Reise um den Mond - Jules Verne - E-Book

Reise um den Mond E-Book

Jules Verne.

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Beschreibung

Jules Verne bei Null Papier Komplett neu überarbeitet; reichhaltig illustriert und kommentiert Die sagenhafte Fortsetzung von »Von der Erde zum Mond«. Die tollkühnen Weltraumflieger haben den Abschuss ins All überlebt. Jetzt befinden sie sich auf den Weg zum Mond. Und bei der Umrundung erfahren sie als erste Menschen die Schwerelosigkeit. Visionär behandelt Verne Themen wie Spaziergänge im Weltall, Halluzinationen durch Sauerstoffentzug, den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre oder die Landung der Kapsel im Ozean. Null Papier Verlag

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Jules Verne

Reise um den Mond

Illustrierte und unzensierte Komplettübersetzung

Jules Verne

Reise um den Mond

Illustrierte und unzensierte Komplettübersetzung

(Autour de la Lune)Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected]: Émile-Antoine Bayard, Alphonse de NeuvilleÜbersetzung und Fußnoten: Jürgen Schulze EV: A. Hartleben’s Verlag, 1874 2. Auflage, ISBN 978-3-962815-08-0

null-papier.de/neu

Inhaltsverzeichnis

Ju­les Ver­ne – Le­ben und Werk

Vor­wort und Rück­blick

Ers­tes Ka­pi­tel – Von zehn Uhr zwan­zig bis zehn Uhr vier­zig Mi­nu­ten abends

Zwei­tes Ka­pi­tel – Die ers­te hal­be Stun­de

Drit­tes Ka­pi­tel – Man rich­tet sich ein

Vier­tes Ka­pi­tel – Ein we­nig Al­ge­bra

Fünf­tes Ka­pi­tel – Die Käl­te des Wel­traums

Sechs­tes Ka­pi­tel – Fra­gen und Ant­wor­ten

Sie­ben­tes Ka­pi­tel – Ein Mo­ment der Berau­schung

Ach­tes Ka­pi­tel – Achtund­sieb­zig­tau­send­ein­hun­dert­und­vier­zehn Mei­len

Neun­tes Ka­pi­tel – Fol­gen ei­ner Ab­wei­chung von der Bahn

Zehn­tes Ka­pi­tel – Die Beo­b­ach­ter des Mon­des

Elf­tes Ka­pi­tel – Fan­ta­sie und Wirk­lich­keit

Zwölf­tes Ka­pi­tel – Oro­gra­fi­sche De­tails

Drei­zehn­tes Ka­pi­tel – Mond­land­schaf­ten

Vier­zehn­tes Ka­pi­tel – Die drei­hun­dert­vierund­fünf­zig­stün­di­ge Nacht

Fünf­zehn­tes Ka­pi­tel – Hy­per­bel oder Pa­ra­bel

Sech­zehn­tes Ka­pi­tel – Süd­li­che He­mi­sphä­re

Sieb­zehn­tes Ka­pi­tel – Ty­cho

Acht­zehn­tes Ka­pi­tel – Be­deut­sa­me Fra­gen

Neun­zehn­tes Ka­pi­tel – Kampf mit dem Un­mög­li­chen

Zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Son­die­ren der Sus­que­han­na

Ein­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Ein Miss­ge­schick Mas­tons

Zwei­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Ret­tung

Drei­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Schluss

Ein Nach­wort

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie die­ses E-Book aus mei­nem Ver­lag er­wor­ben ha­ben.

Ju­les Ver­ne ge­hört zu den Au­to­ren, die je­der schon ein­mal ge­le­sen hat. Eine Be­haup­tung, die man nicht über vie­le Schrift­stel­ler auf­stel­len kann. Die Ge­schich­ten von Ver­ne sind un­ter­hal­tend, lehr­reich und im­mer sehr at­mo­sphä­risch.

In un­re­gel­mä­ßi­ger Fol­ge wird mein Ver­lag die Wer­ke von Ver­ne ver­öf­fent­li­chen – die be­kann­ten wie die un­be­kann­ten. Im­mer in der über­ar­bei­te­ten Er­st­über­set­zung, um den (sprach­li­chen) Ch­ar­me der Zeit bei­zu­be­hal­ten.

Kor­ri­giert und kom­men­tiert wer­den Orts- und Per­so­nen­na­men oder of­fen­sicht­lich falsche An­ga­ben. Sie fin­den die Er­läu­te­run­gen in Fuß­no­ten.

Ich habe es mir auch nicht neh­men las­sen, die ur­sprüng­li­chen Na­men zu ver­wen­den: Aus dem Jo­hann wird so wie­der der ur­sprüng­li­che Jean, aus Lud­wig wie­der Louis und aus Ma­ri­an­ne wie­der Ma­rie. Ich den­ke, das tut den Ge­schich­ten nur gut.

Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

Ihr Jür­gen Schul­ze null-pa­pier.de/kon­takt

Ju­les Ver­ne bei Null Pa­pier

Rei­se um die Erde in 80 Ta­gen

Mi­cha­el Strogoff - Der Ku­ri­er des Za­ren

Zwan­zig­tau­send Mei­len un­ter dem Meer

Eine Idee des Dok­tor Ox

Eine Über­win­te­rung im Eis

Schwarz-In­di­en – Oder: Die Stadt un­ter der Erde

Fünf Wo­chen im Bal­lon

Ro­bur der Ero­be­rer

Der Herr der Welt

Von der Erde zum Mond

und wei­te­re …

Ju­les Ver­ne – Le­ben und Werk

Bei­na­he wäre Klein-Ju­les als Schiffs­jun­ge nach In­di­en ge­fah­ren, hät­te eine Lauf­bahn als See­mann ein­ge­schla­gen und spä­ter un­ter­halt­sa­mes See­manns­garn ge­spon­nen, das ver­mut­lich nie die Drucker­pres­se er­reicht hät­te.

Ju­les Ver­ne

Ver­liebt in die aben­teu­er­li­che Li­te­ra­tur

Glück­li­cher­wei­se für uns Le­ser hin­dert man ihn dar­an: Der Elf­jäh­ri­ge wird von Bord ge­holt und ver­lebt wei­ter­hin eine be­hü­te­te Kind­heit vor bür­ger­li­chem Hin­ter­grund. Ge­bo­ren am 8. Fe­bru­ar 1828 in Nan­tes, wächst Ju­les-Ga­bri­el Ver­ne in gut si­tu­ier­ten Ver­hält­nis­sen auf. Als äl­tes­ter von fünf Spröss­lin­gen soll er die vä­ter­li­che An­walt­spra­xis über­neh­men, wes­halb er ab 1846 in Pa­ris Jura stu­diert.

Viel span­nen­der fin­det er schon zu die­ser Zeit al­ler­dings die Li­te­ra­tur. Ver­ne freun­det sich so­wohl mit Alex­and­re Du­mas als auch mit sei­nem gleich­na­mi­gen Sohn an. Ge­mein­sam mit Va­ter Du­mas ver­fasst er Opern­li­bret­ti und ers­te dra­ma­ti­sche Wer­ke. Nach dem Ab­schluss sei­nes Stu­di­ums be­schließt er, nicht nach Nan­tes zu­rück­zu­keh­ren, son­dern sich völ­lig der Dra­ma­tik zu wid­men.

Zwar schreibt er nicht ganz er­folg­los – drei sei­ner Er­zäh­lun­gen er­schei­nen in ei­ner li­te­ra­ri­schen Zeit­schrift. Doch zum Le­ben reicht es nicht, wes­halb der jun­ge Au­tor 1852 den Pos­ten ei­nes In­ten­danz-Se­kre­tärs am Théâtre ly­ri­que an­nimmt. Im­mer­hin wird die­se Ar­beit zu­ver­läs­sig ver­gü­tet und Ver­ne darf sich als Dra­ma­ti­ker be­tä­ti­gen. In sei­ner Frei­zeit ver­fasst er wei­ter­hin Er­zäh­lun­gen, wo­bei ihn aben­teu­er­li­che Rei­sen am meis­ten in­ter­es­sie­ren.

