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Jules Verne bei Null Papier Komplett neu überarbeitet; reichhaltig illustriert und kommentiert Jeder kennt die Geschichte: Der exentrische Gentleman Phileas Fogg wettet mit seinen nicht minder exzentrischen Klubfreunden, dass er es schafft, in 80 Tagen die Welt zu umreisen. Der Wetteinsatz: sein gesamtes Vermögen. Zusammen mit seinem frisch eingestellten Diener Passepartout macht er sich umgehend auf, der Welt zu beweisen, dass ein englischer Gentleman mit genauer Planung und einer gefüllten Geldtasche überall seinen Mann stehen kann, ob im tiefsten Indien, fernsten China oder wildesten Westen. Sicherlich Vernes bekanntestes Werk, das vielfach verfilmt, längt Eingang gefunden hat in den Bildungskanon und Zitatenschatz der Welt. Ein Füllhorn an Traumzielen; zu lesen als Reisebericht, Kulturführer oder schlicht als spannende Abenteuergeschichte. Illustriert mit den wundervollen Zeichnungen von Léon Benett. Mit einführendem Aufsatz zu Leben und Werk des Autors. Null Papier Verlag
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Zeit:3 Std. 48 min
Jules Verne
Reise um die Erde in 80 Tagen
Illustrierte Fassung
Jules Verne
Reise um die Erde in 80 Tagen
Illustrierte Fassung
(Le Tour du monde en quatre-vingts jours)Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected]: Léon Benett, Alphonse de NeuvilleÜbersetzung und Fußnoten: Jürgen Schulze EV: A. Hartleben’s Verlag, 1873 3. Auflage, ISBN 978-3-954182-82-4
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Inhaltsverzeichnis
Jules Verne – Leben und Werk
Erstes Kapitel – Phileas Fogg und Passepartout nehmen sich einander als Herr und Diener an.
Zweites Kapitel – Passepartout hat sein Ideal gefunden.
Drittes Kapitel – Eine Unterredung, welche Phileas Fogg teuer zu stehen kommen kann.
Viertes Kapitel – Phileas Fogg setzt seinen Diener Passepartout in Bestürzung.
Fünftes Kapitel – Ein neues Wertpapier erscheint auf dem Platz London.
Sechstes Kapitel – Der Agent Fix zeigt eine Ungeduld, die nicht unbegründet war.
Siebentes Kapitel – Ein neuer Beweis, wie unnütz Pässe in Polizeisachen sind.
Achtes Kapitel – Passepartout spricht ein wenig mehr, als vielleicht sich gehörte.
Neuntes Kapitel – Das Rote und das Indische Meer zeigen sich Phileas Foggs Absichten günstig.
Zehntes Kapitel – Passepartout kann sich glücklich schätzen, dass er mit dem Verluste seiner Fußbekleidung durchkommt.
Elftes Kapitel – Phileas Fogg kauft um fabelhaften Preis ein Reittier.
Zwölftes Kapitel – Phileas Fogg und seine Gefährten machen einen abenteuerlichen Ritt durch indische Waldung.
Dreizehntes Kapitel – Ein abermaliger Beweis, dass das Glück dem Kühnen hold ist.
Vierzehntes Kapitel – Phileas Fogg fährt das wundervolle Gangestal hinab, ohne dass er sich kümmert, es zu sehen.
Fünfzehntes Kapitel – Der Banknotensack wird abermals um einige tausend Pfund leichter.
Sechzehntes Kapitel – Fix stellt sich, als wisse er nichts davon, was ihm erzählt ward.
Siebzehntes Kapitel – Von Singapur nach Hongkong.
Achtzehntes Kapitel – Phileas Fogg, Passepartout und Fix bekommen alle zu tun.
Neunzehntes Kapitel – Passepartout nimmt zu lebhaften Anteil an seinem Herrn.
Zwanzigstes Kapitel – Fix tritt zu Phileas Fogg in unmittelbare Beziehung.
Einundzwanzigstes Kapitel – Der Patron der Tankadère in Gefahr, eine Prämie von zweihundert Pfund zu verlieren.
Zweiundzwanzigstes Kapitel – Passepartout überzeugt sich, dass es selbst bei den Antipoden geraten ist, etwas Geld in der Tasche zu haben.
Dreiundzwanzigstes Kapitel – Passepartout bekommt eine über die Maßen lange Nase.
Vierundzwanzigstes Kapitel – Fahrt über den Stillen Ozean.
Fünfundzwanzigstes Kapitel – Überblick von San Francisco. Ein Meeting.
Sechsundzwanzigstes Kapitel – Expresszug auf der Pazifikbahn.
Siebenundzwanzigstes Kapitel – Ein Stück Mormonengeschichte.
Achtundzwanzigstes Kapitel – Passepartout vermochte nicht, der Stimme der Vernunft Gehör zu verschaffen.
Neunundzwanzigstes Kapitel – Einiges, was nur auf amerikanischen Eisenbahnen vorkommt.Einiges, was nur auf amerikanischen Eisenbahnen vorkommt.
Dreißigstes Kapitel – Phileas Fogg tut nur seine Schuldigkeit.
Einunddreißigstes Kapitel – Der Polizei-Agent Fix nimmt sich sehr ernstlich der Interessen Foggs an.
Zweiunddreißigstes Kapitel – Phileas Fogg in unmittelbarem Kampf mit dem Missgeschick.
Dreiunddreißigstes Kapitel – Phileas Fogg auf der Höhe der Lage.
Vierunddreißigstes Kapitel – Fix wird gebührend bezahlt.
Fünfunddreißigstes Kapitel – Passepartout lässt sich einen Auftrag nicht zweimal sagen.
Sechsunddreißigstes Kapitel – Phileas Fogg steigt abermals auf dem Geldmarkt.
Siebenunddreißigstes Kapitel – Beweis, dass Phileas Fogg durch seine Reise um die Erde nichts gewann, außer sein häusliches Glück.
Ein Nachwort
Danke, dass Sie dieses E-Book aus meinem Verlag erworben haben.
Jules Verne gehört zu den Autoren, die jeder schon einmal gelesen hat. Eine Behauptung, die man nicht über viele Schriftsteller aufstellen kann. Die Geschichten von Verne sind unterhaltend, lehrreich und immer sehr atmosphärisch.
In unregelmäßiger Folge wird mein Verlag die Werke von Verne veröffentlichen – die bekannten wie die unbekannten. Immer in der überarbeiteten Erstübersetzung, um den (sprachlichen) Charme der Zeit beizubehalten.
Korrigiert und kommentiert werden Orts- und Personennamen oder offensichtlich falsche Angaben. Sie finden die Erläuterungen in Fußnoten.
