Reise um die Erde in 80 Tagen - Jules Verne - E-Book + Hörbuch

Reise um die Erde in 80 Tagen Hörbuch

Jules Verne.

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Beschreibung

Jules Verne bei Null Papier Komplett neu überarbeitet; reichhaltig illustriert und kommentiert Jeder kennt die Geschichte: Der exentrische Gentleman Phileas Fogg wettet mit seinen nicht minder exzentrischen Klubfreunden, dass er es schafft, in 80 Tagen die Welt zu umreisen. Der Wetteinsatz: sein gesamtes Vermögen. Zusammen mit seinem frisch eingestellten Diener Passepartout macht er sich umgehend auf, der Welt zu beweisen, dass ein englischer Gentleman mit genauer Planung und einer gefüllten Geldtasche überall seinen Mann stehen kann, ob im tiefsten Indien, fernsten China oder wildesten Westen. Sicherlich Vernes bekanntestes Werk, das vielfach verfilmt, längt Eingang gefunden hat in den Bildungskanon und Zitatenschatz der Welt. Ein Füllhorn an Traumzielen; zu lesen als Reisebericht, Kulturführer oder schlicht als spannende Abenteuergeschichte. Illustriert mit den wundervollen Zeichnungen von Léon Benett. Mit einführendem Aufsatz zu Leben und Werk des Autors. Null Papier Verlag

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Zeit:3 Std. 48 min

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Jules Verne

Reise um die Erde in 80 Tagen

Illustrierte Fassung

Jules Verne

Reise um die Erde in 80 Tagen

Illustrierte Fassung

(Le Tour du monde en quatre-vingts jours)Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected]: Léon Benett, Alphonse de NeuvilleÜbersetzung und Fußnoten: Jürgen Schulze EV: A. Hartleben’s Verlag, 1873 3. Auflage, ISBN 978-3-954182-82-4

null-papier.de/angebote

Inhaltsverzeichnis

Ju­les Ver­ne – Le­ben und Werk

Ers­tes Ka­pi­tel – Phi­leas Fogg und Pas­se­par­tout neh­men sich ein­an­der als Herr und Die­ner an.

Zwei­tes Ka­pi­tel – Pas­se­par­tout hat sein Ide­al ge­fun­den.

Drit­tes Ka­pi­tel – Eine Un­ter­re­dung, wel­che Phi­leas Fogg teu­er zu ste­hen kom­men kann.

Vier­tes Ka­pi­tel – Phi­leas Fogg setzt sei­nen Die­ner Pas­se­par­tout in Be­stür­zung.

Fünf­tes Ka­pi­tel – Ein neu­es Wert­pa­pier er­scheint auf dem Platz Lon­don.

Sechs­tes Ka­pi­tel – Der Agent Fix zeigt eine Un­ge­duld, die nicht un­be­grün­det war.

Sie­ben­tes Ka­pi­tel – Ein neu­er Be­weis, wie un­nütz Päs­se in Po­li­zei­sa­chen sind.

Ach­tes Ka­pi­tel – Pas­se­par­tout spricht ein we­nig mehr, als viel­leicht sich ge­hör­te.

Neun­tes Ka­pi­tel – Das Rote und das In­di­sche Meer zei­gen sich Phi­leas Foggs Ab­sich­ten güns­tig.

Zehn­tes Ka­pi­tel – Pas­se­par­tout kann sich glück­lich schät­zen, dass er mit dem Ver­lus­te sei­ner Fuß­be­klei­dung durch­kommt.

Elf­tes Ka­pi­tel – Phi­leas Fogg kauft um fa­bel­haf­ten Preis ein Reit­tier.

Zwölf­tes Ka­pi­tel – Phi­leas Fogg und sei­ne Ge­fähr­ten ma­chen einen aben­teu­er­li­chen Ritt durch in­di­sche Wal­dung.

Drei­zehn­tes Ka­pi­tel – Ein aber­ma­li­ger Be­weis, dass das Glück dem Küh­nen hold ist.

Vier­zehn­tes Ka­pi­tel – Phi­leas Fogg fährt das wun­der­vol­le Gan­ge­stal hin­ab, ohne dass er sich küm­mert, es zu se­hen.

Fünf­zehn­tes Ka­pi­tel – Der Bank­no­ten­sack wird aber­mals um ei­ni­ge tau­send Pfund leich­ter.

Sech­zehn­tes Ka­pi­tel – Fix stellt sich, als wis­se er nichts da­von, was ihm er­zählt ward.

Sieb­zehn­tes Ka­pi­tel – Von Sin­ga­pur nach Hong­kong.

Acht­zehn­tes Ka­pi­tel – Phi­leas Fogg, Pas­se­par­tout und Fix be­kom­men alle zu tun.

Neun­zehn­tes Ka­pi­tel – Pas­se­par­tout nimmt zu leb­haf­ten An­teil an sei­nem Herrn.

Zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Fix tritt zu Phi­leas Fogg in un­mit­tel­ba­re Be­zie­hung.

Ein­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Der Pa­tron der Tanka­dè­re in Ge­fahr, eine Prä­mie von zwei­hun­dert Pfund zu ver­lie­ren.

Zwei­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Pas­se­par­tout über­zeugt sich, dass es selbst bei den An­ti­po­den ge­ra­ten ist, et­was Geld in der Ta­sche zu ha­ben.

Drei­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Pas­se­par­tout be­kommt eine über die Ma­ßen lan­ge Nase.

Vier­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Fahrt über den Stil­len Ozean.

Fün­f­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Über­blick von San Fran­cis­co. Ein Mee­ting.

Sechs­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Ex­press­zug auf der Pa­zi­fik­bahn.

Sie­ben­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Ein Stück Mor­mo­nen­ge­schich­te.

Acht­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Pas­se­par­tout ver­moch­te nicht, der Stim­me der Ver­nunft Ge­hör zu ver­schaf­fen.

Neun­und­zwan­zigs­tes Ka­pi­tel – Ei­ni­ges, was nur auf ame­ri­ka­ni­schen Ei­sen­bah­nen vor­kommt.Ei­ni­ges, was nur auf ame­ri­ka­ni­schen Ei­sen­bah­nen vor­kommt.

Drei­ßigs­tes Ka­pi­tel – Phi­leas Fogg tut nur sei­ne Schul­dig­keit.

Ein­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel – Der Po­li­zei-Agent Fix nimmt sich sehr ernst­lich der In­ter­es­sen Foggs an.

Zwei­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel – Phi­leas Fogg in un­mit­tel­ba­rem Kampf mit dem Miss­ge­schick.

Drei­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel – Phi­leas Fogg auf der Höhe der Lage.

Vierund­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel – Fix wird ge­büh­rend be­zahlt.

Fün­fund­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel – Pas­se­par­tout lässt sich einen Auf­trag nicht zwei­mal sa­gen.

Sechs­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel – Phi­leas Fogg steigt aber­mals auf dem Geld­markt.

Sie­ben­und­drei­ßigs­tes Ka­pi­tel – Be­weis, dass Phi­leas Fogg durch sei­ne Rei­se um die Erde nichts ge­wann, au­ßer sein häus­li­ches Glück.

Ein Nach­wort

Dan­ke

Dan­ke, dass Sie die­ses E-Book aus mei­nem Ver­lag er­wor­ben ha­ben.

Ju­les Ver­ne ge­hört zu den Au­to­ren, die je­der schon ein­mal ge­le­sen hat. Eine Be­haup­tung, die man nicht über vie­le Schrift­stel­ler auf­stel­len kann. Die Ge­schich­ten von Ver­ne sind un­ter­hal­tend, lehr­reich und im­mer sehr at­mo­sphä­risch.

In un­re­gel­mä­ßi­ger Fol­ge wird mein Ver­lag die Wer­ke von Ver­ne ver­öf­fent­li­chen – die be­kann­ten wie die un­be­kann­ten. Im­mer in der über­ar­bei­te­ten Er­st­über­set­zung, um den (sprach­li­chen) Ch­ar­me der Zeit bei­zu­be­hal­ten.

Kor­ri­giert und kom­men­tiert wer­den Orts- und Per­so­nen­na­men oder of­fen­sicht­lich falsche An­ga­ben. Sie fin­den die Er­läu­te­run­gen in Fuß­no­ten.

Ich habe es mir auch nicht neh­men las­sen, die ur­sprüng­li­chen Na­men zu ver­wen­den: Aus dem Jo­hann wird so wie­der der ur­sprüng­li­che Jean, aus Lud­wig wie­der Louis und aus Ma­ri­an­ne wie­der Ma­rie. Ich den­ke, das tut den Ge­schich­ten nur gut.

Soll­ten Sie Hil­fe be­nö­ti­gen oder eine Fra­ge ha­ben, schrei­ben Sie mir.

Ihr Jür­gen Schul­ze null-pa­pier.de/kon­takt

Ju­les Ver­ne bei Null Pa­pier

Rei­se um die Erde in 80 Ta­gen

Mi­cha­el Strogoff - Der Ku­ri­er des Za­ren

Zwan­zig­tau­send Mei­len un­ter dem Meer

Eine Idee des Dok­tor Ox

Eine Über­win­te­rung im Eis

Schwarz-In­di­en – Oder: Die Stadt un­ter der Erde

Fünf Wo­chen im Bal­lon

Ro­bur der Ero­be­rer

Der Herr der Welt

Von der Erde zum Mond

und wei­te­re …

Ju­les Ver­ne – Le­ben und Werk

Bei­na­he wäre Klein-Ju­les als Schiffs­jun­ge nach In­di­en ge­fah­ren, hät­te eine Lauf­bahn als See­mann ein­ge­schla­gen und spä­ter un­ter­halt­sa­mes See­manns­garn ge­spon­nen, das ver­mut­lich nie die Drucker­pres­se er­reicht hät­te.

