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Stefan Zweig (1881-1942) war ein österreichischer Schriftsteller. 1934 flüchtete er vor den Nationalsozialisten über London und New York nach Brasilien. In der Nacht vom 22. zum 23. Februar 1942 nahm sich Stefan Zweig in Petrópolis bei Rio de Janeiro das Leben. Depressive Zustände begleiteten ihn seit Jahren. Seine Frau Lotte folgte Zweig in den Tod. In seinem Abschiedsbrief hatte Zweig geschrieben, er werde "aus freiem Willen und mit klaren Sinnen" aus dem Leben scheiden. Die Zerstörung seiner "geistigen Heimat Europa" hatte ihn für sein Empfinden entwurzelt, seine Kräfte seien "durch die langen Jahre heimatlosen Wanderns erschöpft". Stefan Zweig wurde ein Symbol für die Intellektuellen im 20. Jahrhundert auf der Flucht vor der Gewaltherrschaft.
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Seitenzahl: 24
Abermalens hatte das halsstarrige und wetterwendische Volk zu Jerusalem des geschworenen Bundes vergessen, abermalens hatten sie den erzenen Götzen von Tyr und Ammon blutige Gabe gebracht. Und nicht genug des Frevels, daß sie jenen räucherten auf Höhen und steinernen Altären – auch in Gottes leibeigenes Haus, das Salomo, sein Knecht, ihm gebaut, stellten sie Bildnis des Baal und schwemmten die Fliesen mit Schlachtwerk, bis die heilige Stätte stank von Raucher und Blut.
Als nun Gott sah, daß sie seiner spotteten bis in das innerste Herz seines Heiligtums, da entbrannte mächtig sein Zorn. Er reckte die Rechte, und sein Schrei zerschlug lang alle Himmel: zu Ende sei nun seine Langmut, austilgen wolle er die sündige Stadt und ihre Völker wie Streu zersprengen über den Rücken der Erde. Ein Donner, sprang diese Verkündigung auf und dröhnte von einem bis zum anderen Ende seiner Unendlichkeit.
Schaudernd erbebten, als so der Ingrimm Gottes zur Stimme ward, die gefesselte Erde und die Höhen des Himmels. Es flohen die Ströme davon und beugten sich die Meere, es wankten die Berge Trunkenen gleich, und sanken die Felsen ins Knie. Die Vögel stürzten tot aus den Lüften, und selbst die Engel bargen ihr Haupt unter die riesigen Flügel, denn auch sie, die Fühllosen, vermochten den Blitz seines Zornblickes nicht zu schauen, und der Schrei seines Ingrimms fuhr ehern in ihr Ohr.
Einzig tief unten die Menschen in ihrer gerichteten Stadt, dem Himmlischen taub, sie wußten nichts von dem Spruch ihres Endes. Nur dies gewahrten sie, daß mit einemmal die Festen der Erde erbebten und auslosch das Helle am leuchtenden Tag und ein Sturmwind anhub, unter dem die Zedern wie Halme brachen und die Büsche sich duckten wie kleines Getier. Auf dem Rücken des Sturmes aber kamen Wolken gefahren und verhängten den Himmel mit Finsternis, ob ihren Häuptern hob Verderbnis sich, und unter ihren Füßen schwankte gleich Wasser der Grund. Da entstürzten jäh die Geschreckten ihren Häusern, damit der First nicht über sie falle, und als sie aufsahen, erschraken sie abermals, denn schon hing das Gewölk über ihnen dräuender als Fels, und feurig von Schwefelfaden schmeckte die sausende Luft. Vergebens, daß sie nun Irrwitzigen gleich ihre Kleider sich abrissen und die Haare vollwühlten mit Staub, vergebens, daß sie ihr Antlitz zur Erde warfen und den Herrn um Vergebung anriefen für ihren Vorwitz – die Wolke wuchs weiterhin schwarz, und es erlosch das lebendige Licht über dem Lande.