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Dieses eBook: "Reigen" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Reigen ist ein Bühnenstück von Arthur Schnitzler. Die Uraufführung fand am 23. Dezember 1920 am Kleinen Schauspielhaus in Berlin statt und war einer der größten Theaterskandale des 20. Jahrhunderts. Zur Inhalt: Zehn Personen begegnen einander in Paaren, sie führen zehn Dialoge und jedes Mal findet das Paar dabei zu sexueller Vereinigung. Als Strukturprinzip verwendet Schnitzler die Tanzform des Reigens, indem eine Figur immer die Hand einer neuen Figur für die nächsten Szene reicht. Schnitzler beschreibt aber nur die Situationen vor und nach dem Koitus, der Geschlechtsverkehr selbst wird nicht gezeigt, er ist im Text mit Gedankenstrichen nur angedeutet. Nach jeder Szene wird ein Partner ausgetauscht und dabei die gesellschaftliche Leiter erstiegen, von Dirne, Soldat und Stubenmädchen über junger Herr, Ehefrau, Ehemann und süßes Mädel bis zum Dichter, der Schauspielerin und dem Grafen, der am Schluss wieder mit der Dirne zusammentrifft und so den "Reigen" schließt. Arthur Schnitzler (1862-1931) war ein österreichischer Erzähler und Dramatiker. Er gilt als einer der bedeutendsten Vertreter der Wiener Moderne und Kritiker der österreichisch-ungarischen K.u.k.-Gesellschaft und ihrer Entwicklung um die Jahrhundertwende.
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Seitenzahl: 99
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Zehn Dialoge (Ein erotisches Schauspiel)
Inhaltsverzeichnis
Die Dirne Der Soldat Das Stubenmädchen Der junge Herr Die junge Frau Der Ehegatte Das süße Mädel
Inhaltsverzeichnis
Spät abends. An der Augartenbrücke.
Soldatkommt pfeifend, will nach Hause.
Dirne Komm, mein schöner Engel.
Soldatwendet sich um und geht wieder weiter.
Dirne Willst du nicht mit mir kommen?
Soldat Ah, ich bin der schöne Engel?
Dirne Freilich, wer denn? Geh, komm zu mir. Ich wohn' gleich in der Näh'.
Soldat Ich hab' keine Zeit. Ich muß in die Kasern'!
Dirne In die Kasern' kommst immer noch zurecht. Bei mir is besser.
Soldatihr nahe Das ist schon möglich.
Dirne Pst. Jeden Moment kann ein Wachmann kommen.
Soldat Lächerlich! Wachmann! Ich hab' auch mein Seiteng'wehr!
Dirne Geh, komm mit.
Soldat Laß mich in Ruh'. Geld hab' ich eh keins.
Dirne Ich brauch' kein Geld.
Soldatbleibt stehen. Sie sind bei einer Laterne Du brauchst kein Geld? Wer bist denn du nachher?
Dirne Zahlen tun mir die Zivilisten. So einer wie du kann's immer umsonst bei mir haben.
Soldat Du bist am End' die, von der mir der Huber erzählt hat. –
Dirne Ich kenn' kein' Huber nicht.
Soldat Du wirst schon die sein. Weißt – in dem Kaffeehaus in der Schiffgassen – von dort ist er mit dir z' Haus 'gangen.
Dirne Von dem Kaffeehaus bin ich schon mit gar vielen z' Haus 'gangen... oh! oh! –
Soldat Also gehn wir, gehn wir.
Dirne Was, jetzt hast's eilig?
Soldat Na, worauf soll'n wir noch warten? Und um zehn muß ich in der Kasern' sein.
Dirne Wie lang dienst denn schon?
Soldat Was geht denn das dich an? Wohnst weit?
Dirne Zehn Minuten zum gehn.
Soldat Das ist mir zu weit. Gib mir ein Pussel.
Dirneküßt ihn Das ist mir eh das liebste, wenn ich einen gern hab'!
Soldat Mir nicht. Nein, ich geh' nicht mit dir, es ist mir zu weit.
Dirne Weißt was, komm morgen am Nachmittag.
Soldat Gut is. Gib mir deine Adresse.
