Queere Fanfictions - Queere Utopien? - Denise Labahn - kostenlos E-Book

Queere Fanfictions - Queere Utopien? E-Book

Denise Labahn

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Beschreibung

Wie verhandeln Fans von Vampir-Serien in ihren Texten Themen wie Geschlecht, Sexualität, Familie oder Beziehungen? Und bringen sie in ihren Geschichten queere Utopien hervor? Denise Labahn untersucht die Aus- und Verhandlungen von Hetero- und Homonormativität durch Fans am Beispiel von Fanfictions zu den TV-Serien »Vampire Diaries«, »Buffy« und »True Blood« sowie einer Online-Gruppendiskussion mit queeren Produser*innen. Die empirische Studie verbindet u.a. Ansätze der Queer Theory und Fan Studies. Sie zeigt, wie Fans in ihren kollektiven und kollaborativen Entwürfen alternative Welten erschaffen sowie Verwandtschaftsverhältnisse und Beziehungen queeren - und so einen Beitrag zu vielfältigen Repräsentationen leisten.

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Seitenzahl: 816

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Denise Labahn, geb. 1988, promovierte am Institut für Medienwissenschaft der Eberhard Karls Universität Tübingen und studierte Geschlechterforschung an der Georg-August-Universität Göttingen. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Queer Theory, Gender (Media) Studies und Fan Studies.

Wie verhandeln Fans von Vampir-Serien in ihren Texten Themen wie Geschlecht, Sexualität, Familie oder Beziehungen? Und bringen sie in ihren Geschichten queere Utopien hervor? Denise Labahn untersucht die Aus- und Verhandlungen von Hetero- und Homonormativität durch Fans am Beispiel von Fanfictions zu den TV-Serien »Vampire Diaries«, »Buffy« und »True Blood«. Dabei zeigt sie, wie Fans in ihren kollektiven und kollaborativen Entwürfen alternative Welten erschaffen sowie Verwandtschaftsverhältnisse und Beziehungen queeren – und so einen Beitrag zu vielfältigen Repräsentationen leisten.

Die E-Book-Ausgabe erscheint im Rahmen der »Open Library Medienwissenschaft 2023« im Open Access. Der Titel wurde dafür von deren Fachbeirat ausgewählt und ausgezeichnet. Die Open-Access-Bereitstellung erfolgt mit Mitteln der »Open Library Community Medienwissenschaft 2023«.

Die Formierung des Konsortiums wurde unterstützt durch das BMBF (Förderkennzeichen 16TOA002).

Die Open Library Community Medienwissenschaft 2023 ist ein Netzwerk wissenschaftlicher Bibliotheken zur Förderung von Open Access in den Sozial- und Geisteswissenschaften:

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Denise Labahn

Queere Fanfictions – Queere Utopien?

Hetero- und Homonormativität in Fanfictions zu US-Vampir-Serien

Diese Arbeit wurde im Wintersemester 2022/23 von der Philosophischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen als Dissertation angenommen.

Gutachter_innen: Prof. Dr. Tanja Thomas, Ao. Univ. Prof. i.R. Dr. Brigitte Hipfl, Prof. Dr. Susanne Marschall

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de

Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0 Lizenz (BY-SA). Diese Lizenz erlaubt unter Voraussetzung der Namensnennung des Urhebers die Bearbeitung, Vervielfältigung und Verbreitung des Materials in jedem Format oder Medium für beliebige Zwecke, auch kommerziell, sofern der neu entstandene Text unter derselben Lizenz wie das Original verbreitet wird.Die Bedingungen der Creative-Commons-Lizenz gelten nur für Originalmaterial. Die Wiederverwendung von Material aus anderen Quellen (gekennzeichnet mit Quellenangabe) wie z.B. Schaubilder, Abbildungen, Fotos und Textauszüge erfordert ggf. weitere Nutzungsgenehmigungen durch den jeweiligen Rechteinhaber.

Erschienen 2023 im transcript Verlag, Bielefeld© Denise Labahn

Umschlaggestaltung: Maria Arndt, Bielefeld

Umschlagabbildung: Pixabay

Print-ISBN: 978-3-8376-6919-0

PDF-ISBN: 978-3-8394-6919-4

EPUB-ISBN: 978-3-7328-6919-0

Buchreihen-ISSN: 2512-4188

Buchreihen-eISSN: 2747-3937

Übersicht

Cover

Titel

Impressum

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Inhalt

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Danksagung

1. Einleitung

1.1 Erkenntnisinteresse, Fragestellung und Untersuchungsgegenstand

1.2 Forschungsstand und Theoretische Ausgangspunkte

1.3 Methodische Ausrichtung der Arbeit

1.4 Terminologie und Orthographie

1.4.1 Geschlechtersensible und diskriminierungsfreie Schreibweisen

1.4.2 Zentrale Begriffe

1.5 Verortung und Positionierung

1.6 Aufbau der Arbeit

2. Theorie: Queere Vampir*innen, Utopien und Fans

2.1 Queere Theorie

2.1.1 Zur (Un)möglichkeit eines Queer‐Begriffs

2.1.2 Normativitäten

2.1.3 Queere Strategien gegen Normativität

2.2 (Queere) Vampir*innen

2.2.1 Historische Einordnung des Vampir:innen‐Genres

2.2.2 Das queere Potenzial von Vampir:innen

2.3 (Queere) Utopien

2.3.1 Die Entwicklung unterschiedlicher Utopiebegriffe

2.3.2 Vermittlung zwischen beiden Positionen

2.3.3 Prozessuale Utopie

2.3.4 Heterotopien

2.3.5 Queere Utopien – Zwischen Todestrieb und Hoffnung

2.3.6 (Queere) Utopien als Analysekategorie

2.4 (Queere) Fans und Fiktionen

2.4.1. Phasen der Fanforschung

2.4.2 Fans, Fan‐Sein, Fandom und Fankultur – Begriffsbestimmungen

2.4.3 Von Poaching und Partizipation zu Produsage

2.4.4 Fanfiction

2.4.5 Queere Fanfiction

3. Zwischenfazit zur Theorie

4. Methodologie

4.1 Fragestellung(en)

4.2 Erhebungsinstrumente

4.2.1 Theoretical Sampling als Auswahlstrategie

4.2.2 Die Online‐Gruppendiskussion

4.3 Vorgehen und Material

4.3.1 Die Fanfictions

4.3.2 Die Forumsdiskussion

4.4 Werkzeuge

4.4.1 Queer Reading als subversive Lesart

4.4.2 (Inhaltich strukturierende) qualitative Inhaltsanalyse

4.4.3 Die Queere Inhaltsanalyse

4.5 Der Prozess der Auswertung

4.5.1 Vorgehen und Interpretation

4.5.2 Theoretische Sensitivität – Die Analysekategorien

5. Zwischenfazit zur Methodologie

6. Kontextualisierungen

6.1 Die Quelltexte: Buffy, True Blood und Vampire Diaries

6.1.1 »Did we not put the ›grr‹ in ›girl‹?« Buffy – Im Bann der Dämonen

6.1.2 »Vampires are people too« – True Blood

6.1.3 »It’s not a crime to love what you cannot explain« – Vampire Diaries

6.2 Kurzportraits der Fanfictions

6.2.1 Cut No Ice

6.2.2 How to tame a Shrew

6.2.3 Nur die Jägerin

6.2.4 Nachtluft

6.2.5 Sunrise over Dallas

6.2.6 Catch me if You can

6.2.7 Große Worte, Wetten und andere Schwierigkeiten

6.2.8 You’re my Savior

6.2.9 Der unschuldige Vampir

6.2.10 Resümee

6.3 Zusammensetzung der Online‐Gruppendiskussion

6.4 Kurzportraits der Diskussions‐Threads

6.4.1 Lesen und Schreiben von Fanfiction

6.4.2 Fanfiction um Fetisch/Fantasie auszuleben?

6.4.3 sexuelle Orientierung/Geschlecht/Beziehungsformen

6.4.4 Stellenwert von Beziehungen in Fanfictions

6.4.5 Offen oder zurückhaltend?

6.4.6 Realität und Fantasie

6.4.7 Wirkung von Fanfiktions auf Leser*innen

6.4.8 Umgang mit dem Hobby ›queere Fanfiction‹ im realen Umfeld

6.4.9 Queer in der Familie

6.4.10 Fiktophilie

6.4.11 Girlfag/Guydyke

6.4.12 Welche Themen sind euch wichtig

6.4.13 Engagement/Alltag/Politik

6.4.14 Community/Zusammenarbeit/Netzwerke

6.4.15 Aufklärung

6.4.16 Kulturelle/Sprachliche Unterschiede im Umgang mit Queerness

7. Befunde

7.1 Die Aus‑ und Verhandlungen von Hetero‑ und Homonormativität

7.1.1 Familien und deren Abwesenheit, Wahl‑ und Blutsverwandtschaft

7.1.2 Liebe, Blut, Verbundenheit

7.1.3 Geschlechter und Sexualitäten – Bilder, Prozesse, Kritik

7.2 Kollektivität, Kollaboration und Gemeinschaft

7.2.1 Warum Fanfiction?

7.2.2 Gemeinschaft, Anerkennung und Freund:innenschaften

7.2.3 Zusammenarbeit und Kollaboration

8. »Nichts würde sich jemals ändern. Oder … doch?« – Fanfiction als Queere Intervention

8.1 »Jede Veränderung beginnt mit kleinen Schritten!«

Die VerUneindeutigenden und Entselbstverständlichenden Potenziale Queerer Repräsentationen

8.2 »Aber das Leseerlebnis ist dann ganz gezielt auf meine Bedürfnisse in der jeweiligen Situation abgestimmt […]«

Produsage als Repräsentation queerer Praxis

9. Fazit und Ausblick

9.1 Zusammenfassung und Diskussion

9.2 Reflexion des Analysewerkzeugs

9.3 Ausblick und offene Fragen

Literatur

Filme und Serien

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1:Vier Prinzipien von Produsage (vgl. Bruns 2009, S. 66–67)Abbildung 2:Aufbau des Forums zu Beginn der Online‐Gruppendiskussion im August 2018Abbildung 3:Überblick über das empirische VorgehenAbbildung 4:Auf tumblr beschreibt ein Fan das homoerotische Begehren zwischen Spike und AngelAbbildung 5:Alter der Teilnehmer:innen der Online‐DiskussionAbbildung 6:Angaben zur geschlechtlichen Selbstverortung der Teilnehmer:innenAbbildung 7:Angaben zur sexuellen Orientierung der Teilnehmer:innen

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1:Überblick Datenkorpus (Stand der Daten: 22.3.2018)Tabelle 2:Analyseeinheiten Feinanalyse (Stand der Daten: 22.03.2018)Tabelle 3:Übersicht über die Threads im Forum ›(queere) Fanfiction‹ nach Ablauf der Online‐GruppendiskussionTabelle 4:Fokussierungsdimensionen ›Heteronormativität‹ und ›Homonormativität‹Tabelle 5:Fokussierungsdimension ›queeres Potenzial‹Tabelle 6:Fokussierungsdimention ›Produsage‹Tabelle 7:Fokussierungsdimension ›Wünsche_Träume_Sehnsüchte‹

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bei den Menschen bedanken, die mich auf unterschiedliche Weise bei diesem Promotionsprojekt unterstützt haben:

Zunächst danke ich meiner Erstgutachterin Prof. Dr. Tanja Thomas und meiner Zweitgutachterin Prof. Dr. Brigitte Hipfl für ihre kompetente, herzliche und stets konstruktive Betreuung meiner Arbeit. Ebenso bedanke ich mich für ihre Erreichbarkeit, ihre Ratschläge und ihre beruhigenden Worte vor allem in der Endphase der Promotion – es war eine bereichernde und auch spannende Zusammenarbeit. Außerdem möchte ich mich an dieser Stelle bei Prof. Dr. Susanne Marschall für ihr Drittgutachten und bei den weiteren Mitgliedern der Prüfungskommission Prof. Dr. Klaus Sachs‐Hombach und Prof. Dr. Martina Thiele für ihre Zeit und Mühe bedanken.