Als er 1857 eine Wit­we hei­ra­tet, die zwei Töch­ter in die Ehe mit­bringt, muss sich der Li­te­rat nach ei­ner bes­ser be­zahl­ten Ein­kom­mens­quel­le um­se­hen. Wäh­rend der nächs­ten zwei Jah­re schlägt er sich als Bör­sen­mak­ler durch, wo­bei er ge­nug Zeit fin­det, län­ge­re Schiffs­rei­sen zu un­ter­neh­men, be­vor 1861 sein Sohn Mi­chel ge­bo­ren wird.

Ver­liebt ins li­te­ra­ri­sche Aben­teu­er

Letzt­lich ist es ei­ner be­son­de­ren Be­geg­nung im Jahr 1862 ge­schul­det, dass al­les, was der Au­tor bis­her »geis­tig an­ge­sam­melt« hat, in sei­nen künf­ti­gen Ro­ma­nen kul­mi­nie­ren darf: Der Ju­gend­buch-Ver­le­ger Pier­re-Ju­les Het­zel ver­öf­fent­licht Ver­nes uto­pi­schen Rei­se­ro­man »Fünf Wo­chen im Bal­lon«. Die­ses von ihm oh­ne­hin be­vor­zug­te Su­jet wird den Schrift­stel­ler nie wie­der los­las­sen – die aben­teu­er­li­chen Rei­sen, auf wel­cher Rou­te auch im­mer sie ab­sol­viert wer­den. Het­zel ver­legt Ver­nes noch heu­te be­lieb­tes­te Schrif­ten: 1864 »Rei­se zum Mit­tel­punkt der Erde«, im fol­gen­den Jahr »Von der Erde zum Mond«, 1869 »Rei­se um den Mond« und »Zwan­zig­tau­send Mei­len un­ter dem Meer«. Mit »Rei­se um die Erde in 80 Ta­gen« er­scheint 1872 Ju­les Ver­nes er­folg­reichs­ter Ro­man über­haupt.

Die Zu­sam­men­ar­beit mit Het­zel, der gleich­zei­tig als sein Men­tor fun­giert, sorgt in den spä­ten 1860er Jah­ren da­für, dass der höchst pro­duk­ti­ve Schrift­stel­ler sei­ner Fa­mi­lie ei­ni­gen Wohl­stand bie­ten und sich selbst »ju­gend­traum­haf­te« Rei­se­wün­sche er­fül­len kann. Sein Ver­le­ger stellt ihn nam­haf­ten Wis­sen­schaft­lern vor – in Kom­bi­na­ti­on mit den er­wähn­ten Rei­sen ent­steht auf die­se Wei­se ein un­ge­heu­rer Fun­dus der In­spi­ra­ti­on: Ju­les Ver­nes Zet­tel­kas­ten ent­hält an­geb­lich 25.000 No­ti­zen!

Zwar ist er seit »Rei­se um den Mond« glei­cher­ma­ßen wohl­ha­bend und ge­ach­tet; er en­ga­giert sich seit den spä­ten 1880er Jah­ren so­gar als Stadt­rat in Amiens, wo­hin er 1871 mit sei­ner Fa­mi­lie über­ge­sie­delt war. Der »Rit­ter­schlag« aber bleibt aus: In der Aca­dé­mie françai­se möch­te man den Ju­gend­buch­au­tor nicht ha­ben, er gilt als nicht se­ri­ös ge­nug.

Den Ze­nit sei­nes Schaf­fens hat der Li­te­rat be­reits über­schrit­ten, als er 1888 blei­ben­de Ver­let­zun­gen durch den Schuss­waf­fen-An­griff ei­nes geis­tes­ge­stör­ten Ver­wand­ten da­von­trägt. Den­noch ar­bei­tet der Au­tor un­un­ter­bro­chen wei­ter. Als Ju­les Ver­ne im März 1905 stirbt, hin­ter­lässt er ein ge­wal­ti­ges Ge­samt­werk: 54 zu Leb­zei­ten er­schie­ne­ne Ro­ma­ne, wei­te­re elf Ma­nu­skrip­te be­ar­bei­tet sein Sohn Mi­chel nach dem Tod des Va­ters. Er­gänzt wird Ver­nes Œu­vre durch Er­zäh­lun­gen, Büh­nen­stücke und geo­gra­fi­sche Ver­öf­fent­li­chun­gen.

Ge­liebt und miss­ach­tet

Je­nes zwie­späl­ti­ge Ver­hält­nis, das sich be­reits in der Ab­leh­nung der Aka­de­mie­mit­glie­der äu­ßert, kenn­zeich­net die aka­de­mi­sche Re­zep­ti­on bis heu­te: Ju­les Ver­ne ist eben »nur ein Ju­gend­buch­au­tor«. We­ni­ger be­fan­ge­ne Re­zi­pi­en­ten frei­lich schrei­ben ihm eine ganz an­de­re Be­deu­tung zu, die dem Vi­sio­när und lei­den­schaft­li­chen Er­zäh­ler bes­ser ge­recht wird.

Wenn­gleich der al­tern­de Li­te­rat zum Ende sei­nes Schaf­fens durch­aus nicht mehr in gläu­bi­ger Tech­nik­be­geis­te­rung auf­geht, blei­ben uns doch ge­nau jene Wer­ke in lie­be­vol­ler Erin­ne­rung, in de­nen tech­ni­sche und mensch­li­che Groß­ta­ten die Hand­lung be­stim­men: »Rei­se um die Erde in 80 Ta­gen« oder »Zwan­zig­tau­send Mei­len un­ter dem Meer« bei­spiels­wei­se. Wer als Kind von Nemo und sei­ner Nau­ti­lus liest, wird un­wei­ger­lich ge­fan­gen von die­sem tech­ni­schen Wun­der­werk und des­sen Ka­pi­tän. Ver­nes Ro­ma­ne ge­hö­ren zu je­nen Ju­gend­bü­chern, die man als Er­wach­se­ner ger­ne noch­mals zur Hand nimmt – und man staunt er­neut, er­in­nert sich, lässt sich wie­der­um ein­fan­gen und fragt sich, warum man ei­gent­lich so sel­ten Ver­ne liest…

So wie der Au­tor sich selbst durch Rei­sen und Wis­sen­schaft in­spi­rie­ren lässt, die­nen sei­ne Wer­ke seit je­her der In­spi­ra­ti­on sei­ner Le­ser­schaft. Wie prä­sent die­ser ex­zel­len­te Un­ter­hal­ter in den Köp­fen sei­ner Le­ser bleibt, be­le­gen Be­nen­nun­gen in See- und Raum­fahrt: Das ers­te Atom-U-Boot der Ge­schich­te ist die ame­ri­ka­ni­sche USS Nau­ti­lus. Ein Raum­trans­por­ter der Eu­ro­päi­schen Raum­fahr­t­agen­tur heißt »Ju­les Ver­ne«, ein As­te­ro­id und ein Mond­kra­ter tra­gen eben­falls den Na­men des Schrift­stel­lers. Die »Ju­les Ver­ne Tro­phy« wird seit 1990 für die schnells­te Wel­t­um­se­ge­lung ver­lie­hen, was dem be­geis­ter­ten Jacht­be­sit­zer Ver­ne ge­wiss ge­fal­len hät­te.

Der kom­mer­zi­el­le Li­te­ra­tur­be­trieb so­wie die Film­wirt­schaft be­trach­ten den fran­zö­si­schen Va­ter der Science-Fic­ti­on-Li­te­ra­tur eben­falls mit Wohl­wol­len: Un­zäh­li­ge Neu­auf­la­gen der Ro­man­klas­si­ker, Hör­bü­cher und Ver­fil­mun­gen der ra­san­ten, stets mit­rei­ßen­den Hand­lun­gen spre­chen Bän­de. Mitt­ler­wei­le gel­ten die äl­tes­ten Ver­fil­mun­gen selbst als kul­tu­rel­le Mei­len­stei­ne, die kei­nes­wegs nur ein jun­ges Pub­li­kum er­freu­en.

