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Ob Dornröschen, Zwerg Nase, die sieben Geißlein oder die kleine Meerjungfrau – Märchen verzaubern, bereichern und sind vor allem eins: zeitlose Weltliteratur für Klein und Groß. Sie dürfen in keinem Kinderzimmerund keiner guten Bibliothek fehlen. Zu den berühmtesten Märchensammlern zählen Wilhelm Hauff, die Brüder Grimm, Ludwig Bechstein und Hans Christian Andersen. Höchste Zeit, dass diese in einer Märchensammlung endlich zusammenfinden. Das perfekte Märchenkompendium für Großeltern, Eltern und ihre Kinder!
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Seitenzahl: 2559
Hans Christian Andersen / Ludwig Bechstein / Brüder Grimm / Wilhelm Hauff
Reclams Märchenschatz
Reclam
2019 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Covergestaltung: Anja Grimm Gestaltung
Coverabbildung: © shutterstock.com / Irtsya / Marinka_kartinka / smilewithjul
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2019
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
ISBN 978-3-15-961522-6
ISBN der Buchausgabe 978-3-15-030064-0
www.reclam.de
Hans Christian Andersen
Aus dem Dänischen übersetzt und herausgegeben von Heinrich DeteringReclam
Für Henrik, Luise und Jakob
2019 Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Covergestaltung: Anja Grimm Gestaltung
Coverabbildung: © shutterstock.com / Irtsya / Marinka_kartinka / smilewithjul
Gesamtherstellung: Philipp Reclam jun. Verlag GmbH, Siemensstraße 32, 71254 Ditzingen
Made in Germany 2019
RECLAM ist eine eingetragene Marke der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart
Der Schreiber (undatiert)
Das Feuerzeug (1835)
Klein-Claus und Groß-Claus (1835)
Die Prinzessin auf der Erbse (1835)
Däumelinchen (1835)
Der ungezogene Junge (1835)
Die Geschichte des alten Steuermanns (1834)
Die kleine Meerfrau (1837)
Die neuen Kleider des Kaisers (1837)
Der standhafte Zinnsoldat (1838)
Der fliegende Koffer (1839)
Ole Augenzu (1842)
Der Schweinehirt (1842)
Die Nachtigall (1844)
Das Liebespaar (1844)
Das missratene Entchen (1844)
Der Tannenbaum (1845)
Die Schneekönigin (Gedicht, 1830)
Die Schneekönigin (1845)
Die roten Schuhe (1845)
Die Hirtin und der Schornsteinfeger (1845)
Das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern (1845)
Der Schatten (1847)
Der Wassertropfen (1847)
Die Geschichte einer Mutter (1847)
Rungholt (1848)
Der Flachs (1850)
Herzenskummer (1853)
Zwei Jungfrauen (1853)
Geldschwein (1854)
Hans Tolpatsch (1855)
Der letzte Traum der alten Eiche (1858)
Schlammkönigs Tochter (1858)
Der böse Fürst (1840)
Trollhättan oder der Trollberg (1851)
Der Wind erzählt von Valdemar Daae und seinen Töchtern (1859)
Was Vatter tut, ist immer das Richtige (1861)
Der Schneemann (1861)
Der Schmetterling (1860)
Die Geschichte vom Raben (1863)
Die Lumpen (1868)
Die Dryade (1868)
Quak (1869)
König, Dame und Bube (1869)
Dänische Volkssagen (1870)
Der Gärtner und die Herrschaft (1872)
Der Floh und der Professor (1872)
Tante Zahnschmerz (1872)
Zu dieser Ausgabe
Wort- und Sacherläuterungen
Es hatte ein Mann ein Amt, in dem äußerlich schön geschrieben werden sollte; für das Amt taugte er, aber schöne Buchstaben konnte er nicht schreiben, und so suchte er in der Zeitung nach einem, der schön schriebe, und es meldeten sich so viele, dass ihre Namen einen ganzen Kübel füllen konnten. Einer konnte es so gut machen wie der andere, und so nahm der Mann den Erstbesten, aber mit einer Handschrift, die die geborene Schönheits-Schreibmaschine verriet. Der Mann mit dem Amt besaß Geist zum Schreiben, und als nun das Geschriebene mit flotten Buchstaben dastand, da sagten alle Leute: das ist reizend geschrieben. »Das habe ich getan«, sagte der Bursche, der einen halben Schilling wert war, und als er das eine ganze Woche lang sagen hörte, da wurde er hochmütig und wollte selber der Mann mit dem Amt sein. Er hätte wirklich einen guten Schreiblehrer abgeben können und gut dabei ausgesehen mit weißem Halstuch zur Teegesellschaft; aber er wollte nun alle anderen Schreiber in Grund und Boden schreiben, und er schrieb über Maler und Bildhauer, über Dichter und Leute, die Musik machen, er schrieb einen gewaltigen Unsinn, und wenn es gar zu schlimm gegangen war, dann schrieb er am nächsten Tag, dass es ein Druckfehler war. Alles was er schrieb war ein Druckfehler, und im Druck, das war das Unglück, konnte man ja nicht die schöne Handschrift sehen, die bei ihm die Hauptsache war. Ich kann zerschmettern, ich kann erheben, ich bin ein rechter Teufelskerl, so ein kleiner Herrgott, und nicht mal ein gar so kleiner! Das war nun Papperlapapp, und daran starb er, und es wurde erzählt, ach was für ein trübseliges Märchen zum Ausschmücken! von einem seiner Freunde, der Märchen schreiben konnte – aber seine Lebensgeschichte, ritsch, ratsch, – – patsch, wurde beim besten Willen ein schlechtes Märchen.
Da kam ein Soldat die Landstraße entlangmarschiert: Eins, zwei! Eins, zwei! er hatte seinen Tornister auf dem Rücken und einen Säbel an der Seite, denn er war im Krieg gewesen, und nun wollte er nach Hause. Da traf er eine alte Hexe auf der Landstraße; die war so widerlich, ihre Unterlippe hing ihr bis auf die Brust herunter. Sie sagte: »guten Abend, Soldat! was hast du für einen schönen Säbel und was für einen großen Tornister, du bist ein richtiger Soldat! Jetzt sollst du soviel Geld kriegen, wie du willst!«
»Vielen Dank auch, du alte Hexe!« sagte der Soldat.
»Siehst du den großen Baum?« sagte die Hexe und zeigte auf den Baum, der neben ihnen stand. »Da drinnen ist er ganz hohl! Da musst du in die Krone hinaufklettern, dann siehst du ein Loch, da kannst du hineinrutschen und tief in den Baum hinunterkommen! Ich binde dir einen Strick um den Leib, damit ich dich wieder hochziehen kann, wenn du mich rufst!«
»Und was soll ich da unten im Baum?« fragte der Soldat.