Der Hans‐Böckler‐Stiftung danke ich für die großzügige finanzielle Förderung dieser Arbeit, für die spannenden Begegnungen und inspirierenden Momente im Verlauf der Förderung.

Ein weiterer unerlässlicher Dank gilt meinen Freund*innen, Mitpromovierenden und Kolleg_innen, die mich während der Zeit der Promotion begleitet haben. Insbesondere möchte ich mich bei Julia Schwanke, Uta Scheer, Viola Lähndorf, Hannah Kleber und Julika Mücke für ihre wertvolle Kritik, den fachlichen Austausch und die Motivation bedanken. Darüber hinaus bedanke ich mich bei meinen Mitpromovierenden in den Kolloquien von Tanja Thomas, die mich durch die Höhen und Tiefen dieses Projektes begleitet haben und deren Feedback diese Arbeit stets begleitet hat. Und nicht zuletzt gilt mein Dank meinen Freund*innen, die mir während dieser Zeit beigestanden und mich unterstützt haben.

Große Dankbarkeit empfinde ich zudem gegenüber meiner Familie. Meiner Mutter Sabine Labahn, meinem Vater Werner Weber und meinem Bruder Eike Labahn möchte ich besonders danken: Für den Zuspruch, für ihr Vertrauen und ihren Glauben an mich. Meinem Opa Günter Komraus möchte ich danken für all das Interesse an diesem Projekt, für die Lebensfreude und die Gespräche – du wirst immer in meinem Herzen sein.

Zuletzt danke ich dir, liebe Julia, für all die Unterstützung auf unterschiedlichen Ebenen, für das Teilen der Höhen und Tiefen, für deine unendliche Geduld, den nie endenden Zuspruch, für die Ablenkung, wenn sie nötig war, für die gemeinsamen Diskussionen und für so vieles mehr.

1. Einleitung

Fanfiction writers, more than most people, know how to tell a story that begins, ›What if…?‹

(Coppa 2013, S. 308).

Erste Vampir*innenserien1 und ‑filme erregten bereits in den 1960er‐Jahren Aufmerksamkeit und wurden zum lebendig diskutierten Thema an Küchentischen, auf Schulhöfen, in Seminaren an Universitäten, in Tageszeitungen, Magazinen, Zeitschriften, in Foren und Blogs. TV‑Serien und Filme wie Buffy – Im Bann der Dämonen (1997–2003), Van Helsing (2004), Twilight (2008–2012), True Blood (2008–2014), Vampire Diaries (2009–2017), The Strain (2014–2017) oder Dracula (2020) werden von Zuschauer:innen, Fans und Wissenschaftler:innen gleichermaßen zelebriert wie kritisiert. Dabei wird immer wieder – vor allem in der wissenschaftlichen Forschung – auf den queeren Subtext von Vampir*innenfiguren verwiesen (vgl. z.B. Dyer 1988; Liebrand 1998; Loza 2011; Lau 2018). Dieser queere Subtext ist es, den ich auch in meiner Arbeit fokussiere.

Insbesondere die Themen und Figuren der TV‑Serie Buffy – Im Bann der Dämonen gaben_geben einen Anlass für zahlreiche wissenschaftliche Auseinandersetzungen. Neben internationalen Konferenzen, auf denen bspw. die Themen lesbische Liebe oder Ideologiekritik in der Serie diskutiert wurden, wurde 2001 auch die Online Zeitschrift Slayage gegründet, die bis heute – allerdings unter dem Namen Slayage: The Journal of Whedon Studies – weitergeführt wird. Die Vampirjägerin Buffy und ihre Freundin Willow dienen auch heute noch für viele als popkulturelle, feministische Leitfiguren (vgl. z.B. Pender 2015; Mädchenmannschaft 2018; Bahr 2021). So titelte die taz anlässlich des 20. Jahrestages der Serie von Buffy als »Frau, die das Patriarchat zerlegt« (Dörfler 2017). Auch der 2008 auf dem Sender HBO gestarteten Serie True Blood wurde subversives und queeres Potenzial zugesprochen. Vor allem queere Medien lobten_loben die sexuelle Vielfalt in der Serie (vgl. z.B. Clarke 2014; Kheraj 2018; Lowder 2014). So schreibt Bryan Lowder in der Zeitschrift Slate über das ›queere Erbe von True Blood‹:

Because it’s a fictional TV show about vampires, True Blood has not always hewed literally to the trajectory of LGBTQ politics and culture; but it has consistently done a superb job sketching the messy, sometimes frustrating experience of being part of a minority community as it comes into contact with the mainstream (Lowder 2014).

Suzanna Loza betont hingegen in ihrem Aufsatz über Homonormativität in der Serie, dass »[i]nstead of dispelling gay stereotypes, the series re‑inscribes and validates them« (Loza 2011, S. 107). Deutlich weniger Resonanz, sowohl medial als auch wissenschaftlich, findet sich zur 2017 abgedrehten TV‑Serie Vampire Diaries. Verglichen mit Buffy – Im Bann der Dämonen und True Blood scheint die Serie insbesondere bei Produser:innen2 populär zu sein.3 Vor allem im Hinblick auf das queere Potenzial wirkt es so, als seien den Fanfictions zu Vampire Diaries keine Grenzen gesetzt.

Im Zeitalter des Internets eröffnen Fanfictions einen Raum, in dem umfassende Träume und Wünsche ohne redaktionelle Kontrol­le veröffentlicht werden können (vgl. Kustritz 2016). Dieser Raum ermöglicht einen Dialog zwischen alternativen Versionen von Gesellschaft und Lebensentwürfen. Es sind daher nicht mehr nur die TV‑Serien selbst, sondern vielmehr auch die vielfältigen Aus‑ und Verhandlungen durch Fans, die immer mehr in den Fokus der (digitalen) Öffentlichkeit(en) geraten.4 Auf Social‐Media‐Kanälen wie Twitter oder tumblr machen Fans ihrem Ärger über ein plötzliches Serienende Luft, teilen Fanart zu ihren Lieblingsfiguren oder vernetzen sich. In den Online‐Foren von fanfiktion.de finden sich ebenfalls entsprechende Diskussionsthreads z.B. zum ›Lieblings‐Pairing‹5 in der Serie Vampire Diaries oder den ›Lieblings‐Bösewichten‹6 in Buffy. Auch wenn die TV‑Serien also längst abgedreht und die wissenschaftlichen und medialen Diskussionen abgeflacht sind: In den Köpfen der Fans werden die TV‑Serien immer wieder zum Leben erweckt: Was wäre, wenn Protagonist:innen nicht gestorben wären, wenn Handlungsstränge fortgeführt oder neue Figuren in die Stadt kommen würden? Fans beantworten diese Fragen in ihren Fanfictions, in den Diskussionen, die sie online führen, in ihren Videos und Kunstwerken. Allein auf der deutschsprachigen Plattform fanfiktion.de finden sich mehr als 400.000 Werke zu Kinofilmen, TV‑Serien und Prominenten.7

Die Frage ›Was wäre, wenn…?‹ kann dabei eine Leitfrage für Produser:innen darstellen und zum Träumen, zum Entdecken und Fantasieren anregen. In Anbetracht von Cliffhangern, vorzeitig beendeten Serien oder dem unerwarteten Tod einer Serienfigur, kann die Frage auch zum Entwickeln, Imaginieren und Ausprobieren von Alternativen führen – so zumindest schildert Buffy‐Produzent Joss Whedon seine eigenen Erfahrungen mit dem Schreiben von Drehbüchern in einem Interview mit der Los Angeles Times (vgl. Fernandez 2018). Fanfiction‐Autor*innen beschreiben Ähnliches: Die Produser*in mit dem Namen Die_Meg schreibt bspw., dass sie beim Schreiben »das Grau des Alltags einfach verlassen kann«, und, dass man das, »was man nicht hat, einfach erfindet – und schon wird es Wahrheit, zumindest im Kopf« (Die_Meg, Profil). Es macht den Anschein, als eröffne Fanfiction neue Räume, neue Möglichkeiten, neue Geschichten und so vielleicht auch Utopien. Den einen hilft es, den grauen Alltag hinter sich zu lassen, der anderen ermöglicht es, sich mit eben diesem auf vielfältige Arten auseinanderzusetzen.

Die Möglichkeiten zum prozesshaften, offenen und auch kollektiven Schreiben, als eine Besonderheit von Fanfictions, sowie der Dialog und die Strukturen innerhalb von Fanfiction‐Communitys sind es, die einen Blick auf Fanfictions als literarische Utopie aber auch als utopische Praxis so wertvoll machen. Denn zum einen können diese Texte als Teil einer sich ständig wandelnden Utopie‐Debatte verstanden werden und zum anderen sind sie selbst stetigen Transformationsprozessen ausgesetzt und können so Veränderungen zulassen (vgl. Bulk 2017, S. 257). Es ist davon auszugehen, dass auch Vampir:innengeschichten und Utopien sich auf die Frage ›Was wäre, wenn …?‹ beziehen und davon ausgehend neue Möglichkeiten entwickeln – seien es neue Möglichkeiten zu Fortpflanzung oder alternative Gesellschaften. Die jeweiligen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit queeren Vampir*innen und ihren sozialen Funktionen, mit Fans und ihren Fiktionen, mit Utopien und deren Ende zeigen sich breit und vielfältig, aber vielfach unverbunden (vgl. z.B. Dorn 1994; Auerbach 1995; Jenkins 2006a; Gray et al. 2007; vgl. z.B. Amberger & Möbius 2017b; Bulk 2017). Doch was wäre, wenn diese drei Felder gemeinsam in den Blick genommen werden und untersucht wird, wie Fanfictions queere Vampir:innen und mit ihnen möglicherweise queere Utopien entwerfen? Genau das ist das Anliegen meiner Arbeit: Zu untersuchen, ob insbesondere mit Blick auf Vampir*innengeschichten der Praxis des Fanfiction‐Schreibens ein utopisches Moment zugrunde liegt, das mögliche (queere) Zukünfte denkbar macht.