Dirne Aber du kommst am End' nicht.
Soldat Wenn ich dir's sag'!
Dirne Du, weißt was – wenn's dir zu weit ist heut abend zu mir – da... da... Weist auf die Donau.
Soldat Was ist das?
Dirne Da ist auch schön ruhig... Jetzt kommt kein Mensch.
Soldat Ah, das ist nicht das Rechte.
Dirne Bei mir is immer das Rechte. Geh, bleib jetzt bei mir. Wer weiß, ob wir morgen noch 's Leben haben.
Soldat So komm – aber g'schwind!
Dirne Gib Obacht, da ist so dunkel. Wennst ausrutschst, liegst in der Donau.
Soldat Wär' eh das beste.
Dirne Pst, so wart nur ein bissel. Gleich kommen wir zu einer Bank.
Soldat Kennst dich da gut aus.
Dirne So einen wie dich möcht' ich zum Geliebten.
Soldat Ich tät' dir zu viel eifern.
Dirne Das möcht' ich dir schon abgewöhnen.
Soldat Ha –
Dirne Nicht so laut. Manchmal is doch, daß sich ein Wachter her verirrt. Sollt man glauben, daß wir da mitten in der Wienerstadt sind?
Soldat Daher komm, daher.
Dirne Aber was fällt dir denn ein, wenn wir da ausrutschen, liegen wir im Wasser unten.
Soldathat sie gepackt Ah, du –
Dirne Halt dich nur fest an.
Soldat Hab kein' Angst...
Dirne Auf der Bank wär's schon besser gewesen.
Soldat Da oder da... Na, krall aufi.
Dirne Was laufst denn so –
Soldat Ich muß in die Kasern', ich komm' eh schon zu spät.
Dirne Geh, du, wie heißt denn?
Soldat Was interessiert dich denn das, wie ich heiß'?
Dirne Ich heiß' Leocadia.
Soldat Ha! – So an' Namen hab' ich auch noch nie gehört.
Dirne Du!
Soldat Na, was willst denn?
Dirne Geh, ein Sechserl für'n Hausmeister gib mir wenigstens! –
Soldat Ha!... Glaubst, ich bin deine Wurzen... Servus! Leocadia...
Dirne Strizzi! Fallott! –
Er ist verschwunden.
Inhaltsverzeichnis
Prater. Sonntagabend.
Ein Weg, der vom Wurstelprater aus in die dunkeln Alleen führt. Hier hört man noch die wirre Musik aus dem Wurstelprater; auch die Klänge vom Fünfkreuzertanz, eine ordinäre Polka, von Bläsern gespielt.
Der Soldat. Das Stubenmädchen.
Stubenmädchen Jetzt sagen S' mir aber, warum S' durchaus schon haben fortgehen müssen.
Soldatlacht verlegen, dumm.
Stubenmädchen Es ist doch so schön gewesen. Ich tanz' so gern.
Soldatfaßt sie um die Taille.
Stubenmädchenläßt's geschehen Jetzt tanzen wir ja nimmer. Warum halten S' mich so fest?
Soldat Wie heißen S'? Kathi?
Stubenmädchen Ihnen ist immer eine Kathi im Kopf.
Soldat Ich weiß, ich weiß schon... Marie.
Stubenmädchen Sie, da ist aber dunkel. Ich krieg' so eine Angst.
Soldat Wenn ich bei Ihnen bin, brauchen S' Ihnen nicht zu fürchten. Gott sei Dank, mir sein mir!
Stubenmädchen Aber wohin kommen wir denn da? Da ist ja kein Mensch mehr. Kommen S', gehn wir zurück! – Und so dunkel!
Soldatzieht an seiner Virginierzigarre, daß das rote Ende leuchtet 's wird schon lichter! Haha! Oh, du Schatzerl!
Stubenmädchen Ah, was machen S' denn? Wenn ich das gewußt hätt'!
Soldat Also der Teufel soll mich holen, wenn eine heut beim Swoboda mollerter gewesen ist als Sie, Fräul'n Marie.
Stubenmädchen Haben S' denn bei allen so probiert?