»Geld holen!« sagte die Hexe, »du musst wissen, wenn du unten auf den Grund des Baumes kommst, dann bist du in einem großen Gang; da ist es ganz hell, denn da brennen über hundert Lampen. Dann siehst du drei Türen, du kannst sie aufmachen, der Schlüssel steckt. Wenn du in die erste Kammer gehst, dann siehst du mitten auf dem Boden eine große Kiste, obendrauf sitzt ein Hund; er hat ein Paar Augen, so groß wie ein Paar Teetassen, aber darum musst du dich gar nicht kümmern! Ich gebe dir meine blaukarierte Schürze, die kannst du auf dem Boden ausbreiten; geh dann nur zu und nimm den Hund, setz ihn auf meine Schürze, mach die Kiste auf und nimm so viele Schillinge, wie du willst. Sie sind alle aus Kupfer; aber willst du lieber Silber haben, dann musst du ins nächste Zimmer gehen; doch da sitzt ein Hund, der hat ein Paar Augen, so groß wie ein Mühlrad; aber darum musst du dich gar nicht kümmern, setz ihn auf meine Schürze, und nimm du nur von dem Geld! Willst du dagegen Gold haben, das kannst du auch kriegen, und zwar so viel, wie du tragen kannst, wenn du in die dritte Kammer gehst. Aber der Hund, der auf der Geldkiste sitzt, hat hier zwei Augen, jedes so groß wie der Runde Turm in Kopenhagen. Das ist ein richtiger Hund, das kannst du mir glauben! aber darum musst du dich überhaupt nicht kümmern! setz ihn einfach auf meine Schürze, dann tut er dir nichts, und dann nimm du dir aus der Kiste soviel Gold, wie du willst!«
»Das ist gar nicht so dumm!« sagte der Soldat. »Aber was soll ich dir geben, du alte Hexe? Denn irgendwas wirst du wohl abbekommen wollen, kann ich mir denken!«
»Nein«, sagte die Hexe, »nicht einen Schilling will ich haben! Du sollst mir bloß ein altes Feuerzeug mitbringen, das meine Großmutter vergessen hat, als sie das letzte Mal unten war!«
»Aha! na, jetzt kannst du mir den Strick umbinden!« sagte der Soldat.
»Hier ist er!« sagte die Hexe, »und hier ist meine blaukarierte Schürze.«
Da kroch der Soldat auf den Baum, ließ sich in das Loch hinabplumpsen und stand nun, wie die Hexe gesagt hatte, unten in dem großen Gang, wo die vielen hundert Lampen brannten.
Nun machte er die erste Tür auf. Uh! da saß der Hund mit den Augen, so groß wie Teetassen, und glotzte ihn an.
»Du bist ja ein netter Bursche!« sagte der Soldat, setzte ihn auf die Schürze der Hexe und nahm genau so viele Kupferschillinge, wie er nur mitnehmen konnte, in seine Tasche, machte dann die Kiste zu, setzte den Hund wieder drauf und ging in das zweite Zimmer. Ei ja! da saß der Hund mit den Augen, so groß wie ein Mühlrad.
»Du solltest mich nicht so viel angucken!« sagte der Soldat. »Du könntest Augenschmerzen kriegen!« und dann setzte er den Hund auf die Schürze der Hexe, aber als er die vielen Silberschillinge in der Kiste sah, schmiss er alles Kupfergeld weg, das er hatte, und füllte seine Tasche und seinen Tornister mit dem reinen Silber. Nun ging er in die dritte Kammer! – Nein war das widerlich! Der Hund da drinnen hatte wirklich zwei Augen, so groß wie der Runde Turm, und sie drehten sich immer im Kopf herum, wie Räder!
»Guten Abend!« sagte der Soldat und legte die Hand an die Mütze, denn so einen Hund hatte er nie zuvor gesehen; aber als er ihn nun ein bisschen angeguckt hatte, dachte er, jetzt ist es aber genug, hob ihn auf den Boden herunter und machte die Kiste auf – nein du barmherziger Gott! was war das viel Gold! er konnte dafür das ganze Kopenhagen kaufen und die Zuckerstangen der Bäckersfrauen, alle Zinnsoldaten, Peitschen und Schaukelpferde, die es auf der Welt gab! O ja, das war allerdings Geld! – Nun warf der Soldat alle Silberschillinge weg, mit denen er seine Tasche und seinen Tornister gefüllt hatte, und nahm statt dessen das Gold, ja alle Taschen, der Tornister, die Mütze und die Stiefel, wurden gefüllt, bis er kaum noch gehen konnte! jetzt hatte er Geld! Den Hund setzte er oben auf die Kiste, schlug die Tür zu und rief dann durch den Baum nach oben:
»Zieh mich nun hoch, du alte Hexe!«
»Hast du das Feuerzeug dabei?« fragte die Hexe.
»Richtig!« sagte der Soldat, »das hatte ich glatt vergessen«, und dann ging er zurück und holte es. Die Hexe zog ihn nach oben, und dann stand er wieder auf der Landstraße, die Taschen, Stiefel, Tornister und Mütze voller Geld.
»Was willst du nun mit dem Feuerzeug«, fragte der Soldat.
»Das geht dich nichts an!« sagte die Hexe, »nun hast du ja Geld gekriegt! Gib mir bloß das Feuerzeug!« –
»Papperlapapp!« sagte der Soldat, »wirst du mir sofort sagen, was du damit willst, sonst ziehe ich meinen Säbel und schlage dir den Kopf ab!«
»Nein«, sagte die Hexe.
Also schlug der Soldat ihr den Kopf ab. Da lag sie! aber er schnürte all sein Geld in ihre Schürze, die nahm er wie ein Bündel auf seinen Rücken, steckte das Feuerzeug in die Tasche und ging geradewegs in die Stadt.
Es war eine prächtige Stadt, und er zog in den prächtigsten Gasthof, verlangte die allerbesten Zimmer und Essen, wie es ihm schmeckte, denn jetzt war er reich, wo er doch so viel Geld hatte.
Der Diener, der seine Stiefel putzen sollte, dachte allerdings, das wären ja ein paar lächerliche alte Stiefel, die so ein reicher Herr hätte, aber er hatte sich noch keine neuen gekauft; am nächsten Tag kriegte er neue Stiefel, in denen er herumspazieren konnte, und Kleider, die sich sehen lassen konnten! Jetzt war der Soldat ein vornehmer Herr geworden, und man erzählte ihm von allem Sehenswerten, das sie in ihrer Stadt hatten, und von ihrem König, und was für eine niedliche Prinzessin seine Tochter war.
»Wo kann man die zu sehen kriegen?« fragte der Soldat.
»Die kann man überhaupt nicht zu sehen kriegen!« sagten alle, »sie wohnt in einem großen Kupferschloss, mit so vielen Mauern und Türmen ringsherum! Keiner außer dem König darf bei ihr ein- und ausgehen, denn es gibt eine Weissagung, dass sie einen ganz simplen Soldaten heiraten wird, und das gefällt dem König gar nicht!«
»Die würd ich schon gern sehen!« dachte der Soldat, aber das durfte er natürlich überhaupt nicht!
Nun lebte er sehr lustig, ging in die Komödie, fuhr im Königspark herum und gab den Armen eine Menge Geld, und das war hübsch von ihm! er wusste noch aus den alten Tagen, wie schlimm es ist, nicht einen Schilling zu besitzen! – Er war jetzt reich, hatte schöne Kleider, und da hatte er bald so viele Freunde, die sagten alle, was für ein netter Mensch er wäre, ein richtiger Kavalier, und das hörte der Soldat gern! Aber weil er jeden Tag Geld ausgab, und überhaupt keins hereinbekam, da hatte er zuletzt nicht mehr als zwei Schillinge übrig und musste aus den hübschen Zimmern ausziehen, in denen er gewohnt hatte, und hinauf in eine winzigkleine Kammer, ganz oben unterm Dach, musste selber seine Stiefel putzen und mit einer Stopfnadel zusammennähen, und keiner von seinen Freunden kam zu ihm, denn es waren so viele Treppen, die man hinaufmusste.