Ich habe es mir auch nicht nehmen lassen, die ursprünglichen Namen zu verwenden: Aus dem Johann wird so wieder der ursprüngliche Jean, aus Ludwig wieder Louis und aus Marianne wieder Marie. Ich denke, das tut den Geschichten nur gut.
Sollten Sie Hilfe benötigen oder eine Frage haben, schreiben Sie mir.
Ihr Jürgen Schulze null-papier.de/kontakt
Reise um die Erde in 80 Tagen
Michael Strogoff - Der Kurier des Zaren
Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer
Eine Idee des Doktor Ox
Eine Überwinterung im Eis
Schwarz-Indien – Oder: Die Stadt unter der Erde
Fünf Wochen im Ballon
Robur der Eroberer
Der Herr der Welt
Von der Erde zum Mond
und weitere …
Beinahe wäre Klein-Jules als Schiffsjunge nach Indien gefahren, hätte eine Laufbahn als Seemann eingeschlagen und später unterhaltsames Seemannsgarn gesponnen, das vermutlich nie die Druckerpresse erreicht hätte.
Jules Verne
Verliebt in die abenteuerliche Literatur
Glücklicherweise für uns Leser hindert man ihn daran: Der Elfjährige wird von Bord geholt und verlebt weiterhin eine behütete Kindheit vor bürgerlichem Hintergrund. Geboren am 8. Februar 1828 in Nantes, wächst Jules-Gabriel Verne in gut situierten Verhältnissen auf. Als ältester von fünf Sprösslingen soll er die väterliche Anwaltspraxis übernehmen, weshalb er ab 1846 in Paris Jura studiert.
Viel spannender findet er schon zu dieser Zeit allerdings die Literatur. Verne freundet sich sowohl mit Alexandre Dumas als auch mit seinem gleichnamigen Sohn an. Gemeinsam mit Vater Dumas verfasst er Opernlibretti und erste dramatische Werke. Nach dem Abschluss seines Studiums beschließt er, nicht nach Nantes zurückzukehren, sondern sich völlig der Dramatik zu widmen.
Zwar schreibt er nicht ganz erfolglos – drei seiner Erzählungen erscheinen in einer literarischen Zeitschrift. Doch zum Leben reicht es nicht, weshalb der junge Autor 1852 den Posten eines Intendanz-Sekretärs am Théâtre lyrique annimmt. Immerhin wird diese Arbeit zuverlässig vergütet und Verne darf sich als Dramatiker betätigen. In seiner Freizeit verfasst er weiterhin Erzählungen, wobei ihn abenteuerliche Reisen am meisten interessieren.
Als er 1857 eine Witwe heiratet, die zwei Töchter in die Ehe mitbringt, muss sich der Literat nach einer besser bezahlten Einkommensquelle umsehen. Während der nächsten zwei Jahre schlägt er sich als Börsenmakler durch, wobei er genug Zeit findet, längere Schiffsreisen zu unternehmen, bevor 1861 sein Sohn Michel geboren wird.
Verliebt ins literarische Abenteuer
Letztlich ist es einer besonderen Begegnung im Jahr 1862 geschuldet, dass alles, was der Autor bisher »geistig angesammelt« hat, in seinen künftigen Romanen kulminieren darf: Der Jugendbuch-Verleger Pierre-Jules Hetzel veröffentlicht Vernes utopischen Reiseroman »Fünf Wochen im Ballon«. Dieses von ihm ohnehin bevorzugte Sujet wird den Schriftsteller nie wieder loslassen – die abenteuerlichen Reisen, auf welcher Route auch immer sie absolviert werden. Hetzel verlegt Vernes noch heute beliebteste Schriften: 1864 »Reise zum Mittelpunkt der Erde«, im folgenden Jahr »Von der Erde zum Mond«, 1869 »Reise um den Mond« und »Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer«. Mit »Reise um die Erde in 80 Tagen« erscheint 1872 Jules Vernes erfolgreichster Roman überhaupt.
Die Zusammenarbeit mit Hetzel, der gleichzeitig als sein Mentor fungiert, sorgt in den späten 1860er Jahren dafür, dass der höchst produktive Schriftsteller seiner Familie einigen Wohlstand bieten und sich selbst »jugendtraumhafte« Reisewünsche erfüllen kann. Sein Verleger stellt ihn namhaften Wissenschaftlern vor – in Kombination mit den erwähnten Reisen entsteht auf diese Weise ein ungeheurer Fundus der Inspiration: Jules Vernes Zettelkasten enthält angeblich 25.000 Notizen!
Zwar ist er seit »Reise um den Mond« gleichermaßen wohlhabend und geachtet; er engagiert sich seit den späten 1880er Jahren sogar als Stadtrat in Amiens, wohin er 1871 mit seiner Familie übergesiedelt war. Der »Ritterschlag« aber bleibt aus: In der Académie française möchte man den Jugendbuchautor nicht haben, er gilt als nicht seriös genug.
Den Zenit seines Schaffens hat der Literat bereits überschritten, als er 1888 bleibende Verletzungen durch den Schusswaffen-Angriff eines geistesgestörten Verwandten davonträgt. Dennoch arbeitet der Autor ununterbrochen weiter. Als Jules Verne im März 1905 stirbt, hinterlässt er ein gewaltiges Gesamtwerk: 54 zu Lebzeiten erschienene Romane, weitere elf Manuskripte bearbeitet sein Sohn Michel nach dem Tod des Vaters. Ergänzt wird Vernes Œuvre durch Erzählungen, Bühnenstücke und geografische Veröffentlichungen.
Geliebt und missachtet
Jenes zwiespältige Verhältnis, das sich bereits in der Ablehnung der Akademiemitglieder äußert, kennzeichnet die akademische Rezeption bis heute: Jules Verne ist eben »nur ein Jugendbuchautor«. Weniger befangene Rezipienten freilich schreiben ihm eine ganz andere Bedeutung zu, die dem Visionär und leidenschaftlichen Erzähler besser gerecht wird.
Wenngleich der alternde Literat zum Ende seines Schaffens durchaus nicht mehr in gläubiger Technikbegeisterung aufgeht, bleiben uns doch genau jene Werke in liebevoller Erinnerung, in denen technische und menschliche Großtaten die Handlung bestimmen: »Reise um die Erde in 80 Tagen« oder »Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer« beispielsweise. Wer als Kind von Nemo und seiner Nautilus liest, wird unweigerlich gefangen von diesem technischen Wunderwerk und dessen Kapitän. Vernes Romane gehören zu jenen Jugendbüchern, die man als Erwachsener gerne nochmals zur Hand nimmt – und man staunt erneut, erinnert sich, lässt sich wiederum einfangen und fragt sich, warum man eigentlich so selten Verne liest…
So wie der Autor sich selbst durch Reisen und Wissenschaft inspirieren lässt, dienen seine Werke seit jeher der Inspiration seiner Leserschaft. Wie präsent dieser exzellente Unterhalter in den Köpfen seiner Leser bleibt, belegen Benennungen in See- und Raumfahrt: Das erste Atom-U-Boot der Geschichte ist die amerikanische USS Nautilus. Ein Raumtransporter der Europäischen Raumfahrtagentur heißt »Jules Verne«, ein Asteroid und ein Mondkrater tragen ebenfalls den Namen des Schriftstellers. Die »Jules Verne Trophy« wird seit 1990 für die schnellste Weltumsegelung verliehen, was dem begeisterten Jachtbesitzer Verne gewiss gefallen hätte.