Soldat Was man so merkt, beim Tanzen. Da merkt man gar viel! Ha!
Stubenmädchen Aber mit der blonden mit dem schiefen Gesicht haben S' doch mehr 'tanzt als mit mir.
Soldat Das ist eine alte Bekannte von einem meinigen Freund.
Stubenmädchen Von dem Korporal mit dem aufdrehten Schnurrbart?
Soldat Ah nein, das ist der Zivilist gewesen, wissen S', der im Anfang am Tisch mit mir g'sessen ist, der so heis'rig red't.
Stubenmädchen Ah, ich weiß schon. Das ist ein kecker Mensch.
Soldat Hat er Ihnen was 'tan? Dem möcht' ich's zeigen! Was hat er Ihnen 'tan?
Stubenmädchen O nichts – ich hab nur gesehn, wie er mit die andern ist.
Soldat Sagen S', Fräulein Marie...
Stubenmädchen Sie werden mich verbrennen mit Ihrer Zigarrn.
Soldat Pahdon! – Fräul'n Marie. Sagen wir uns Du.
Stubenmädchen Wir sein noch nicht so gute Bekannte. –
Soldat Es können sich gar viele nicht leiden und sagen doch Du zueinander.
Stubenmädchen 's nächstemal, wenn wir... Aber, Herr Franz –
Soldat Sie haben sich meinen Namen g'merkt?
Stubenmädchen Aber, Herr Franz...
Soldat Sagen S' Franz, Fräulein Marie.
Stubenmädchen So sein S' nicht so keck – aber pst, wenn wer kommen tät!
Soldat Und wenn schon einer kommen tät, man sieht ja nicht zwei Schritt weit.
Stubenmädchen Aber um Gottes willen, wohin kommen wir denn da?
Soldat Sehn S', da sind zwei grad wie mir.
Stubenmädchen Wo denn? Ich seh' gar nichts.
Soldat Da... vor uns.
Stubenmädchen Warum sagen S' denn: zwei wie mir? –
Soldat Na, ich mein' halt, die haben sich auch gern.
Stubenmädchen Aber geben S' doch acht, was ist denn da, jetzt wär' ich beinah g'fallen.
Soldat Ah, das ist das Gatter von der Wiesen.
Stubenmädchen Stoßen S' doch nicht so, ich fall' ja um.
Soldat Pst, nicht so laut.
Stubenmädchen Sie, jetzt schrei' ich aber wirklich. – Aber was machen S' denn... aber –
Soldat Da ist jetzt weit und breit keine Seel'.
Stubenmädchen So gehn wir zurück, wo Leut' sein.
Soldat Wir brauchen keine Leut', was, Marie, wir brauchen... dazu... haha.
Stubenmädchen Aber, Herr Franz, bitt' Sie, um Gottes willen, schaun S', wenn ich das... gewußt... oh... oh... komm!
Soldatselig Herrgott noch einmal... ah...
Stubenmädchen Ich kann dein G'sicht gar nicht sehn.
Soldat A was – G'sicht
Soldat Ja, Sie, Fräul'n Marie, da im Gras können S' nicht liegen bleiben.
Stubenmädchen Geh, Franz, hilf mir.
Soldat Na, komm zugi.
Stubenmädchen O Gott, Franz.
Soldat Naja, was ist denn mit dem Franz?
Stubenmädchen Du bist ein schlechter Mensch, Franz.
Soldat Ja, ja. Geh, wart ein bissel.
Stubenmädchen Was laßt mich denn aus?
Soldat Na, die Virginier werd' ich mir doch anzünden dürfen.
Stubenmädchen Es ist so dunkel.
Soldat Morgen früh ist schon wieder licht.
Stubenmädchen Sag wenigstens, hast mich gern?
Soldat Na, das mußt doch g'spürt haben, Fräul'n Marie, ha!
Stubenmädchen Wohin gehn wir denn?
Soldat Na, zurück.
Stubenmädchen Geh, bitt' dich, nicht so schnell!
Soldat Na, was ist denn? Ich geh' nicht gern in der finstern.
Stubenmädchen Sag, Franz, hast mich gern?