Es war ein ganz dunkler Abend, und er konnte sich kein Licht kaufen, aber da erinnerte er sich, dass noch ein kleiner Stumpen in dem Feuerzeug lag, das er in dem hohlen Baum, in den die Hexe ihn hinuntergelassen hatte, an sich genommen hatte. Er holte das Feuerzeug und den Kerzenstumpen hervor, aber gerade in dem Augenblick, als er Feuer schlug und die Funken aus dem Flintstein herausflogen, sprang die Tür auf, und der Hund mit den Augen, so groß wie Teetassen, den er drunten im Baum gesehen hatte, stand vor ihm und sagte: »Was befiehlt mein Herr?«
»Was denn!« sagte der Soldat, »das ist ja ein ulkiges Feuerzeug, kann ich so also kriegen, was ich haben will! Schaff mir Geld herbei«, sagte er zu dem Hund, und schwupp! war der fort, schwupp! war er wieder da und trug einen Beutel voller Schillinge in seinem Maul.
Jetzt wusste der Soldat, was für ein prächtiges Feuerzeug das war! schlug er einmal, kam der Hund, der auf der Kiste mit dem Kupfergeld saß, schlug er zweimal, kam der, der das Silbergeld hatte, und schlug er dreimal, kam der mit dem Gold. – Da zog der Soldat wieder in die schönen Zimmer hinunter, trug wieder die schönen Kleider, und sogleich erkannten alle seine Freunde ihn wieder, und sie hatten ihn so gern. –
Da dachte er einmal: das ist doch ganz lächerlich, ist das, dass man nicht die Prinzessin zu sehen kriegt! sie soll so wunderschön sein, heißt es überall! aber was soll das helfen, wenn sie immerfort in diesem großen Kupferschloss sitzen muss, mit den vielen Türmen. – Kann ich sie denn überhaupt nicht zu sehen kriegen? – Wo ist denn mein Feuerzeug! und dann schlug er Feuer, und schwupp kam der Hund mit den Augen, groß wie Teetassen!
»Es ist zwar mitten in der Nacht«, sagte der Soldat, »aber ich würde so schrecklich gern die Prinzessin sehen, bloß einen kleinen Augenblick!«
Sogleich war der Hund zur Tür hinaus, und ehe der Soldat sich’s versah, sah er ihn wieder mit der Prinzessin, sie saß und schlief auf dem Rücken des Hundes und war so wunderschön, dass jeder sehen konnte, sie war eine wirkliche Prinzessin; der Soldat konnte einfach nicht anders, er musste sie küssen, denn er war ein richtiger Soldat.
Dann lief der Hund mit der Prinzessin zurück, aber als es Morgen wurde, und der König und die Königin sich gerade Tee einschenkten, da sagte die Prinzessin, sie hätte in der Nacht so einen sonderbaren Traum geträumt, von einem Hund und einem Soldaten. Sie war auf dem Hund geritten, und der Soldat hatte sie geküsst.
»Das ist ja eine reizende Geschichte!« sagte die Königin.
Nun musste eine der alten Hofdamen in der nächsten Nacht am Bett der Prinzessin Wache halten, um zu sehen, ob es wirklich ein Traum war, oder was es sonst sein mochte.
Der Soldat hatte ein so fürchterliches Verlangen, die wunderschöne Prinzessin wiederzusehen, und also kam der Hund in der Nacht, nahm sie, und lief so schnell er konnte, aber die alte Hofdame zog Stiefel an und lief genauso schnell hinterher; als sie sah, dass die beiden in einem großen Haus verschwanden, dachte sie, jetzt weiß ich wo es ist, und malte mit einem Stück Kreide ein großes Kreuz auf das Tor. Dann ging sie nach Hause und legte sich hin, und der Hund kam auch wieder mit der Prinzessin; aber als er sah, dass da ein Kreuz auf das Tor gemalt war, wo der Soldat wohnte, nahm er auch ein Stück Kreide und setzte Kreuze auf alle Tore in der ganzen Stadt, und das war klug von ihm, denn nun konnte ja die Hofdame nicht das richtige Tor finden, wo doch auf allen Kreuze waren.
Morgens früh kamen der König und die Königin, die alte Hofdame und alle Offiziere, um zu sehen, wo die Prinzessin gewesen war!
»Da ist es!« sagte der König, als er das erste Tor mit einem Kreuz darauf gesehen hatte.
»Nein, da ist es, mein lieber Gatte!« sagte die Königin, die das zweite Tor mit einem Kreuz sah.
»Aber da ist eins und da ist eins!« sagten alle; wohin sie sahen, waren Kreuze auf den Toren. Da konnten sie also sehen, es konnte nichts nützen, dass sie suchten.
Aber die Königin war nun eine sehr kluge Frau, die mehr konnte als in der Kutsche fahren. Sie nahm sich ihre große goldene Schere, schnitt ein Stück Seidenstoff in Stücke und nähte daraus einen niedlichen kleinen Beutel; den füllte sie dann mit kleinen, feinen Buchweizenkörnchen, band ihn der Prinzessin auf den Rücken, und als das getan war, schnitt sie ein kleines Loch in den Beutel, dass die Körnchen den ganzen Weg herausrieseln konnten, den die Prinzessin entlangkam.
In der Nacht kam nun der Hund wieder, nahm die Prinzessin auf seinen Rücken und lief mit ihr zu dem Soldaten, der sie so gern hatte und so gern ein Prinz gewesen wäre, um sie zur Frau zu nehmen.
Der Hund merkte gar nicht, wie die Körnchen rieselten, vom Schloss her bis zum Fenster des Soldaten, wo er mit der Prinzessin die Mauer hinauflief. Am Morgen sahen der König und die Königin also, wo ihre Tochter gewesen war, und da nahmen sie den Soldaten und warfen ihn ins Gefängnis.
Da saß er. Uh, wie war es da dunkel und langweilig, und dann sagten sie zu ihm: »morgen wirst du aufgehängt.« Das war auch nicht lustig zu hören, und sein Feuerzeug hatte er zu Hause im Gasthof vergessen. Am Morgen konnte er zwischen den Eisenstangen in dem kleinen Fenster sehen, wie die Leute eilig aus der Stadt liefen, um zu sehen, wie er aufgehängt wurde. Er hörte die Trommeln und sah die Soldaten marschieren. Alle Menschen liefen davon; da war auch ein Schusterjunge mit Lederschürze und Pantoffeln, der trabte so im Galopp, dass ihm sein einer Pantoffel wegflog, genau gegen die Mauer, hinter der der Soldat saß und durch die Eisenstangen hinaussah.
»Ei, du Schusterjunge! Du musst dich nicht so abhetzen«, sagte der Soldat zu ihm, »es geht doch nicht los, bevor ich komme! aber willst du nicht dahin laufen, wo ich gewohnt habe, und mir mein Feuerzeug holen, dann sollst du vier Schillinge kriegen, aber nimm die Beine unter den Arm!« Der Schusterjunge wollte gern die vier Schillinge haben und sauste los nach dem Feuerzeug, gab es dem Soldaten, und – ja nun kriegen wir was zu hören!
Draußen vor der Stadt war ein großer Galgen errichtet, ringsum standen die Soldaten und viele hunderttausend Menschen. Der König und die Königin saßen auf einem prächtigen Thron genau gegenüber dem Scharfrichter und dem ganzen Rat.
Der Soldat stand schon oben auf der Leiter, aber als sie ihm den Strick um den Hals schlingen wollten, sagte er, dass man einem Sünder vor seiner Strafe doch immer einen unschuldigen Wunsch erfülle. Er wollte so gerne eine Pfeife Tabak rauchen, es war schließlich die letzte Pfeife, die er in dieser Welt bekam.
Dazu wollte nun der König nicht nein sagen, und so nahm der Soldat sein Feuerzeug und schlug Feuer, eins zwei drei! und da standen alle Hunde, der mit den Augen, so groß wie Teetassen, der mit Augen, so groß wie ein Mühlrad, und der, dessen Augen so groß waren wie der Runde Turm!