Ju­les Ver­nes Be­deu­tung für die Li­te­ra­tur

Der Ein­fluss Ver­nes auf nach­fol­gen­de Science-Fic­ti­on-Au­to­ren ist gar nicht hoch ge­nug ein­zu­schät­zen: Aus heu­ti­ger Sicht ist er ei­ner der Vor­rei­ter der uto­pi­schen Li­te­ra­tur Eu­ro­pas, der noch vor H. G. Wells (»Krieg der Wel­ten«) und Kurd Laß­witz (»Auf zwei Pla­ne­ten«) das neue Gen­re be­grün­det. Sein­er­zeit gibt es die­sen Be­griff noch nicht, wes­halb Het­zel die Ro­ma­ne sei­nes Er­folgs­schrift­stel­lers als »Au­ßer­ge­wöhn­li­che Rei­sen« ver­mark­tet

Der Fran­zo­se sieht, an­ders als Wells und ähn­lich wie Laß­witz, im tech­ni­schen Fort­schritt das künf­ti­ge Wohl der Mensch­heit be­grün­det. Trotz­dem ist Ju­les Ver­ne vor al­lem Er­zäh­ler: Er will we­der war­nen wie Wells noch be­leh­ren wie Laß­witz, son­dern in ers­ter Li­nie un­ter­hal­ten. Im Ver­gleich zum sprö­den Rea­lis­mus ei­nes Wells wir­ken sei­ne Ro­ma­ne für mo­der­ne Le­ser aus­ufernd, viel­leicht so­gar ge­schwät­zig. Den­noch sind sie leich­ter zu­gäng­lich als das sti­lis­tisch ähn­li­che Schaf­fen des Deut­schen Laß­witz, weil sie Uto­pie und Tech­nik­be­geis­te­rung nicht zum Zweck ih­res In­halts ma­chen, son­dern le­dig­lich zu des­sen Trä­ger: Schließ­lich ist es ein­fach auf­re­gend, in ei­nem Bal­lon eine Welt­rei­se an­zu­tre­ten oder Ka­pi­tän Nemo in sein ge­hei­mes Reich zu fol­gen.

Reise um den Mond

Vorwort und Rückblick

Im Lau­fe des Jah­res 186… wur­de die gan­ze Welt durch ein wis­sen­schaft­li­ches Un­ter­neh­men, das in den An­na­len der Wis­sen­schaft oh­ne­glei­chen war, in au­ßer­or­dent­li­che Be­we­gung ver­setzt. Die Mit­glie­der des Gun-Clubs, ei­nes Ver­eins von Ar­til­le­ris­ten, wel­cher nach dem ame­ri­ka­ni­schen Krieg sich zu Bal­ti­mo­re bil­de­te, hat­ten die Idee, sich durch Zu­sen­dung ei­ner Ku­gel mit dem Mond in Ver­bin­dung zu set­zen. Ihr Prä­si­dent Bar­bi­ca­ne, der die Un­ter­neh­mung in An­re­gung brach­te, er­griff, nach­dem er die Astro­no­men des Ob­ser­va­to­ri­ums zu Cam­bridge zu Rate ge­zo­gen, alle Maß­re­geln, wel­che für den glück­li­chen Er­folg des von der Mehr­zahl sach­ver­stän­di­ger Män­ner für aus­führ­bar er­klär­ten Vor­ha­bens er­for­der­lich wa­ren. Nach­dem durch eine öf­fent­li­che Sub­s­crip­ti­on etwa drei­ßig Mil­lio­nen auf­ge­bracht wa­ren, be­gann er sei­ne rie­sen­haf­ten Ar­bei­ten.

In Ge­mäß­heit ei­nes von den Mit­glie­dern des Ob­ser­va­to­ri­ums er­teil­ten Gut­ach­tens muss­te die Ka­no­ne, wel­che das Pro­jek­til ab­schleu­dern soll­te, um auf den Mond im Ze­nit zie­len zu kön­nen, in ei­ner Land­schaft zwi­schen 0 und 28 Grad nörd­li­cher oder süd­li­cher Brei­te auf­ge­stellt wer­den, und man muss­te der Ku­gel eine An­fangs­ge­schwin­dig­keit von zwölf­tau­send Yards in der Se­kun­de ge­ben. Wur­de die­se am 1. De­zem­ber drei­zehn Mi­nu­ten und zwan­zig Se­kun­den vor elf Uhr abends ab­ge­schos­sen, so muss­te sie vier Tage her­nach, am 5. De­zem­ber um zwölf Uhr nachts, ge­ra­de zu dem Zeit­punkt auf dem Mond ein­tref­fen, wo er der Erde am nächs­ten stand, in ei­ner Ent­fer­nung näm­lich von sechs­un­dacht­zig­tau­send­vier­hun­dert­und­zehn franz. Mei­len.

Die be­deu­tends­ten Mit­glie­der des Gun-Clubs, der Prä­si­dent Bar­bi­ca­ne, Ma­jor El­phi­ston, Se­kre­tär I. T. Mas­ton und an­de­re Ge­lehr­te hiel­ten ei­ni­ge Sit­zun­gen, worin die Form und das Ma­te­ri­al der Ku­gel, die Art und Ein­rich­tung der Ka­no­ne, die Be­schaf­fen­heit und die Men­ge des Pul­vers be­spro­chen wur­den. Man be­schloss: 1. Das Ge­schoss sol­le eine Hohl­ku­gel aus Alu­mi­ni­um sein mit ei­nem Durch­mes­ser von ein­hun­dert­un­dacht Zoll, zwölf Zoll di­cken Wän­den und neun­zehn­tau­send­zwei­hun­dert­und­fünf­zig Pfund schwer. 2. Das Ge­schütz sol­le eine Co­lum­bia­de von Guß­ei­sen sein, neun­hun­dert Fuß lang, und un­mit­tel­bar in den Erd­bo­den zu gie­ßen. 3. Zur La­dung soll­ten vier­hun­dert­tau­send Pfund Schieß­baum­wol­le ver­wen­det wer­den, wel­che sechs Mil­li­ar­den Li­ter Gas un­ter dem Pro­jek­til ent­wi­ckel­ten, des­sen Treib­kraft leicht bis zum Nacht­ge­stirn rei­chen wür­de.

Als die­se Fra­gen ge­löst wa­ren, wähl­te der Prä­si­dent Bar­bi­ca­ne mit Hil­fe des In­ge­nieurs Murchi­son eine Stel­le in Flo­ri­da, un­term 27°7′ nörd­li­cher Brei­te und 5°7′ west­li­cher Län­ge, wo nach merk­wür­di­gen Ar­bei­ten der Guß der Co­lum­bia­de vor­ge­nom­men wur­de und voll­stän­dig ge­lang.

So stan­den die Din­ge, als ein Er­eig­nis da­zwi­schen­kam, wo­durch das In­ter­es­se an der großen Un­ter­neh­mung hun­dert­fach ver­grö­ßert wur­de.

Ein Pa­ri­ser Fan­tast, geist­rei­cher und küh­ner Künst­ler, be­gehr­te und er­bot sich, in eine Ku­gel ein­ge­schlos­sen, die Rei­se nach dem Mond zu ma­chen, um über den Tra­ban­ten der Erde For­schun­gen an­zu­stel­len. Mi­chel Ar­dan hieß die­ser un­er­schro­cke­ne Aben­teu­rer. Bei sei­ner An­kunft in Ame­ri­ka wur­de er mit En­thu­si­as­mus auf­ge­nom­men, hielt Mee­tings, ward im Tri­umph auf den Schul­tern ge­tra­gen, ver­söhn­te den Prä­si­den­ten Bar­bi­ca­ne mit sei­nem Tod­feind, dem Ka­pi­tän Ni­choll, und be­re­de­te sie bei­de, die Rei­se in dem Pro­jek­til mitz­u­ma­chen.