Ju­les Ver­ne

Ver­liebt in die aben­teu­er­li­che Li­te­ra­tur

Glück­li­cher­wei­se für uns Le­ser hin­dert man ihn dar­an: Der Elf­jäh­ri­ge wird von Bord ge­holt und ver­lebt wei­ter­hin eine be­hü­te­te Kind­heit vor bür­ger­li­chem Hin­ter­grund. Ge­bo­ren am 8. Fe­bru­ar 1828 in Nan­tes, wächst Ju­les-Ga­bri­el Ver­ne in gut si­tu­ier­ten Ver­hält­nis­sen auf. Als äl­tes­ter von fünf Spröss­lin­gen soll er die vä­ter­li­che An­walt­spra­xis über­neh­men, wes­halb er ab 1846 in Pa­ris Jura stu­diert.

Viel span­nen­der fin­det er schon zu die­ser Zeit al­ler­dings die Li­te­ra­tur. Ver­ne freun­det sich so­wohl mit Alex­and­re Du­mas als auch mit sei­nem gleich­na­mi­gen Sohn an. Ge­mein­sam mit Va­ter Du­mas ver­fasst er Opern­li­bret­ti und ers­te dra­ma­ti­sche Wer­ke. Nach dem Ab­schluss sei­nes Stu­di­ums be­schließt er, nicht nach Nan­tes zu­rück­zu­keh­ren, son­dern sich völ­lig der Dra­ma­tik zu wid­men.

Zwar schreibt er nicht ganz er­folg­los – drei sei­ner Er­zäh­lun­gen er­schei­nen in ei­ner li­te­ra­ri­schen Zeit­schrift. Doch zum Le­ben reicht es nicht, wes­halb der jun­ge Au­tor 1852 den Pos­ten ei­nes In­ten­danz-Se­kre­tärs am Théâtre ly­ri­que an­nimmt. Im­mer­hin wird die­se Ar­beit zu­ver­läs­sig ver­gü­tet und Ver­ne darf sich als Dra­ma­ti­ker be­tä­ti­gen. In sei­ner Frei­zeit ver­fasst er wei­ter­hin Er­zäh­lun­gen, wo­bei ihn aben­teu­er­li­che Rei­sen am meis­ten in­ter­es­sie­ren.

Als er 1857 eine Wit­we hei­ra­tet, die zwei Töch­ter in die Ehe mit­bringt, muss sich der Li­te­rat nach ei­ner bes­ser be­zahl­ten Ein­kom­mens­quel­le um­se­hen. Wäh­rend der nächs­ten zwei Jah­re schlägt er sich als Bör­sen­mak­ler durch, wo­bei er ge­nug Zeit fin­det, län­ge­re Schiffs­rei­sen zu un­ter­neh­men, be­vor 1861 sein Sohn Mi­chel ge­bo­ren wird.

Ver­liebt ins li­te­ra­ri­sche Aben­teu­er

Letzt­lich ist es ei­ner be­son­de­ren Be­geg­nung im Jahr 1862 ge­schul­det, dass al­les, was der Au­tor bis­her »geis­tig an­ge­sam­melt« hat, in sei­nen künf­ti­gen Ro­ma­nen kul­mi­nie­ren darf: Der Ju­gend­buch-Ver­le­ger Pier­re-Ju­les Het­zel ver­öf­fent­licht Ver­nes uto­pi­schen Rei­se­ro­man »Fünf Wo­chen im Bal­lon«. Die­ses von ihm oh­ne­hin be­vor­zug­te Su­jet wird den Schrift­stel­ler nie wie­der los­las­sen – die aben­teu­er­li­chen Rei­sen, auf wel­cher Rou­te auch im­mer sie ab­sol­viert wer­den. Het­zel ver­legt Ver­nes noch heu­te be­lieb­tes­te Schrif­ten: 1864 »Rei­se zum Mit­tel­punkt der Erde«, im fol­gen­den Jahr »Von der Erde zum Mond«, 1869 »Rei­se um den Mond« und »Zwan­zig­tau­send Mei­len un­ter dem Meer«. Mit »Rei­se um die Erde in 80 Ta­gen« er­scheint 1872 Ju­les Ver­nes er­folg­reichs­ter Ro­man über­haupt.

Die Zu­sam­men­ar­beit mit Het­zel, der gleich­zei­tig als sein Men­tor fun­giert, sorgt in den spä­ten 1860er Jah­ren da­für, dass der höchst pro­duk­ti­ve Schrift­stel­ler sei­ner Fa­mi­lie ei­ni­gen Wohl­stand bie­ten und sich selbst »ju­gend­traum­haf­te« Rei­se­wün­sche er­fül­len kann. Sein Ver­le­ger stellt ihn nam­haf­ten Wis­sen­schaft­lern vor – in Kom­bi­na­ti­on mit den er­wähn­ten Rei­sen ent­steht auf die­se Wei­se ein un­ge­heu­rer Fun­dus der In­spi­ra­ti­on: Ju­les Ver­nes Zet­tel­kas­ten ent­hält an­geb­lich 25.000 No­ti­zen!

Zwar ist er seit »Rei­se um den Mond« glei­cher­ma­ßen wohl­ha­bend und ge­ach­tet; er en­ga­giert sich seit den spä­ten 1880er Jah­ren so­gar als Stadt­rat in Amiens, wo­hin er 1871 mit sei­ner Fa­mi­lie über­ge­sie­delt war. Der »Rit­ter­schlag« aber bleibt aus: In der Aca­dé­mie françai­se möch­te man den Ju­gend­buch­au­tor nicht ha­ben, er gilt als nicht se­ri­ös ge­nug.

Den Ze­nit sei­nes Schaf­fens hat der Li­te­rat be­reits über­schrit­ten, als er 1888 blei­ben­de Ver­let­zun­gen durch den Schuss­waf­fen-An­griff ei­nes geis­tes­ge­stör­ten Ver­wand­ten da­von­trägt. Den­noch ar­bei­tet der Au­tor un­un­ter­bro­chen wei­ter. Als Ju­les Ver­ne im März 1905 stirbt, hin­ter­lässt er ein ge­wal­ti­ges Ge­samt­werk: 54 zu Leb­zei­ten er­schie­ne­ne Ro­ma­ne, wei­te­re elf Ma­nu­skrip­te be­ar­bei­tet sein Sohn Mi­chel nach dem Tod des Va­ters. Er­gänzt wird Ver­nes Œu­vre durch Er­zäh­lun­gen, Büh­nen­stücke und geo­gra­fi­sche Ver­öf­fent­li­chun­gen.

Ge­liebt und miss­ach­tet

Je­nes zwie­späl­ti­ge Ver­hält­nis, das sich be­reits in der Ab­leh­nung der Aka­de­mie­mit­glie­der äu­ßert, kenn­zeich­net die aka­de­mi­sche Re­zep­ti­on bis heu­te: Ju­les Ver­ne ist eben »nur ein Ju­gend­buch­au­tor«. We­ni­ger be­fan­ge­ne Re­zi­pi­en­ten frei­lich schrei­ben ihm eine ganz an­de­re Be­deu­tung zu, die dem Vi­sio­när und lei­den­schaft­li­chen Er­zäh­ler bes­ser ge­recht wird.

Wenn­gleich der al­tern­de Li­te­rat zum Ende sei­nes Schaf­fens durch­aus nicht mehr in gläu­bi­ger Tech­nik­be­geis­te­rung auf­geht, blei­ben uns doch ge­nau jene Wer­ke in lie­be­vol­ler Erin­ne­rung, in de­nen tech­ni­sche und mensch­li­che Groß­ta­ten die Hand­lung be­stim­men: »Rei­se um die Erde in 80 Ta­gen« oder »Zwan­zig­tau­send Mei­len un­ter dem Meer« bei­spiels­wei­se. Wer als Kind von Nemo und sei­ner Nau­ti­lus liest, wird un­wei­ger­lich ge­fan­gen von die­sem tech­ni­schen Wun­der­werk und des­sen Ka­pi­tän. Ver­nes Ro­ma­ne ge­hö­ren zu je­nen Ju­gend­bü­chern, die man als Er­wach­se­ner ger­ne noch­mals zur Hand nimmt – und man staunt er­neut, er­in­nert sich, lässt sich wie­der­um ein­fan­gen und fragt sich, warum man ei­gent­lich so sel­ten Ver­ne liest…

So wie der Au­tor sich selbst durch Rei­sen und Wis­sen­schaft in­spi­rie­ren lässt, die­nen sei­ne Wer­ke seit je­her der In­spi­ra­ti­on sei­ner Le­ser­schaft. Wie prä­sent die­ser ex­zel­len­te Un­ter­hal­ter in den Köp­fen sei­ner Le­ser bleibt, be­le­gen Be­nen­nun­gen in See- und Raum­fahrt: Das ers­te Atom-U-Boot der Ge­schich­te ist die ame­ri­ka­ni­sche USS Nau­ti­lus. Ein Raum­trans­por­ter der Eu­ro­päi­schen Raum­fahr­t­agen­tur heißt »Ju­les Ver­ne«, ein As­te­ro­id und ein Mond­kra­ter tra­gen eben­falls den Na­men des Schrift­stel­lers. Die »Ju­les Ver­ne Tro­phy« wird seit 1990 für die schnells­te Wel­t­um­se­ge­lung ver­lie­hen, was dem be­geis­ter­ten Jacht­be­sit­zer Ver­ne ge­wiss ge­fal­len hät­te.