Der kommerzielle Literaturbetrieb sowie die Filmwirtschaft betrachten den französischen Vater der Science-Fiction-Literatur ebenfalls mit Wohlwollen: Unzählige Neuauflagen der Romanklassiker, Hörbücher und Verfilmungen der rasanten, stets mitreißenden Handlungen sprechen Bände. Mittlerweile gelten die ältesten Verfilmungen selbst als kulturelle Meilensteine, die keineswegs nur ein junges Publikum erfreuen.
Jules Vernes Bedeutung für die Literatur
Der Einfluss Vernes auf nachfolgende Science-Fiction-Autoren ist gar nicht hoch genug einzuschätzen: Aus heutiger Sicht ist er einer der Vorreiter der utopischen Literatur Europas, der noch vor H. G. Wells (»Krieg der Welten«) und Kurd Laßwitz (»Auf zwei Planeten«) das neue Genre begründet. Seinerzeit gibt es diesen Begriff noch nicht, weshalb Hetzel die Romane seines Erfolgsschriftstellers als »Außergewöhnliche Reisen« vermarktet
Der Franzose sieht, anders als Wells und ähnlich wie Laßwitz, im technischen Fortschritt das künftige Wohl der Menschheit begründet. Trotzdem ist Jules Verne vor allem Erzähler: Er will weder warnen wie Wells noch belehren wie Laßwitz, sondern in erster Linie unterhalten. Im Vergleich zum spröden Realismus eines Wells wirken seine Romane für moderne Leser ausufernd, vielleicht sogar geschwätzig. Dennoch sind sie leichter zugänglich als das stilistisch ähnliche Schaffen des Deutschen Laßwitz, weil sie Utopie und Technikbegeisterung nicht zum Zweck ihres Inhalts machen, sondern lediglich zu dessen Träger: Schließlich ist es einfach aufregend, in einem Ballon eine Weltreise anzutreten oder Kapitän Nemo in sein geheimes Reich zu folgen.
Im Jahre 1872 wohnte in dem Hause Nummer 7, Savile Row, Burlington Gardens – worin Sheridan im Jahre 1814,1 starb – Phileas Fogg, Esq.2 eines der ausgezeichnetsten und hervorragendsten Mitglieder des Reformclubs3 zu London, der jedoch dem Anschein nach beflissen war nichts zu tun, was Aufsehen erregen konnte.
Dieser Phileas Fogg also, Nachfolger einer der größten Redner, welche Englands Zierde sind, war ein rätselhafter Mann, von dem man nichts weiter wusste, als dass er ein recht braver Mann und einer der schönsten Gentlemen der vornehmen Gesellschaft sei.
Man sagte, er gleiche Byron – sein Kopf, denn seine Füße waren tadellos – aber ein Byron mit Schnurr- und Backenbart, ein Byron mit leidenschaftslosen Zügen, der tausend Jahre alt werden konnte, ohne zu altern.
Ein echter Engländer unstreitig, war Phileas Fogg vielleicht kein Londoner. Man sah ihn nie auf der Börse, noch auf der Bank, noch auf irgendeinem Handelskontor der City. Nie sah man in den Bassins und Docks zu London ein Schiff, dessen Eigner Phileas Fogg gewesen wäre. In keinem Komitee der Verwaltung hatte dieser Gentleman einen Platz; nie hörte man seinen Namen in einem Anwalts-Kolleg, oder in Middle Temple, in Lincoln’s Inn oder Gray’s Inn.4 Er plädierte niemals, weder beim Obergerichtshof noch bei der King’s Bench,5 beim Schatzkammergericht oder einem geistlichen Hof. Er war weder ein Industrieller, noch ein Großhändler, noch Kaufmann oder Landbauer. Er gehörte weder dem Königlichen Institut, noch dem Institut von London, noch sonst irgendeiner Anstalt der Kunst, Wissenschaft oder Gewerbe an; noch endlich einer der zahlreichen Gesellschaften, wovon die Hauptstadt Englands wimmelt, von der Harmonie bis zur entomologischen Gesellschaft, welche hauptsächlich den Zweck verfolgt, die schädlichen Insekten zu vertilgen.
Phileas Fogg war Mitglied des Reformclubs, nichts weiter.
Wundert man sich, dass ein so mysteriöser Gentleman unter den Gliedern dieser ehrenwerten Gesellschaft zählte, so dient zur Antwort, dass er auf Empfehlung des Hauses Gebrüder Baring,6 wo er sein Geld angelegt hatte, Aufnahme fand. Daher ein gewisses Ansehen, welches er dem Umstand verdankte, dass von dem Soll seines Kontokorrents seine Wechsel bei Sicht pünktlich gezahlt wurden.
War dieser Phileas Fogg reich? Unstreitig. Aber wie er sich dies Vermögen gemacht, konnten die Bestunterrichteten nicht sagen, und Herr Fogg war der Letzte, an den man sich wenden durfte, um es zu erfahren. Jedenfalls war er nicht verschwenderisch, aber auch nicht geizig; denn überall, wo es für eine edle, nützliche oder großmütige Sache an einem Betrag mangelte, schoss er ihn im Stillen bei, und selbst anonym.
Im Allgemeinen war dieser Gentleman sehr wenig mitteilsam. Er sprach so wenig wie möglich, und schien umso geheimnisvoller, als er schweigsam war. Doch lag seine Lebensweise jedem vor Augen, aber was er tat, war so mathematisch stets ein und dasselbe, dass die unbefriedigte Einbildungskraft weiter hinaus forschte.
Hatte er Reisen gemacht? Vermutlich, denn kein Mensch war besser wie er in aller Welt auf der Karte bekannt. Auch von dem entlegensten Ort schien er genaue Kenntnis zu haben. Manchmal wusste er, doch in wenigen, kurzen und klaren Worten, die tausend Äußerungen, welche im Club über verlorene oder verirrte Reisende zirkulierten, zu berichtigen, und seine Worte schienen oft wie von einem zweiten Gesicht eingegeben, denn jedes Ereignis rechtfertigte sie schließlich. Es war ein Mann, der überall hin – im Geiste wenigstens – gereist sein musste.