Der Vor­schlag wur­de an­ge­nom­men, die Form der Ku­gel ab­ge­än­dert. Das Pro­jek­til ward zy­lin­der­ke­gel­för­mig. Die­ser Luft-Wag­gon wur­de, um die Ge­walt des Ge­gen­sto­ßes bei der Ab­fahrt ab­zu­schwä­chen, mit ei­ner star­ken Vor­rich­tung ver­se­hen; so­dann mit Le­bens­mit­teln für ein Jahr, Was­ser für ei­ni­ge Mo­na­te, und Gas für ei­ni­ge Tage. Ein au­to­ma­ti­scher Ap­pa­rat be­rei­te­te und lie­fer­te die zum At­men für die drei Rei­sen­den er­for­der­li­che Luft. Zu glei­cher Zeit ließ der Gun-Club auf ei­nem der höchs­ten Gip­fel des Fel­sen­ge­birgs ein Rie­sen­te­le­skop bau­en, um es mög­lich zu ma­chen, das Pro­jek­til wäh­rend sei­ner Fahrt durch den Wel­traum zu be­ob­ach­ten. Al­les war fer­tig und be­reit.

Am 30. No­vem­ber, zur be­stimm­ten Stun­de, fand in­mit­ten ei­ner un­zäh­li­gen Zuschau­er­men­ge die Ab­fahrt statt, und zum ers­ten Male sah man drei mensch­li­che We­sen den Erd­ball ver­las­sen und in den wei­ten Wel­traum em­por­stei­gen, fast voll­stän­dig über­zeugt, dass sie am Ziel ih­rer Rei­se an­lan­gen wür­den. Die­se küh­nen Rei­sen­den, Mi­chel Ar­dan, der Prä­si­dent Bar­bi­ca­ne und der Ka­pi­tän Ni­choll, soll­ten ihre Über­fahrt in sie­ben­und­neun­zig Stun­den drei­zehn Mi­nu­ten und zwan­zig Se­kun­den vollen­den. Folg­lich konn­te ihre An­kunft auf der Ober­flä­che der Mond­schei­be erst am 5. De­zem­ber um zwölf Uhr nachts er­fol­gen, ge­ra­de in dem Mo­ment, da Voll­mond ein­trat, und nicht am vier­ten, wie ei­ni­ge ir­rig be­rich­te­te Jour­na­le mit­teil­ten.

Doch es be­gab sich ein un­er­war­te­tes Er­eig­nis: die von der Co­lum­bia­de her­vor­ge­ru­fe­ne Er­schüt­te­rung be­wirk­te un­ver­züg­lich eine Tr­übung der At­mo­sphä­re durch An­häu­fung ei­ner enor­men Men­ge von Düns­ten. Die­se Er­schei­nung rief eine all­ge­mei­ne Ent­rüs­tung her­vor, denn der Mond war ei­ni­ge Näch­te hin­durch den Au­gen sei­ner Beo­b­ach­ter ver­hüllt. I. T. Mas­ton, der wür­di­ge und tap­fe­re Freund der drei Rei­sen­den, eil­te zum Fel­sen­ge­birg, um dem eh­ren­wer­ten Di­rek­tor des Ob­ser­va­to­ri­ums zu Cam­bridge, I. Bel­fast, Ge­sell­schaft zu leis­ten, der zu Long’s Peak, wo das Rie­sen­te­le­skop, das den Mond bis auf zwei Mei­len nahe rück­te, er­rich­tet war, die Fahrt sei­ner küh­nen Freun­de be­ob­ach­ten woll­te.

Das in der At­mo­sphä­re ge­häuf­te Ge­wölk hin­der­te wäh­rend des 5., 6., 7., 8., 9. und 10. De­zem­ber jede Beo­b­ach­tung. Man glaub­te schon, die­sel­be bis zum 3. Ja­nu­ar des fol­gen­den Jah­res ver­ta­gen zu müs­sen, weil der am 11. De­zem­ber in sein letz­tes Vier­tel tre­ten­de Mond dann nur einen stets ab­neh­men­den Teil sei­ner Schei­be zeig­te, wel­che nicht hin­reich­te, um die Spur des Pro­jek­tils zu ver­fol­gen.

Doch end­lich ver­trieb zur all­ge­mei­nen Be­frie­di­gung ein star­ker Sturm in der Nacht vom 11. zum 12. De­zem­ber al­les Ge­wölk aus der At­mo­sphä­re, und der zur Hälf­te er­leuch­te­te Mond trat auf dem dunklen Hin­ter­grund des Him­mels klar her­vor.

In der­sel­ben Nacht traf ein Te­le­gramm ein, wel­ches die Her­ren Bel­fast und Mas­ton von der Sta­ti­on Long’s Peak an das Büro des Ob­ser­va­to­ri­ums zu Cam­bridge ge­sen­det hat­ten.

Und was ent­hielt dies Te­le­gramm?

Es be­rich­te­te, am 11. De­zem­ber um acht Uhr sie­ben­und­vier­zig Mi­nu­ten abends sei das von der Co­lum­bia­de zu Sto­ne’s-Hill ent­sen­de­te Pro­jek­til von den Her­ren Bel­fast und Mas­ton wahr­ge­nom­men wor­den. – Das­sel­be sei, aus un­be­kann­tem Grund von sei­ner Bahn ab­wei­chend, nicht an sein Ziel ge­langt, aber doch nahe ge­nug ge­kom­men, um von der An­zie­hungs­kraft des Mon­des fest­ge­hal­ten zu wer­den; – sei­ne ge­ra­de Rich­tung sei in eine Kreis­be­we­gung über­ge­gan­gen, und so sei es zu ei­nem Tra­ban­ten ge­wor­den, der in el­lip­ti­scher Bahn den Mond um­krei­se.

Das Te­le­gramm füg­te bei, die Ele­men­te die­ses neu­en Gestirns hät­ten noch nicht be­rech­net wer­den kön­nen, – und in der Tat sind auch drei Beo­b­ach­tun­gen des Gestirns in drei ver­schie­de­nen Stel­lun­gen des­sel­ben nö­tig, um sei­ne Ele­men­te zu be­stim­men. So­dann füg­te es wei­ter bei, die Ent­fer­nung des Pro­jek­tils von der Mond­ober­flä­che »kön­ne« auf etwa zwei­tau­sen­dacht­hun­dert­drei­und­drei­ßig Mei­len an­ge­schla­gen wer­den, d.h. vier­tau­send­fünf­hun­dert Lieu­es.1

Das­sel­be schloss mit der dop­pel­ten An­nah­me: Ent­we­der wer­de die An­zie­hungs­kraft des Mon­des zu­letzt über­wie­gen; und die Rei­sen­den wür­den an ih­rem Ziel an­lan­gen; oder das Pro­jek­til wer­de, un­ver­än­der­lich in sei­ner Bahn fest­ge­hal­ten, sei­nen Kreis­lauf um den Mond her­um bis ans Ende der Jahr­hun­der­te fort­zu­set­zen ha­ben.

Wie wür­de es dann den Rei­sen­den er­ge­hen? Zwar Le­bens­mit­tel hat­ten sie für ei­ni­ge Zeit. Aber ge­setzt auch, ihr ver­we­ge­nes Un­ter­neh­men ge­län­ge, wie kämen sie dann zu­rück? Wäre dies je mög­lich? Könn­te man Nach­richt von ih­nen ha­ben? Die­se Fra­gen, wel­che die ge­lehr­tes­ten Fe­dern der Zeit in Be­we­gung setz­ten, be­schäf­tig­ten das Pub­li­kum mit Lei­den­schaft.