1.1 Erkenntnisinteresse, Fragestellung und Untersuchungsgegenstand

Das Ziel meiner Arbeit ist es, entlang der Aus‑ und Verhandlungen von Hetero‑ und Homonormativität in ausgewählten Fanfictions zu den Vampir*innenserien Buffy – Im Bann der Dämonen, True Blood und Vampire Diaries sowie in den Lebenswirklichkeiten und Bildern eines möglichen Selbst (vgl. Engel 2009, S. 45), von Produser:innen solcher Fanfictions zu untersuchen, ob und welche Strategien zu Dekonstruktion und_oder VerUneindeutigung von Hetero‑ und Homonormativität sich identifizieren lassen. Gleichzeitig wird danach gefragt, inwiefern sich daran alternative Entwürfe oder queere Utopien von Geschlecht, Sexualität und Gesellschaft anschließen. Der Fokus auf die drei TV‑Serien Buffy, True Blood und Vampire Diaries wurde dabei gewählt, weil sie sich jeweils in ihrer Struktur ähnlich sind, jedoch in der Umsetzung und der Zielgruppe unterscheiden. Den Untersuchungsgegenstand bilden dabei erstens neun Fanfictions zu den o.g. TV‑Serien, die anhand des theoretischen Interesses und der spezifischen Fragestellung dieser Arbeit ausgewählt wurden, sowie zweitens eine Online‐Gruppendiskussion mit 54 queeren Produser:innen, die über einen Zeitraum von 60 Tagen in einem Online‐Forum geführt wurde. Dabei analysiere ich in meiner Arbeit die vielfältigen Aus‑ und Verhandlungen von Hetero‑ und Homonormativität im Produsage, da diesem ein zentraler Anteil an der Mitgestaltung einer gesellschaftlichen Wirklichkeit zugesprochen werden kann (vgl. Mai & Winter 2006b, S. 7–8).

Die drei ausgewählten TV‑Serien reihen sich in ein populäres Genre ein, das immer wieder mit der inhärenten Uneindeutigkeit von Vampir:innenfiguren und einem queeren Subtext spielt (vgl. Auerbach 1995, S. 175f.). Daher eignen sie sich besonders zur Bearbeitung der Fragestellung. Vampir_innenfiguren lassen sich selten in binäre Logiken einordnen: Sie können keine Kinder gebären, reproduzieren sich aber trotzdem. Ihre Sexualität ist ambivalent und oft exzessiv. Ihr ›Hunger‹ richtet sich sowohl auf ›Männer‹ als auch auf ›Frauen‹, ihr Biss kann tödlich sein und zugleich Lust bringen (vgl. Scholz 2013). Bis in die 1970er‐Jahre hinein ließen sich vor allem deviante Sexualitäten, uneindeutige Geschlechtskonstruktionen und Abjection durch Vampir:innen subtil dar‐stellen, ohne Beschränkungen befürchten zu müssen, die mit dem Hays Production Code8 einhergingen (vgl. z.B. Hanson 1999; Russo 2007 [1987]).

Mit Dracula (1992) hielten Vampir*innen dann auch in der Populärkultur Einzug und sind heute fester Bestandteil der Film‑ und Serienlandschaft (vgl. Klewer 2007, S. 10). In dieser Ambivalenz der Figur des_der Vampir:in findet sich, so eine meiner Thesen, ein Grund für die Fülle an Fanfictions zu den genannten TV‑Serien, in denen sich vermehrt Aus‑ und Verhandlungen von Hetero‑ und Homonormativität zeigen. Demnach bilden sie einen Ausgangspunkt, der die Produser_innen dazu anregt, in kreativen und kollaborativen Prozessen queere Utopien in ihren Texten zu erschaffen und so normative gesellschaftliche Konventionen zu überwinden oder zumindest in Frage zu stellen (vgl. hierzu: Bruns 2009; Winter 2010b).

Methodisch orientiere ich mich in dieser Arbeit an dem Programm der inhaltlich‐strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse nach Udo Kuckartz (2016). Da mein Dissertationsprojekt nach den Aus‑ und Verhandlungen von Hetero‑ und Homonormativität im Produsage fragt, erfolgt eine Rahmung der qualitativen Inhaltsanalyse durch das Queer Reading (vgl. u.a. Kraß 2003a). Die Zusammenführung beider Methoden resultiert in der queeren Inhaltsanalyse, welche dazu dient, auch das subversive Potenzial in den Entwürfen der Produser:innen aufzudecken (vgl. u.a. Perko 2008, S. 69). Dies erlaubt Lesarten, die »die Konstruktion von binären Sexualitäts‑ und Geschlechtskonzepten decouvrieren und zugleich Elemente von Widerständigkeit und Gegenläufigkeit erkennen lassen […].« (Babka & Hochreiter 2008, S. 12).

1.2 Forschungsstand und Theoretische Ausgangspunkte

Das Dissertationsprojekt knüpft mit dem oben formulierten Erkenntnisinteresse und der thematischen Ausrichtung an Arbeiten von Vertreter*innen der Gender‑ und Queer Studies sowie der Utopie‑ und Fanforschung an. Im Folgenden werden Bezugnahmen auf den jeweiligen Forschungsstand entlang der oben formulierten Fragestellung aufgezeigt:

Die Auseinandersetzung mit (Homo‑)Sexualität, Geschlecht und Devianz sind ein immanenter Bestandteil der wissenschaftlichen Forschung über Vampir:innen, die durch ihre Ambivalenz das System der heterosexuellen Zweigeschlechtlichkeit stören (vgl. u.a. Benshoff 1997; Williamson 2005; Picart & Browning 2009; Butler 2013; Elliot‐Smith 2020). Ein Großteil der Arbeiten kann entsprechend dem Feld der Queer Theory zugeordnet werden. Hier kann vor allem der von Richard Dyer verfasste Aufsatz Children of the Night: Vampirism as Homosexuality, Homosexuality as Vampirism (1988) fruchtbar gemacht werden, in welchem er den*die Vampir:in als metaphorische Repräsentation von Homosexualität betrachtet und dies mit Beispielen aus Literatur und Film belegt (vgl. Dyer 1988, S. 52f.). Damit findet sich hierin eine Grundlage, die sich für die Analyse von Hetero‑ und Homonormativität in besonderem Maße als anschlussfähig erweist.

Insbesondere der von María do Mar Castro Varela, Nikita Dhawan und Antke Engel herausgegebene Sammelband Hegemony and Heteronormativity. Revisiting ›The Political‹ in Queer Politics(2011) liefert zentrale Einsichten dahingehend, wie queere Identitäten Heteronormativität sowohl stören als auch verstärken können. Damit legen die Beiträge des Sammelbandes zusammen mit Gayle Rubins’ ›charmed circle‹ (2007) den Grundstein für die Analyse des queeren_subversiven_emanzipatorischen Potenzials von Fanfictions. Des Weiteren liefern die Arbeiten von Lisa Duggan (2002) und Jasbir Puar (2007) zu Homonormativität sowie die Arbeiten von Nina Degele (2005) und Antke Engel (2002, 2009, 2011a) zu Dekonstruktionen und VerUneindeutigungen von Normativitäten, wichtige Erkenntnisse, an die in dieser Studie angeschlossen wird.

Duggan beschreibt mit ihrem Konzept von Homonormativität eine Abkehr von radikalen Forderungen und Gruppen in LGBTQIA*-Bewegungen9 und eine Annährung an heteronormative Diskurse und Lebensweisen. Aufbauend darauf entwickelt Puar den Begriff Homonationalismus, um die Beziehung zwischen Homonormativität und Nationalismus zu hervorzuheben. So werden bspw. homonormative Lebensweisen in nationalstaatliche Ideen integriert und im Sinne nationalstaatlicher Ideologien nutzbar gemacht, wie sich dies z.B. in militärischen Organisationen zeigt, die sich vermehrt auch für Schwule und Lesben öffnen. In ähnlicher Weise arbeitet Antke Engel in Bilder von Sexualität und Ökonomie (2009) mit dem Begriff der ›projektiven Integration‹ eine neue Art der Integration von Subjektivierungsweisen heraus, die dazu führt, dass die Norm selbst pluralisiert wird. Engel (vgl. 2009, S. 13) geht davon aus, dass Differenz und Diversität im neoliberalen Diskurs als kulturelles Kapital und Spektakel zelebriert werden, wie dies z.B. bei CSD‐Paraden der Fall sein kann. Gleichzeitig wirft Engel die Frage auf, »wie Formen von Gesellschaft geschaffen werden können, die soziale Partizipation und politische Bürger_innenschaft für heterogene geschlechtliche und sexuelle Existenzweisen schaffen können« (Engel 2009, S. 139) und liefert damit einen zentralen Anknüpfungspunkt für das vorliegende Dissertationsprojekt. Die sich daraus entwickelnden Bedingungen einer flexiblen Heteronormativität (vgl. Engel 2009, S. 45) liefern zudem wichtige Bezugspunkte für die Entwicklung eines Kategoriensystems. Gleiches gilt für das von Nina Degele ausformulierte Heteronormativitätskontinuum und dessen Interventionen (vgl. Degele 2005, S. 22–23).

Hinsichtlich der Forschung zur Konstruktion von Hetero‑ und Homonormativität in medialen Öffentlichkeiten lassen sich einzelne Untersuchungen finden, die direkten Bezug auf eine der TV‑Serien nehmen und daher hier hervorzuheben sind:

Hierzu zählt vor allem die Arbeit von Manuel Simbürger (2010), in der er das Verfahren des Queer Reading praktisch auf einzelne Charaktere in Buffy – Im Bann der Dämonen anwendet, um das Konzept der Heteronormativität zu dekonstruieren. Dieser Ansatz lässt sich primär im Hinblick auf die Rahmung meines methodischen Vorgehens nutzbar machen (vgl. hierzu Kap. 4).

Auch Julia Jäckel (2012) geht in ihrer Arbeit zu True Blood auf die Konstruktion von Heteronormativität ein, indem sie darlegt, wie das Überschreiten der traditionellen weiblichen Subjektkonstruktion durch Disziplinierung zur Reetablierung von Heteronormativität führt. So erfahren einige weibliche Figuren durch die Vampir*innen‐Werdung zwar einen Zuwachs an Handlungsfähigkeit, sind aber zugleich in neue Machtverhältnisse eingebunden, die ihre Subjektivierung verhindern_erschweren.

Zudem lässt sich in einer der drei Sammelbände zu True Blood mit dem Titel True Blood. Investigating Vampires and Southern Gothic (2012b) ein Aufsatz finden, der sich mit Homonormativität und Assimilation in True Blood auseinandersetzt (vgl. Elliot‐Smith 2012). Darren Elliot‐Smith arbeitet darin deutliche Parallelen in der Repräsentation der Vampir:innen in True Blood und der Repräsentation der Schwulen‑ und Lesbenbewegung in den USA heraus. Gleichzeitig fasst Elliot‐Smith True Blood als Kritik an der Tendenz der Schwulen‑ und Lesbenbewegung zur Assimilation in Richtung Heteronormativität auf.