Zuverlässig jedoch war Phileas Fogg seit vielen Jahren nicht aus London hinaus gekommen. Wer ihn etwas näher zu kennen die Ehre hatte, bezeugte, dass kein Mensch ihn je woanders gesehen, als auf dem geraden Wege von seinem Hause zum Club, den er tagtäglich machte. Sein einziger Zeitvertreib bestand im Lesen der Journale und im Whistspiel. Bei diesem schweigsamen Spiel, welches so sehr seiner Natur angemessen war, gewann er oft, aber seine Gewinne flossen nie in seine eigene Börse, sondern bildeten einen erheblichen Posten auf seinem Barmherzigkeits-Konto. Übrigens ist wohl zu merken, Herr Fogg spielte offenbar um des Spieles willen, nicht um zu gewinnen. Das Spiel war ihm ein Ringen mit einer Schwierigkeit, das jedoch keine Bewegung, keine Platzveränderung, keine Ermüdung kostete, und das passte zu seinem Charakter.
Man wusste bei Phileas Fogg nichts von Weib oder Kind – was den ehrenhaftesten Menschen passieren kann – noch von Verwandten oder Freunden, was allerdings seltener ist. Phileas Fogg war der einzige Bewohner seines Hauses Savile Row, und kein Mensch sonst kam in dasselbe hinein, einen einzigen Diener ausgenommen, der ihm genügte. Was im Innern desselben vorging, davon war niemals die Rede. Er frühstückte und speiste zu Mittag im Club, zu chronometrisch bestimmten Stunden, in demselben Saal, an demselben Tische, traktierte niemals einen Kollegen, lud nie einen auswärts ein, und kehrte nur zum Schlafen, Punkt zwölf Uhr nachts, nach Hause, ohne jemals von den wohnlichen Gemächern Gebrauch zu machen, welche der Reformclub7 für seine Mitglieder zur Verfügung hält. Von vierundzwanzig Stunden brachte er zehn in seiner Wohnung zu, teils zum Schlafen, teils zur Beschäftigung mit seiner Toilette. Spazieren ging er unabänderlich, mit gleich gemessenem Schritt in dem mit eingelegter Arbeit parquettierten Eingangssaal oder auf dem Rundgang, über welchem ein blaues Glasgewölbe auf zwanzig ionischen Säulen von rotem Porphyr ruhte. Bei der Mahlzeit oder dem Frühstück lieferten die Küche und Speisekammer, die Konditorei, der Fischbehälter und die Milchstube ihre besten Gerichte; die Clubdiener, gesetzte Leute in schwarzer Kleidung und mit Moltonschuhen,8 bedienten ihn auf besonderem Porzellan und Tafelweißzeug von kostbarer sächsischer Leinwand; seinen Sherry oder Porto, seinen mit feinstem Zimt und Orangenblüten gemischten Claret9 trank er aus dem seltensten Kristall des Clubs; und das Eis, welches der Club mit schweren Kosten aus den Seen Amerikas bezog, erhielt seinen Trunk in erquicklicher Frische.
Wenn man ein Leben in solchen Verhältnissen exzentrisch nennt, so muss man zugeben, dass Exzentrizität etwas Gutes enthält!
Phileas Fogg
Das nicht eben prachtvolle Haus in Savile Row empfahl sich durch größte Bequemlichkeit. Übrigens beschränkte sich, bei den unabänderlichen Gewohnheiten des Mieters, seine Bedienung auf geringe Anforderungen. Doch verlangte Phileas Fogg von seinem einzigen Diener eine außerordentliche Pünktlichkeit und Regelmäßigkeit. An diesem Tage, 2. Oktober, hatte Phileas Fogg seinen Burschen James Forster entlassen, weil er ihm zum Rasieren Wasser gebracht hatte, das vierundachtzig anstatt sechsundachtzig Grad Fahrenheit heiß war, und er erwartete den Nachfolger desselben, welcher sich zwischen elf und halb zwölf Uhr ihm vorstellen sollte.
Jean Passepartout
Phileas Fogg saß breit in seinem Fauteuil,10 beide Füße beieinander, wie ein Soldat auf der Parade, die Hände auf die Knie gestützt, den Leib gerade, den Kopf aufrecht, und sah auf die Pendeluhr, welche Stunden, Minuten, Sekunden, Tag und Datum anzeigte. Nach seiner Gewohnheit sollte Herr Fogg Schlag halb zwölf Uhr sich aus dem Hause auf den Reformclub begeben.
In diesem Augenblicke klopfte es an die Türe des kleinen Salons, worin sich Phileas Fogg aufhielt.
Der verabschiedete Diener trat ein.
»Der neue Diener«, sagte er.
Ein Bursche von etwa dreißig Jahren trat ein und grüßte.
»Sie sind Franzose und heißen John?« fragte Phileas Fogg.
»Jean, belieben mein Herr«, erwiderte der neue Diener, »Jean Passepartout, ein Beiname, der mein natürliches Geschick, mich aus Verlegenheiten zu ziehen, bezeichnet. Ich glaube ein braver Bursche zu sein, mein Herr, doch, offen gesagt, ich habe schon mehrere Geschäfte getrieben. Ich war Bänkelsänger, Bereiter in einem Zirkus, voltigierte wie Leotard, und tanzte auf dem Seile gleich Blondin;11 darauf bin ich Lehrer der Gymnastik geworden, um meine Talente nützlicher zu machen, und zuletzt Sergeant bei den Pompiers12 zu Paris. Ich habe merkwürdige Brände auf meiner Liste. Nun aber habe ich bereits seit fünf Jahren Frankreich verlassen, und bin, um das Familienleben zu genießen, Kammerdiener in England. Da ich jetzt ohne Stelle bin, und vernommen habe, Herr Phileas Fogg sei der pünktlichste und zurückgezogenste Mann im Vereinigten Königreiche, so habe ich mich dem Herrn vorgestellt, in Hoffnung, bei demselben ruhig zu leben, und selbst den Namen Passepartout zu vergessen…«
»Passepartout ist ganz passend für mich«, erwiderte der Gentleman. »Sie sind mir empfohlen. Man hat mir gute Auskunft über Sie gegeben. Sie wissen meine Bedingungen?«
»Ja, mein Herr.«
»Gut. Wie viel Uhr haben Sie?«
»Elf Uhr zweiundzwanzig Minuten«, erwiderte Passepartout, indem er eine große silberne Uhr aus seiner Hosentasche hervorzog.
»Sie sind in der Zeit zurück«, sagte Herr Fogg.
»Verzeihen Sie, mein Herr, aber es ist nicht möglich.«
»Um vier Minuten sind Sie zurück. Gleichviel. Merken wir uns nur die Abweichung. Also, von diesem Augenblicke an, elf Uhr neunundzwanzig Minuten vormittags, mittwochs, 2. Oktober 1872, sind Sie in meinem Dienst.«
Hierauf stand Phileas Fogg auf, nahm seinen Hut in die Linke, setzte ihn mit einer automatischen Bewegung auf und verschwand ohne ein Wort weiter.