Ich muss hier eine Be­mer­kung ma­chen, wel­che all­zu­ei­li­ge Beo­b­ach­ter be­her­zi­gen soll­ten. Wenn ein Ge­lehr­ter dem Pub­li­kum eine rein spe­ku­la­ti­ve Ent­de­ckung an­kün­digt, kann er nicht vor­sich­tig ge­nug sein. Ei­nen Ko­me­ten, Pla­ne­ten oder Tra­ban­ten zu ent­de­cken, ist kei­nes Men­schen Schul­dig­keit, und wenn man in so ei­nem Fal­le sich irrt, ver­dient man die Spöt­te­rei­en der Men­ge, wel­chen man sich aus­setzt. Des­halb ist’s bes­ser, ab­zu­war­ten, und dies hät­te auch der un­ge­dul­di­ge I. T. Mas­ton tun sol­len, be­vor er das Te­le­gramm in die Welt schleu­der­te, wel­ches, ihm zu­fol­ge, über die­se Un­ter­neh­mung sich so ent­schie­den aus­sprach.

In der Tat ent­hielt je­nes Te­le­gramm einen dop­pel­ten Irr­tum, wie sich’s spä­ter her­aus­stell­te: 1. Ir­ri­ge Beo­b­ach­tung in Be­zie­hung auf die Ent­fer­nung des Pro­jek­tils von der Ober­flä­che des Mon­des, denn am 11. De­zem­ber konn­te man es un­mög­lich wahr­neh­men, und was I. T. Mas­ton sah oder zu se­hen glaub­te, konn­te nicht die Ku­gel der Co­lum­bia­de sein. 2. Ir­ri­ge theo­re­ti­sche An­sicht über das Los des Pro­jek­tils; denn in­dem man das­sel­be zu ei­nem Tra­ban­ten des Mon­des macht, setzt man sich mit den Ge­set­zen ver­nunft­mä­ßi­ger Mecha­nik in Wi­der­spruch.

Nur die An­nah­me der Beo­b­ach­ter zu Long’s Peak konn­te sich ver­wirk­li­chen, dass die Rei­sen­den – falls sie noch bei Le­ben – sich be­müh­ten, mit Benüt­zung der An­zie­hungs­kraft des Mon­des auf die Ober­flä­che des­sel­ben zu ge­lan­gen.

Die­se so ein­sichts­vol­len wie küh­nen Män­ner hat­ten nun aber den er­schreck­li­chen Ge­gen­stoß bei der Ab­fahrt be­stan­den, und ihre Rei­se in dem Pro­jek­til-Wag­gon soll hier mit all ih­ren merk­wür­di­gen und dra­ma­ti­schen Er­leb­nis­sen er­zählt wer­den. Die­se Er­zäh­lung wird man­che Täu­schun­gen und Ver­mu­tun­gen zu­nich­te ma­chen; da­ge­gen wird sie von der mög­li­chen Lö­sung ei­ner sol­chen Auf­ga­be einen rich­ti­gen Be­griff ge­ben und den wis­sen­schaft­li­chen In­stinkt Bar­bi­ca­nes, die in­dus­tri­el­len Hilfs­mit­tel und Kennt­nis­se Ni­cholls und die hu­mo­ris­ti­sche Kühn­heit Mi­chel Ardans an­schau­lich ma­chen.

Fer­ner wird sie dar­le­gen, dass ihr wür­di­ger Freund, I. T. Mas­ton, sei­ne Zeit ver­lor, als er auf dem Rie­sen­te­le­skop den Mond auf sei­ner Bahn durch die Ster­nen­räu­me fort­wäh­rend be­ob­ach­te­te.

Erstes Kapitel – Von zehn Uhr zwanzig bis zehn Uhr vierzig Minuten abends

Mit dem Schlag zehn Uhr ver­ab­schie­de­ten sich Mi­chel Ar­dan, Bar­bi­ca­ne und Ni­choll von ih­ren zahl­rei­chen Freun­den auf der Erde. Die bei­den Hun­de, wel­che das Hun­de­ge­schlecht in die Mond­lan­de ein­füh­ren und ver­brei­ten soll­ten, be­fan­den sich be­reits im Pro­jek­til. Die drei Rei­sen­den nä­her­ten sich der Mün­dung des enor­men Laufs, und ein schwe­ben­der Kran brach­te sie bis zur ko­ni­schen Spit­ze der Ku­gel.

Hier tra­ten sie durch eine zu die­sem Be­huf an­ge­brach­te Öff­nung in den Alu­min-Wag­gon ein. Als die Taue des Krans aus der Röh­re her­aus­ge­zo­gen wa­ren, wur­de au­gen­blick­lich das letz­te Gerüst von der Mün­dung der Co­lum­bia­de ent­fernt.

So­wie Ni­choll sich mit sei­nen Ge­fähr­ten im Pro­jek­til be­fand, schloss er sorg­fäl­tig die Öff­nung mit ei­ner star­ken Plat­te, wel­che von in­nen durch Stell­schrau­ben be­fes­tigt wur­de. An­de­re, fest an­ge­pass­te Plat­ten be­deck­ten die Lin­senglä­ser der Aus­guck­lö­cher. Die Rei­sen­den be­fan­den sich in tiefs­tem Dun­kel in ih­rem me­tal­le­nen Ge­fäng­nis her­me­tisch ein­ge­schlos­sen.

»Und nun, mei­ne lie­ben Ka­me­ra­den«, sag­te Mi­chel Ar­dan, »tun wir, als wä­ren wir hier zu Hau­se. Ich füh­re die Ver­wal­tung des In­ne­ren, ein Fach, worin ich sehr stark bin. Wir müs­sen’s uns in un­se­rer neu­en Woh­nung so be­quem wie mög­lich ma­chen. Vor al­lem, su­chen wir ein we­nig Luft zu be­kom­men. Was Teu­fel! Für Maul­wür­fe ist das Gas nicht er­fun­den wor­den!«

Bei die­sen Wor­ten er­griff der sorg­lo­se Ge­sel­le ein Zünd­hölz­chen, rie­b’s an der Soh­le sei­nes Stie­fels und zün­de­te da­mit die Flam­me an dem Hahn des Be­häl­ters, wel­cher das höchst zu­sam­men­ge­press­te Gas ent­hielt, das zur Er­leuch­tung und Er­wär­mung der Ku­gel auf sechs Tage und sechs Näch­te, hun­dert­vierund­vier­zig Stun­den, aus­rei­chen konn­te.

Das also er­leuch­te­te Pro­jek­til zeig­te sich wie ein kom­for­ta­bel ein­ge­rich­te­tes Zim­mer mit aus­ge­füt­ter­ten Wän­den, run­den Di­wans dar­an und mit wie in ei­nem Dom ge­wölb­ter De­cke.

Die dar­in ent­hal­te­nen Ge­gen­stän­de, Waf­fen, In­stru­men­te, Gerä­te, wa­ren an der Pols­ter­füt­te­rung wohl be­fes­tigt, so­dass sie den Stoß bei der Ab­fahrt wohl aus­hal­ten konn­ten. Es wa­ren alle nur er­sinn­ba­ren Vor­keh­run­gen ge­trof­fen, um ein so toll­küh­nes Un­ter­neh­men glück­lich aus­zu­füh­ren.

Mi­chel Ar­dan un­ter­such­te al­les und er­klär­te sei­ne vol­le Zufrie­den­heit mit der Ein­rich­tung.

»Es ist ein Ge­fäng­nis«, sag­te er, »aber ein Rei­se­ge­fäng­nis mit der Er­laub­nis, durchs Fens­ter zu se­hen; ich wäre im­stan­de, mich auf hun­dert Jah­re ein­zu­mie­ten! Du lä­chelst, Bar­bi­ca­ne? Hast du da­bei einen Hin­ter­ge­dan­ken? Meinst du, dies Ge­fäng­nis kön­ne un­ser Grab sein? Grab, mei­net­we­gen, aber ich möch­te es nicht mit dem Ma­ho­meds tau­schen, wel­ches ohne Rei­se­zweck in dem Wel­traum fährt.«

Wäh­rend Mi­chel Ar­dan also sprach, tra­fen Bar­bi­ca­ne und Ni­choll ihre letz­ten Vor­be­rei­tun­gen.