In der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Serie Vampire Diaries wird vereinzelt insbesondere die starke Fokussierung auf die traditionellen Geschlechterrollen und heterosexuelle Zweigeschlechtlichkeit kritisiert (vgl. z.B. Gómez‐Galisteo 2017). Insgesamt wurde bei der Recherche deutlich, dass im Hinblick auf die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der TV‑Serie Vampire Diaries eine große Forschungslücke klafft. An dieser Stelle wird insbesondere auf die breite Diskussion und Rezeption der TV‑Serien auf Social Media, in Internetforen und Blogs verwiesen (vgl. u.a. ja’naeee 2012; Melimeno 2014; renlytargaryen 2016), die den Anstoß dafür gegeben haben, das Produsage in der Analyse zu fokussieren und damit einen Beitrag zum Schließen dieser Forschungslücke zu leisten.

Die vorliegende Arbeit knüpft ebenfalls an Forschungen aus dem Bereich der Utopieforschung an. Dabei finden sich vor allem in María do Mar Castro Varelas (2007), Erin McKennas (2002) und Mirjam Dierkes (2013) Arbeiten anschlussfähige Perspektiven auf die Analyse von Utopien im Produsage. Geschärft wird dieser Blick durch die Auseinandersetzung mit queeren Utopien entlang der Arbeiten von Lee Edelman (2007), José Esteban Muñoz (2009) sowie dem von Angela Jones herausgegebenen Sammelband Critical inquiry into queer utopias (2013a).

In Unzeitgemäße Utopien. Migrantinnen zwischen Selbsterfindung und gelehrter Hoffnung (2007) setzt sich María do Mar Castro Varela u.a. mit Heterotopien auseinander. Dabei erweist sich der dort verwendete Begriff von Heterotopie als anschlussfähig an Antke Engels Konzept der ›projektiven Integration‹. Damit liefert Castro Varela einen zentralen Baustein für die vorliegende Arbeit, indem Heterotopien eben nicht nur als Widerstandsräume begriffen werden können, sondern auch als ›Selbsterfindung‹ und ›gelehrte Hoffnung‹. In Erin McKennas The Task of Utopia (2002) wird ebenfalls deutlich, dass Utopien mehr sind als starre, abgeschlossene Gebilde. McKenna (vgl. 2002, S. 161–162) verweist auf den prozesshaften Charakter von Utopien, wodurch es möglich wird, auch solche individuellen und kollektiven Zukunftsvisionen als utopisch zu begreifen, die fragmentarisch und unvollendet sind. Und auch Mirjam Dierkes (vgl. 2013, S. 76–77) begreift das Utopische als individuelles und spontanes Moment, dass sich aus einem normativen Impuls speist und zudem experimentell und erfahrbar sein kann. Damit wird es möglich, Fanfiction_Produsage als gelebtes Experiment, als Sehnsucht und als Zurückweisung einer Norm zu betrachten und so selbst im Bereich des Utopischen anzusiedeln.

Mit Blick auf queere Utopien erweist sich insbesondere die kritische Diskussion der Arbeiten von Lee Edelman und José Esteban Muñoz als fruchtbar: Edelman (2007) verwirft zwar die Idee einer queeren Zukunft, zugleich jedoch liefert er mit seiner Idee von Antisozialität einen Baustein für die Analyse des Vampirischen. Muñoz (2009) hingegen wendet sich explizit von Edelman ab und entwirft die Möglichkeit queerer Zukünfte, indem er sich der Vergangenheit und Gegenwart, der Lust und Ästhetik zuwendet und so den Blick für mögliche queere Zukünfte öffnet. Daran angelehnt wenden sich die Beiträge des Sammelbandes Critical inquiry into queer Utopia (2013a), die sich insbesondere an Muñoz Überlegungen orientieren, dem Hier und Jetzt zu und verorten die Möglichkeit queerer Utopien in Räumen der Gegenwart (vgl. Jones 2013b, S. 1).

Der Blick auf die Forschung offenbart trotz aller Fülle an wissenschaftlichen Arbeiten zu Utopien einen Mangel an Nähe zum Individuellen und Alltäglichen. Einzig die Arbeit von Castro Varela liefert hier einen Ansatzpunkt. Die vorliegende Arbeit verfolgt entsprechend das Ziel, das Utopische sowohl in individuellen als auch in kollektiven Entwürfen aufzuspüren und so einen Beitrag zu einer sozialwissenschaftlich orientierten Utopieforschung zu leisten.

Zentral ist dabei ebenso die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Fans von TV‑Serien und Filmen. Hier liefert vor allem die Arbeit von Rainer Winter Widerstand im Netz (2010b) wichtige Impulse, wenn er schreibt: »Die neuen, auf Interaktion und Partizipation angelegten digitalen Medien verwischen […] die Grenzen zwischen ›Produktion und Rezeption als Kommunikationsmomente, als institutionalisierte Formen von Praxis und als Forschungsfelder‹ zunehmend« (Winter 2010b, S. 82). Damit beschreibt Winter eine Verschiebung in der Mediennutzung, die auch schon mit Henry Jenkins’ convergence culture (vgl. Jenkins 2006a, S. 3) diskutiert wurde und gleichzeitig einen neuen Fokus der Fanforschung markiert_e (vgl. u.a. Goodman 2015).

Wesentlich sind auch die Arbeiten von Axel Bruns (2006, 2008), welcher an diesen Paradigmenwechsel anschließt und dabei Alvin Tofflers (1980) Konzept vom ›prosumer‹ weiterentwickelt, indem er mit dem Begriff Produsage die kollaborativen und stetigen Prozesse der Inhalteerschaffung von Fans und Mediennutzer*innen hervorhebt (vgl. Bruns 2009, S. 6). Allerdings muss dieser Fokus auf eine neue, scheinbar aktive (Online‑)Community auch kritisch beleuchtet werden: José van Dijck (2009) und Elizabeth Bird (2011) merken an, dass die Unterscheidung zwischen passiven und aktiven Mediennutzer*innen (Produser:innen) sich als herausfordernd erweist. Entsprechend müssen unterschiedliche Formen und Intensitäten der Partizipation berücksichtigt werden (vgl. van Dijck 2009, S. 44). Der einseitige Blick auf Online‐Fanaktivitäten verhindere, dass weitreichendere Erkenntnisse über Formen und Aktivitäten der Mediennutzung gesammelt werden könnten (vgl. Bird 2011, S. 504f.). Die bisherigen Erkenntnisse und Kritiken werden genutzt, um mit dem vorliegenden Dissertationsprojekt ein breiteres Spektrum von Partizipation und Mediennutzung abzubilden.

Der Blick auf die vorhandenen Studien und Forschungsarbeiten offenbart eine große Forschungslücke im Bereich der Fanforschung. Zwar finden sich in der umfangreichen Forschungsliteratur zu Fans und Fan‐Communities einige zentrale Gedanken und Ergebnisse, auf die an verschiedenen Stellen der Arbeit auch verwiesen wird. Jedoch stehen das Erkenntnisinteresse und die Ausrichtung jener Forschungen nicht in direktem Bezug zur Fragestellung dieser Arbeit. Sie fokussieren Produsage weder aus einer utopietheoretischen Perspektive noch zeigt sich eine explizite Fokussierung queerer Produser:innen. Hier liefern vor allem die Arbeiten von Vera Cuntz‐Leng (2014a, 2015), die in der Verbindung von Queer und Fan Studies wichtige Erkenntnisse generiert sowie von Anne Kustritz (2016), deren Arbeit an der Schnittstelle von Fanfiction und Dystopie anzusiedeln ist, wesentliche Hinweise auf die Relevanz queerer Fanforschung, welche in dieser Arbeit weiter verfolgt werden.

1.3 Methodische Ausrichtung der Arbeit

Wie eingangs bereits erwähnt, basiert die Arbeit auf qualitativen Methoden der Medien‑ und Geschlechterforschung. Dabei wird die Methodik einer queeren Inhaltsanalyse entwickelt, die sich aus der qualitativen Inhaltsanalyse und dem Queer Reading zusammensetzt. Als Erhebungsinstrumente dienen dabei das Theoretical Sampling für die Auswahl der Fanfictions sowie eine Online‐Gruppendiskussion mit queeren Produser:innen. Statt zwischen verschiedenen Varianten der qualitativen Inhaltsanalyse und unterschiedlichen Verfahren des Queer Readings zu unterscheiden, ist es sinnvoll, beide Methoden zu einer Art Werkzeugkasten zusammenzudenken: die queere Inhaltsanalyse. Mit der strukturierenden qualitativen Inhaltsanalyse ist eine Basis gegeben, in die sich das Queer Reading im Zuge der Kategorienbildung und Auswertung_Interpretation integrieren lässt. An den verschiedenen Stellen der qualitativen Inhaltsanalyse stehen jeweils verschiedene Optionen zur Verfügung, zwischen denen gewählt werden kann. So ist es möglich, aus den Optionen die Werkzeuge zu wählen, die mit Blick auf die Forschungsfrage und das Material erkenntnisfördernd eingebracht werden können.

Die queere Inhaltsanalyse wird in meiner Arbeit dazu verwendet, um sowohl die erhobenen Fanfiction‐Texte als auch die Online‐Gruppendiskussion auszuwerten. Die Kombination von Queer Reading und qualitativer Inhaltsanalyse erlaubt es dabei, die Texte auf Strategien der Dekonstruktion von Zweigeschlechtlichkeit und Normativität, der VerUneindeutigung und des Queerings zu befragen. So lassen sich queere Visionen, Kritik an Zweigeschlechtlichkeit sowie Hetero‑ und Homonormativität identifizieren und herausarbeiten, welche queeren Utopien sich daraus ableiten. Dabei wird insbesondere an Eve Kosofsky Sedgwicks (2003 [1985]), Andreas Kraß’ (2003a, 2004), Vera Cuntz‐Lengs (2015) und Manuel Simbürgers (2010) Überlegungen zum Verfahren des Queer Readings angeschlossen. Die Online‐Gruppendiskussion wird in dieser Arbeit genutzt, um neben der Textebene der Fanfictions auch den Alltag und die Lebenswirklichkeiten der Produser*innen in den Blick zu nehmen und die Handlungsebene zu erfassen. So wurde es möglich, neben den literarischen Utopien in Fanfictions auch das Potenzial von Fanfiction selbst als utopische Praxis herauszustellen.

Durch die Kombination von Textanalyse und Gruppendiskussion konnten die queeren Momente und Themen sowohl in den Fanfictions als auch im Leben der Produser:innen herausgearbeitet und in einen hetero‑ und homonormativitätskritischen Kontext eingeordnet werden. Dabei ließen sich in den Entwürfen der Produser*innen Strategien der Dekonstruktion von Zweigeschlechtlichkeit und Normativität, VerUneindeutigungen und Formen eines Queerings identifizieren. Diese bringen alternative Lebens‑ und Liebensweisen, alternative Geschlechterkonstruktionen und ebenso alternative Verwandtschaftsstrukturen hervor, die gleichzeitig auf mögliche queere Zukünfte verweisen.