Passepartout hörte, wie die Haustüre einmal sich schloss: sein neuer Herr ging hinaus; dann zum zweiten Mal: sein Vorgänger, James Forster, ging ebenfalls fort.
Passepartout befand sich allein im Hause der Savile Row.
»Meiner Treu«, sagte sich Passepartout, der anfangs etwas verdutzt war, »ich finde, dass die Hampelmännchen bei Madame Tussaud ebenso lebendig sind, als mein neuer Herr!«
Die Hampelmännchen der Madame Tussaud sind nämlich Wachsfiguren, die in London sehr gerne gesehen wurden, und bei denen man in der Tat nur vermisste, dass sie nicht reden konnten.
Während der wenigen Augenblicke, wo er mit Phileas Fogg zusammen gewesen, hatte Passepartout seinen künftigen Herrn rasch, aber doch genau gemustert. Der Mann von edler und schöner Gestalt, hohem Wuchs, dem einige Wohlbeleibtheit nicht übel stand, mochte etwa vierzig Jahre alt sein, hatte blondes Haar und Bart, eine glatte Stirn, ohne auch nur einen Schein von Runzeln an den Schläfen, ein mehr bleiches als gerötetes Angesicht, prachtvolle Zähne. Er schien in hohem Grade zu besitzen, was die Physiognomisten.1 »Ruhe in der Tätigkeit« nennen, eine Eigenschaft, die allen denen gemein ist, welche mit wenig Geräusch ihre Arbeit treiben. Mit Seelenruhe und Phlegma begabt, reinem Auge und unbeweglichen Wimpern, war er der vollendete Typus jener kaltblütigen Engländer, wie man sie im Vereinigten Königreiche ziemlich häufig antrifft, und deren etwas akademische Haltung Angelika Kaufmanns2 Pinsel zum Staunen treffend dargestellt hat. Sah man diesen Gentleman in seinen verschiedenen Tätigkeiten, so gab er die Idee eines Geschöpfes, dessen sämtliche Teile wohl im Gleichgewicht standen und richtig abgewogen waren, so vollkommen, wie ein Chronometer von Leroy3 oder Earnshaw4 Und in der Tat war Phileas Fogg die personifizierte Genauigkeit, was man deutlich an »dem Ausdruck seiner Füße und Hände« sah; denn beim Menschen, wie bei den Tieren, sind die Glieder selbst ausdrucksvolle Organe der Leidenschaften.
Phileas Fogg gehörte zu den mathematisch exakten Menschen, welche niemals eilig und stets fertig, mit ihren Schritten und Bewegungen sparsam sind. Er hob sein Bein nicht, ohne dass es nötig war, und ging stets den kürzesten Weg. Kein Blick nach der Decke war bei ihm vergeblich, keine Handbewegung überflüssig. Man sah ihn nie in Gemütsbewegung oder Unruhe. Kein Mensch auf der Welt war weniger hastig, und doch kam er stets zu rechter Zeit. Man wird jedoch begreiflich finden, dass dieser Mann einsam lebte, und sozusagen außer aller gesellschaftlichen Beziehung. Er wusste, dass es im Leben unvermeidlich Reibungen gibt, und da die Reibungen hemmen, so rieb er sich an niemand.
Was nun Jean, genannt Passepartout, betrifft, so war er ein echter Pariser aus Paris, und hatte seit den fünf Jahren, wo er in England wohnte und zu London den Kammerdiener machte, vergeblich einen Herrn gesucht, an den er sich fest anschließen konnte.
Passepartout gehörte nicht zu denen, die sich in die Brust werfen, mit kecker Nase, zuversichtlichem Blick, trockenem Auge doch nur unverschämte Tölpel sind. Nein, Passepartout war ein braver Bursche mit freundlichem Gesicht, etwas vorstehenden Lippen, ein sanfter und geschmeidiger Charakter, mit so einem gutwilligen, runden Kopf, wie man ihn gerne auf den Schultern eines Freundes sieht. Er hatte blaue Augen, belebten Teint, ein Gesicht, das voll genug war, um selbst die Wölbung seiner Wangen wahrzunehmen; breite Brust, starke Taille, einen Muskelbau von herkulischer Kraft, welche durch die Übungen seiner Jugendzeit erstaunlich entwickelt war. Seine braunen Haare spielten etwas ins Rötliche. Kannten die Bildhauer des Altertums achtzehn verschiedene Arten, das Haupthaar der Minerva zu ordnen, so wusste Passepartout für das seinige nur eine: drei Strich mit dem Scheitelkamm und der Hauptschmuck war fertig.
Ob der mitteilsame Charakter dieses Burschen zu dem des Phileas Fogg passen würde, war der einfachsten Voraussicht nicht möglich zu sagen. Sollte wohl Passepartout der so gründlich exakte Diener sein, dessen sein Herr bedurfte? Das ließe sich nur aus der Erfahrung abnehmen. Nachdem er, wie wir wissen, eine ziemlich vagabundierende Jugend gehabt, trachtete er nach einem ruhigen Leben. Da man ihm die regelmäßige Pünktlichkeit und sprichwörtliche Kälte der Gentlemen gepriesen hatte, so versuchte er in England sein Glück. Aber bisher hatte der Zufall ihm schlecht gedient; er hatte nirgends Wurzel fassen können, und schon zehnmal den Herrn gewechselt. Überall war man fantastisch, ungleich, abenteuerlich, von Land zu Land schweifend – was für Passepartout nicht mehr passen konnte. Sein letzter Herr, der junge Lord Longsferry, Parlamentsmitglied, kam oft, wenn er seine Nacht in den »Austernstuben« Haymarkets verbracht, auf den Schultern der Polizeileute nach Hause. Passepartout, der vor allen Dingen seines Herrn Ehre wahren wollte, wagte einige respektvolle Bemerkungen, die üble Aufnahme fanden, und er verließ den Dienst. Darauf hörte er, Phileas Fogg, Esq., suche einen Diener, und erkundigte sich über ihn. Ein Mann von so geregeltem Leben, der nicht auswärts schlief, keine Reisen machte, niemals auch nur einen Tag abwesend war, konnte ihm nur angenehm sein. Er stellte sich vor und wurde, wie wir wissen, angenommen.