Der kom­mer­zi­el­le Li­te­ra­tur­be­trieb so­wie die Film­wirt­schaft be­trach­ten den fran­zö­si­schen Va­ter der Science-Fic­ti­on-Li­te­ra­tur eben­falls mit Wohl­wol­len: Un­zäh­li­ge Neu­auf­la­gen der Ro­man­klas­si­ker, Hör­bü­cher und Ver­fil­mun­gen der ra­san­ten, stets mit­rei­ßen­den Hand­lun­gen spre­chen Bän­de. Mitt­ler­wei­le gel­ten die äl­tes­ten Ver­fil­mun­gen selbst als kul­tu­rel­le Mei­len­stei­ne, die kei­nes­wegs nur ein jun­ges Pub­li­kum er­freu­en.

Ju­les Ver­nes Be­deu­tung für die Li­te­ra­tur

Der Ein­fluss Ver­nes auf nach­fol­gen­de Science-Fic­ti­on-Au­to­ren ist gar nicht hoch ge­nug ein­zu­schät­zen: Aus heu­ti­ger Sicht ist er ei­ner der Vor­rei­ter der uto­pi­schen Li­te­ra­tur Eu­ro­pas, der noch vor H. G. Wells (»Krieg der Wel­ten«) und Kurd Laß­witz (»Auf zwei Pla­ne­ten«) das neue Gen­re be­grün­det. Sein­er­zeit gibt es die­sen Be­griff noch nicht, wes­halb Het­zel die Ro­ma­ne sei­nes Er­folgs­schrift­stel­lers als »Au­ßer­ge­wöhn­li­che Rei­sen« ver­mark­tet

Der Fran­zo­se sieht, an­ders als Wells und ähn­lich wie Laß­witz, im tech­ni­schen Fort­schritt das künf­ti­ge Wohl der Mensch­heit be­grün­det. Trotz­dem ist Ju­les Ver­ne vor al­lem Er­zäh­ler: Er will we­der war­nen wie Wells noch be­leh­ren wie Laß­witz, son­dern in ers­ter Li­nie un­ter­hal­ten. Im Ver­gleich zum sprö­den Rea­lis­mus ei­nes Wells wir­ken sei­ne Ro­ma­ne für mo­der­ne Le­ser aus­ufernd, viel­leicht so­gar ge­schwät­zig. Den­noch sind sie leich­ter zu­gäng­lich als das sti­lis­tisch ähn­li­che Schaf­fen des Deut­schen Laß­witz, weil sie Uto­pie und Tech­nik­be­geis­te­rung nicht zum Zweck ih­res In­halts ma­chen, son­dern le­dig­lich zu des­sen Trä­ger: Schließ­lich ist es ein­fach auf­re­gend, in ei­nem Bal­lon eine Welt­rei­se an­zu­tre­ten oder Ka­pi­tän Nemo in sein ge­hei­mes Reich zu fol­gen.

Erstes Kapitel – Phileas Fogg und Passepartout nehmen sich einander als Herr und Diener an.

Im Jah­re 1872 wohn­te in dem Hau­se Num­mer 7, Sa­vi­le Row, Bur­ling­ton Gar­dens – worin She­ri­dan im Jah­re 1814,1 starb – Phi­leas Fogg, Esq.2 ei­nes der aus­ge­zeich­nets­ten und her­vor­ra­gends­ten Mit­glie­der des Re­form­clubs3 zu Lon­don, der je­doch dem An­schein nach be­flis­sen war nichts zu tun, was Auf­se­hen er­re­gen konn­te.

Die­ser Phi­leas Fogg also, Nach­fol­ger ei­ner der größ­ten Red­ner, wel­che Eng­lands Zier­de sind, war ein rät­sel­haf­ter Mann, von dem man nichts wei­ter wuss­te, als dass er ein recht bra­ver Mann und ei­ner der schöns­ten Gent­le­men der vor­neh­men Ge­sell­schaft sei.

Man sag­te, er glei­che By­ron – sein Kopf, denn sei­ne Füße wa­ren ta­del­los – aber ein By­ron mit Schnurr- und Ba­cken­bart, ein By­ron mit lei­den­schafts­lo­sen Zü­gen, der tau­send Jah­re alt wer­den konn­te, ohne zu al­tern.

Ein ech­ter Eng­län­der un­strei­tig, war Phi­leas Fogg viel­leicht kein Lon­do­ner. Man sah ihn nie auf der Bör­se, noch auf der Bank, noch auf ir­gend­ei­nem Han­dels­kon­tor der City. Nie sah man in den Bass­ins und Docks zu Lon­don ein Schiff, des­sen Eig­ner Phi­leas Fogg ge­we­sen wäre. In kei­nem Ko­mi­tee der Ver­wal­tung hat­te die­ser Gent­le­man einen Platz; nie hör­te man sei­nen Na­men in ei­nem An­walts-Kol­leg, oder in Midd­le Tem­ple, in Lin­coln’s Inn oder Gray­’s Inn.4 Er plä­dier­te nie­mals, we­der beim Ober­ge­richts­hof noch bei der King’s Bench,5 beim Schatz­kam­mer­ge­richt oder ei­nem geist­li­chen Hof. Er war we­der ein In­dus­tri­el­ler, noch ein Groß­händ­ler, noch Kauf­mann oder Land­bau­er. Er ge­hör­te we­der dem Kö­nig­li­chen In­sti­tut, noch dem In­sti­tut von Lon­don, noch sonst ir­gend­ei­ner An­stalt der Kunst, Wis­sen­schaft oder Ge­wer­be an; noch end­lich ei­ner der zahl­rei­chen Ge­sell­schaf­ten, wo­von die Haupt­stadt Eng­lands wim­melt, von der Har­mo­nie bis zur en­to­mo­lo­gi­schen Ge­sell­schaft, wel­che haupt­säch­lich den Zweck ver­folgt, die schäd­li­chen In­sek­ten zu ver­til­gen.

Phi­leas Fogg war Mit­glied des Re­form­clubs, nichts wei­ter.

Wun­dert man sich, dass ein so mys­te­ri­öser Gent­le­man un­ter den Glie­dern die­ser eh­ren­wer­ten Ge­sell­schaft zähl­te, so dient zur Ant­wort, dass er auf Emp­feh­lung des Hau­ses Ge­brü­der Ba­ring,6 wo er sein Geld an­ge­legt hat­te, Auf­nah­me fand. Da­her ein ge­wis­ses An­se­hen, wel­ches er dem Um­stand ver­dank­te, dass von dem Soll sei­nes Kon­to­kor­rents sei­ne Wech­sel bei Sicht pünkt­lich ge­zahlt wur­den.

War die­ser Phi­leas Fogg reich? Un­strei­tig. Aber wie er sich dies Ver­mö­gen ge­macht, konn­ten die Be­st­un­ter­rich­te­ten nicht sa­gen, und Herr Fogg war der Letz­te, an den man sich wen­den durf­te, um es zu er­fah­ren. Je­den­falls war er nicht ver­schwen­de­risch, aber auch nicht gei­zig; denn über­all, wo es für eine edle, nütz­li­che oder groß­mü­ti­ge Sa­che an ei­nem Be­trag man­gel­te, schoss er ihn im Stil­len bei, und selbst an­onym.

Im All­ge­mei­nen war die­ser Gent­le­man sehr we­nig mit­teil­sam. Er sprach so we­nig wie mög­lich, und schi­en umso ge­heim­nis­vol­ler, als er schweig­sam war. Doch lag sei­ne Le­bens­wei­se je­dem vor Au­gen, aber was er tat, war so ma­the­ma­tisch stets ein und das­sel­be, dass die un­be­frie­dig­te Ein­bil­dungs­kraft wei­ter hin­aus forsch­te.

Hat­te er Rei­sen ge­macht? Ver­mut­lich, denn kein Mensch war bes­ser wie er in al­ler Welt auf der Kar­te be­kannt. Auch von dem ent­le­gens­ten Ort schi­en er ge­naue Kennt­nis zu ha­ben. Manch­mal wuss­te er, doch in we­ni­gen, kur­z­en und kla­ren Wor­ten, die tau­send Äu­ße­run­gen, wel­che im Club über ver­lo­re­ne oder ver­irr­te Rei­sen­de zir­ku­lier­ten, zu be­rich­ti­gen, und sei­ne Wor­te schie­nen oft wie von ei­nem zwei­ten Ge­sicht ein­ge­ge­ben, denn je­des Er­eig­nis recht­fer­tig­te sie schließ­lich. Es war ein Mann, der über­all hin – im Geis­te we­nigs­tens – ge­reist sein muss­te.