»Helft mir jetzt, dass ich nicht aufgehängt werde!« sagte der Soldat, und dann fuhren die Hunde auf die Scharfrichter und den ganzen Rat los, nahmen einen an den Beinen und einen an der Nase, und warfen sie viele Klafter hoch in die Luft, dass sie herabfielen und glatt in Stücke geschlagen wurden.
»Ich will nicht!« sagte der König, aber der größte Hund nahm ihn mitsamt der Königin und warf sie hinter all den anderen her; da kriegten die Soldaten einen Schrecken, und alle Leute riefen: »kleiner Soldat, du sollst unser König sein und die liebliche Prinzessin haben!«
Und dann setzten sie den Soldaten in die königliche Kutsche, und alle drei Hunde tanzten vor ihm her und riefen »Hurra!« und die Jungen pfiffen auf den Fingern und die Soldaten präsentierten das Gewehr. Die Prinzessin kam aus dem Kupferschloss und wurde Königin, und das gefiel ihr sehr! Die Hochzeit dauerte acht Tage, und die Hunde saßen mit am Tisch und machten große Augen.
Es waren in einem Ort zwei Männer, die beide denselben Namen hatten, beide hießen sie Claus, aber der eine besaß vier Pferde und der andere nur ein einziges Pferd; um sie nun voneinander unterscheiden zu können, nannte man den, der vier Pferde hatte, den großen Claus, und den, der nur das eine Pferd hatte, den kleinen Claus. Und nun werden wir hören, wie es den beiden erging, das ist nämlich eine wirkliche Geschichte!
Die ganze Woche lang musste Klein-Claus für Groß-Claus pflügen und ihm sein einziges Pferd leihen; dann half ihm Groß-Claus wieder mit all seinen vieren, aber nur einmal in der Woche, und das war am Sonntag. Hussa! wie knallte Klein-Claus mit seiner Peitsche über alle fünf Pferde, die waren ja nun praktisch seine eigenen, den einen Tag lang. Die Sonne schien so herrlich, und alle Glocken im Kirchturm läuteten zur Kirche, die Leute waren so fein angezogen und gingen mit dem Gesangbuch unterm Arm, um den Pfarrer predigen zu hören, und die sahen Klein-Claus an, der mit seinen fünf Pferden pflügte, und er war so vergnügt, dass er wieder mit der Peitsche knallte und rief: »hü-hott, alle meine Pferde!«
»Das darfst du nicht sagen«, sagte Groß-Claus, »dir gehört ja nur das eine Pferd da!«
Aber als wieder jemand vorbeikam, der in die Kirche ging, vergaß Klein-Claus, dass er das nicht sagen durfte, und rief wieder: »hü-hott, alle meine Pferde!«
»Ja, ich muss dich wirklich bitten, das sein zu lassen!« sagte Groß-Claus, »denn wenn du das noch einmal sagst, dann hau ich dein Pferd vor die Stirn, dass es auf der Stelle tot umfällt, dann ist es aus mit ihm!«
»Ich will es bestimmt nicht wieder sagen!« sagte Klein-Claus, aber als Leute vorbeikamen und ihm einen Gruß zunickten, wurde er so vergnügt, und fand, es sähe doch so flott aus, dass er fünf Pferde hatte, um sein Feld zu pflügen, und da knallte er mit der Peitsche und rief: »hü-hott, alle meine Pferde!«
»Ich werde dir deine Pferde hü-hotten!« sagte Groß-Claus und nahm die Kettenkeule und haute Klein-Clausens einziges Pferd vor die Stirn, dass es umfiel und ganz tot war.
»Ach, nun hab ich gar kein Pferd mehr!« sagte Klein-Claus und fing an zu weinen. Danach häutete er das Pferd, nahm die Haut und ließ sie gut im Winde trocknen, steckte sie dann in einen Beutel, den er huckepack nahm, und ging in die Stadt, um seine Pferdehaut zu verkaufen.
Er hatte einen so langen Weg zu gehen, musste durch einen großen dunklen Wald, und nun wurde das Wetter auch noch furchtbar schlecht; er ging ganz in die Irre, und ehe er auf den rechten Weg zurückfand, war es Abend und viel zu weit bis in die Stadt oder zurück nach Hause, ehe es Nacht wurde.
Nahe am Weg lag da ein großer Bauernhof, die Fensterläden waren geschlossen, aber oben konnte das Licht doch herausscheinen. Da werde ich wohl für die Nacht bleiben dürfen, dachte Klein-Claus und ging hin und klopfte an.
Die Bauersfrau schloss auf, aber als sie hörte, was er wollte, sagte sie, er solle seines Weges gehen, ihr Mann sei nicht zu Hause, und sie lasse keine Fremden ein.
»Na, dann muss ich eben draußen liegen«, sagte Klein-Claus, und die Bauersfrau schloss die Tür vor ihm zu.
Nahebei stand ein großer Heuschober, und zwischen dem und dem Haus war ein kleiner Schuppen gebaut, mit einem flachen Strohdach.
»Da kann ich obenauf liegen!« sagte Klein-Claus, als er das Dach sah, »das ist ja ein wunderbares Bett, der Storch wird wohl nicht herunterfliegen und mich in die Beine beißen.« Denn da stand ein lebendiger Storch oben auf dem Dach, wo er sein Nest hatte.
Nun kroch Klein-Claus auf das Dach des Schuppens, wo er lag und sich hin- und herdrehte, um richtig gut zu liegen. Die hölzernen Fensterläden schlossen oben nicht richtig, und so konnte er geradewegs in die gute Stube blicken.
Da war ein großer Tisch gedeckt mit Wein und Braten und einem köstlichen Fisch, die Bauersfrau und der Kirchendiener saßen zu Tisch und niemand sonst, und sie schenkte ihm ein, und er gabelte den Fisch auf, denn das war etwas nach seinem Geschmack.
»Wer da doch nur etwas abbekommen könnte!« sagte Klein-Claus und reckte den Kopf weiter zum Fenster hinüber. Lieber Gott, was für einen köstlichen Kuchen konnte er da erblicken! Ach ja, das war ein Festmahl!
Nun hörte er, wie einer auf der Landstraße zu dem Haus herangeritten kam, das war der Mann der Bauersfrau, der nach Hause kam.
Das war so ein guter Mann, aber er hatte diese sonderbare Krankheit, dass er den Anblick von Kirchendienern einfach nicht ertragen konnte; kam ihm ein Kirchendiener unter die Augen, dann geriet er ganz außer sich. Darum war es auch so gekommen, dass der Kirchendiener vorbeigekommen war, um seiner Ehefrau guten Tag zu sagen, als er wusste, dass ihr Mann nicht zu Hause war, und die gute Frau setzte all das köstlichste Essen, das sie hatte, ihm vor; als die beiden nun hörten, dass der Mann kam, erschraken sie dermaßen, und die Frau bat den Kirchendiener, in eine große leere Kiste zu kriechen, die hinten in einer Ecke stand; das tat er, weil er ja wusste, dass der arme Mann den Anblick von Kirchendienern nicht ertrug. Die Frau versteckte geschwind all das köstliche Essen und den Wein in ihrem Backofen, denn wenn ihr Mann das gesehen hätte, dann hätte er sicher gefragt, was das bedeuten sollte.
»Ach ja!« seufzte Klein-Claus oben auf dem Schuppen, als er sah, wie all das Essen verschwand.
»Ist da jemand, da oben?« fragte der Bauersmann und lugte zu Klein-Claus hinauf. »Warum liegst du da? komm doch mit herein in die Stube!«
Da erzählte Klein-Claus, wie er sich verlaufen hatte, und bat, die Nacht über bleiben zu dürfen.