Passepartout befand sich also, nachdem halb zwölf vorüber war, allein im Hause der Savile Row. Sogleich machte er sich daran, es vom Keller bis zum Speicher zu besichtigen. Dieses reinliche, geordnete, strenge, puritanische, wohl für den Dienst eingerichtete Haus gefiel ihm. Es machte auf ihn den Eindruck eines schönen Schneckenhauses, das jedoch mit Gas erleuchtet und geheizt war, denn der kohlenstoffhaltige Wasserstoff war darin hinreichend für alle Bedürfnisse der Beleuchtung und Erwärmung. Passepartout fand leicht im zweiten Stock das für ihn bestimmte Zimmer, und es gefiel ihm. Durch elektrische Glocken und Hörrohre stand es mit den Gemächern des Zwischenstocks und der ersten Etage in Verbindung! Auf dem Kamin stand eine elektrische Uhr, welche mit der Uhr im Schlafzimmer von Phileas Fogg übereinstimmte, und beide schlugen in demselben Augenblick dieselbe Sekunde.
»Das steht mir an, das gefällt mir!« sagte Passepartout.
Er bemerkte auch in seinem Zimmer über der Standuhr ein Merkblatt angeheftet, mit der Vorschrift des täglichen Dienstes. Dasselbe enthielt – von acht Uhr vormittags, der regelmäßigen Zeit, wo Phileas Fogg aufstand, bis zu halb zwölf, da er zum Frühstücken sich auf den Reformclub begab – alle Einzelheiten des Dienstes: Tee und geröstete Brotschnitten um acht Uhr dreiundzwanzig Minuten; Wasser zum Rasieren um neun Uhr siebenunddreißig; Frisieren um neun Uhr vierzig, usw. Nachher von halb zwölf vormittags bis zu zwölf Uhr nachts, wo der methodische Gentleman zu Bette ging, war alles aufgezeichnet, vorgesehen, geregelt. Passepartout machte sich eine Freude daraus, dies Programm zu studieren und dessen verschiedene Artikel seinem Geist einzuprägen.
Die Garderobe des Herrn war sehr gut ausgestattet und merkwürdig gehaltreich. Jede Hose, jeder Rock oder Weste war mit einer Ordnungsnummer versehen, die in einem Register eingetragen war, worauf das Datum stand, wann, der Jahreszeit nach, diese Stücke angezogen werden sollten. Gleiche regelmäßige Anordnung auch für die Fußbekleidung.
Im Allgemeinen war dieses Haus der Savile Row – welches zur Zeit des berühmten, aber zerstreuten Sheridan ein Tempel der Unordnung gewesen sein muss – bequem möbliert, einer hübschen Gemächlichkeit entsprechend.
Keine Bibliothek, keine Bücher, welche für Herrn Fogg unnütz gewesen wären, weil der Reformclub zwei Bibliotheken, eine für Literatur, die andere für Recht und Politik, ihm zur Verfügung stellte. In dem Schlafzimmer ein Kassenschrank mittlerer Größe, der gegen Feuersgefahr und Diebstahl sicherte. Keine Waffe im Hause, nichts von Jagd- oder Kriegsgeräte. Aus allem sah man nur die friedlichsten Gewohnheiten.
Nachdem Passepartout diese Wohnung im Detail gemustert hatte, rieb er sich die Hände, sein breites Gesicht ward heiter, und er sagte wiederholt freudigen Herzens:
»Das steht mir an! Hier ist mein Platz! Herr Fogg und ich, wir verstehen uns vollkommen. Das ist ein geregelter Mann, ein Zimmerhüter! Eine wahre Maschine! Nun, ich bin ganz zufrieden, eine Maschine zu bedienen!«
Als Physiognomik bezeichnet man die »Kunst«, aus dem unveränderlichen physiologischen Äußeren des Körpers, besonders des Gesichts, auf die seelischen Eigenschaften eines Menschen – also insbesondere dessen Charakterzüge und/oder Temperament – zu schließen. Nachdem sie seit der Antike als Geheimwissen zirkulierte und im Zeitalter der Aufklärung zu einer populärwissenschaftlichen Blüte kam, wurde sie im 19. und 20. Jahrhundert als wissenschaftlicher Unterbau für Rassismus und Eugenik herangezogen. <<<
Angelika Kauffmann (✳ 30. Oktober 1741 in Chur, Freistaat Drei Bünde; † 5. November 1807 in Rom) war eine schweizerisch-österreichische Malerin des Klassizismus. <<<
Le Roy, Bazile, geboren 1731, gestorben 1804, Gründer der Uhrmacherdynastie LeRoy und Vater von Bazile-Charles Leroy. <<<
Thomas Earnshaw (✳ 4. Februar 1749 in Ashton-under-Lyne; † 1. März 1829 in London) war ein englischer Uhrmacher, der als erster den Bau von Marinechronometern vereinfachte, damit sich eine breitere Öffentlichkeit solche Instrumente leisten konnte. <<<
Phileas Fogg hatte um halb zwölf Uhr sein Haus in Savile Row verlassen, und langte, nachdem er fünfhundertfünfundsiebzigmal seinen rechten Fuß vor den linken, und fünfhundertsechsundsiebzigmal seinen linken Fuß vor den rechten gesetzt hatte, im Reformclub an, einem ungeheueren Gebäude in Pall Mall,1 welches nicht weniger als drei Millionen zu bauen gekostet hat.
Phileas Fogg begab sich sogleich in den Speisesaal, dessen neun Fenster die Aussicht auf einen Garten boten, mit Bäumen, die bereits im herbstlichen Goldschmuck prangten. Er setzte sich dort an die gewöhnliche Tafel, wo sein Gedeck auf ihn wartete. Sein Frühstück bestand aus einem Nebengericht, gesottenem Fisch in einer vorzüglichen »reading sauce«2 – einem scharlachroten Roastbeef mit »mushroom«3 gewürzt, einem Kuchen mit Füllsel von Rhabarberstängeln und grünen Stachelbeeren, einem Stückchen Chester – alles mit einigen Tassen von dem vortrefflichen Tee, welcher ganz besonders für die Küche des Reformclubs gesammelt wurde.
Um zwölf Uhr siebenundvierzig Minuten stand dieser Gentleman auf und begab sich in den großen Salon, der prachtvoll mit Gemälden in reichen Rahmen verziert war. Hier stellte ihm ein Diener die noch nicht aufgeschnittene »Times« zu, welche Phileas Fogg mit einer Sicherheit der Hand auseinanderfaltete, welches eine große Übung in dieser schwierigen Operation bekundete. Mit dem Lesen dieses Journals war Phileas Fogg bis drei Uhr fünfundvierzig Minuten beschäftigt; sodann mit der Lektüre des »Standard« bis zum Diner. Diese Mahlzeit fand in gleicher Weise statt, wie das Frühstück, nur dass noch die »royal british sauce«4 hinzukam.