Soldat Aber grad hab' ich's g'sagt, daß ich dich gern hab'!
Stubenmädchen Geh, willst mir nicht ein Pussel geben?
Soldatgnädig Da... Hörst – jetzt kann man schon wieder die Musik hören.
Stubenmädchen Du möcht'st am End' gar wieder tanzen gehn?
Soldat Na freilich, was denn?
Stubenmädchen Ja, Franz, schau, ich muß zu Haus gehn. Sie werden eh schon schimpfen, mei' Frau ist so eine... die möcht' am liebsten, man ging' gar nicht fort.
Soldat Naja, geh halt zu Haus.
Stubenmädchen Ich hab' halt 'dacht, Herr Franz, Sie werden mich z' Haus führen.
Soldat Z' Haus führen? Ah!
Stubenmädchen Gehn S', es ist so traurig, allein z' Haus gehn.
Soldat Wo wohnen S' denn?
Stubenmädchen Es ist gar nicht so weit – in der Porzellangasse.
Soldat So? Ja, da haben wir ja einen Weg... aber jetzt ist's mir zu früh... jetzt wird noch 'draht, heut hab' ich über Zeit... Vor zwölf brauch' ich nicht in der Kasern' zu sein. I' geh' noch tanzen.
Stubenmädchen Freilich, ich weiß schon, jetzt kommt die Blonde mit dem schiefen Gesicht dran!
Soldat Ha! – Der ihr G'sicht ist gar nicht so schief.
Stubenmädchen O Gott, sein die Männer schlecht. Was, Sie machen's sicher mit einer jeden so.
Soldat Das wär' z'viel! –
Stubenmädchen Franz, bitt' schön, heut nimmer, – heut bleiben S' mit mir, schaun S' –
Soldat Ja, ja, ist schon gut. Aber tanzen werd' ich doch noch dürfen.
Stubenmädchen Ich tanz' heut mit kein' mehr!
Soldat Da ist er ja schon...
Stubenmädchen Wer denn?
Soldat Der Swoboda! Wie schnell wir wieder da sein. Noch immer spielen s' das... tadarada tadarada Singt mit ... Also wannst auf mich warten willst, so führ' ich dich z' Haus... wenn nicht... Servas –
Stubenmädchen Ja, ich werd' warten.
Sie treten in den Tanzsaal ein.
Soldat Wissen S', Fräul'n Marie, ein Glas Bier lassen's Ihnen geben. Zu einer Blonden sich wendend, die eben mit einem Burschen vorbeitanzt, sehr hochdeutsch Mein Fräulein, darf ich bitten? –
Inhaltsverzeichnis
Heißer Sommernachmittag. – Die Eltern sind schon auf dem Lande. – Die Köchin hat Ausgang. – Das Stubenmädchen schreibt in der Küche einen Brief an den Soldaten, der ihr Geliebter ist. Es klingelt aus dem Zimmer des jungen Herrn. Sie steht auf und geht ins Zimmer des jungen Herrn.
Der junge Herr liegt auf dem Diwan, raucht und liest einen französischen Roman.
Das Stubenmädchen Bitt' schön, junger Herr?
Der junge Herr Ah ja, Marie, ah ja, ich hab' geläutet, ja... was hab' ich nur... ja richtig, die Rouletten lassen S' herunter, Marie... Es ist kühler, wenn die Rouletten unten sind... ja...
Das Stubenmädchen geht zum Fenster und läßt die Rouletten herunter.
Der junge Herrliest weiter Was machen S' denn, Marie? Ah ja. Jetzt sieht man aber gar nichts zum Lesen.
Das Stubenmädchen Der junge Herr ist halt immer so fleißig.
Der junge Herrüberhört das vornehm So, ist gut.
Marie geht.
Der junge Herrversucht weiter zu lesen; läßt bald das Buch fallen, klingelt wieder.
Das Stubenmädchenerscheint.
Der junge Herr Sie, Marie... ja, was ich habe sagen wollen... ja... ist vielleicht ein Cognac zu Haus?
Das Stubenmädchen Ja, der wird eingesperrt sein.
Der junge Herr Na, wer hat denn die Schlüssel?