Ni­cholls Chro­no­me­ter zeig­te zehn Uhr zwan­zig Mi­nu­ten abends, als die drei Rei­sen­den de­fi­ni­tiv in ihr Ge­schoss ein­ge­schlos­sen wur­den. Das Chro­no­me­ter war fast auf ein Zehn­tel ei­ner Se­kun­de nach dem des In­ge­nieurs Murchi­son ge­rich­tet. Bar­bi­ca­ne be­frag­te ihn.

»Mei­ne Freun­de«, sag­te er, »es ist zehn Uhr zwan­zig Mi­nu­ten. In sie­ben­und­zwan­zig Mi­nu­ten wird Murchi­son mit dem elek­tri­schen Fun­ken den Draht be­rüh­ren, wel­cher mit der La­dung der Co­lum­bia­de in Ver­bin­dung ist. In dem Mo­ment wer­den wir dann un­se­ren Erd­ball ver­las­sen. Sie­ben­und­zwan­zig Mi­nu­ten also ha­ben wir noch auf der Erde zu blei­ben.«

»Sechs­und­zwan­zig Mi­nu­ten und drei­ßig Se­kun­den«, er­wi­der­te der ex­ak­te Ni­choll.

»Ei nun!«, rief Mi­chel Ar­dan im bes­ten Hu­mor, »in sechs­und­zwan­zig Mi­nu­ten lässt sich noch viel fer­tig­brin­gen! Man kann da noch die wich­tigs­ten po­li­ti­schen und sitt­li­chen Fra­gen be­spre­chen und selbst lö­sen! Sechs­und­zwan­zig wohl ver­wen­de­te Mi­nu­ten sind mehr wert als sechs­und­zwan­zig un­tä­tig ver­leb­te Jah­re. Et­li­che Se­kun­den ei­nes Pas­cal oder New­ton sind kost­ba­rer, als das gan­ze Le­ben ei­ner ro­hen Mas­se von Dumm­köp­fen …«

»Und was fol­gerst Du dar­aus, ewi­ger Schwät­zer?« frag­te der Prä­si­dent Bar­bi­ca­ne.

»Ich fol­ge­re, dass wir noch sechs­und­zwan­zig Mi­nu­ten ha­ben«, er­wi­der­te Ar­dan.

»Nur noch vier­und­zwan­zig«, sag­te Ni­choll.

»Vier­und­zwan­zig, wenn du’s so ge­nau nimmst, mein wa­cke­rer Ka­pi­tän«, er­wi­der­te Ar­dan, »vier­und­zwan­zig Mi­nu­ten, bin­nen wel­chen man könn­te gründ­lich …«

»Mi­chel«, sag­te Bar­bi­ca­ne, »auf un­se­rer Fahrt wer­den wir reich­lich Zeit ha­ben, die schwie­rigs­ten Fra­gen gründ­lich zu er­ör­tern. Be­fas­sen wir uns jetzt mit der Ab­fahrt.«

»Sind wir nicht be­reit?«

»Al­ler­dings. Doch sind noch ei­ni­ge Vor­keh­run­gen zu tref­fen, um die Ge­walt des ers­ten Sto­ßes mög­lichst ab­zu­schwä­chen!«

»Ha­ben wir nicht die Was­ser­schich­ten in den zer­brech­li­chen Ver­schlä­gen un­ter uns, de­ren Spann­kraft uns hin­läng­lich schüt­zen wird?«

»Das hof­fe ich, Mi­chel«, er­wi­der­te sanft Bar­bi­ca­ne, »aber ganz si­cher bin ich des­sen doch nicht!«

»Ah! Pos­sen!« rief Mi­chel Ar­dan. »Er hofft! … Ist der Sa­che nicht si­cher! … Und dies kläg­li­che Ge­ständ­nis erst in dem Mo­ment, da wir be­reits ein­ge­packt sind! Da möcht’ ich auf und da­von!«

»Und wie?« er­wi­der­te Bar­bi­ca­ne.

»In der Tat«, sag­te Mi­chel Ar­dan, »das ist schwer. Wir sind im Zug und vor Ablauf von vier­und­zwan­zig Mi­nu­ten wird der Kon­duk­teur pfei­fen …«

»Zwan­zig Mi­nu­ten«, sag­te Ni­choll.

Ei­ni­ge Mi­nu­ten blick­ten sich die Rei­sen­den ein­an­der an. Da­rauf prüf­ten sie die mit­ge­nom­me­nen Ge­gen­stän­de.

»Al­les ist rich­tig an sei­ner Stel­le«, sag­te Bar­bi­ca­ne. »Jetzt han­delt sich’s zu be­stim­men, wie wir am bes­ten Platz neh­men, um den Stoß bei der Ab­fahrt aus­zu­hal­ten. Es ist da­bei nicht ei­ner­lei, in wel­cher Stel­lung oder Lage man sich be­fin­det, und man muss so­viel wie mög­lich ver­hü­ten, dass das Blut zu stark nach dem Kop­fe dringt.«

»Rich­tig«, sag­te Ni­choll.

»Dann«, er­wi­der­te Mi­chel Ar­dan, um die Re­gel durch das Bei­spiel zu er­klä­ren, »le­gen wir uns, den Kopf un­ten und die Füße oben, wie die Clowns im Zir­kus!«

»Nein«, sag­te Bar­bi­ca­ne, »aber auf die Sei­te müs­sen wir uns le­gen. So wi­der­ste­hen wir am bes­ten dem Stoß. Mer­ken Sie wohl, im Mo­ment der Ab­fahrt ist’s fast ei­ner­lei, ob wir drin­nen oder da­vor sind.«

»Wenn nur fast ei­ner­lei, will ich’s zu­frie­den sein«, er­wi­der­te Mi­chel Ar­dan.

»Stim­men Sie mir bei, Ni­choll?« frag­te Bar­bi­ca­ne.

»Ganz und gar«, er­wi­der­te der Ka­pi­tän. »Noch drei­zehn Mi­nu­ten und eine hal­be.«

»Der Ni­choll ist kein Mensch«, rief Mi­chel, »son­dern ein Se­kun­den­chro­no­me­ter …«

Aber sei­ne Ge­fähr­ten hör­ten ihn schon nicht mehr an, und mach­ten ihre letz­ten Vor­keh­run­gen mit ei­ner Kalt­blü­tig­keit oh­ne­glei­chen. Sie mach­ten’s wie zwei me­tho­di­sche Rei­sen­de, die, wenn sie in einen Wag­gon ein­ge­stie­gen, sich’s so be­quem wie mög­lich zu ma­chen su­chen. Man fragt sich wahr­haf­tig, aus wel­chem Stoff die Her­zen die­ser Ame­ri­ka­ner ge­macht sind, de­nen im An­ge­sicht der er­schreck­lichs­ten Ge­fahr der Puls nicht ra­scher schlägt!

Man hat­te drei di­cke und so­lid ge­pols­ter­te La­ger­stät­ten in dem Pro­jek­til her­ge­rich­tet. Ni­choll und Bar­bi­ca­ne brach­ten sie auf die Mit­te der Schei­be, wel­che den be­weg­li­chen Fuß­bo­den bil­de­te; auf die­sen soll­ten die drei Rei­sen­den ei­ni­ge Au­gen­bli­cke vor der Ab­fahrt sich hin­stre­cken.

Wäh­rend­des­sen ver­hielt sich Ar­dan, der sich nicht ru­hig hal­ten konn­te in sei­nem en­gen Ge­fäng­nis, wie ein Stück Rot­wild im Kä­fig, plau­der­te mit sei­nen Freun­den, schwatz­te mit sei­nen Hun­den, Dia­na und Tra­bant, de­nen er seit kur­z­em die­se be­zeich­nen­den Na­men ge­ge­ben hat­te.

