine überflüssige Verschwendung von Ressourcen.“ Sara drohte der Wand etwas an, das nicht nur für eine Wand körperlich unmöglich, sondern in großen Teilen des besiedelten Universums auch höchst illegal war. „Ich weiß nicht genau, was du von mir willst“, patzte sie die Wand dann weiter an, die bisher eigentlich ganz höflich gewesen war. Diese Höflichkeit stellte Saras Geduldsfaden auf eine Zerreißprobe. „Aber ich werde garantiert nicht mit dir herumdiskutieren, während da draußen die Welt untergeht.“ Nicht, dass Saras schlechte Laune verwunderlich war. So hätten wohl alle reagiert, die durch eine schimmernde, halb-durchsichtige und einfach so aus dem Nichts erschienene Wand hindurch dem Ende der eigenen Zivilisation zusehen musste.

„Diskutieren.“ Die Wand klang interessiert. „Nennt man das so?“

Sara schnaubte abfällig. „Nein“, antwortete sie. „Diskutieren ist, wenn zwei Menschen unterschiedlicher Meinung sind und sich darüber austauschen. Das tun wir definitiv nicht, weil du erstens“, zählte sie an ihren Fingern auf, „gar kein Mensch bist, und es zweitens nicht als Meinung gilt, immer nur ‚negativ‘ zu sagen.“

Eine Pause folgte ihrem Ausbruch. „Warum nicht?“

„Weil“, Sara rang nach Worten. „Na ja, weil du halt bessere Argumente brauchst.“

„Argumente sind irrelevant, wenn man im Recht ist.“

„Du kannst aber doch nicht einfach beschließen, dass du im Recht bist. So funktioniert das nicht.“

„Die Faktenlage ist eindeutig.“

Sara warf die Hände hoch und verlor ob dieser Begriffsstutzigkeit jegliche Kontrolle über ihre Sprache. „The fuck? Du hast doch nicht mehr alle Croutons im Salat!“

Was man allerdings auch über Sara hätte sagen können. Schließlich war sie es, die sich mit einer sprechenden Energiefeld-Wand unterhielt, während in ihrem direkten Sichtfeld Flammen und Chaos über die Erde schwappten. „Welche Faktenlage denn, zum Teufel?“, motzte sie also, mangels einer bedachtsameren Ausdrucksweise im gerade stattfindenden Nervenzusammenbruch.

Die Wand schimmerte geschäftig, und eine mathematische Formel erschien direkt vor Sara. Sie hielt inne. Ihre Augen flogen über komplexe Abfolgen von Zahlen und Symbolen, von denen einige ihr zwar bekannt vorkamen, die aber insgesamt aussahen, als hätte ein Kleinkind sich aus einer Box Kühlschrankmagneten bedient.

„Okay“, murmelte sie, nachdem ihr Gehirn sich mehrere Male ver- und entknotet hatte, und sie zumindest ein rudimentäres Verständnis von dem erlangt zu haben glaubte, was sich da vor ihr abzeichnete. „Das ist ein Ausschluss-Logarithmus, richtig? Und das hier.“ Sie zeigte auf ein besonders banales Symbol. „Soll das die Erde darstellen?“

Die Wand schimmerte in einem sachlichen Grünton. „Korrekt.“

Etwas beleidigt schob Sara ihr Kinn nach vorne. Das Symbol war mit Abstand das langweiligste von allen. „Wir wurden also, was, wegrationalisiert?“

„Das Verfahren wird universell als Präventive Devastation bezeichnet.“

Die Fragezeichen auf Saras Gesicht waren wohl deutlich genug, dass sogar eine außerirdische und aller Wahrscheinlichkeit nach künstliche Intelligenz sie zu deuten wusste. „Diese Maßnahme wird durchgeführt, wenn Analysen einer dominanten Spezies ein überdurchschnittliches Gefahrenpotenzial ergeben.“

Überdurchschnittliches Gefahrenpotenzial. Ja, so konnte man die menschliche Egozentrik auch nennen. Sara sah die Richtigkeit dieser Schlussfolgerung durchaus ein – schließlich verfolgte sie die Nachrichten, war also durchaus vertraut mit den Abgründen menschlicher Machtgier.

Trotzdem. „Bisschen krass, der Schritt, oder?“, merkte sie an. „So von null auf Genozid?“

Die Wand schillerte unbeeindruckt und schien kein gesteigertes Bedürfnis daran zu haben, sich für die Maßnahme zu rechtfertigen.

Sara sah durch die neutral schimmernde Wand hindurch, hinter der sie, unscharf zwar, aber immer noch deutlich genug, die obersten Stockwerke der Universität in Flammen stehen sah. Da oben hatten die Geisteswissenschaften ihre Lehrstühle, gesetzmäßig die universitären Erzfeinde der Naturwissenschaften. Angesichts der vor ihr stattfindenden Vernichtung empfand Sara jedoch beim Gedanken an kokelnde Quinoaschnitten und White-Dreads deutlich weniger Genugtuung, als sie gedacht hätte. Stattdessen war sie sauer. Stinksauer sogar. Ihr ganzes Leben war dabei, auseinandergerissen zu werden, auch, wenn das wirkliche Ausmaß dessen, was gerade geschah, ihre Vorstellungskraft bei Weitem überstieg. Menschen, die sie liebte und im Begriff war zu verlieren, blitzten vor ihrem inneren Auge auf. Orte, an denen sie gewesen war, und Orte, die sie noch hatte sehen wollen … Und eigentlich hätte sie in diesem Moment wie jeden Donnerstag in ihrer Vorlesung sitzen und sich mit den anderen eine Packung Joghurt-Gums teilen sollen, während der Prof verzweifelt versuchte, das Smartboard dazu zu bewegen, seine Aufschriebe nicht in Comic Sans 3D anzuzeigen.

Anstelle dessen schien sie nun plötzlich in einer Folge von Twilight Zone festzustecken – und noch nicht einmal in einer besonders originellen. Weltuntergang wegen Überheblichkeit und Zerstörungswahn. Nein, neu war diese Geschichte wirklich nicht. Zumindest gelangte sie durch diese Erkenntnis zu einer Idee. Sie holte dreimal tief Luft, stieß den letzten Atemzug aus ihrer Lunge und setzte sich auf den Boden. Zeit für eine Taktikänderung.

„Wie heißt du eigentlich?“, fragte sie freundlich.

Die Wand stutzte.

Sara machte es sich im Schneidersitz bequem. „Ich bin Sara. Sara Maria Ferdinand, aber wer mich mit Sara Maria anspricht, bekommt eine gescheuert.“ Sie interpretierte das Schweigen der Wand als Nachfrage und fuhr fort: „Die Regel erkläre ich jedem, den ich treffe. Nur damit das ganz klar ist, und sich im Nachhinein niemand beschwert.“

„Sara Maria. Ferdinand.“

Sara drohte der Wand mit dem Zeigefinger. „Dünnes Eis, ganz dünnes Eis sogar. Denk nur nicht, dass ich nicht auch dir eine scheuere.“

„Du würdest dir mit 98,99987 prozentiger Wahrscheinlichkeit die Hand brechen.“

„Ach, papperlapapp. Ich hab‘ schon ganz anderen eine reingebombt, da lass ich mich doch nicht von einer sprechenden Seifenblase abhalten.“

Die Wand machte eine missbilligende Pause. „Gewalt ist in den seltensten Fällen eine adäquate Form der Konfliktlösung.“