Zu­ver­läs­sig je­doch war Phi­leas Fogg seit vie­len Jah­ren nicht aus Lon­don hin­aus ge­kom­men. Wer ihn et­was nä­her zu ken­nen die Ehre hat­te, be­zeug­te, dass kein Mensch ihn je wo­an­ders ge­se­hen, als auf dem ge­ra­den Wege von sei­nem Hau­se zum Club, den er tag­täg­lich mach­te. Sein ein­zi­ger Zeit­ver­treib be­stand im Le­sen der Jour­na­le und im Whist­spiel. Bei die­sem schweig­sa­men Spiel, wel­ches so sehr sei­ner Na­tur an­ge­mes­sen war, ge­wann er oft, aber sei­ne Ge­win­ne flos­sen nie in sei­ne ei­ge­ne Bör­se, son­dern bil­de­ten einen er­heb­li­chen Pos­ten auf sei­nem Barm­her­zig­keits-Kon­to. Üb­ri­gens ist wohl zu mer­ken, Herr Fogg spiel­te of­fen­bar um des Spie­les wil­len, nicht um zu ge­win­nen. Das Spiel war ihm ein Rin­gen mit ei­ner Schwie­rig­keit, das je­doch kei­ne Be­we­gung, kei­ne Platz­ver­än­de­rung, kei­ne Er­mü­dung kos­te­te, und das pass­te zu sei­nem Cha­rak­ter.

Man wuss­te bei Phi­leas Fogg nichts von Weib oder Kind – was den eh­ren­haf­tes­ten Men­schen pas­sie­ren kann – noch von Ver­wand­ten oder Freun­den, was al­ler­dings sel­te­ner ist. Phi­leas Fogg war der ein­zi­ge Be­woh­ner sei­nes Hau­ses Sa­vi­le Row, und kein Mensch sonst kam in das­sel­be hin­ein, einen ein­zi­gen Die­ner aus­ge­nom­men, der ihm ge­nüg­te. Was im In­nern des­sel­ben vor­ging, da­von war nie­mals die Rede. Er früh­stück­te und speis­te zu Mit­tag im Club, zu chro­no­me­trisch be­stimm­ten Stun­den, in dem­sel­ben Saal, an dem­sel­ben Ti­sche, trak­tier­te nie­mals einen Kol­le­gen, lud nie einen aus­wärts ein, und kehr­te nur zum Schla­fen, Punkt zwölf Uhr nachts, nach Hau­se, ohne je­mals von den wohn­li­chen Ge­mä­chern Ge­brauch zu ma­chen, wel­che der Re­form­club7 für sei­ne Mit­glie­der zur Ver­fü­gung hält. Von vier­und­zwan­zig Stun­den brach­te er zehn in sei­ner Woh­nung zu, teils zum Schla­fen, teils zur Be­schäf­ti­gung mit sei­ner Toi­let­te. Spa­zie­ren ging er un­ab­än­der­lich, mit gleich ge­mes­se­nem Schritt in dem mit ein­ge­leg­ter Ar­beit par­quet­tier­ten Ein­gangs­saal oder auf dem Rund­gang, über wel­chem ein blau­es Glas­ge­wöl­be auf zwan­zig io­ni­schen Säu­len von ro­tem Por­phyr ruh­te. Bei der Mahl­zeit oder dem Früh­stück lie­fer­ten die Kü­che und Spei­se­kam­mer, die Kon­di­to­rei, der Fisch­be­häl­ter und die Milch­stu­be ihre bes­ten Ge­rich­te; die Club­die­ner, ge­setz­te Leu­te in schwar­zer Klei­dung und mit Mol­ton­schu­hen,8 be­dien­ten ihn auf be­son­de­rem Por­zel­lan und Ta­fel­weiß­zeug von kost­ba­rer säch­si­scher Lein­wand; sei­nen Sher­ry oder Por­to, sei­nen mit feins­tem Zimt und Oran­gen­blü­ten ge­misch­ten Cla­ret9 trank er aus dem sel­tens­ten Kris­tall des Clubs; und das Eis, wel­ches der Club mit schwe­ren Kos­ten aus den Seen Ame­ri­kas be­zog, er­hielt sei­nen Trunk in er­quick­li­cher Fri­sche.

Wenn man ein Le­ben in sol­chen Ver­hält­nis­sen ex­zen­trisch nennt, so muss man zu­ge­ben, dass Ex­zen­tri­zi­tät et­was Gu­tes ent­hält!

Phileas Fogg

Das nicht eben pracht­vol­le Haus in Sa­vi­le Row emp­fahl sich durch größ­te Be­quem­lich­keit. Üb­ri­gens be­schränk­te sich, bei den un­ab­än­der­li­chen Ge­wohn­hei­ten des Mie­ters, sei­ne Be­die­nung auf ge­rin­ge An­for­de­run­gen. Doch ver­lang­te Phi­leas Fogg von sei­nem ein­zi­gen Die­ner eine au­ßer­or­dent­li­che Pünkt­lich­keit und Re­gel­mä­ßig­keit. An die­sem Tage, 2. Ok­to­ber, hat­te Phi­leas Fogg sei­nen Bur­schen Ja­mes Fors­ter ent­las­sen, weil er ihm zum Ra­sie­ren Was­ser ge­bracht hat­te, das vierun­dacht­zig an­statt sechs­un­dacht­zig Grad Fah­ren­heit heiß war, und er er­war­te­te den Nach­fol­ger des­sel­ben, wel­cher sich zwi­schen elf und halb zwölf Uhr ihm vor­stel­len soll­te.

Jean Passepartout

Phi­leas Fogg saß breit in sei­nem Fau­teuil,10 bei­de Füße bei­ein­an­der, wie ein Sol­dat auf der Pa­ra­de, die Hän­de auf die Knie ge­stützt, den Leib ge­ra­de, den Kopf auf­recht, und sah auf die Pen­del­uhr, wel­che Stun­den, Mi­nu­ten, Se­kun­den, Tag und Da­tum an­zeig­te. Nach sei­ner Ge­wohn­heit soll­te Herr Fogg Schlag halb zwölf Uhr sich aus dem Hau­se auf den Re­form­club be­ge­ben.

In die­sem Au­gen­bli­cke klopf­te es an die Türe des klei­nen Sa­lons, worin sich Phi­leas Fogg auf­hielt.

Der ver­ab­schie­de­te Die­ner trat ein.

»Der neue Die­ner«, sag­te er.

Ein Bur­sche von etwa drei­ßig Jah­ren trat ein und grüß­te.

»Sie sind Fran­zo­se und hei­ßen John?« frag­te Phi­leas Fogg.

»Jean, be­lie­ben mein Herr«, er­wi­der­te der neue Die­ner, »Jean Pas­se­par­tout, ein Beiname, der mein na­tür­li­ches Ge­schick, mich aus Ver­le­gen­hei­ten zu zie­hen, be­zeich­net. Ich glau­be ein bra­ver Bur­sche zu sein, mein Herr, doch, of­fen ge­sagt, ich habe schon meh­re­re Ge­schäf­te ge­trie­ben. Ich war Bän­kel­sän­ger, Be­rei­ter in ei­nem Zir­kus, vol­ti­gier­te wie Leo­tard, und tanz­te auf dem Sei­le gleich Blon­din;11 dar­auf bin ich Leh­rer der Gym­nas­tik ge­wor­den, um mei­ne Ta­len­te nütz­li­cher zu ma­chen, und zu­letzt Ser­geant bei den Pom­piers12 zu Pa­ris. Ich habe merk­wür­di­ge Brän­de auf mei­ner Lis­te. Nun aber habe ich be­reits seit fünf Jah­ren Frank­reich ver­las­sen, und bin, um das Fa­mi­li­en­le­ben zu ge­nie­ßen, Kam­mer­die­ner in Eng­land. Da ich jetzt ohne Stel­le bin, und ver­nom­men habe, Herr Phi­leas Fogg sei der pünkt­lichs­te und zu­rück­ge­zo­gens­te Mann im Ve­rei­nig­ten Kö­nig­rei­che, so habe ich mich dem Herrn vor­ge­stellt, in Hoff­nung, bei dem­sel­ben ru­hig zu le­ben, und selbst den Na­men Pas­se­par­tout zu ver­ges­sen…«

»Pas­se­par­tout ist ganz pas­send für mich«, er­wi­der­te der Gent­le­man. »Sie sind mir emp­foh­len. Man hat mir gute Aus­kunft über Sie ge­ge­ben. Sie wis­sen mei­ne Be­din­gun­gen?«

»Ja, mein Herr.«

»Gut. Wie viel Uhr ha­ben Sie?«

»Elf Uhr zwei­und­zwan­zig Mi­nu­ten«, er­wi­der­te Pas­se­par­tout, in­dem er eine große sil­ber­ne Uhr aus sei­ner Ho­sen­ta­sche her­vor­zog.

»Sie sind in der Zeit zu­rück«, sag­te Herr Fogg.

»Ver­zei­hen Sie, mein Herr, aber es ist nicht mög­lich.«

»Um vier Mi­nu­ten sind Sie zu­rück. Gleich­viel. Mer­ken wir uns nur die Ab­wei­chung. Also, von die­sem Au­gen­bli­cke an, elf Uhr neun­und­zwan­zig Mi­nu­ten vor­mit­tags, mitt­wochs, 2. Ok­to­ber 1872, sind Sie in mei­nem Dienst.«

Hier­auf stand Phi­leas Fogg auf, nahm sei­nen Hut in die Lin­ke, setz­te ihn mit ei­ner au­to­ma­ti­schen Be­we­gung auf und ver­schwand ohne ein Wort wei­ter.