»He! Dia­na! He! Tra­bant!« rief er sie an. »Ihr wer­det den Mond­hun­den die gu­ten Sit­ten der Erd­hun­de zu zei­gen ha­ben! Ihr wer­det dem Hun­de­ge­schlecht Ehre ma­chen! Potz! Blitz! Ihr sollt euch mit Mond­dog­gen paa­ren, dass ich, kom­men wir zu­rück, eine Misch­ras­se mit­brin­ge, die Fu­ro­re ma­chen wird!«

»Wenn’s dort Hun­de gibt«, sag­te Bar­bi­ca­ne.

»Es gibt de­ren dort«, ver­si­cher­te Mi­chel Ar­dan, »wie es dort Pfer­de, Kühe, Esel, Hüh­ner gibt. Ich wet­te dar­auf, dass wir Hüh­ner dort an­tref­fen.«

»Hun­dert Dol­lar, dass wir kei­ne tref­fen«, sag­te Ni­choll.

»An­ge­nom­men, lie­ber Ka­pi­tän«, er­wi­der­te Ar­dan mit ei­nem Hän­de­druck, »aber du hast ja schon drei Wet­ten an un­se­ren Prä­si­den­ten ver­lo­ren, weil die nö­ti­gen Geld­mit­tel auf­ge­bracht wur­den, weil der Guß ge­lun­gen ist, und weil die Co­lum­bia­de ohne Un­fall ge­la­den wur­de – das macht sechs­tau­send Dol­lar.«

»Ja«, er­wi­der­te Ni­choll. »Zehn Uhr sie­ben­und­drei­ßig Mi­nu­ten und sechs Se­kun­den.«

»Wohl ge­merkt, Ka­pi­tän. Nun, ehe eine Vier­tel­stun­de vor­über ist, wirst Du noch neun­tau­send Dol­lar an den Prä­si­den­ten zu zah­len ha­ben, vier­tau­send, weil die Co­lum­bia­de nicht zer­sprin­gen wird, und fünf­tau­send, weil die Ku­gel hö­her als sechs Mei­len in die Lüf­te drin­gen wird.«

»Ich habe die Dol­lar bei mir, er­wi­der­te Ni­choll«, und klopf­te auf sei­ne Ta­sche, »ich wün­sche nur, dass es zum Zah­len kom­me.«

»Ni­choll, ich sehe, dass du ein Mann der Ord­nung bist, was mir nie ge­lin­gen woll­te, aber schließ­lich, du hast eine Rei­he Wet­ten ge­macht, wo­bei du dich sehr im Nach­teil be­findst, er­lau­be mir die­se Be­mer­kung.«

»Und wes­halb?« frag­te Ni­choll.

»Weil, wenn du die ers­te ge­winnst, im Fal­le näm­lich die Co­lum­bia­de springt, und die Ku­gel mit, Bar­bi­ca­ne nicht mehr in der Lage sein wird, dich be­zah­len zu kön­nen.«

»Mein Ein­satz be­fin­det sich auf der Bank zu Bal­ti­mo­re«, er­wi­der­te ein­fach Bar­bi­ca­ne, »dass er, wo nicht an Ni­choll, sei­nen Er­ben aus­ge­zahlt wer­den kann!«

»Was für prak­ti­sche Leu­te!« rief Mi­chel Ar­dan; »po­si­ti­ve Geis­ter! Ich be­wun­de­re euch umso mehr, als ich euch nicht be­grei­fe.«

»Zehn Uhr zwei­und­vier­zig«, sag­te Ni­choll.

»Noch über fünf Mi­nu­ten!« er­wi­der­te Bar­bi­ca­ne.

»Ja! Fünf kur­ze Mi­nu­ten!« ent­geg­ne­te Mi­chel Ar­dan. »Und wir sind ein­ge­schlos­sen in ei­nem Ge­schoss in­ner­halb ei­ner neun­hun­dert Fuß lan­gen Ka­no­ne! Und un­ter die­sem Ge­schoss be­fin­den sich vier­mal­hun­dert­tau­send Pfund Schieß­baum­wol­le, die eine Wir­kung von sech­zehn­hun­dert­tau­send Pfund ge­wöhn­li­chen Pul­vers ha­ben! Und Freund Murchi­son, den Chro­no­me­ter in der Hand, das Auge un­ver­wandt auf dem Zei­ger, den Fin­ger auf dem elek­tri­schen Ap­pa­rat, zählt die Se­kun­den, im Be­griff uns in die Räu­me der Pla­ne­ten­welt zu schleu­dern! …«

»Ge­nug, Mi­chel, ge­nug!« sag­te Bar­bi­ca­ne mit erns­tem Ton. »Ma­chen wir uns be­reit. Nur noch ei­ni­ge Au­gen­bli­cke ha­ben wir bis zum letz­ten. Ei­nen Hand­schlag, mei­ne Freun­de!«

»Ja!« rief Mi­chel Ar­dan, mit et­was mehr Rüh­rung, als er kund­ge­ben woll­te. Die drei küh­nen Ge­nos­sen um­arm­ten sich.

»Gott be­hü­te uns!« sag­te der from­me Bar­bi­ca­ne.

Mi­chel Ar­dan und Ni­choll streck­ten sich auf die Pols­ter auf der Mit­te des Bo­dens.

»Zehn Uhr sie­ben­und­vier­zig«, mur­mel­te der Ka­pi­tän. »Noch zwan­zig Se­kun­den!« Bar­bi­ca­ne lösch­te rasch die Gas­flam­me und leg­te sich ne­ben sei­ne Ka­me­ra­den.

Nur die Se­kun­den­schlä­ge des Chro­no­me­ters un­ter­bra­chen die tiefs­te Stil­le.

Mit ei­nem Mal ein ent­setz­li­cher Stoß, und das Pro­jek­til, von sechs Mil­li­ar­den Li­ter Gas ge­trie­ben, flog em­por in den Wel­traum.

Zweites Kapitel – Die erste halbe Stunde

Was war er­folgt? Wel­che Wir­kung hat­te die­se fürch­ter­li­che Er­schüt­te­rung ge­habt? Hat­te das Ge­nie der Ver­fer­ti­ger des Pro­jek­tils ein glück­li­ches Re­sul­tat er­zielt? Wur­de der Stoß ver­mit­tels der Sprung­fe­dern, Zap­fen, Was­ser­kis­sen, zer­brech­li­chen Ver­schlä­ge ab­ge­schwächt? War man der er­schreck­li­chen Kraft je­ner An­fangs­ge­schwin­dig­keit von elf­tau­send Me­ter, wel­che in ei­ner Se­kun­de durch ganz Pa­ris oder New-York fah­ren konn­te, Meis­ter ge­wor­den? Die­se Fra­gen dräng­ten sich of­fen­bar den tau­send Zeu­gen je­ner er­schüt­tern­den Sze­ne auf. Über dem Ge­dan­ken an die Rei­sen­den ver­gaß man den Zweck der Rei­se! Und wenn ei­ner von ih­nen – I. T. Mas­ton z.B. – hät­te einen Blick in das Pro­jek­til wer­fen kön­nen, was wür­de er ge­se­hen ha­ben?

Nichts da­mals, denn es war völ­lig dun­kel drin­nen. Aber sei­ne zy­lin­der-ko­ni­schen Wän­de hat­ten treff­lich Wi­der­stand ge­leis­tet. Kein Riss, kei­ne Bie­gung, kei­ne Ent­stel­lung. Das stau­nens­wer­te Pro­jek­til hat­te un­ter der un­ge­heu­ren Hit­ze der Pul­ver­ver­bren­nung nicht ge­lit­ten, war nicht, wie man zu be­fürch­ten schi­en, zu ei­nem Alu­mi­ni­um­re­gen zer­schmol­zen.