1.4 Terminologie und Orthographie

Im Folgenden werden einige Hinweise zu Verwendungs‑ und Schreibweisen von der Arbeit zugrundeliegenden zentralen Begriffen gegeben. In der Regel werden die Begriffe in der gesamten Arbeit wie hier beschrieben verwendet. Sollte hiervon abgewichen werden, wird dies an entsprechender Stelle gekennzeichnet und begründet.

1.4.1 Geschlechtersensible und diskriminierungsfreie Schreibweisen

Sprache ist als eines der wichtigsten Ausdrucksmittel zentral an der Konstruktion gesellschaftlicher Vorstellungen und Realitäten beteiligt. Um den oft normierenden, restriktiven und ausschließenden Prozessen von Sprachgebrauch entgegenzuwirken, wird im Folgenden alternierend auf das Sternchen*, den Unterstrich_ oder den Doppelpunkt: zurückgegriffen, um die Vielfältigkeit von Identitäten in die geschriebene Sprache einzubeziehen und sichtbar zu machen sowie die Exklusionsprozesse durch die Dichotomie von Geschlecht in der Sprache zu vermindern.10 Durch die Verwendung der unterschiedlichen Schreibweisen sollen unterschiedliche Geschlechter in ihrer Vielfältigkeit repräsentiert, Diskriminierungen reduziert und irritierende Momente herbeigeführt werden. Zudem werden neutrale Formen zu verwenden, die Eindeutigkeiten und Binaritäten entgegenwirken.11 Es werden dementsprechend Begriffe wie Leser_in, Autor:innen, Zuschauer*in oder Teilnehmende verwendet. Daran anschließend werden die Begriffe ›Mann‹ und ›Frau‹ in einfache Anführungszeichen gesetzt, um deutlich zu machen, dass es sich hierbei um gesellschaftlich hergestellte Konstrukte handelt, die in unterschiedlichen Zusammenhängen, unterschiedlichen Kontexten und zu unterschiedlichen Zeitpunkten verschiedene Bedeutungen annehmen können.

Um neben sprachlichen Exklusionen aufgrund von Geschlecht, auch Rassismen und Klassismen möglichst zu vermeiden, wird darüber hinaus, angelehnt an Theorien der Critical Whiteness‑ und Postcolonial Studies, nicht nur Schwarz12 als politische Realität benannt werden, sondern auch weiß. Dies dient dem Zweck, die Universalität durch eine unterlassene Benennung von whiteness, zu dekonstruieren und auch weiß als Farbe explizit zu benennen und Ausschlüsse und Abgrenzungen einer Ethnie gegenüber einer Anderen im Sprachgebrauch zu vermeiden.13 Innerhalb der Arbeit wird zudem darauf verzichtet, rassistische Wörter und Aussagen als Zitate wiederzugeben, um die Reproduktion rassistischer Sprache zu vermeiden. Entsprechenden Auslassungen werden bei Bedarf kenntlich gemacht.

Zu guter Letzt weise ich darauf hin, dass in der vorliegenden Arbeit häufig mit Klammerungen und der Verbindung verschiedener Begrifflichkeiten gearbeitet wird. Schreibweisen, wie z.B. (Queer‑)Feminismus, Autor:innen_Leser*innen sollen darauf aufmerksam machen, dass hier stets beides gemeint ist – Queerfeminismus und Feminismus, Autor:innen und Leser*innen. Ich verwende an dieser Stelle den Unterstrich, um die Prozesshaftigkeit und die Uneindeutigkeit von Positionen zu benennen und gleichzeitig die unterschiedlichen und vielfältigen Bedeutungsebenen einzelner Wörter_Begriffe hervorzuheben und zu verdeutlichen (vgl. hierzu Bretz & Lantzsch 2013, S. 8).

1.4.2 Zentrale Begriffe

Im Folgenden werden einige zentrale Begriffe erläutert, damit Klarheit darüber besteht, wie die einzelnen Begriffe und Konzepte verwendet werden. Einzelne Begriffe, die hier nicht benannt werden, wie z.B. Slash‐Fanfiction (als Fanfiction‐Genre) werden an entsprechender Stelle eingeführt.

Queer: Die Verwendung von Queer – sowohl in der Wissenschaft als auch im politischen Aktivismus und Alltag – ist vielfältig, unstetig und zum Teil auch beliebig. So lässt sich Queer im Sinne einer Dekonstruktion von Identitätskategorien nur schwer beschreiben und auf eine Bedeutung festzurren. Um Queer als analytischen Begriff zu schärfen, dienen die Konzepte und Überlegungen von Volker Woltersdorff (2003) und Gudrun Perko (2008) als Hintergrundfolien. So wird Queer in einer pluralen Variante dazu genutzt, um eine Kritik an Hetero‑ und Homonormativität, an biologischer Verwandtschaft und Zweigeschlechtlichkeit zu formulieren. Ebenso wird dabei von der Verwobenheit von Geschlecht, Sexualität etc. mit weiteren Differenzkategorien und einer Eingebundenheit in kapitalistische Gesellschaften ausgegangen. Der Begriff Queer wird in dieser Arbeit in Anlehnung an Gudrun Perko entsprechend als »politisch‐strategischer Überbegriff für alle Menschen […], die der gesellschaftlich herrschenden Norm nicht entsprechen oder nicht entsprechen wollen […]« (Perko 2008, S. 75) sowie als »politische und theoretische Richtung gegen kategoriale und identitätspolitische Bestimmungen« (Perko 2008, S. 75) verstanden und genutzt. Gleichzeitig liefert Gayle Rubins’ ›charmed circle‹ (vgl. Rubin 2007, S. 153) eine queere Taxonomie für die Einordnung des queeren Potentials von Produsage.

Heteronormativität: In der vorliegenden Arbeit wird der Begriff Heteronormativität als Norm von Geschlechterverhältnissen, Subjektivitäten und Lebenspraktiken gefasst, die auch symbolische und gesellschaftliche Ordnungen strukturiert. Die Strukturierung von Gesellschaft über Heterosexualität dient dabei dazu, Menschen in zwei klar voneinander abgrenzbare und sich in ihrem Begehren aufeinander beziehende Geschlechter einzuordnen. Gleichzeitig wird auch die Produktion von Wissen, der Zugang zu Möglichkeiten politischen Handelns und die Verteilung von Ressourcen und (Lohn‑)Arbeit durch Heteronormativität reguliert (vgl. Warner 2004 [1993]; Wagenknecht 2007). Heteronormativität begreife ich entsprechend sowohl als Struktur als auch als Effekt (vgl. Degele 2005; Degele et al. 2011)

Homonormativität: Der Begriff ›Homonormativität‹ wird in der vorliegenden Arbeit verstanden als kritischer Kommentar zu (LGBTQIA*‑)Politiken, die dominante heteronormative Vorstellungen und Annahmen nicht in Frage stellen, sondern diese aufrechterhalten (vgl. Duggan 2002, S. 179). Darunter werden entsprechend neoliberale (Sexual‑)Politiken gefasst, die zu einer Privatisierung und Konsumierbarkeit einer LGBTQIA*-Community beitragen und Vorstellungen über eine universelle LGBTQIA*-Community generieren, die heteronormative Diskurse und Werte nicht infragestellt, sondern diese unterstützt und reetabliert.

VerUneindeutigung_Entselbstverständlichung_Dekonstruktion: Entsprechend des Vorschlages von Antke Engel verstehe ich ›VerUneindeutigung‹ als Intervention in rigide Geschlechter‑ und Sexualitätsregime aber auch in identitätslogische Klassifikationen und Ausschlüsse (vgl. Engel 2002, S. 198). Um allerdings nicht in der Alternative ›Identitätspolitik‹ oder ›Neutralisierung von Differenz‹ gefangen zu bleiben, schlägt Engel (vgl. 2002, S. 224) vor, geschlechtliche und sexuelle Unterschiedlichkeit als prozessual, kontextuell und in Machtverhältnissen konstituiert darzustellen. So werde keine gegebene Vielfältigkeit oder Ambiguität von Geschlechtern oder Sexualitäten postuliert, sondern eine Intervention in jene spezifischen Normen und Normalitäten angestrebt. Eine Strategie der VerUneindeutigung will diese unterlaufen, ohne jedoch in Opposition zu treten und ihrerseits normative Schließungen vorzunehmen. Dabei werden Differenzen nicht über Othering oder Klassifizierungen zurückgewiesen, marginalisiert oder ausgegrenzt. Eine solche Strategie kann in strukturellen Veränderungen münden, die eine Entprivilegierung und Destabilisierung heteronormativer Ordnung bedeuten (vgl. Engel 2002, S. 198). Der Begriff ›Entselbstverständlichung‹ wird im Sinne Nina Degeles als »Ausdruck des Widerstandes gegen Normativität und dominierende kulturelle Werte […]« (Degele 2005, S. 29) begriffen und entsprechend für solche Strategien verwendet. Dabei zeichnet sich Entselbstverständlichung als Methode auch durch ein Hinterfragen und Sichtbarmachen von Heteronormativität aus. Dieses Infragestellen und Hinterfragen kann auch als eine Form der Dekonstruktion verstanden werden, wie Judith Butler (1997 [1993]) sie beschreibt. Beide Begriffe werden in dieser Arbeit synonym verwendet, um heteronormativitätskritische Perspektiven zu beschreiben, die Thesen, Feststellungen, Fragen sowie Verdrängtes und Verstecktes explizit machen und die zugrunde liegenden Stereotype und Vorannahmen offenlegen.

(queere) Utopie: Der Utopiebegriff, der in dieser Arbeit zur Anwendung kommt, schöpft aus den Archiven der Utopieforschung mit dem Anspruch, die darin enthaltenen Widersprüche auszuhalten, statt sie zu harmonisieren (vgl. Dierkes 2013, S. 71–72). Queere Utopien werden dementsprechend als solidarisch, emanzipatorisch, individuell oder gemeinschaftlich ausgerichtete Denk‑ und Suchbewegungen sowie Praktiken verstanden, die sich als Alternativen zu hetero‑ und homonormativen, neoliberalen, rassistischen und_oder klassistischen Vorstellungen positionieren. Das Utopische wird aus einer queer‐feministischen Perspektive heraus eher »im Kontext von Widerspruch, Ambivalenz und Verhandlung des ›Wünschbaren‹ im Gegenwärtigen und Zukünftigen [betrachtet], ohne dass eine normative Perspektive per se eingenommen oder aufgegeben werden muss« (Daniel & Klapeer 2019, S. 25).