»Aber gewiss!« sagte der Bauersmann, »aber nun wollen wir erstmal was zwischen die Zähne kriegen!«
Die Frau empfing sie beide freundlich, deckte einen langen Tisch und gab ihnen einen großen Topf voll Grütze. Der Bauersmann hatte Hunger und aß mit richtigem Appetit, aber Klein-Claus musste die ganze Zeit an den köstlichen Braten denken, an Fisch und Kuchen, die, das wusste er ja, im Ofen standen.
Unter dem Tisch hatte er den Sack mit seiner Pferdehaut neben seine Füße gelegt, denn wir wissen ja, dass es das war, mit dem er von zu Hause weggegangen war, um es in der Stadt verkauft zu kriegen. Die Grütze wollte ihm gar nicht schmecken, und so trat er auf seinen Beutel, und die trockne Haut im Sack knirschte ganz laut.
»Pscht!« sagte Klein-Claus zu seinem Sack, aber gleichzeitig trat er wieder darauf, dass es viel lauter knirschte als zuvor.
»Nein! was hast du denn da in deiner Tasche?« fragte der Bauer wieder.
»Oh, das ist ein Zauberer!« sagte Klein-Claus, »er sagt, wir sollen keine Grütze essen, er hat den ganzen Ofen vollgehext mit Braten und Fisch und Kuchen.«
»Na sowas!« sagte der Bauer und machte geschwind den Ofen auf, wo er all das köstliche Essen sah, das seine Frau versteckt hatte, von dem er aber glaubte, dass es der Zauberer in der Tasche dorthinein gehext hatte. Seine Frau traute sich nichts zu sagen, sondern brachte rasch das Essen auf den Tisch, und dann aßen sie vom Fisch und vom Braten und vom Kuchen. Da trat Klein-Claus wieder auf seine Tasche, dass die Haut knirschte.
»Was sagt er jetzt?« fragte der Bauer.
»Er sagt«, sagte Klein-Claus, »dass er uns auch drei Flaschen Wein hergehext hat, die stehen hinten in der Ecke am Ofen!« Nun musste die Frau den Wein hervorholen, den sie versteckt hatte, und der Bauersmann trank und wurde so lustig; so einen Zauberer, wie Klein-Claus ihn da in seiner Tasche hatte, den wollte er doch furchtbar gerne haben.
»Kann der auch den Teufel herhexen?« fragte der Bauer, »den würd ich doch gern mal sehen, denn jetzt bin ich lustig!«
»Ja«, sagte Klein-Claus, »mein Zauberer kann alles, was ich verlangen will. Stimmt’s nicht, du?« fragte er und trat auf die Tasche, dass es knirschte. »Hörst du, dass er ja sagt? Aber der Teufel sieht so grausig aus, dass es nicht lohnt, ihn zu sehen!«
»Oh, ich bin kein bisschen bange, wie kann er denn wohl aussehen?«
»Ja, er wird auftreten wie ein leibhaftiger Kirchendiener!«
»Uh!« sagte der Bauer, »das ist grässlich! Ihr müsst wissen, ich halte es nicht aus, Kirchendiener zu sehen! aber das ist mir jetzt eins, ich weiß ja, es ist der Teufel, so werde ich mich wohl besser damit abfinden! Jetzt hab ich Courage! aber er darf mir nicht zu nahe kommen.«
»Da muss ich gleich meinen Zauberer fragen«, sagte Klein-Claus, trat auf die Tasche und neigte sein Ohr.
»Was sagt er?«
»Er sagt, ihr könnt hingehen und die Kiste aufmachen, die da in der Ecke steht, dann seht ihr den Teufel, wie er da hockt, aber ihr müsst den Deckel festhalten, dass er nicht entwischt.«
»Wollt ihr mir helfen, das hier festzuhalten!« sagte der Bauer und ging zu der Kiste, in der seine Frau den wirklichen Kirchendiener versteckt hatte, der saß da und war bange.
Der Bauer hob den Deckel etwas an und lugte hinein: »uh!« schrie er und sprang zurück. »Ja, jetzt hab ich ihn gesehen, er sah genauso aus wie unser Kirchendiener! nein, war das grässlich!«
Darauf musste getrunken werden, und so tranken sie bis tief in die Nacht hinein.
»Den Zauberer da musst du mir verkaufen«, sagte der Bauer, »du kannst verlangen, was du willst! ja, ich geb dir gleich einen ganzen Scheffel Geld!«
»Nein, das kann ich nicht!« sagte Klein-Claus, »denk doch, was mir dieser Zauberer alles einbringen kann!«
»Ach, ich würde ihn nur so furchtbar gern haben«, sagte der Bauer und bettelte weiter.
»Ja«, sagte Klein-Claus zuletzt, »weil du so gut gewesen bist, mir heute Nacht Unterkunft zu geben, da soll es mir recht sein, du magst den Zauberer für einen Scheffel Geld kriegen, aber ich will den Scheffel gestrichen voll.«
»Das sollst du kriegen«, sagte der Bauer, »aber die Kiste dahinten musst du mitnehmen, die will ich keine Stunde länger im Haus haben, man kann nie wissen, ob er nicht immer noch drin sitzt.«
Klein-Claus gab dem Bauer seinen Sack mit der trockenen Haut darin und kriegte einen ganzen Scheffel Geld, gestrichen voll, dafür. Der Bauersmann schenkte ihm außerdem eine große Schubkarre, um das Geld und die Kiste damit zu befördern.
»Lebwohl!« sagte Klein-Claus, und dann schob er ab mit seinem Geld und der großen Kiste, in der noch immer der Kirchendiener saß.
Auf der anderen Seite des Waldes war ein großer tiefer Bach, das Wasser darin floss so kräftig, dass man kaum gegen die Strömung schwimmen konnte; man hatte eine große neue Brücke darübergebaut, mitten darauf blieb Klein-Claus stehen und sagte ganz laut, dass der Kirchendiener in der Kiste es hören konnte:
»Nein, was mach ich nur mit dieser dummen Kiste? die ist so schwer, als wären Steine darin! es macht mich zu müde, sie noch weiter zu fahren, ich will sie lieber in den Bach werfen, schwimmt sie dann bis zu mir nach Hause, ist es gut, und tut sie das nicht, soll es mir auch recht sein.«
Nun packte er die Kiste mit der einen Hand und hob sie etwas an, gerade als ob er sie ins Wasser stürzen wollte.
»Nein, lass das!« rief der Kirchendiener drinnen in der Kiste, »lass mich nur heraus!«
»Uh!« sagte Klein-Claus, und tat als bekäme er es mit der Angst. »Er sitzt noch immer drin! da muss ich ihn geschwind in den Bach befördern, damit er ertrinken kann!«
»O nein, o nein!« rief der Kirchendiener, »ich gebe dir einen ganzen Scheffel Geld, wenn du das lässt!«
»Ja na das ist etwas anderes!« sagte Klein-Claus und machte die Kiste auf. Der Kirchendiener kroch eilig heraus und stieß die leere Kiste ins Wasser, und dann ging er zu seinem Haus, wo Klein-Claus einen ganzen Scheffel Geld bekam, einen hatte er ja schon vorher vom Bauersmann gekriegt, jetzt hatte er da eine ganze Schubkarre voller Geld!
»Sieh mal an, dieses Pferd hab ich doch ganz anständig bezahlt gekriegt!« sagte er zu sich selbst, als er nach Hause in seine eigene Stube kam und das ganze Geld auf einen großen Haufen auf den Zimmerboden ausschüttete. »Das wird Groß-Claus aber ärgern, wenn er erfährt, wie reich ich geworden bin mit meinem einen Pferd, aber ich will es ihm doch nicht so geradeheraus sagen!«
Nun schickte er einen Burschen zu Groß-Claus hinüber, um ein Scheffelmaß zu leihen.