Pas­se­par­tout hör­te, wie die Hau­stü­re ein­mal sich schloss: sein neu­er Herr ging hin­aus; dann zum zwei­ten Mal: sein Vor­gän­ger, Ja­mes Fors­ter, ging eben­falls fort.

Pas­se­par­tout be­fand sich al­lein im Hau­se der Sa­vi­le Row.

Zweites Kapitel – Passepartout hat sein Ideal gefunden.

»Mei­ner Treu«, sag­te sich Pas­se­par­tout, der an­fangs et­was ver­dutzt war, »ich fin­de, dass die Ham­pel­männ­chen bei Ma­da­me Tussaud eben­so le­ben­dig sind, als mein neu­er Herr!«

Die Ham­pel­männ­chen der Ma­da­me Tussaud sind näm­lich Wachs­fi­gu­ren, die in Lon­don sehr ger­ne ge­se­hen wur­den, und bei de­nen man in der Tat nur ver­miss­te, dass sie nicht re­den konn­ten.

Wäh­rend der we­ni­gen Au­gen­bli­cke, wo er mit Phi­leas Fogg zu­sam­men ge­we­sen, hat­te Pas­se­par­tout sei­nen künf­ti­gen Herrn rasch, aber doch ge­nau ge­mus­tert. Der Mann von ed­ler und schö­ner Ge­stalt, ho­hem Wuchs, dem ei­ni­ge Wohl­be­leibt­heit nicht übel stand, moch­te etwa vier­zig Jah­re alt sein, hat­te blon­des Haar und Bart, eine glat­te Stirn, ohne auch nur einen Schein von Run­zeln an den Schlä­fen, ein mehr blei­ches als ge­röte­tes An­ge­sicht, pracht­vol­le Zäh­ne. Er schi­en in ho­hem Gra­de zu be­sit­zen, was die Phy­sio­gno­mis­ten.1 »Ruhe in der Tä­tig­keit« nen­nen, eine Ei­gen­schaft, die al­len de­nen ge­mein ist, wel­che mit we­nig Geräusch ihre Ar­beit trei­ben. Mit See­len­ru­he und Phleg­ma be­gabt, rei­nem Auge und un­be­weg­li­chen Wim­pern, war er der vollen­de­te Ty­pus je­ner kalt­blü­ti­gen Eng­län­der, wie man sie im Ve­rei­nig­ten Kö­nig­rei­che ziem­lich häu­fig an­trifft, und de­ren et­was aka­de­mi­sche Hal­tung An­ge­li­ka Kauf­manns2 Pin­sel zum Stau­nen tref­fend dar­ge­stellt hat. Sah man die­sen Gent­le­man in sei­nen ver­schie­de­nen Tä­tig­kei­ten, so gab er die Idee ei­nes Ge­schöp­fes, des­sen sämt­li­che Tei­le wohl im Gleich­ge­wicht stan­den und rich­tig ab­ge­wo­gen wa­ren, so voll­kom­men, wie ein Chro­no­me­ter von Leroy3 oder Earns­haw4 Und in der Tat war Phi­leas Fogg die per­so­ni­fi­zier­te Ge­nau­ig­keit, was man deut­lich an »dem Aus­druck sei­ner Füße und Hän­de« sah; denn beim Men­schen, wie bei den Tie­ren, sind die Glie­der selbst aus­drucks­vol­le Or­ga­ne der Lei­den­schaf­ten.

Phi­leas Fogg ge­hör­te zu den ma­the­ma­tisch ex­ak­ten Men­schen, wel­che nie­mals ei­lig und stets fer­tig, mit ih­ren Schrit­ten und Be­we­gun­gen spar­sam sind. Er hob sein Bein nicht, ohne dass es nö­tig war, und ging stets den kür­zes­ten Weg. Kein Blick nach der De­cke war bei ihm ver­geb­lich, kei­ne Hand­be­we­gung über­flüs­sig. Man sah ihn nie in Ge­müts­be­we­gung oder Un­ru­he. Kein Mensch auf der Welt war we­ni­ger has­tig, und doch kam er stets zu rech­ter Zeit. Man wird je­doch be­greif­lich fin­den, dass die­ser Mann ein­sam leb­te, und so­zu­sa­gen au­ßer al­ler ge­sell­schaft­li­chen Be­zie­hung. Er wuss­te, dass es im Le­ben un­ver­meid­lich Rei­bun­gen gibt, und da die Rei­bun­gen hem­men, so rieb er sich an nie­mand.

Was nun Jean, ge­nannt Pas­se­par­tout, be­trifft, so war er ein ech­ter Pa­ri­ser aus Pa­ris, und hat­te seit den fünf Jah­ren, wo er in Eng­land wohn­te und zu Lon­don den Kam­mer­die­ner mach­te, ver­geb­lich einen Herrn ge­sucht, an den er sich fest an­schlie­ßen konn­te.

Pas­se­par­tout ge­hör­te nicht zu de­nen, die sich in die Brust wer­fen, mit ke­cker Nase, zu­ver­sicht­li­chem Blick, tro­ckenem Auge doch nur un­ver­schäm­te Töl­pel sind. Nein, Pas­se­par­tout war ein bra­ver Bur­sche mit freund­li­chem Ge­sicht, et­was vor­ste­hen­den Lip­pen, ein sanf­ter und ge­schmei­di­ger Cha­rak­ter, mit so ei­nem gut­wil­li­gen, run­den Kopf, wie man ihn ger­ne auf den Schul­tern ei­nes Freun­des sieht. Er hat­te blaue Au­gen, be­leb­ten Teint, ein Ge­sicht, das voll ge­nug war, um selbst die Wöl­bung sei­ner Wan­gen wahr­zu­neh­men; brei­te Brust, star­ke Tail­le, einen Mus­kel­bau von her­ku­li­scher Kraft, wel­che durch die Übun­gen sei­ner Ju­gend­zeit er­staun­lich ent­wi­ckelt war. Sei­ne brau­nen Haa­re spiel­ten et­was ins Röt­li­che. Kann­ten die Bild­hau­er des Al­ter­tums acht­zehn ver­schie­de­ne Ar­ten, das Haupt­haar der Mi­ner­va zu ord­nen, so wuss­te Pas­se­par­tout für das sei­ni­ge nur eine: drei Strich mit dem Schei­tel­kamm und der Haupt­schmuck war fer­tig.

Ob der mit­teil­sa­me Cha­rak­ter die­ses Bur­schen zu dem des Phi­leas Fogg pas­sen wür­de, war der ein­fachs­ten Voraus­sicht nicht mög­lich zu sa­gen. Soll­te wohl Pas­se­par­tout der so gründ­lich ex­ak­te Die­ner sein, des­sen sein Herr be­durf­te? Das lie­ße sich nur aus der Er­fah­rung ab­neh­men. Nach­dem er, wie wir wis­sen, eine ziem­lich va­ga­bun­die­ren­de Ju­gend ge­habt, trach­te­te er nach ei­nem ru­hi­gen Le­ben. Da man ihm die re­gel­mä­ßi­ge Pünkt­lich­keit und sprich­wört­li­che Käl­te der Gent­le­men ge­prie­sen hat­te, so ver­such­te er in Eng­land sein Glück. Aber bis­her hat­te der Zu­fall ihm schlecht ge­dient; er hat­te nir­gends Wur­zel fas­sen kön­nen, und schon zehn­mal den Herrn ge­wech­selt. Über­all war man fan­tas­tisch, un­gleich, aben­teu­er­lich, von Land zu Land schwei­fend – was für Pas­se­par­tout nicht mehr pas­sen konn­te. Sein letz­ter Herr, der jun­ge Lord Longs­fer­ry, Par­la­ments­mit­glied, kam oft, wenn er sei­ne Nacht in den »Aus­t­ern­stu­ben« Hay­mar­kets ver­bracht, auf den Schul­tern der Po­li­zei­leu­te nach Hau­se. Pas­se­par­tout, der vor al­len Din­gen sei­nes Herrn Ehre wah­ren woll­te, wag­te ei­ni­ge re­spekt­vol­le Be­mer­kun­gen, die üble Auf­nah­me fan­den, und er ver­ließ den Dienst. Da­rauf hör­te er, Phi­leas Fogg, Esq., su­che einen Die­ner, und er­kun­dig­te sich über ihn. Ein Mann von so ge­re­gel­tem Le­ben, der nicht aus­wärts schlief, kei­ne Rei­sen mach­te, nie­mals auch nur einen Tag ab­we­send war, konn­te ihm nur an­ge­nehm sein. Er stell­te sich vor und wur­de, wie wir wis­sen, an­ge­nom­men.