Fanfiction: Fanfiction wird verstanden als literarisches Genre, dessen Autor:innen bereits bestehende Artefakte nutzen, um eigene Geschichten zu entwerfen. Dabei verstehe ich Fanfiction vorrangig als nicht‐kommerzielles Genre, da die Produser:innen ihre Geschichten zu einem Großteil kostenlos und öffentlich zugänglich verbreiten. Fanfictions können zu TV‑Serien, Büchern, Mangas, Kinofilmen, aber auch zu realen Personen geschrieben werden und in unterschiedlichen Formaten existieren. Fanfiction‐Autor:innen bzw. Produser*innen können in ihren Geschichten den Ausgangstext verändern oder erweitern, sie können eigene ›Alternative Universen‹ erschaffen und bereits bekannte Figuren so in eine neue Welt transportieren. Sie können Leerstellen und Lücken im Ausgangstext füllen oder Beziehungen zwischen Charakteren beleuchten. Kurz gesagt: Fanfictions sind Geschichten, die über Geschichten geschrieben werden, die bereits existieren.

Produsage: Da nicht immer deutlich wird, wer produziert und wer konsumiert, verwende ich in dieser Arbeit den Begriff Produsage, um genau die Verwobenheit unterschiedlicher Fan‐Praktiken zu benennen. Der von dem Medienwissenschaftler Axel Bruns geprägte Begriff Produsage spielt in der vorliegenden Arbeit eine zentrale Rolle und wird hier als kollaborativer und stetiger Prozess der Inhalteerschaffung von Fans und Mediennutzer*innen verstanden (vgl. Bruns 2009, S. 6f.). In Anschluss daran verwende ich den Begriff Produser:in, um sowohl Fanfiction‐Autor:innen als auch Fanfiction‐Leser:innen und anderweitig im Fandom (in)aktive Menschen zu beschreiben, da sie alle zu den unterschiedlichen Wissensnetzwerken, zur Inhalteerschaffung, zum Austausch und zur Gemeinschaft beitragen. Entsprechend lässt sich Produsage als kollaborative Form der Inhalteerschaffung definieren, die nicht auf einer linearen Wertschöpfungskette basiert (vgl. Bruns 2009, S. 3).

1.5 Verortung und Positionierung

Bevor ich einen Blick auf Fans, ihre Fanobjekte und Kultur werfe und mich dann mit der Frage auseinandersetze, was genau daran queer sein kann, lege ich dar, aus welcher Perspektive heraus ich dieses Forschungsfeld betrachte. Dazu nehme ich Bezug auf Henry Jenkins’ Arbeit in der zweiten Welle der Fanforschung, auf die ich auch an späterer Stelle noch einmal eingehe: Jenkins veröffentlichte 1992 seine Monographie Textual Poachers: Television Fans and Participatory Culture und positionierte sich darin ganz explizit selbst als Fan, was in der wissenschaftlichen Landschaft für Aufsehen sorgte. Dabei knüpfte er mit der Offenlegung der eigenen Subjektposition als ›Aca‐Fan‹14 an die in den 1980er‐Jahren geführte Debatte der Women’s Studies an. Diese übten Kritik am wissenschaftlichen Objektivitätsbegriff und sprachen sich gegen eine Unsichtbarmachung der eigenen Forscher*innenposition aus (vgl. auch Haraway 1988). Jenkins entschied sich für eine hybride Position zwischen Wissenschaft und eigenem Fan‐Sein, da er von einer Erweiterung des eigenen Blickfeldes als Forscher ausging, die ein größeres Verständnis für Prozesse und Strukturen in Fandoms bedingen würde (vgl. Jenkins 2013 [1992], S. 7–8). Durch die Selbstpositionierung als Fan, wandte er sich gleichzeitig ab von einem Wissenschaftskanon, der durch die Pathologisierung von Fans geprägt war (vgl. Hills 2002, S. 9). Im Hinblick auf meine eigene Forschungsarbeit, die sowohl im Feld der Fan Studies als auch in der Tradition queer‐feministischer Forschung steht, erscheint es mir deshalb wichtig auch meinen eigenen Zugang zum Forschungsfeld offenzulegen:

Seit meiner Kindheit sind Filme und TV‑Serien, Bücher und Musik wichtige Bestandteile meines Lebens. Sie begleiteten mich durch meine Jugend, gaben Anlass zum Austausch mit der Familie und Freund_innen, Anlass für gemeinsame Zeit, Anlass für Spekulationen, Träumereien und Kritik. Insbesondere begleiteten mich die Harry Potter15‐Bücher und später auch die Filme über meine Schul‑ und Studienzeit hinweg, die in mir immer noch Gefühle von Vertrautheit, Lagerfeuer‐Romantik und Freund*innenschaft hervorbringen. Doch neben dieser romantisch‐verträumten Welt von Harry Potter und seinen Freund_innen gilt eine weitere Leidenschaft den Vampir:innenfilmen und ‑serien. Eine meiner ersten Begegnungen mit Vampir:innen hatte ich mit Der kleine Vampir (1979)von Angela Sommer‐Bodenburg. Seitdem konsumiere, analysiere und interpretiere ich alle Vampir:innenserien und ‑filme, die meine Aufmerksamkeit erregen. Hierzu zähl(t)en insbesondere Dracula’s Daughter (1936), Interview mit einem Vampir (1994), From Dusk Till Dawn (1996), Blade (1998–2004), Underworld (2003–2016), Wächter der Nacht (2004), So finster die Nacht (2008), Twilight (2008–2012), Lesbian Vampir Killer (2009), Hotel Transsilvanien (2012), Only Lovers Left Alive (2013), Buffy – Im Bann der Dämonen (1997–2003), Angel (1999–2004), Sanctuary (2007–2011), Being Human (2008–2013), True Blood (2008–2014), Vampire Diaries (2009–2017), The Originals (2013–2018), Penny Dreadful (2014–2016), The Strain (2014–2017) und Dracula (2020). Doch macht mich diese Faszination zum Fan? Bisweilen haben es mir nur einige wenige Filme und TV‑Serien so angetan, dass ich mich als Fan dieser bezeichnen würde: So kann ich mich durchaus als Fan des Films From Dusk Till Dawn sowie der TV‑Serien Buffy‐ Im Bann der Dämonen und True Blood ›outen‹. Denn insbesondere diese drei Artefakte haben einen Eindruck in meinem Leben und meinem Alltag, in meinem Selbst und meiner Wahrnehmung von Gesellschaft hinterlassen, den ich nicht missen möchte. Diese Wahrnehmungen sind jedoch nicht nur durch mein Fan‐Sein beeinflusst und geprägt, sondern ebenso durch meinen weißen, cis‐weiblichen Arbeiter*innenklasse‐Hintergrund und meine Nicht‐Heterosexualität.

Mein Forschungsinteresse ist daher durchaus ein durch persönliche Erfahrungen und den Austausch mit anderen Fans motiviertes: Auf dieser Grundlage sowie der Rezeption vorhandener Forschungsergebnisse konnte ich davon ausgehen, dass Fanfiction für viele queere Fans (und sicherlich auch für viele nicht‐queere Fans) empowernd und widerständig sein kann. Da jedoch sowohl Fanfiction als auch queere Menschen_Lebens-_Liebesweisen oftmals eher als randständige Phänomene in der Wissenschaft und Gesellschaft aufgegriffen werden, finden sie bislang wenig Eingang in vorherrschende Diskurse. Diese Arbeit stellt daher auch einen Versuch dar, eben die Erfahrungen und Stimmen von queeren Fans aus der Unsichtbarmachung zu holen. Gleichzeitig soll dadurch ein Sprechen‐über weitestgehend vermieden werden, indem queeren Fans durch die Online‐Gruppendiskussion die Möglichkeit gegeben wird, selbst zu Wort zu kommen. Dennoch bleibt der Forschungsprozess eingebunden in gesellschaftlich relevante Machtverhältnisse um Geschlecht, Sexualität, Klasse, race, Be_hinderung etc. Diesen wird daher mit einer machtkritischen, reflexiven Forschungspraxis begegnet, die bei der Offenlegung meiner eigenen Positionierung beginnt, sich über die enge Kooperation mit den Forschungsteilnehmer:innen erstreckt und bei der kritischen Reflexion der Analyseergebnisse und ‑methoden nicht endet.

1.6 Aufbau der Arbeit

Im Folgenden wird ein Überblick über den Aufbau der Arbeit gegeben. Die Arbeit ist in einen theoretischen, einen methodischen und einen empirischen Teil gegliedert. Im ersten Teil werden die der Arbeit zugrundeliegenden theoretischen Grundlagen und Forschungsstände beschrieben (Kap. 2 und 3), im zweiten Teil der Arbeit werden die Methoden vorgestellt (Kap. 4 und 5) und im dritten Teil werden die Ergebnisse des empirischen Teils dargelegt und eingeordnet (Kap. 7 und 8).

Das Kapitel 2 dieser Arbeit ist in die vier Forschungsbereiche, die dieser Arbeit zugrunde liegen, gegliedert. Hier werden je Forschungsbereich sowohl der Forschungsstand als auch die zentralen Theorien vorgestellt und diskutiert.

Nach einer kurzen Einführung in die Geschichte des Queer‐Begriffs – als kennzeichnend für den ersten Forschungsbereich – folgt die Entwicklung eines pluralen Queer‐Begriffs für die vorliegende Arbeit, der es ermöglicht, Queer als analytische Kategorie nutzbar zu machen (Kap. 2.1.1). Daran anschließend wird Heteronormativität als unhinterfragbare und grundlegende Norm von Gesellschaften und Beziehungen gekennzeichnet sowie Homonormativität als sich aus neoliberalen Integrationsbestrebungen und Assimilationsbewegungen speisende Entwicklung diskutiert (Kap. 2.1.2). Im Anschluss an die normierenden, normativen und ausschließenden sowie grenzziehenden Funktionsweisen von Hetero‑ und Homonormativität stehen queere Strategien gegen Normativität im Fokus (Kap. 2.1.3). Dabei werden Entselbstverständlichung und Dekonstruktion als mögliche Varianten eines Queerings vorgestellt (Kap. 2.1.3.1). Ebenso werden VerUneindeutigung als queere kulturelle Politiken und Interventionen in kulturelle Bedeutungsproduktionen sowie projektive Integration als Form veränderter Normalisierung, die das Ineinandergreifen queerer und neoliberaler Diskurse begünstigt, beschrieben (Kap. 2.1.3.2).

Der zweite Forschungsbereich widmet sich der medialen Repräsentation von Vampir:innenfiguren, ihren queeren Implikationen und Subtexten (Kap. 2.2). Nach einer historischen Einordnung des Vampir:innen‐Genres, dessen Popularität seit Anfang des 19. Jahrhunderts anhält (Kap. 2.2.1) folgt der Blick auf das queere Potenzial von Vampir:innenfiguren (Kap. 2.2.2).

Der dritte Theorieteil kennzeichnet sich durch eine Auseinandersetzung mit verschiedenen Ebenen des Utopischen. So werden der traditionelle und der intentionale Utopiebegriff als grundlegende Utopiediskurse bestimmt (Kap. 2.3.1) sowie die Implikationen einer Vermittlung zwischen beiden Positionen herausgearbeitet (Kap. 2.3.2 und 2.3.3). Um die Utopie als Analysekategorie fassen zu können, folgt der Blick auf Heterotopien (Kap. 2.3.4) und queere Utopien (Kap. 2.3.5). Daran anschließend werden die wichtigsten Grundlagen von (queeren) Utopien als Forschungsdimension der Analyse noch einmal zusammengefasst (Kap. 2.3.6).