»Was er wohl damit will!« dachte Groß-Claus und schmierte Teer unter den Boden, damit etwas von dem, was gemessen wurde, hängenbleiben konnte, und das tat es denn auch, denn als er den Scheffel zurückbekam, hingen drei neue Achtschilling-Silberstücke darunter.
»Na sowas?« sagte der große Claus und lief gleich zum kleinen hinüber: »Wo hast du denn all das viele Geld her?«
»O das ist für meine Pferdehaut, ich hab sie gestern Abend verkauft!«
»Das nenne ich aber gut bezahlt!« sagte Groß-Claus, lief geschwind nach Hause, nahm eine Axt und haute alle seine vier Pferde vor die Stirn, zog ihnen die Haut ab und fuhr damit in die Stadt.
»Häute! Häute! wer will Häute kaufen!« rief er in allen Gassen.
Alle Schuhmacher und Gerber liefen herbei und fragten, was er dafür haben wollte.
»Einen Scheffel Geld für jede«, sagte Groß-Claus.
»Bist du wahnsinnig?« sagten sie allesamt, »glaubst du, wir haben das Geld scheffelweise?«
»Häute! Häute! wer will Häute kaufen«, rief er wieder, aber allen, die fragten, was die Häute kosten sollten, gab er zur Antwort: »einen Scheffel Geld«.
»Er will uns zum Narren halten«, sagten sie allesamt, und dann nahmen die Schuhmacher ihre Spannrahmen und die Gerber ihre Lederschürzen, und dann begannen sie auf Groß-Claus einzuprügeln.
»Häute! Häute!« äfften sie ihn nach, »ja dir werden wir eine Haut verpassen, die rote Ferkel spuckt! aus der Stadt mit ihm!« riefen sie, und Groß-Claus musste sich davonmachen so schnell er konnte, so war er noch nie verprügelt worden.
»Na!« sagte er, als er nach Hause kam, »das werd ich Klein-Claus heimzahlen, dafür schlag ich ihn tot!«
Aber zu Hause bei Klein-Claus war die alte Großmutter gestorben; sie war zwar so schlimm und gemein zu ihm gewesen, aber er war doch ganz betrübt und nahm die tote Frau und legte sie in sein warmes Bett, ob nicht vielleicht wieder Leben in sie käme; da sollte sie die ganze Nacht liegen, selber wollte er hinten in der Ecke sitzen und auf einem Stuhl schlafen, das hatte er schon früher getan.
Wie er da nun so saß bei Nacht, ging die Türe auf und Groß-Claus kam herein mit seiner Axt; er wusste wohl, wo Klein-Clausens Bett war, ging gerade darauf zu und haute der toten Großmutter vor die Stirn, weil er glaubte, es wäre Klein-Claus.
»Da hast du’s!« sagte er, »nun sollst du mich nicht mehr hereinlegen!« und dann ging er wieder heim.
»Das ist doch ein schlimmer böser Mann!« sagte Klein-Claus, »da wollte er mich totschlagen, das war doch ein Glück für das alte Mütterchen, dass sie schon vorher tot war, sonst hätte er ihr das Leben genommen!«
Nun zog er der alten Großmutter die Sonntagskleider an, lieh vom Nachbarn ein Pferd, spannte den Wagen vor und setzte die alte Großmutter auf den Rücksitz hinauf, so dass sie nicht herausfallen konnte, wenn er losfuhr, und dann rollten sie durch den Wald davon; als die Sonne aufging, waren sie vor einem großen Gasthaus, da hielt Klein-Claus an und ging hinein, um etwas zwischen die Zähne zu kriegen.
Der Gastwirt hatte so viel, viel Geld, und er war auch ein sehr guter Mann, aber hitzköpfig, als wären Pfeffer und Tabak in ihm.
»Guten Morgen!« sagte er zu Klein-Claus, »du bist heute aber früh in die Festtagskleider gekommen!«
»Ja«, sagte Klein-Claus, »ich muss mit meiner alten Großmutter in die Stadt, sie sitzt da draußen auf dem Wagen, ich kriege sie einfach nicht in die Gaststube. Wollt Ihr nicht ein Glas Met zu ihr hinausbringen, aber Ihr müsst laut sprechen, sie hört nicht mehr gut.«
»Ja, das will ich tun!« sagte der Gastwirt und füllte ein großes Glas Met, das er zu der alten Großmutter hinausbrachte, die oben auf dem Wagen hingesetzt war.
»Hier ist ein Glas Met von Ihrem Herrn Sohn!« sagte der Wirt, aber die tote Frau sagte kein Wort, sondern saß ganz still da! –
»Hört Ihr nicht!« rief der Wirt so laut er konnte, »hier ist ein Glas Met von Ihrem Herrn Sohn!«
Noch einmal rief er dasselbe und dann noch einmal, aber da sie sich einfach nicht von der Stelle rührte, wurde er wütend und warf ihr das Glas gerade ins Gesicht, dass ihr das Met über die Nase herunterlief und sie rückwärts in den Wagen fiel, denn sie war nur hingesetzt und nicht festgebunden.
»Na was denn!« rief Klein-Claus, sprang aus der Tür und packte den Wirt an der Brust! »da hast du meine Großmutter totgeschlagen! Willst du gefälligst hinsehen, da ist ein großes Loch in ihrer Stirn!«
»O was für ein Unglück!« rief der Wirt und schlug die Hände zusammen! »das kommt nur davon, dass ich so ein Hitzkopf bin! Lieber kleiner Claus, ich will dir einen ganzen Scheffel Geld geben und deine Großmutter beerdigen lassen, als wäre es meine eigene, aber schweig nur still, sonst hauen sie mir den Kopf ab, und das ist so ekelhaft!«
So kriegte Klein-Claus einen ganzen Scheffel Geld, und der Wirt beerdigte die alte Großmutter, als wäre es seine eigene.
Als nun Klein-Claus mit dem ganzen Geld wieder nach Hause kam, schickte er gleich seinen Jungen hinüber zu Groß-Claus, um ihn zu fragen, ob er nicht ein Scheffelmaß ausleihen könnte.
»Ob ich was?« sagte Groß-Claus, »hab ich ihn nicht totgeschlagen? Da muss ich doch selber nachsehen«, und dann ging er selbst mit dem Scheffel zu Klein-Claus.
»Nein, wo hast du nur das ganze Geld her?« fragte er, und er riss richtig die Augen auf, als er sah, wieviel dazugekommen war. –
»Das war meine Großmutter und nicht ich, die du totgeschlagen hast!« sagte Klein-Claus, »die hab ich nun verkauft und einen Scheffel Geld dafür gekriegt!«
»Das ist allerdings gut bezahlt!« sagte Groß-Claus und lief eilig nach Hause, nahm eine Axt und schlug gleich seine alte Großmutter tot, legte sie oben auf den Wagen, fuhr in die Stadt, wo der Apotheker wohnte, und fragte, ob er einen toten Menschen kaufen wollte.
»Wer ist es, und wo habt Ihr ihn her?« fragte der Apotheker.
»Es ist meine Großmutter!« sagte Groß-Claus, »ich hab sie erschlagen, für einen Scheffel Geld!«
»Gott steh uns bei!« sagte der Apotheker. »Ihr redet euch um Kopf und Kragen! sagt doch nur nicht sowas, sonst könnt ihr noch den Kopf verlieren!« – Und nun sagte er ihm ganz richtig, was das für eine furchtbar böse Sache wäre, die er getan hätte, und was für ein schlechter Mensch er wäre, und dass er Strafe verdient hätte; da bekam Groß-Claus einen solchen Schrecken, dass er geradewegs aus der Apotheke in den Wagen sprang, die Pferde peitschte und nach Hause fuhr, aber der Apotheker und alle Leute glaubten, er sei wahnsinnig, und ließen ihn deshalb fahren, wohin er wollte.