Pas­se­par­tout be­fand sich also, nach­dem halb zwölf vor­über war, al­lein im Hau­se der Sa­vi­le Row. So­gleich mach­te er sich dar­an, es vom Kel­ler bis zum Spei­cher zu be­sich­ti­gen. Die­ses rein­li­che, ge­ord­ne­te, stren­ge, pu­ri­ta­ni­sche, wohl für den Dienst ein­ge­rich­te­te Haus ge­fiel ihm. Es mach­te auf ihn den Ein­druck ei­nes schö­nen Schne­cken­hau­ses, das je­doch mit Gas er­leuch­tet und ge­heizt war, denn der koh­len­stoff­hal­ti­ge Was­ser­stoff war dar­in hin­rei­chend für alle Be­dürf­nis­se der Be­leuch­tung und Er­wär­mung. Pas­se­par­tout fand leicht im zwei­ten Stock das für ihn be­stimm­te Zim­mer, und es ge­fiel ihm. Durch elek­tri­sche Glo­cken und Hör­roh­re stand es mit den Ge­mä­chern des Zwi­schen­stocks und der ers­ten Eta­ge in Ver­bin­dung! Auf dem Ka­min stand eine elek­tri­sche Uhr, wel­che mit der Uhr im Schlaf­zim­mer von Phi­leas Fogg über­ein­stimm­te, und bei­de schlu­gen in dem­sel­ben Au­gen­blick die­sel­be Se­kun­de.

»Das steht mir an, das ge­fällt mir!« sag­te Pas­se­par­tout.

Er be­merk­te auch in sei­nem Zim­mer über der Stand­uhr ein Merk­blatt an­ge­hef­tet, mit der Vor­schrift des täg­li­chen Diens­tes. Das­sel­be ent­hielt – von acht Uhr vor­mit­tags, der re­gel­mä­ßi­gen Zeit, wo Phi­leas Fogg auf­stand, bis zu halb zwölf, da er zum Früh­stücken sich auf den Re­form­club be­gab – alle Ein­zel­hei­ten des Diens­tes: Tee und ge­rös­te­te Brot­schnit­ten um acht Uhr drei­und­zwan­zig Mi­nu­ten; Was­ser zum Ra­sie­ren um neun Uhr sie­ben­und­drei­ßig; Fri­sie­ren um neun Uhr vier­zig, usw. Nach­her von halb zwölf vor­mit­tags bis zu zwölf Uhr nachts, wo der me­tho­di­sche Gent­le­man zu Bet­te ging, war al­les auf­ge­zeich­net, vor­ge­se­hen, ge­re­gelt. Pas­se­par­tout mach­te sich eine Freu­de dar­aus, dies Pro­gramm zu stu­die­ren und des­sen ver­schie­de­ne Ar­ti­kel sei­nem Geist ein­zu­prä­gen.

Die Gar­de­ro­be des Herrn war sehr gut aus­ge­stat­tet und merk­wür­dig ge­halt­reich. Jede Hose, je­der Rock oder Wes­te war mit ei­ner Ord­nungs­num­mer ver­se­hen, die in ei­nem Re­gis­ter ein­ge­tra­gen war, wor­auf das Da­tum stand, wann, der Jah­res­zeit nach, die­se Stücke an­ge­zo­gen wer­den soll­ten. Glei­che re­gel­mä­ßi­ge An­ord­nung auch für die Fuß­be­klei­dung.

Im All­ge­mei­nen war die­ses Haus der Sa­vi­le Row – wel­ches zur Zeit des be­rühm­ten, aber zer­streu­ten She­ri­dan ein Tem­pel der Un­ord­nung ge­we­sen sein muss – be­quem mö­bliert, ei­ner hüb­schen Ge­mäch­lich­keit ent­spre­chend.

Kei­ne Biblio­thek, kei­ne Bü­cher, wel­che für Herrn Fogg un­nütz ge­we­sen wä­ren, weil der Re­form­club zwei Biblio­the­ken, eine für Li­te­ra­tur, die an­de­re für Recht und Po­li­tik, ihm zur Ver­fü­gung stell­te. In dem Schlaf­zim­mer ein Kas­sen­schrank mitt­ler­er Grö­ße, der ge­gen Feu­ers­ge­fahr und Dieb­stahl si­cher­te. Kei­ne Waf­fe im Hau­se, nichts von Jagd- oder Kriegs­ge­rä­te. Aus al­lem sah man nur die fried­lichs­ten Ge­wohn­hei­ten.

Nach­dem Pas­se­par­tout die­se Woh­nung im De­tail ge­mus­tert hat­te, rieb er sich die Hän­de, sein brei­tes Ge­sicht ward hei­ter, und er sag­te wie­der­holt freu­di­gen Her­zens:

»Das steht mir an! Hier ist mein Platz! Herr Fogg und ich, wir ver­ste­hen uns voll­kom­men. Das ist ein ge­re­gel­ter Mann, ein Zim­mer­hü­ter! Eine wah­re Ma­schi­ne! Nun, ich bin ganz zu­frie­den, eine Ma­schi­ne zu be­die­nen!«

Als Phy­sio­gno­mik be­zeich­net man die »Kunst«, aus dem un­ver­än­der­li­chen phy­sio­lo­gi­schen Äu­ße­ren des Kör­pers, be­son­ders des Ge­sichts, auf die see­li­schen Ei­gen­schaf­ten ei­nes Men­schen – also ins­be­son­de­re des­sen Cha­rak­ter­zü­ge und/oder Tem­pe­ra­ment – zu schlie­ßen. Nach­dem sie seit der An­ti­ke als Ge­heim­wis­sen zir­ku­lier­te und im Zeit­al­ter der Auf­klä­rung zu ei­ner po­pu­lär­wis­sen­schaft­li­chen Blü­te kam, wur­de sie im 19. und 20. Jahr­hun­dert als wis­sen­schaft­li­cher Un­ter­bau für Ras­sis­mus und Eu­ge­nik her­an­ge­zo­gen.  <<<

An­ge­li­ka Kauff­mann (✳ 30. Ok­to­ber 1741 in Chur, Frei­staat Drei Bün­de; † 5. No­vem­ber 1807 in Rom) war eine schwei­ze­risch-ös­ter­rei­chi­sche Ma­le­rin des Klas­si­zis­mus.  <<<

Le Roy, Ba­zi­le, ge­bo­ren 1731, ge­stor­ben 1804, Grün­der der Uhr­ma­cherdy­nas­tie LeRoy und Va­ter von Ba­zi­le-Charles Leroy.  <<<

Tho­mas Earns­haw (✳ 4. Fe­bru­ar 1749 in As­hton-un­der-Lyne; † 1. März 1829 in Lon­don) war ein eng­li­scher Uhr­ma­cher, der als ers­ter den Bau von Ma­ri­nech­ro­no­me­tern ver­ein­fach­te, da­mit sich eine brei­te­re Öf­fent­lich­keit sol­che In­stru­men­te leis­ten konn­te.  <<<

Drittes Kapitel – Eine Unterredung, welche Phileas Fogg teuer zu stehen kommen kann.

Phi­leas Fogg hat­te um halb zwölf Uhr sein Haus in Sa­vi­le Row ver­las­sen, und lang­te, nach­dem er fünf­hun­dert­fünf­und­sieb­zig­mal sei­nen rech­ten Fuß vor den lin­ken, und fünf­hun­dert­sechs­und­sieb­zig­mal sei­nen lin­ken Fuß vor den rech­ten ge­setzt hat­te, im Re­form­club an, ei­nem un­ge­heue­ren Ge­bäu­de in Pall Mall,1 wel­ches nicht we­ni­ger als drei Mil­lio­nen zu bau­en ge­kos­tet hat.

Phi­leas Fogg be­gab sich so­gleich in den Spei­se­saal, des­sen neun Fens­ter die Aus­sicht auf einen Gar­ten bo­ten, mit Bäu­men, die be­reits im herbst­li­chen Gold­schmuck prang­ten. Er setz­te sich dort an die ge­wöhn­li­che Ta­fel, wo sein Ge­deck auf ihn war­te­te. Sein Früh­stück be­stand aus ei­nem Ne­ben­ge­richt, ge­sot­te­nem Fisch in ei­ner vor­züg­li­chen »rea­ding sau­ce«2 – ei­nem schar­lach­ro­ten Roast­beef mit »mushroom«3 ge­würzt, ei­nem Ku­chen mit Füll­sel von Rha­bar­ber­stän­geln und grü­nen Sta­chel­bee­ren, ei­nem Stück­chen Che­s­ter – al­les mit ei­ni­gen Tas­sen von dem vor­treff­li­chen Tee, wel­cher ganz be­son­ders für die Kü­che des Re­form­clubs ge­sam­melt wur­de.

Um zwölf Uhr sie­ben­und­vier­zig Mi­nu­ten stand die­ser Gent­le­man auf und be­gab sich in den großen Sa­lon, der pracht­voll mit Ge­mäl­den in rei­chen Rah­men ver­ziert war. Hier stell­te ihm ein Die­ner die noch nicht auf­ge­schnit­te­ne »Ti­mes« zu, wel­che Phi­leas Fogg mit ei­ner Si­cher­heit der Hand aus­ein­an­der­fal­te­te, wel­ches eine große Übung in die­ser schwie­ri­gen Ope­ra­ti­on be­kun­de­te. Mit dem Le­sen die­ses Jour­nals war Phi­leas Fogg bis drei Uhr fünf­und­vier­zig Mi­nu­ten be­schäf­tigt; so­dann mit der Lek­tü­re des »Stan­dard« bis zum Di­ner. Die­se Mahl­zeit fand in glei­cher Wei­se statt, wie das Früh­stück, nur dass noch die »roy­al bri­tish sau­ce«4 hin­zu­kam.