Im In­ne­ren we­nig Un­ord­nung, im gan­zen ge­nom­men. Ei­ni­ge Ge­gen­stän­de wa­ren nach der De­cke ge­schleu­dert wor­den; aber die be­deu­tends­ten schie­nen nicht von dem Stoß ge­lit­ten zu ha­ben. Die Be­fes­ti­gungs­rie­men wa­ren un­ver­letzt. Auf der be­weg­li­chen Schei­be, die nach Zer­trüm­me­rung der Schei­de­wän­de und dem Ent­wei­chen des Was­sers bis zum Bo­den her­ab­ge­sun­ken war, la­gen drei Kör­per re­gungs­los. Wa­ren Bar­bi­ca­ne, Ni­choll und Mi­chel Ar­dan noch bei Le­ben? War das Pro­jek­til et­was mehr, als ein me­tal­le­ner Sarg, der drei Lei­chen in den Wel­traum trug? …

Beleuchtung.

Ei­ni­ge Mi­nu­ten nach der Ab­fahrt fing ei­ner der Kör­per an, sich zu re­gen; sei­ne Arme be­weg­ten sich, sein Kopf rich­te­te sich auf, und es ge­lang ihm, auf die Knie zu kom­men. Es war Mi­chel Ar­dan. Er be­tas­te­te sich, stieß ein lau­tes »He!« aus, dann sprach er:

»Mi­chel Ar­dan un­ver­sehrt. Se­hen wir die an­de­ren!«

Diana und Trabant.

Der mu­ti­ge Fran­zo­se woll­te auf­ste­hen; aber er konn­te sich nicht auf den Bei­nen hal­ten. Sein Kopf wank­te, das stark ein­ge­drun­ge­ne Blut mach­te ihn blind, er war wie trun­ken.

»Brr!« mach­te er. »Das hat auf mich ge­wirkt, wie zwei Fla­schen Cor­to­na, nur dass die­ser wohl an­ge­neh­mer zu trin­ken ist!«

Da­rauf strich er mehr­mals mit der Hand sei­ne Stirn, rieb sich die Schlä­fen, und rief mit fes­ter Stim­me: »Ni­choll! Bar­bi­ca­ne!«

Er war­te­te ängst­lich. Kei­ne Ant­wort. Nicht ein Atem­zug, wel­cher kund­gab, dass sei­nen Ka­me­ra­den das Herz noch schlug. Er rief aber­mals. Die­sel­be Stil­le.

»Teu­fel! Sie ver­hal­ten sich, als sei­en sie von ei­nem fünf­ten Stock her­ab auf den Kopf ge­fal­len! Bah!« fuhr er mit der un­ver­wüst­li­chen Zu­ver­sicht, die sich durch nichts stö­ren ließ, fort, »wenn ein Fran­zo­se sich auf die Knie zu rich­ten ver­moch­te, so soll­ten zwei Ame­ri­ka­ner kei­nen An­stand neh­men, sich wie­der auf die Bei­ne zu hel­fen. Aber vor al­lem, klä­ren wir die Sa­che auf.«

Ar­dan fühl­te, wie ihm das Le­ben wie­der zu­ström­te. Sein Blut wur­de ru­hi­ger und kam wie­der in den ge­wohn­ten Um­lauf. Wie­der­hol­te An­stren­gun­gen brach­ten ihn ins Gleich­ge­wicht. Es ge­lang ihm auf­zu­ste­hen, er zog ein Streich­hölz­chen aus der Ta­sche, rieb den Phos­phor, dass er zün­de­te, nä­her­te sich dem Gas­hahn und mach­te Licht. Der Be­häl­ter hat­te nicht ge­lit­ten, kein Gas war ent­wi­chen. Das hät­te schon der Ge­ruch an­ge­zeigt, und dann hät­te Mi­chel Ar­dan es nicht wa­gen dür­fen, in dem mit Gas an­ge­füll­ten Raum eine Flam­me an­zu­zün­den. Denn es wäre dann eine Ex­plo­si­on ent­stan­den, wel­che viel­leicht vollen­det hät­te, was die Er­schüt­te­rung be­gann.

So­bald die Gas­flam­me leuch­te­te, bog sich Ar­dan über die Kör­per sei­ner Ge­fähr­ten, wel­che wie leb­lo­se Mas­sen über­ein­an­der­la­gen, Ni­choll oben, Bar­bi­ca­ne un­ten.

Ar­dan hob den Ka­pi­tän auf, stütz­te ihn ge­gen einen Di­wan und rieb ihn kräf­tig. Die­ses mit Ver­stand ge­üb­te Kne­ten brach­te Ni­choll wie­der zum Be­wusst­sein; er schlug die Au­gen auf, be­kam so­gleich sei­ne Kalt­blü­tig­keit wie­der und fass­te Ardans Hand. Dann um­her­bli­ckend, frag­te er:

»Und Bar­bi­ca­ne?«

»Er kommt auch an die Rei­he«, er­wi­der­te Mi­chel Ar­dan. »Mit dir fing ich an, weil du oben lagst. Jetzt ma­chen wir uns an Bar­bi­ca­ne.«

Hier­auf ho­ben Ar­dan und Ni­choll den Prä­si­den­ten des Gun-Clubs auf und leg­ten ihn auf den Di­wan. Bar­bi­ca­ne schi­en mehr als sei­ne Ge­nos­sen ge­lit­ten zu ha­ben. Er hat­te ge­blu­tet, aber Ni­choll be­ru­hig­te sich, als er sich über­zeug­te, dass die­ser Blut­ver­lust nur von ei­ner leich­ten Ver­wun­dung an der Schul­ter her­rühr­te. Bloß eine Schram­me, die er sorg­fäl­tig zu­sam­mendrück­te.

Doch dau­er­te es ge­rau­me Zeit, bis Bar­bi­ca­ne wie­der zu sich kam, wor­über sei­ne bei­den Freun­de, die ihn un­abläs­sig rie­ben, in Schre­cken ge­rie­ten.

»Er at­met je­doch«, sag­te Ni­choll, das lau­schen­de Ohr an der Brust des Ver­wun­de­ten.

»Ja«, ver­setz­te Ar­dan, »er at­met, wie ein Mensch, der die­se Tä­tig­keit täg­lich zu üben ge­wohnt war. Rei­ben, kne­ten wir, Ni­choll, kräf­tig!«

Und die bei­den im­pro­vi­sier­ten Ärz­te mach­ten’s so gut, dass Bar­bi­ca­ne wie­der zum Ge­brauch sei­ner Sin­ne kam. Er schlug die Au­gen auf, rich­te­te sich em­por, er­griff die Hand sei­ner Freun­de, und sein ers­tes Wort war:

»Ni­choll, sind wir in Be­we­gung?«

Ni­choll und Bar­bi­ca­ne sa­hen ein­an­der an. Ums Pro­jek­til hat­ten sie sich noch nicht be­küm­mert. Ihre ers­te Sor­ge galt den Rei­sen­den, nicht dem Wag­gon.

»Wirk­lich, sind wir in Be­we­gung?« wie­der­hol­te Mi­chel Ar­dan.

»Oder be­fin­den wir uns ru­hig auf dem Bo­den Flo­ri­das?« frag­te Ni­choll.

»Oder auf dem Grund des me­xi­ka­ni­schen Golfs?« füg­te Mi­chel Ar­dan bei.

»Das wäre!« rief der Prä­si­dent Bar­bi­ca­ne.

Und die­se dop­pel­te Ver­mu­tung, wel­che sei­ne Geg­ner auf­stell­ten, wirk­te un­mit­tel­bar, ihn wie­der zu völ­li­gem Be­wusst­sein zu brin­gen.

Wie dem auch sein moch­te, man konn­te über die Lage, worin sich das Ge­schoss be­fand, sich noch nicht be­stimmt aus­spre­chen. Sei­ne schein­ba­re Un­be­weg­lich­keit, der Man­gel an Ver­bin­dung mit der Au­ßen­welt ge­stat­te­ten nicht, die Fra­ge zu be­ant­wor­ten. Vi­el­leicht war das Pro­jek­til auf sei­ner Fahrt durch den Raum be­grif­fen? Vi­el­leicht war es auch nach kur­z­em Aufflug wie­der auf die Erde ge­fal­len, oder auch in den me­xi­ka­ni­schen Golf, was bei der ge­rin­gen Brei­te von Flo­ri­da leicht mög­lich war.