Um fünf Uhr vierzig Minuten erschien der Gentleman wieder in dem großen Salon und vertiefte sich in die Lektüre des »Morning Chronicle.«
Eine halbe Stunde später kamen verschiedene Mitglieder des Reformclubs herein und näherten sich dem Kamin, wo ein Kohlenfeuer brannte. Es waren die gewöhnlichen Spielgenossen des Herrn Phileas Fogg, gleich ihm leidenschaftliche Whistspieler: der Ingenieur Andrew Stuart, die Bankiers John Sullivan und Samuel Fallentin, der Brauer Thomas Flanagan, Walther Ralph, einer der Administratoren der Bank von England – reiche und angesehene Männer, selbst in diesem Club, welcher die hervorragendsten Glieder der Industrie und Finanzwelt in seiner Mitte zählt.
»Nun Ralph«, fragte Thomas Flanagan, »wie steht’s mit dem Diebstahl?«
»Nun«, erwiderte Andrew Stuart, »die Bank wird um ihr Geld kommen.«
»Ich hoffe im Gegenteil«, sagte Walther Ralph, »dass wir den Dieb in die Hand bekommen werden. Es sind sehr geschickte Polizeileute nach Amerika und Europa in alle hauptsächlichen Landungs- und Einschiffungshäfen abgeschickt worden, denen wird jener Herr wohl schwerlich entrinnen.«
»Man hat das Signalement5 des Diebes?« fragte Andrew Stuart.
»Vor allem, es ist kein Dieb«, erwiderte ernsthaft Walther Ralph.
»Wie, dieses Individuum, welches fünfundfünfzigtausend Pfund in Banknoten (2.100.000 Mark) entwendet hat, ist nicht ein Dieb zu nennen?«
»Nein«, versetzte Walther Ralph.
»Also ein Industrieller?« sagte John Sullivan.
»Das ›Morning Chronicle‹ versichert, es sei ein Gentleman.«
Der Mann, welcher diese Äußerung machte, war niemand anders als Phileas Fogg, dessen Kopf damals aus der um ihn herum aufgetürmten Flut von Papieren auftauchte. Zugleich grüßte Phileas Fogg seine Kollegen, welche seinen Gruß erwiderten.
Der fragliche Vorfall, welchen die verschiedenen Journale des Vereinigten Königreichs eifrig besprachen, hatte sich drei Tage zuvor, am 29. September, begeben. Ein Paket Banknoten, hundertfünftausend Pfund enthaltend, war aus dem Fach des Hauptkassierers der Bank von England verschwunden.
Wunderte man sich, dass ein solcher Diebstahl so leicht vorfallen konnte, so antwortete der Untergouverneur Walther Ralph nur, dass der Kassierer eben damit beschäftigt war, einen Einnahmeposten von drei Schilling sechs Pence einzutragen, und man könne nicht seine Augen überall zugleich haben.
Aber es ist hier zu bemerken – was die Tatsache erklärlicher macht – dass dieses staunenswerte Institut der Bank von England äußerst besorgt um die Würde des Publikums ist. Keine Wachen, keine Invaliden, keine Gitter! Das Gold, Silber, die Noten liegen da ganz frei, sozusagen dem Belieben des ersten Besten Preis gegeben. Es fällt einem nicht ein, gegen die Ehrenhaftigkeit irgendeines Vorübergehenden Verdacht zu hegen. Einer der besten Beobachter englischer Gebräuche erzählt sogar Folgendes: In einem der Säle der Bank, wo er sich eines Tages befand, war er so neugierig, einen sieben bis acht Pfund schweren Goldbarren näher zu besehen; er nahm denselben, betrachtete ihn, übergab ihn seinem Nachbar, dieser einem anderen, und so wanderte der Barren von Hand zu Hand bis in einen dunklen Gang hinein, und kam erst nach einer halben Stunde an seinen Platz zurück, ohne dass der Kassierer nur den Kopf danach hob.
Ich wette um 4000 Pfund!
Aber am 29. September ging’s nicht ganz eben so. Der Pack Banknoten kam nicht wieder zurück, und als die prachtvolle Uhr, welche über dem Geschäftssaal angebracht war, um fünf Uhr den Schluss der Büros anläutete, blieb der Bank von England nichts übrig, als hundertundfünftausend Pfund auf das Verlustkonto zu setzen.
Als der Diebstahl gehörig festgestellt war, wurden auserwählte Agenten, »Detektivs«, in die bedeutendsten Häfen zu Liverpool, Glasgow, Le Havre, Suez, Brindisi, New York etc., abgeschickt, und eine Prämie von zweitausend Pfund nebst fünf Prozent der wieder gefundenen Summe für die Entdeckung ausgesetzt. Während sie die Auskünfte abwarteten, welche die unverzüglich eingeleitete Untersuchung zu liefern versprach, hatten diese Agenten den Auftrag, sorgfältig alle ankommenden und abreisenden Passagiere zu beobachten.
Nun hatte man Grund, gerade wie das »Morning Chronicle« sich aussprach, anzunehmen, dass der Täter keiner der organisierten Diebesgesellschaften Englands angehöre. Man hatte im Laufe des 29. September einen wohlgekleideten Gentleman von guten Manieren und vornehmer Miene in dem Zahlungssaale, wo der Diebstahl vorfiel, ab und zu gehen gesehen. Die Untersuchung hatte es möglich gemacht, ziemlich genau das Signalement dieses Gentleman herzustellen, welches dann augenblicklich an alle Detektivs des Vereinigten Königreiches und des Kontinentes abgeschickt wurde. Manche gute Köpfe – worunter auch Walther Ralph – glaubten daher Grund zur Hoffnung zu haben; der Dieb werde nicht entrinnen.
Man kann sich denken, dass dieser Vorfall zu London und in ganz England das Tagesgespräch bildete. Man stritt leidenschaftlich für und wider die Wahrscheinlichkeit des Erfolges der Polizei in der Hauptstadt. Kein Wunder also, dass die Mitglieder des Reformclubs den nämlichen Gegenstand besprachen, umsomehr, als einer der Untergouverneure der Bank sich unter ihnen befand.
Der ehrenwerte Walther Ralph wollte am Erfolg der Nachforschungen nicht zweifeln, indem er meinte, die ausgesetzte Prämie müsse den Eifer und die Spürkraft der Agenten ausnehmend schärfen. Aber sein Kollege, Andrew Stuart, teilte bei weitem nicht diese Zuversicht. Der Wortstreit dauerte also unter den Gentlemen fort, die an einem Spieltische Platz genommen hatten, Stuart gegenüber Flanagan, Fallentin gegen Phileas Fogg. Während des Spieles schwiegen die Spieler, aber zwischen den Robbers wurde die unterbrochene Unterhaltung umso lebhafter fortgesetzt.