Um fünf Uhr vier­zig Mi­nu­ten er­schi­en der Gent­le­man wie­der in dem großen Sa­lon und ver­tief­te sich in die Lek­tü­re des »Mor­ning Chro­nic­le.«

Eine hal­be Stun­de spä­ter ka­men ver­schie­de­ne Mit­glie­der des Re­form­clubs her­ein und nä­her­ten sich dem Ka­min, wo ein Koh­len­feu­er brann­te. Es wa­ren die ge­wöhn­li­chen Spiel­ge­nos­sen des Herrn Phi­leas Fogg, gleich ihm lei­den­schaft­li­che Whist­spie­ler: der In­ge­nieur An­drew Stuart, die Ban­kiers John Sul­li­van und Sa­mu­el Fal­len­tin, der Brau­er Tho­mas Fla­na­gan, Walt­her Ralph, ei­ner der Ad­mi­nis­tra­to­ren der Bank von Eng­land – rei­che und an­ge­se­he­ne Män­ner, selbst in die­sem Club, wel­cher die her­vor­ra­gends­ten Glie­der der In­dus­trie und Finan­z­welt in sei­ner Mit­te zählt.

»Nun Ralph«, frag­te Tho­mas Fla­na­gan, »wie steht’s mit dem Dieb­stahl?«

»Nun«, er­wi­der­te An­drew Stuart, »die Bank wird um ihr Geld kom­men.«

»Ich hof­fe im Ge­gen­teil«, sag­te Walt­her Ralph, »dass wir den Dieb in die Hand be­kom­men wer­den. Es sind sehr ge­schick­te Po­li­zei­leu­te nach Ame­ri­ka und Eu­ro­pa in alle haupt­säch­li­chen Lan­dungs- und Ein­schif­fungs­hä­fen ab­ge­schickt wor­den, de­nen wird je­ner Herr wohl schwer­lich ent­rin­nen.«

»Man hat das Si­gna­le­ment5 des Die­bes?« frag­te An­drew Stuart.

»Vor al­lem, es ist kein Dieb«, er­wi­der­te ernst­haft Walt­her Ralph.

»Wie, die­ses In­di­vi­du­um, wel­ches fünf­und­fünf­zig­tau­send Pfund in Bank­no­ten (2.100.000 Mark) ent­wen­det hat, ist nicht ein Dieb zu nen­nen?«

»Nein«, ver­setz­te Walt­her Ralph.

»Also ein In­dus­tri­el­ler?« sag­te John Sul­li­van.

»Das ›Mor­ning Chro­nic­le‹ ver­si­chert, es sei ein Gent­le­man.«

Der Mann, wel­cher die­se Äu­ße­rung mach­te, war nie­mand an­ders als Phi­leas Fogg, des­sen Kopf da­mals aus der um ihn her­um auf­ge­türm­ten Flut von Pa­pie­ren auf­tauch­te. Zu­gleich grüß­te Phi­leas Fogg sei­ne Kol­le­gen, wel­che sei­nen Gruß er­wi­der­ten.

Der frag­li­che Vor­fall, wel­chen die ver­schie­de­nen Jour­na­le des Ve­rei­nig­ten Kö­nig­reichs eif­rig be­spra­chen, hat­te sich drei Tage zu­vor, am 29. Sep­tem­ber, be­ge­ben. Ein Pa­ket Bank­no­ten, hun­dert­fünf­tau­send Pfund ent­hal­tend, war aus dem Fach des Haupt­kas­sie­rers der Bank von Eng­land ver­schwun­den.

Wun­der­te man sich, dass ein sol­cher Dieb­stahl so leicht vor­fal­len konn­te, so ant­wor­te­te der Un­ter­gou­ver­neur Walt­her Ralph nur, dass der Kas­sie­rer eben da­mit be­schäf­tigt war, einen Ein­nah­m­e­pos­ten von drei Schil­ling sechs Pence ein­zu­tra­gen, und man kön­ne nicht sei­ne Au­gen über­all zu­gleich ha­ben.

Aber es ist hier zu be­mer­ken – was die Tat­sa­che er­klär­li­cher macht – dass die­ses stau­nens­wer­te In­sti­tut der Bank von Eng­land äu­ßerst be­sorgt um die Wür­de des Pub­li­kums ist. Kei­ne Wa­chen, kei­ne In­va­li­den, kei­ne Git­ter! Das Gold, Sil­ber, die No­ten lie­gen da ganz frei, so­zu­sa­gen dem Be­lie­ben des ers­ten Bes­ten Preis ge­ge­ben. Es fällt ei­nem nicht ein, ge­gen die Ehren­haf­tig­keit ir­gend­ei­nes Vor­über­ge­hen­den Ver­dacht zu he­gen. Ei­ner der bes­ten Beo­b­ach­ter eng­li­scher Ge­bräu­che er­zählt so­gar Fol­gen­des: In ei­nem der Säle der Bank, wo er sich ei­nes Ta­ges be­fand, war er so neu­gie­rig, einen sie­ben bis acht Pfund schwe­ren Gold­bar­ren nä­her zu be­se­hen; er nahm den­sel­ben, be­trach­te­te ihn, übergab ihn sei­nem Nach­bar, die­ser ei­nem an­de­ren, und so wan­der­te der Bar­ren von Hand zu Hand bis in einen dunklen Gang hin­ein, und kam erst nach ei­ner hal­b­en Stun­de an sei­nen Platz zu­rück, ohne dass der Kas­sie­rer nur den Kopf da­nach hob.

Ich wette um 4000 Pfund!

Aber am 29. Sep­tem­ber ging’s nicht ganz eben so. Der Pack Bank­no­ten kam nicht wie­der zu­rück, und als die pracht­vol­le Uhr, wel­che über dem Ge­schäfts­saal an­ge­bracht war, um fünf Uhr den Schluss der Bü­ros an­läu­te­te, blieb der Bank von Eng­land nichts üb­rig, als hun­dert­und­fünf­tau­send Pfund auf das Ver­lust­kon­to zu set­zen.

Als der Dieb­stahl ge­hö­rig fest­ge­stellt war, wur­den aus­er­wähl­te Agen­ten, »De­tek­tivs«, in die be­deu­tends­ten Hä­fen zu Li­ver­pool, Glas­gow, Le Ha­vre, Suez, Brin­di­si, New York etc., ab­ge­schickt, und eine Prä­mie von zwei­tau­send Pfund nebst fünf Pro­zent der wie­der ge­fun­de­nen Sum­me für die Ent­de­ckung aus­ge­setzt. Wäh­rend sie die Aus­künf­te ab­war­te­ten, wel­che die un­ver­züg­lich ein­ge­lei­te­te Un­ter­su­chung zu lie­fern ver­sprach, hat­ten die­se Agen­ten den Auf­trag, sorg­fäl­tig alle an­kom­men­den und ab­rei­sen­den Pas­sa­gie­re zu be­ob­ach­ten.

Nun hat­te man Grund, ge­ra­de wie das »Mor­ning Chro­nic­le« sich aus­sprach, an­zu­neh­men, dass der Tä­ter kei­ner der or­ga­ni­sier­ten Die­bes­ge­sell­schaf­ten Eng­lands an­ge­hö­re. Man hat­te im Lau­fe des 29. Sep­tem­ber einen wohl­ge­klei­de­ten Gent­le­man von gu­ten Ma­nie­ren und vor­neh­mer Mie­ne in dem Zah­lungs­saa­le, wo der Dieb­stahl vor­fiel, ab und zu ge­hen ge­se­hen. Die Un­ter­su­chung hat­te es mög­lich ge­macht, ziem­lich ge­nau das Si­gna­le­ment die­ses Gent­le­man her­zu­stel­len, wel­ches dann au­gen­blick­lich an alle De­tek­tivs des Ve­rei­nig­ten Kö­nig­rei­ches und des Kon­ti­nen­tes ab­ge­schickt wur­de. Man­che gute Köp­fe – wor­un­ter auch Walt­her Ralph – glaub­ten da­her Grund zur Hoff­nung zu ha­ben; der Dieb wer­de nicht ent­rin­nen.

Man kann sich den­ken, dass die­ser Vor­fall zu Lon­don und in ganz Eng­land das Ta­ges­ge­spräch bil­de­te. Man stritt lei­den­schaft­lich für und wi­der die Wahr­schein­lich­keit des Er­fol­ges der Po­li­zei in der Haupt­stadt. Kein Wun­der also, dass die Mit­glie­der des Re­form­clubs den näm­li­chen Ge­gen­stand be­spra­chen, um­so­mehr, als ei­ner der Un­ter­gou­ver­neu­re der Bank sich un­ter ih­nen be­fand.

Der eh­ren­wer­te Walt­her Ralph woll­te am Er­folg der Nach­for­schun­gen nicht zwei­feln, in­dem er mein­te, die aus­ge­setz­te Prä­mie müs­se den Ei­fer und die Spür­kraft der Agen­ten aus­neh­mend schär­fen. Aber sein Kol­le­ge, An­drew Stuart, teil­te bei wei­tem nicht die­se Zu­ver­sicht. Der Wort­streit dau­er­te also un­ter den Gent­le­men fort, die an ei­nem Spiel­ti­sche Platz ge­nom­men hat­ten, Stuart ge­gen­über Fla­na­gan, Fal­len­tin ge­gen Phi­leas Fogg. Wäh­rend des Spie­les schwie­gen die Spie­ler, aber zwi­schen den Rob­bers wur­de die un­ter­bro­che­ne Un­ter­hal­tung umso leb­haf­ter fort­ge­setzt.