Der vierte und letzte Forschungsbereich kennzeichnet sich durch eine Auseinandersetzung mit Fans und Fanaktivitäten (Kap. 2.4). Nach einem Blick auf die Phasen der Fanforschung (Kap. 2.4.1) folgt die Diskussion zentraler Begriffe und Konzepte der Fanforschung, zu denen u.a. Fan‐Sein und Fankultur zählen (Kap. 2.4.2). Daran anschließend wird die Entwicklung des Konzeptes Produsage nachgezeichnet sowie dessen Implikationen für die vorliegende Arbeit herausgestellt (Kap. 2.4.3). Im darauffolgenden Unterkapitel folgt ein Blick auf die historische Entwicklung von Fanfictions sowie die Entwicklung einer Arbeitsdefinition von Fanfiction (Kap. 2.4.4). Zuletzt werden die der Arbeit zugrundeliegenden Forschungsperspektiven für ein Verständnis von queerer Fanfiction erarbeitet (Kap. 2.4.5).

In Kapitel 3 werden in einem Zwischenfazit die theoretischen Implikationen für die vorliegende Arbeit konzise zusammengefasst.

In Kapitel 4 dieser Arbeit wird die methodische Vorgehensweise der Arbeit ausführlich erläutert. Dabei werden zunächst die der Arbeit zugrundeliegenden Fragestellungen (Kap. 4.1) sowie die Erhebungsinstrumente (Kap. 4.2) vorgestellt. Daran anschließend wird das Vorgehen der vorliegenden Studie sowie das empirische Material beschrieben (Kap. 4.3). Im Anschluss daran werden die Analysewerkzeuge vorgestellt und diskutiert (Kap. 4.4). Dazu zählt zum einen das Queer Reading und zum anderen die inhaltich‐strukturierende qualitative Inhaltsanalyse. Zuletzt werden sowohl Queer Reading als auch die inhaltlich strukturierende qualitative Inhaltsanalyse für die Arbeit in einer queeren Inhaltsanalyse operationalisiert und ein Überblick über das Kategoriensystem gegeben (Kap. 4.5).

In Kapitel 5 folgen ein Überblick und eine präzise Zusammenfassung des methodischen Vorgehens dieser Arbeit.

In Kapitel 6 erfolgt eine Kontextualisierung der Ergebnisse in Form eines Überblicks über die erhobenen Daten des Produsage und der Online‐Gruppendiskussion sowie eine Einordnung und Diskussion der Quelltexte, die dieser Arbeit zugrunde liegen.

In Kapitel 7 werden die Befunde der queeren Inhaltsanalyse entlang der Hauptkategorien präsentiert. Erstens geht es dabei um die Aus‑ und Verhandlungen von Hetero‑ und Homonormativität (Kap. 7.1). Hier werden kollektiven und kollaborativen Aushandlungen von Familien und Verwandtschaft, von Liebe und Beziehungen sowie Geschlecht und Sexualität beleuchtet. Im Anschluss daran wird auf die Befunde in Bezug auf die Potenziale und Herausforderungen von Produsage eingegangen (Kap. 7.7). Dabei stehen insbesondere Motive für eine Beschäftigung mit Fanfiction sowie Fragen nach der Gemeinschaftlichkeit und Kollektivität im Fokus, um im folgenden Kapitel Praxis als Teil von Utopie zu beleuchten.

Im anschließenden Kapitel 8 wird die Frage nach den queeren Utopien im Produsage sowie der Frage nach Fanfiction als gelebter Utopie beantwortet und diskutiert. Hier werden transformierende Prozesse des Produsage sowie mögliche queere Zukünfte beleuchtet, aber auch die verUneindeutigenden und entselbstverständlichenden Strategien im Produsage aufgezeigt.

Das Kapitel 9 schließt die Arbeit mit einem Fazit ab. Zunächst wird eine Zusammenfassung aller Kapitel gegeben (Kap. 9.1), bevor eine Reflexion sowohl der theoretischen Ausgangspunkte als auch der methodischen Vorgehensweise folgt (Kap. 9.2). Zuletzt wird ein Ausblick gegeben und offene Fragen formuliert (Kap. 9.3).

Endnoten

1 Eine detaillierte Erklärung zu geschlechtersensibler Schreibweise und Sprachgebrauch findet sich in Kapitel 1.4.

2 Als Produser:innen werden bspw. Leser:innen und Autor:innen von Fanfictions bezeichnet. Eine ausführliche Vorstellung dieses Begriffs findet sich in Kapitel 2.4.3. dieser Arbeit.

3 Ein Vergleich der veröffentlichten Fanfictions auf fanfiktion.de zeigt eine deutliche höhere Popularität der Serie Vampire Diaries im Kontext des Produsage: In der Kategorie Buffy&Angel finden sich 531 Texte, zur Serie True Blood 154 Texte und zur Serie Vampire Diaries 4.279 Texte (vgl. https://www.fanfiktion.de/Serien-Podcasts/c/101000000 [lezter Zugriff: 27.04.2022]).

4 So hat z.B. der Streamingdienst Netflix auf den Aufschrei der Fans reagiert und nach dem Bekanntwerden des Serienendes von Sense8 (2015–2018) eine weitere Folge produzieren lassen.

5 Vgl. https://forum.fanfiktion.de/t/35056/1 (letzter Zugriff: 26.03.2022).

6 Vgl. https://forum.fanfiktion.de/t/48172/1 (letzter Zugriff: 26.03.2022).

7 In der Kategorie Fanfiction finden sich 419.750 Texte zu Büchern, TV‑Serien, Kinofilmen, Musicals, Cartoons und Comics u.a. (vgl. https://www.fanfiktion.de/[letzter Zugriff: 27.04.2022]).

8 Unter dem Hays Production Code wurden Richtlinien zur Herstellung von US‑amerikanischen Spielfilmen im Hinblick auf die moralisch akzeptable Darstellung besonders von Kriminalität und sexuellen Inhalten zusammengefasst (vgl. hierzu: Kochberg 2003).

9 Ich verwende an dieser Stelle sowie folgend das Akronym LGBTQIA* für Lesbian, Gay, Bisexual, trans*, Queer/Questioning, Intersex, A_sexuell/A_romantisch und alle anderen, sich selbst der queeren Community zugehörig fühlenden Menschen.

10 Die alternierende Schreibweise wird in dieser Arbeit verwendet, um die vielfältigen Formen geschlechtersensibler Schreibweisen so zu nutzen, dass sie verUneindeutigen und irritieren. Zudem lassen sich für alle Formen geschlechtersensibler Schreibweisen Argumente finden, die jeweils für oder gegen eine Verwendung sprechen. Aus einer queer‐feministischen Perspektive heraus haben jedoch alle Formen, ob nun der Asteriks, Unterstrich oder geschlechtsneutrale Schreibweise ihre Vorzüge und Berechtigung.

11 Für weiterführende Informationen zur gendersensiblen Sprache vgl. Gäckle 2017.

12 Die Großschreibung des Begriffs Schwarz weist auf die Konstruiertheit dieser Kategorie sowie auf die politische Realität und Identität hin und soll der Affirmation naturalisierter Verwendungsweisen entgegenwirken. Weiß hingegen wird jedoch als Adjektiv kleingeschrieben, da es keine politische Selbstbezeichnung darstellt (vgl. hierzu Sow 2009).

13 Für weiterführende Informationen zu Rassismen in der Sprache vgl. Roth 2013 und Kunz 2021.

14 Ein ›Aca‐Fan‹ ist ein*e Wissenschaftler*in, der:die sich selbst auch als Fan identifiziert.

15 Zwischen 1998 – 2007 wurden die sieben Bände der Harry Potter‐Reihe in Deutschland veröffenlticht, sowie darüber hinaus einige Begleitwerke, die ebenfalls von J.K. Rowling verfasst wurden. Die acht deutschsprachigen Verfilmungen wurden von Warner Bros. produziert und zwischen 2001 und 2011 in den Kinos ausgestrahlt. Aktuell macht J.K. Rowling vor allem durch trans*feindliche Aussagen auf sich aufmerksam und wird zu Recht dafür kritisiert.

2. Theorie: Queere Vampir*innen, Utopien und Fans

Um die zentralen Fragen dieser Arbeit beantworten zu können und die leitenden Hypothesen zu prüfen, wird auf unterschiedliche theoretische Grundlagen zurückgegriffen. Diese werden darauffolgend mit den methodischen Ansätzen des Queer Readings und der qualitativen Inhaltsanalyse zu einem Analysewerkzeug – der queeren Inhaltsanalyse – verbunden. Da es in der vorliegenden Studie in erster Linie darum geht, das queere Potenzial von Produsage herauszuarbeiten, bieten sich Ansätze und Konzepte aus den Gender und Queer Studies, den Fan Studies und der Utopieforschung besonders an.

Hinsichtlich der Untersuchung zu Aus‑ und Verhandlungen von Hetero‑ und Homonormativität liefern vor allem die Gender‑ und Queer Studies mit ihrer Perspektive auf Sexualitäten, Begehren und sexuelle Identitätszuschreibungen einen passenden Bezugsrahmen, in deren Mittelpunkt die Kritik an der Konstruktion von Zweigeschlechtlichkeit, Identität und Heterosexualität als hegemoniale Herrschaftsform in einem patriarchalen Gesellschaftssystem steht (vgl. u.a. Butler 1991 [1990], 1997 [1993]; Kraß 2003b; Halberstam 2006 [1995]; Dietze et al. 2012).

Die Figur des*r Vampir*in verkörpert diese Kritik, indem sie als Symbol für verborgene Wünsche und Ängste einer Gesellschaft, als Allegorie für z.B. sexuellen Imperialismus, Abjection, AIDS oder die Instabilität von sex und gender und somit als queere Figur gefasst werden kann (vgl. u.a. Dyer 1988; Auerbach 1995; Glover 1996; Williamson 2005; Loza 2011; Wright 2014; Elliot‐Smith & Browning 2020). Diese heteronormativitätskritische Sichtweise ist geprägt durch ein an Judith Butler (1991 [1990], 1997 [1993]), Candace West und Sarah Fenstermaker (1995) sowie Regine Gildemeister und Angelika Wetterer (1995) anschließendes queer‐feministisches Verständnis1 von einer sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Konstruktion von z.B. Geschlecht, Klasse, race oder Alter. Infolgedessen wurde das Konzept der Heteronormativität zu einem wichtigen Instrumentarium, um Machtverhältnisse zu analysieren (vgl. z.B. Rubin 2007). Medien‑ und kommunikationswissenschaftliche Forschungen nutzen gender‑ und queer‐theoretische Analysen, um die Herstellung von Geschlecht und Sexualität in medial vermittelten Kommunikationsprozessen zu untersuchen und dabei (vor allem auf der Rezeptionsebene) subjektive Identitätskonstruktionen in den Blick zu nehmen (vgl. Maier 2007; Schade & Wenk 2011; Loist et al. 2014). Damit bilden sie eine weitere theoretische Grundlage für die Analyse des Produsage.