»Das werd ich dir heimzahlen!« sagte Groß-Claus, als er draußen auf der Landstraße war! »ja das werd ich dir heimzahlen, Klein-Claus!« und dann nahm er, sobald er zu Hause angekommen war, den größten Sack, den er finden konnte, ging zu Klein-Claus hinüber und sagte: »nun hast du mich wieder hereingelegt! erst hab ich meine Pferde totgeschlagen, dann meine alte Großmutter! Das ist alles deine Schuld, aber mich sollst du nie wieder hereinlegen«, und dann packte er Klein-Claus bei den Hüften und steckte ihn in seinen Sack, nahm ihn huckepack und rief ihm zu: »Nun gehe ich hin und ersäufe dich!«
Es war eine lange Wegstrecke bis zum Bach, und Klein-Claus war nicht so leicht zu tragen. Der Weg führte direkt an der Kirche vorbei, die Orgel spielte und alle Leute sangen da drinnen so schön; da setzte Groß-Claus seinen Sack mit Klein-Claus bei der Kirchentüre ab und dachte, es wäre vielleicht ganz gut, hineinzugehen und erst einen Psalm zu hören, bevor er weiterging: Klein-Claus konnte ja nicht entwischen, und alle Leute waren in der Kirche; so ging er also hinein.
»Ach ja! ach ja!« seufzte Klein-Claus in dem Sack; er drehte sich und wendete sich, aber es gelang ihm nicht, das Band zu lösen; im gleichen Augenblick kam da ein alter, alter Viehtreiber des Wegs, mit kreideweißen Haaren und einem großen Krückstock in der Hand; er trieb eine ganze Trift von Kühen und Stieren vor sich her, die stießen gegen den Sack, in dem Klein-Claus saß, und er fiel um.
»Ach ja!« seufzte Klein-Claus, »ich bin noch so jung und soll schon in den Himmel kommen!«
»Und ich armer Mann!« sagte der Viehtreiber, »bin so alt und komme noch immer nicht dahin!«
»Bind den Sack auf!« rief Klein-Claus, »kriech an meiner Stelle hinein, dann kommst du gleich in den Himmel!«
»Ja das würde ich gar zu gern«, sagte der Viehtreiber und löste das Band von Klein-Claus, und der sprang gleich heraus.
»Würdest du bitte das Vieh hüten«, sagte der alte Mann und kroch nun selber in den Sack, den Klein-Claus zuband, und dann ging er seines Weges mit allen Kühen und Stieren.
Wenig später kam Groß-Claus aus der Kirche, er nahm seinen Sack wieder huckepack, fand allerdings, er sei so leicht geworden, denn der alte Viehtreiber war nicht einmal halb so schwer wie Klein-Claus! »wie ist er nun leicht zu tragen! ja das kommt daher, dass ich einen Psalm angehört habe!« und dann ging er zum Bach hinunter, der war tief und breit, warf den Sack mit dem alten Viehtreiber ins Wasser und rief ihm nach, denn er glaubte ja, es wäre Klein-Claus: »Da hast du’s! mich wirst du nun nicht mehr hereinlegen!«
Dann ging er heimwärts, aber als er an die Stelle kam, wo die Wege sich kreuzen, traf er auf Klein-Claus, der daherzog mit all seinem Vieh.
»Was ist das denn!« sagte Groß-Claus, »hab ich dich nicht ersäuft?«
»Doch!« sagte Klein-Claus, »du hast mich ja vor knapp einer halben Stunde in den Bach geworfen!«
»Aber wo hast du all das herrliche Vieh her?« fragte Groß-Claus.
»Das ist Seevieh!« sagte Klein-Claus, »ich will dir die ganze Geschichte erzählen, und danke auch, dass du mich ersäuft hast, jetzt bin ich obenauf, so richtig wirklich reich, das kannst du glauben! – Ich war so bang, als ich da im Sack lag, und der Wind pfiff mir um die Ohren, als du mich von der Brücke in das kalte Wasser warfst. Ich sank sofort zu Boden, aber ich habe mich nicht gestoßen, denn da unten wächst das schönste weichste Gras. Darauf bin ich gefallen, und gleich wurde der Sack geöffnet, und die schönste Jungfrau, in kreideweißen Kleidern und mit einem grünen Kranz in den nassen Haaren, nahm mich bei der Hand und sagte: ›Bist du nicht Klein-Claus? da hast du fürs erste ein bisschen Vieh! eine Meile weiter den Weg hinauf steht noch eine ganze Trift, die will ich dir schenken!‹ – Nun sah ich erst, dass der Bach eine große Landstraße für die Meerleute ist. Unten am Grunde gingen und fuhren sie geradewegs von der See landeinwärts, bis dahin, wo der Bach endet. Da war es so wunderschön mit Blumen und dem frischesten Gras und Fischen, die im Wasser schwammen, die huschten mir um die Ohren, gerade wie die Vögel in der Luft. Was für schöne Menschen da waren und was für Viehzeug an den Gräben und Zäunen!« –
»Aber warum bist du dann gleich wieder hier oben bei uns«, fragte Groß-Claus. »Das hätte ich nicht getan, wenn es da unten so niedlich ist!«
»Ja«, sagte Klein-Claus, »das hab ich ja gerade so schlau angestellt! Du hörst ja, dass ich dir sagte: das Meerfräulein hätte gesagt, eine Meile weiter oben am Weg – und mit Weg meint sie ja den Bach, denn anderswo kommt sie doch gar nicht hin – stünde noch eine ganze Trift Vieh für mich. Aber ich weiß ja wie der Bach in Bögen verläuft, bald hierhin, bald dorthin, das ist ja ein ganzer Umweg, nein da hat man es kürzer, sofern man es kann, wenn man hier aufs Land heraufkommt und quer hinüber wieder in den Bach hinuntertreibt, da spare ich ja fast eine halbe Meile und komme schneller zu meinem Meervieh!«
»O du bist ein glücklicher Mann!« sagte Groß-Claus, »glaubst du, ich kriege auch Meervieh, wenn ich auf den Bachgrund komme?«
»Ja, das würde ich doch meinen«, sagte Klein-Claus, »aber ich kann dich nun nicht im Sack zum Bach tragen, du bist mir zu schwer, willst du vielleicht selber hingehen und dann in den Sack kriechen, dann werde ich dich mit dem größten Vergnügen hineinwerfen.«
»Das wäre zu freundlich!« sagte Groß-Claus, »aber sollte ich kein Meervieh kriegen, wenn ich unten bin, dann prügle ich dich grün und blau, das kannst du mir glauben!«
»O nein! red nicht so schlimm!« und dann gingen sie zum Bach. Als das Vieh, das Durst hatte, das Wasser sah, liefen sie so schnell sie konnten, um trinken zu können.
»Sieh nur, wie sie sich beeilen!« sagte Klein-Claus; »die können es gar nicht abwarten, wieder auf den Grund zu kommen!«
»Ja, aber hilf nun erstmal mir!« sagte Groß-Claus, »denn sonst kriegst du Prügel!« und dann kroch er in den großen Sack, der einem der Stiere quer auf dem Rücken gelegen hatte. »Leg noch einen Stein dazu, sonst fürchte ich, dass ich gar nicht versinke«, sagte Groß-Claus.
»Das wird schon gehen!« sagte Klein-Claus, legte aber doch noch einen großen Stein in den Sack, band ihn fest zu und stieß dann dagegen: Plumps! da lag Groß-Claus im Bach und sank gleich zugrunde.