»Ich be­haup­te«, sag­te An­drew Stuart, »dass der Dieb un­fehl­bar ein ge­wand­ter Mensch ist, wel­cher alle Aus­sicht hat, zu ent­kom­men.«

»Ei doch!« er­wi­der­te Ralph, »es gibt ja nicht ein ein­zi­ges Land mehr, wo er Zuf­lucht fän­de.«

»Das wäre!«

»Wo mei­nen Sie denn, dass er hin­ge­hen soll?«

»Das weiß ich nicht«, ver­setz­te An­drew Stuart, »aber trotz al­lem ist doch auf der Erde viel Raum.«

»Das war ehe­dem der Fall…«, sag­te Phi­leas Fogg halb­laut. Da­rauf: »Sie müs­sen ab­he­ben, mein Herr«, und reich­te Tho­mas Fla­na­gan die Kar­ten.

Der Dis­put ruh­te wäh­rend der Rob­ber. Aber bald fing er wie­der an, als An­drew Stuart sag­te:

»Wie­so? ehe­dem! Ist die Erde etwa klei­ner ge­wor­den?«

»Al­ler­dings«, ver­setz­te Walt­her Ralph. »Ich bin der Mei­nung des Herrn Fogg. Die Erde hat an Um­fang ver­lo­ren, weil man jetzt zehn­mal ra­scher wie vor hun­dert Jah­ren um sie her­um rei­sen kann. Und des­halb wer­den auch in un­serm ge­ge­be­nen Fal­le die Nach­for­schun­gen weit ra­scher an­ge­stellt.«

»Und auch die Flucht des Die­bes wird da­durch leich­ter!«

»An Ih­nen ist die Rei­he, Herr Stuart!« sag­te Phi­leas Fogg.

Aber der un­gläu­bi­ge Stuart war nicht über­zeugt, und als die Par­tie fer­tig war, ver­setz­te er:

»Man muss ge­ste­hen, Herr Ralph, Sie ha­ben da einen scherz­haf­ten Ein­fall ge­habt, in­dem Sie sag­ten, die Erde sei klei­ner ge­wor­den! Also weil man jetzt in drei Mo­na­ten um die­sel­be her­um reist…«

»In acht­zig Ta­gen nur«, sag­te Phi­leas Fogg.

»Wirk­lich, mei­ne Her­ren«, setz­te John Sul­li­van hin­zu, »acht­zig Tage, seit­dem auf der großen In­di­schen Ei­sen­bahn die Stre­cke zwi­schen Ro­thel und Al­la­ha­bad er­öff­net wor­den ist, wie das ›Mor­ning Chro­nic­le‹ die Rou­te be­rech­net, näm­lich:

Von Lon­don nach Suez über den Mont Ce­nis und Brin­di­si, Ei­sen­bahn und Pa­ket­schiff: 7 Tage

Von Suez nach Bom­bay, Pa­ket­schiff: 13 Tage

Von Bom­bay nach Kal­kut­ta, Ei­sen­bahn: 3 Tage

Von Kal­kut­ta nach Hong­kong, Pa­ket­schiff: 13 Tage

Von Hong­kong nach Yo­ko­ha­ma in Ja­pan, Pa­ket­schiff: 6 Tage

Von Yo­ko­ha­ma nach San Fran­cis­co, Pa­ket­schiff: 22 Tage

Von San Fran­cis­co nach New York, Ei­sen­bahn: 7 Tage

Von New York nach Lon­don, Pa­ket­schiff und Ei­sen­bahn: 9 Tage

Sum­me: 80 Tage.«

»Ja! acht­zig Tage«, rief An­drew Stuart, der aus Unacht­sam­keit eine schlech­te Kar­te ab­hob, »aber die schlech­te Wit­te­rung, wid­ri­ge Win­de, Schiff­bruch, Ent­glei­sun­gen etc. nicht ge­rech­net.«

»Al­les ein­be­grif­fen«, er­wi­der­te Phi­leas Fogg, und fuhr fort zu spie­len; denn dies­mal nahm das Ge­spräch kei­ne Rück­sicht auf das Spiel.

»Selbst auch, wenn die Hin­dus oder die In­dia­ner die Schie­nen auf­he­ben!« rief An­drew Stuart, »wenn sie die Züge auf­hal­ten, um die Ge­päck­wa­gen zu plün­dern und die Pas­sa­gie­re zu skal­pie­ren!«

»Al­les in­be­grif­fen«, er­wi­der­te Phi­leas Fogg, der sein Spiel hin­warf, mit den Wor­ten: »Zwei Haupt­t­rümp­fe!«

An­drew Stuart, an wel­chem die Rei­he war zu ge­ben, nahm die Kar­ten wie­der zu­sam­men und sprach:

»Theo­re­tisch ha­ben Sie Recht, Herr Fogg, aber in der Pra­xis…«

»In der Pra­xis auch, Herr Stuart.«

»Ich wünsch­te Sie da­bei zu se­hen.«

»Das hängt nur von Ih­nen ab. Ma­chen wir die Rei­se mit­ein­an­der.«

»Der Him­mel be­hü­te mich!« rief Stuart, »aber ich wür­de schon um vier­tau­send Pfund wet­ten, dass eine sol­che Rei­se, un­ter sol­chen Be­din­gun­gen, un­mög­lich ist.«

»Sehr mög­lich, viel­mehr«, er­wi­der­te Herr Fogg.

»Nun, so ma­chen Sie die Rei­se!«

»Die Rei­se um die Welt in acht­zig Ta­gen?«

»Ja.«

»Ich bin’s zu­frie­den.«

»Wann?«

»Au­gen­blick­lich. Nur will ich Ih­nen be­mer­ken, auf Ihre Kos­ten will ich sie ma­chen.«

»’s ist Narr­heit!« rief An­drew Stuart, dem das Drän­gen sei­nes Spiel­ge­nos­sen läs­tig ward. »Spie­len wir lie­ber.«

»So ge­ben Sie die Kar­ten noch­mals«, er­wi­der­te Phi­leas Fogg, »denn sie sind ver­ge­ben.«

An­drew Stuart nahm die Kar­ten wie­der in die zit­tern­de Hand; dann leg­te er sie plötz­lich wie­der auf den Tisch und sprach:

»Nun ja! Herr Fogg, ja, ich wet­te um vier­tau­send Pfund!…«

»Lie­ber Stuart«, sag­te Fal­len­tin, »wer­den Sie ru­hig. Das ist nicht ernst­lich ge­meint.«

»Wenn ich sage: ich wet­te«, ver­setz­te An­drew Stuart, »ist’s im­mer ernst­lich ge­meint.«

»Ich schla­ge ein!« sag­te Herr Fogg. Dann zu sei­nen Kol­le­gen ge­wen­det:

»Ich habe zwan­zig­tau­send Pfund bei den Ge­brü­dern Ba­ring ste­hen. Die set­ze ich ger­ne dar­an…«

»Zwan­zig­tau­send Pfund!« rief John Sul­li­van. »Zwan­zig­tau­send Pfund, die Sie durch eine un­vor­aus­ge­se­he­ne Ver­spä­tung ver­lie­ren kön­nen!«

»Es gibt nichts Un­vor­her­ge­se­he­nes«, er­wi­der­te Phi­leas Fogg ein­fach.

»Aber, Herr Fogg, die­ser Zeit­raum von acht­zig Ta­gen ist nur als ein min­des­tes Maß ge­meint!«

»Wenn man ein Min­des­tes gut ver­wen­det, reicht’s im­mer hin.«

»Aber um es nicht zu über­schrei­ten, muss man ma­the­ma­tisch ge­nau aus den Ei­sen­bah­nen in die Pa­ket­schif­fe, und aus den Pa­ket­schif­fen in die Ei­sen­bah­nen sprin­gen!«

»Ich will den Sprung ma­the­ma­tisch ge­nau vor­neh­men.«

»’s ist nur Spaß!«

»Ein gu­ter Eng­län­der macht nie Spaß, wenn es sich um eine so erns­te Sa­che, wie eine Wet­te han­delt«, er­wi­der­te Phi­leas Fogg. »Ich wet­te mit je­dem, der Lust dazu hat, um zwan­zig­tau­send Pfund, dass ich die Rei­se um den Erd­ball in längs­tens acht­zig Ta­gen ma­chen wer­de, d.h. in neun­zehn­hun­dert­und­zwan­zig Stun­den, oder hun­dert­fünf­zehn­tau­send­zwei­hun­dert Mi­nu­ten. Sind Sie es zu­frie­den?«

»Wir neh­men die Wet­te an«, er­wi­der­ten, nach­dem sie sich un­ter­ein­an­der ver­stän­digt, die Her­ren Stuart, Fal­len­tin, Sul­li­van, Fla­na­gan und Ralph.

»Gut«, sag­te Herr Fogg. »Der Zug nach Do­ver geht um acht Uhr fünf­und­vier­zig Mi­nu­ten ab. Mit dem rei­se ich.«

»Heu­te Abend?« frag­te Stuart.