Daneben erweisen sich auch Antke Engels Arbeiten (2002, 2009) als anschlussfähig. Engel geht davon aus, dass Differenz und Diversität im neoliberalen Diskurs als kulturelles Kapital und Spektakel zelebriert werden (vgl. Engel 2009, S. 13) und liefert gleichzeitig mit dem Konzept der VerUneindeutigung (vgl. Engel 2002) einen Ausgangspunkt für die Analyse des queeren Potenzials von Produsage.

Um die sich immer wieder verändernden Prozesse und Strukturen von Fans, Fandoms sowie Fanfictions theoretisch erfassen zu können, liefern Henry Jenkins (2013 [1992], 2006a) Überlegungen zu Konvergenzkulturen und textuellem Wildern zentrale Anknüpfungspunkte für diese Arbeit. So können die sich wandelnden Bedingungen von Online‐Fandoms, Kommunikationsprozessen und kollektiver Inhalteerschaffung in der Analyse Berücksichtigung finden (vgl. z.B. Winter 2010a, 2010b; Bruns 2008; Hellekson & Busse 2014a). Die Fan Studies liefern ebenfalls gewinnbringende Einsichten in die kollektiven, kollaborativen und in mögliche subversive, kritische und queere Praktiken von Fans (vgl. u.a. Schmidt‐Lux 2010a; Busse 2014; Cuntz‐Leng 2014b). Dadurch wird es in der Folge möglich, Produsage nicht nur auf der inhaltlichen Ebene zu analysieren, sondern auch auf der Handlungsebene als kollektive und kollaborative Fanpraxis, die möglicherweise auf queere Utopien verweist oder diese hervorbringt.

Für die Beantwortung der Frage nach queeren Utopien im Produsage und möglichen queeren und utopischen Lebensweisen von Produser*innen wird an zentrale Diskurse der Utopieforschung angeschlossen (vgl. u.a. Bloch 1959, 1980; Voßkamp 1990; Saage 1997, 2005; Amberger & Möbius 2017b). Insbesondere die Auseinandersetzungen mit einem prozessualen Utopieverständnis (vgl. u.a. McKenna 2002; Dierkes 2013), mit feministischen und gelebten Utopien (vgl. Bulk 2017) sowie mit Heterotopien (vgl. Castro Varela 2007; Leiß 2010) erweisen sich für die Analyse des Produsage als anschlussfähig und gewinnbringend. Die Arbeiten von Lee Edelman (2007), José Esteban Muñoz (2009) sowie die Beiträge aus dem von Angela Jones herausgegebenen Sammelband Critical inquiry into queer utopias (2013a) liefern darüber hinaus einen relevanten Bezugsrahmen im Hinblick auf die benannte Fragestellung der Arbeit und die Analyse queerer Utopien.

Die Queer Studies ebenso wie die Fan‑ und Utopieforschung bilden demgemäß die theoretischen Grundlagen, um die Aus‑ und Verhandlungen von Hetero‑ und Homonormativität im Produsage zu den US‑amerikanischen Dramaserien Buffy – Im Bann der Dämonen, True Blood und Vampire Diaries zu analysieren und auf ihr utopisches Potenzial hin zu befragen.

2.1 Queere Theorie

In diesem Kapitel werden die queer‐theoretischen Rahmungen und Grundlagen der Arbeit erläutert und die zentralen Begrifflichkeiten diskutiert. Dabei geht es mit Blick auf die empirische Forschung vor allem darum, die gender‑ und queer‐theoretischen Begriffe und Konzepte für die Analyse der Fanfiction und der Gruppendiskussionen zu operationalisieren. Dabei werden unterschiedliche Definitionen von ›Queer‹ zu einer, der Arbeit zugrundeliegenden Auffassung des Begriffs, verdichtet. Hierfür bilden vor allem die Beiträge von Gudrun Perko (2003, 2008), Volker Woltersdorff (2003) und Gaye Rubin (2007) zentrale Ausgangspunkte. Darauffolgend werden die Konzepte Hetero‑ und Homonormativität entlang der Arbeiten von Judith Butler (1991 [1990], 1993, 1997 [1993]), Sabine Hark (2016), Nina Degele (2005), Lisa Duggan (2002) und Jasbir Puar (2006, 2007) diskutiert und die Kernaspekte dieser Konzepte aufgezeigt und diskutiert. Die beiden letzten Abschnitte dieses Kapitels wenden sich den Möglichkeiten zur Subversion und Dekonstruktion normativer ›Regeln‹ von u.a. Gesellschaft, Geschlecht und Sexualität zu. Hier bilden vor allem Antke Engels (2002, 2009) Überlegungen zu ›VerUneindeutigung‹ sowie Nina Degeles (2005) Ausführungen zu ›Entselbstverständlichung‹ ertragreiche Implikationen für die Analyse.

2.1.1 Zur (Un)möglichkeit eines Queer‐Begriffs

Queer is a continuing moment, movement, motive—recurrent, eddying, troublant

(Kosofsky Sedgwick 1994, S. vii).

Für eine Analyse von queerem Potenzial und queeren Utopien im Produsage ist es von zentraler Bedeutung eine Arbeitsdefinition des hier zugrundeliegenden Queer‐Begriffs vorzunehmen. Denn nur so lassen sich die queere Inhaltsanalyse und die Gruppendiskussion konzipieren, die Ergebnisse auswerten und in einen gesellschaftlichen Kontext einordnen. Um diese Definition zu erarbeiten und für die Analyse nutzbar zu machen, werden im Folgenden einige Schlaglichter auf Vertreter_innen und Positionen der Queer Theory und verschiedene Definitionen von Queer geworfen. Unabdingbar erscheint dabei auch zumindest eine kurze Einordnung der historischen Bedeutung und Entwicklung des Begriffs:

Der Begriff Queer etablierte sich in den 1980er/1990er‐Jahren in den USA vor allem im Zuge politischer Bewegungen und in Folge der AIDS‐Krise. Vormals zur Beleidigung von Schwulen, Lesben, trans* u.a. genutzt, begannen vor allem Schwarze und People of Color (PoC), sich diesen Begriff anzueignen. Gudrun Perko schreibt hierzu:

Queer wurde als Politik der Sichtbarmachung mit der Kritik an heterosexueller Normativität und Zweigeschlechtlichkeit und als Kritik an schwul‐lesbischen Identitätsmodellen (Lesbian und Gay Identity) und ihren produzierten Ausschlüssen bestimmter Menschen, konstituiert. Explizite Intention von Queer war es, vielfältige Differenzen von Menschen anzuerkennen (Perko 2008, S. 72).

Als performative Praxis der subversiven Aneignung wurde die diffamierende Bedeutung des Begriffes mit neuen Bedeutungsinhalten gefüllt (vgl. Woltersdorff 2003, S. 919). Ausgehend davon wurde Queer in den USA sowie einige Zeit später auch in Deutschland, zu einem Sammelbegriff für politischen Aktivismus und eine Denkrichtung (Queer Theory). In den USA fungierte Queer entsprechend eher als Kritik an hetero‑ und homosexuellen Identitätspolitiken, wohingegen es in Deutschland häufiger als Synonym für schwul/lesbisch verwendet wurde_wird (vgl. Woltersdorff 2003; Perko 2008, S. 72).

Perko (vgl. 2008, S. 71–72) betont die Unmöglichkeit Queer als positive Eigenbezeichnung eindeutig ins Deutsche zu übersetzen und beschreibt, dass am ehesten die Begriffe ›seltsam‹ oder ›quer‹ (zur Norm) affirmativ herangezogen werden könnten. Hier verweist sie auf Judith Butlers kritische Auseinandersetzungen mit dem Begriff, welche davor warnt, Queer als fest umrissene Identitätskategorie zu verstehen (vgl. Butler 1993). Eve Kosofsky Sedgwick beschreibt die Verwirrung, die der Begriff stiftet, entsprechend wie folgt:

Anyone’s use of ›queer‹ about themselves means differently from their use of it about someone else (Kosofsky Sedgwick 1994, S. 8).

Queer hat sich, so kann festgehalten werden, sowohl als Oberbegriff für plurale Lebensformen als auch als Möglichkeit zur Analyse von Inkonsistenzen und Brüchen im vermeintlich stabilen Verhältnis von Geschlecht und Begehren durchgesetzt. Ebenso liegt ein zentraler Fokus dort, »wo biologisches Geschlecht (sex), soziales Geschlecht (gender) und Begehren nicht zusammenpassen« (Jagose 2005, S. 15). Dabei stellt es die Kategorien ›Mann‹ und ›Frau‹ ebenso in Frage, wie eine vermeintlich ›natürliche‹ Sexualität (vg. Jagose 2005, S. 15). Queer kann in der Folge als Chance betrachtet werden, die angebliche Ordnung von Dingen infrage zu stellen (vgl. Axenkopf 2011, S. 45–47). Die grundsätzliche Offenheit und Uneindeutigkeit des Begriffs ermöglicht es, auf eindeutige Kategorisierungen, Normierungen und Identitätszuschreibungen zu verzichten. Genauso ermöglicht diese Offenheit allerdings, die Aneignung von Queer in einem neoliberalen Kontext, der die kritische Position_Perspektive von Queer abschwächt und gewinnbringend in kapitalistische Systeme integriert.

Diese flexiblen Normierungsprozesse, denen Queer im neoliberalen Kapitalismus ausgesetzt ist, beschreibt auch Volker Woltersdorff in seinem Aufsatz Queer Theory und Queer Politics (2003). Anschließend an die historische Entwicklung von Queer sowie an theoretische und praktische Überlegungen formuliert Woltersdorff (vgl. 2003, S. 921–923) fünf Zugänge, über die Queer gesellschaftliche Kritik und politisches Potenzial entfalten kann. Diese werden in der vorliegenden Arbeit als analytische Dimensionen genutzt:

Kritik an Heteronormativität und – hier erweitere ich – Homonormativität: Die queere Perspektive liegt auf der Entprivilegierung normierter Heterosexualität (und Homosexualität) ebenso wie auf der Dekonstruktion heterosexueller, schwuler und lesbischer Identität.

Kritik an biologischer Verwandtschaft und Elternschaft. Der Fokus der Analyse liegt auf alternativen Lebensmodellen.

Kritik an Zweigeschlechtlichkeit: Eine queere Perspektive muss Alltagspraktiken und trans* Geschlechtlichkeit einbeziehen.

Intersektionalität: Queer sollte an dieser Stelle die Verwobenheit von Differenz‑/Herrschaftskategorien in den Blick nehmen, die zur Hierarchiebildung und somit auch zu De_Privilegierungen beitragen.

Kapitalismuskritik: eine queere Perspektive sollte eine Analyse des Verhältnisses von Kapitalismus und Sexualität anstreben.