»Ich behaupte«, sagte Andrew Stuart, »dass der Dieb unfehlbar ein gewandter Mensch ist, welcher alle Aussicht hat, zu entkommen.«
»Ei doch!« erwiderte Ralph, »es gibt ja nicht ein einziges Land mehr, wo er Zuflucht fände.«
»Das wäre!«
»Wo meinen Sie denn, dass er hingehen soll?«
»Das weiß ich nicht«, versetzte Andrew Stuart, »aber trotz allem ist doch auf der Erde viel Raum.«
»Das war ehedem der Fall…«, sagte Phileas Fogg halblaut. Darauf: »Sie müssen abheben, mein Herr«, und reichte Thomas Flanagan die Karten.
Der Disput ruhte während der Robber. Aber bald fing er wieder an, als Andrew Stuart sagte:
»Wieso? ehedem! Ist die Erde etwa kleiner geworden?«
»Allerdings«, versetzte Walther Ralph. »Ich bin der Meinung des Herrn Fogg. Die Erde hat an Umfang verloren, weil man jetzt zehnmal rascher wie vor hundert Jahren um sie herum reisen kann. Und deshalb werden auch in unserm gegebenen Falle die Nachforschungen weit rascher angestellt.«
»Und auch die Flucht des Diebes wird dadurch leichter!«
»An Ihnen ist die Reihe, Herr Stuart!« sagte Phileas Fogg.
Aber der ungläubige Stuart war nicht überzeugt, und als die Partie fertig war, versetzte er:
»Man muss gestehen, Herr Ralph, Sie haben da einen scherzhaften Einfall gehabt, indem Sie sagten, die Erde sei kleiner geworden! Also weil man jetzt in drei Monaten um dieselbe herum reist…«
»In achtzig Tagen nur«, sagte Phileas Fogg.
»Wirklich, meine Herren«, setzte John Sullivan hinzu, »achtzig Tage, seitdem auf der großen Indischen Eisenbahn die Strecke zwischen Rothel und Allahabad eröffnet worden ist, wie das ›Morning Chronicle‹ die Route berechnet, nämlich:
Von London nach Suez über den Mont Cenis und Brindisi, Eisenbahn und Paketschiff: 7 Tage
Von Suez nach Bombay, Paketschiff: 13 Tage
Von Bombay nach Kalkutta, Eisenbahn: 3 Tage
Von Kalkutta nach Hongkong, Paketschiff: 13 Tage
Von Hongkong nach Yokohama in Japan, Paketschiff: 6 Tage
Von Yokohama nach San Francisco, Paketschiff: 22 Tage
Von San Francisco nach New York, Eisenbahn: 7 Tage
Von New York nach London, Paketschiff und Eisenbahn: 9 Tage
Summe: 80 Tage.«
»Ja! achtzig Tage«, rief Andrew Stuart, der aus Unachtsamkeit eine schlechte Karte abhob, »aber die schlechte Witterung, widrige Winde, Schiffbruch, Entgleisungen etc. nicht gerechnet.«
»Alles einbegriffen«, erwiderte Phileas Fogg, und fuhr fort zu spielen; denn diesmal nahm das Gespräch keine Rücksicht auf das Spiel.
»Selbst auch, wenn die Hindus oder die Indianer die Schienen aufheben!« rief Andrew Stuart, »wenn sie die Züge aufhalten, um die Gepäckwagen zu plündern und die Passagiere zu skalpieren!«
»Alles inbegriffen«, erwiderte Phileas Fogg, der sein Spiel hinwarf, mit den Worten: »Zwei Haupttrümpfe!«
Andrew Stuart, an welchem die Reihe war zu geben, nahm die Karten wieder zusammen und sprach:
»Theoretisch haben Sie Recht, Herr Fogg, aber in der Praxis…«
»In der Praxis auch, Herr Stuart.«
»Ich wünschte Sie dabei zu sehen.«
»Das hängt nur von Ihnen ab. Machen wir die Reise miteinander.«
»Der Himmel behüte mich!« rief Stuart, »aber ich würde schon um viertausend Pfund wetten, dass eine solche Reise, unter solchen Bedingungen, unmöglich ist.«
»Sehr möglich, vielmehr«, erwiderte Herr Fogg.
»Nun, so machen Sie die Reise!«
»Die Reise um die Welt in achtzig Tagen?«
»Ja.«
»Ich bin’s zufrieden.«
»Wann?«
»Augenblicklich. Nur will ich Ihnen bemerken, auf Ihre Kosten will ich sie machen.«
»’s ist Narrheit!« rief Andrew Stuart, dem das Drängen seines Spielgenossen lästig ward. »Spielen wir lieber.«
»So geben Sie die Karten nochmals«, erwiderte Phileas Fogg, »denn sie sind vergeben.«
Andrew Stuart nahm die Karten wieder in die zitternde Hand; dann legte er sie plötzlich wieder auf den Tisch und sprach:
»Nun ja! Herr Fogg, ja, ich wette um viertausend Pfund!…«
»Lieber Stuart«, sagte Fallentin, »werden Sie ruhig. Das ist nicht ernstlich gemeint.«
»Wenn ich sage: ich wette«, versetzte Andrew Stuart, »ist’s immer ernstlich gemeint.«
»Ich schlage ein!« sagte Herr Fogg. Dann zu seinen Kollegen gewendet:
»Ich habe zwanzigtausend Pfund bei den Gebrüdern Baring stehen. Die setze ich gerne daran…«
»Zwanzigtausend Pfund!« rief John Sullivan. »Zwanzigtausend Pfund, die Sie durch eine unvorausgesehene Verspätung verlieren können!«
»Es gibt nichts Unvorhergesehenes«, erwiderte Phileas Fogg einfach.
»Aber, Herr Fogg, dieser Zeitraum von achtzig Tagen ist nur als ein mindestes Maß gemeint!«
»Wenn man ein Mindestes gut verwendet, reicht’s immer hin.«
»Aber um es nicht zu überschreiten, muss man mathematisch genau aus den Eisenbahnen in die Paketschiffe, und aus den Paketschiffen in die Eisenbahnen springen!«
»Ich will den Sprung mathematisch genau vornehmen.«
»’s ist nur Spaß!«
»Ein guter Engländer macht nie Spaß, wenn es sich um eine so ernste Sache, wie eine Wette handelt«, erwiderte Phileas Fogg. »Ich wette mit jedem, der Lust dazu hat, um zwanzigtausend Pfund, dass ich die Reise um den Erdball in längstens achtzig Tagen machen werde, d.h. in neunzehnhundertundzwanzig Stunden, oder hundertfünfzehntausendzweihundert Minuten. Sind Sie es zufrieden?«
»Wir nehmen die Wette an«, erwiderten, nachdem sie sich untereinander verständigt, die Herren Stuart, Fallentin, Sullivan, Flanagan und Ralph.
»Gut«, sagte Herr Fogg. »Der Zug nach Dover geht um acht Uhr fünfundvierzig Minuten ab. Mit dem reise ich.«
»Heute Abend?« fragte Stuart.