»Ich fürchte, er wird kein Viehzeug finden!« sagte Klein-Claus, und dann trieb er, was er hatte, nach Hause.
Es war einmal ein Prinz; er wollte sich eine Prinzessin suchen, aber es sollte eine richtige Prinzessin sein. So reiste er um die ganze Welt, um so eine zu finden, aber etwas fehlte immer, Prinzessinnen gab es genug, aber ob es richtige Prinzessinnen waren, das konnte er nie so recht herausbekommen, immer gab es etwas, das nicht so ganz stimmte. So kam er also wieder nach Hause und war so betrübt, weil er so gerne eine wirkliche Prinzessin wollte.
Eines Abends nun wurde das Wetter ganz furchtbar; es blitzte und donnerte, der Regen goss in Strömen, es war entsetzlich! Da klopfte es ans Stadttor, und der alte König ging hin, um aufzumachen.
Es war eine Prinzessin, die draußen stand. Aber du lieber Gott, wie sah sie aus vor lauter Regen und bösem Wetter! Das Wasser lief ihr aus den Haaren und Kleidern, und es lief zu den Schuhspitzen hinein und zu den Fersen wieder heraus, und dann sagte sie, dass sie eine wirkliche Prinzessin sei.
»Ja, das werden wir noch herausbekommen!« dachte die alte Königin, aber sie sagte nichts, ging in die Schlafkammer, nahm alle Bettdecken ab und legte eine Erbse auf den Boden des Bettes, daraufhin nahm sie zwanzig Matratzen, legte sie auf die Erbse, und dann noch zwanzig Kissen voller Eiderdaunen oben auf die Matratzen.
Da sollte die Prinzessin in der Nacht liegen.
Am Morgen fragten sie alle, wie sie geschlafen habe.
»O entsetzlich schlecht!« sagte die Prinzessin. »Ich habe die ganze Nacht fast kein Auge zugetan! Gott weiß, was da im Bett gewesen ist? Ich habe auf etwas Hartem gelegen, und jetzt bin ich am ganzen Körper grün und blau! Es ist ganz entsetzlich!«
Da konnten sie sehen, dass sie eine richtige Prinzessin war, da sie doch durch die zwanzig Matratzen und die zwanzig Eiderdaunenkissen die Erbse gespürt hatte. So dünnhäutig konnte niemand anders sein als nur eine wirkliche Prinzessin.
Da nahm sie der Prinz zur Frau, denn nun wusste er, dass er eine richtige Prinzessin hatte, und die Erbse kam in die Kunstkammer, wo sie noch heute zu sehen ist, wenn niemand sie weggenommen hat.
Seht ihr, das war eine richtige Geschichte!
Es war einmal eine Frau, die wollte so gerne ein kleines Kind haben, aber sie hatte keine Ahnung, woher sie eins bekommen könnte; also ging sie zu einer alten Hexe und sagte zu ihr: »Ich möchte so inständig gerne ein kleines Kind haben, willst du mir nicht sagen, wo ich eins herbekomme?«
»Ja, das werden wir schon hinbekommen!« sagte die Hexe. »Da hast du ein Weizenkorn, das ist keins von der Sorte, wie sie auf dem Feld des Bauern wachsen oder wie die Hühner sie hingestreut kriegen, leg das in einen Blumentopf, dann wirst du was zu sehen kriegen!«
»Schönen Dank auch!« sagte die Frau und gab der Hexe zwölf Schillinge, ging dann nach Hause, pflanzte das Weizenkorn, und gleich wuchs eine große wunderschöne Blume daraus hervor, die sah genauso aus wie eine Tulpe, aber die Blätter schlossen sich dicht zusammen, so als wären sie noch immer eine Knospe.
»Das ist eine niedliche Blume!« sagte die Frau und küsste sie auf die schönen roten und gelben Blätter; aber just indem sie die küsste, machte die Blüte einen großen Knall und öffnete sich. Es war wirklich eine Tulpe, konnte man sehen, aber mitten in der Blüte, auf dem grünen Stühlchen, saß da ein winzig kleines Mädchen, so fein und lieblich, sie war kaum einen Daumen lang, und darum wurde sie Däumelinchen genannt.
Eine hübsch lackierte Walnussschale bekam sie als Wiege, blaue Veilchenblätter waren ihre Matratzen, und ein Rosenblatt wurde ihre Bettdecke; da schlief sie in der Nacht, aber am Tag spielte sie auf dem Tisch, auf den die Frau einen Teller gesetzt hatte, um den sie einen ganzen Blumenkranz gelegt hatte, dessen Stiele im Wasser steckten; darauf schwamm ein großes Tulpenblatt, und auf dem musste Däumelinchen sitzen und segeln, von der einen Seite des Tellers zur anderen; sie hatte zwei weiße Pferdehaare zum Rudern. Das sah nun ganz wunderschön aus. Sie konnte auch singen, o so fein und niedlich, wie man es hier niemals gehört hatte. –
Eines Nachts, sie lag in ihrem schönen Bett, kam da eine hässliche Kröte zum Fenster hereingehüpft; da war eine Scheibe zerbrochen. Die Kröte war so ekelhaft, groß und nass, die hüpfte geradewegs auf den Tisch, wo Däumelinchen lag und schlief, unter dem roten Rosenblatt.
»Das wäre eine prima Frau für meinen Sohn!« sagte die Kröte, und dann packte sie die Walnussschale, in der Däumelinchen schlief, und hüpfte mit ihr fort, durch die kaputte Scheibe hinaus in den Garten.
Da floss ein großer, breiter Bach; aber gleich am Ufer war es sumpfig und morastig; hier wohnte die Kröte mit ihrem Sohn. Uh! er war auch ganz eklig und hässlich, er ging ganz nach seiner Mutter; »koax, koax, brekke-ke-kex!« das war alles, was er sagen konnte, als er das niedliche kleine Mädchen in der Walnussschale sah.
»Red nicht so laut, sonst wacht sie auf!« sagte die alte Kröte, »sie kann uns noch weglaufen, denn sie ist so leicht wie eine Schwanendaune! wir wollen sie in den Bach auf eines der großen Seerosenblätter setzen, das ist für sie wie eine Insel, so leicht und klein wie sie ist! da kann sie nicht weglaufen, während wir die gute Stube herrichten, unterm Modder, wo ihr euch einrichten und wohnen sollt!«
Draußen im Bach wuchsen so viele Seerosen mit den großen grünen Blättern, die aussehen, als ob sie oben auf dem Wasser schwimmen; das Blatt, das am weitesten draußen lag, war auch das allergrößte; dahin schwamm die alte Kröte und setzte die Walnussschale mit Däumelinchen darauf.
Der arme kleine Winzling erwachte ganz früh am Morgen, und als sie sah, wo sie war, fing sie so bitterlich zu weinen an, denn da war Wasser auf allen Seiten des großen grünen Blattes, sie konnte überhaupt nicht an Land kommen.
Die alte Kröte saß tief im Modder und schmückte ihre gute Stube mit Schilf und gelben Wasserröschen, – es sollte doch richtig nett aussehen für die neue Schwiegertochter –, dann schwamm sie mit ihrem hässlichen Sohn zu dem Blatt, auf dem Däumelinchen saß, sie wollten ihr hübsches Bett holen, das sollte ins Hochzeitszimmer gesetzt werden, bevor sie selber kam. Die alte Kröte verbeugte sich so tief im Wasser vor ihr und sagte: »darf ich dir meinen Sohn vorstellen, der soll dein Mann sein, und ihr werdet so schön zusammen wohnen, unten im Modder!«
»Koax, koax! brekke-ke-kex!« das war alles, was der Sohn sagen konnte.