Remake Yourself - Martina Leibovici-Mühlberger - E-Book

Remake Yourself E-Book

Martina Leibovici-Mühlberger

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Beschreibung

Kindheitstraumata aufspüren, um aktuelle Probleme zu lösen? Das galt lange als bestes Mittel, um uns zu zufriedenen Menschen zu machen. Ein neuer Trend in der Psychotherapie sieht das anders, denn die guten Momente, die es in jeder Kindheit gibt, vermögen besondere Kraft zu entwickeln. Sie zu entdecken und konstruktiv zu integrieren, hilft uns, ein positiveres und stärkeres Selbstbild aufzubauen. Die renommierte Psychotherapeutin Prof. Dr. Martina Leibovici-Mühlberger zeigt, welche Kraft in einer neuen Erzählung unseres Lebens liegt.

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Seitenzahl: 72

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Martina Leibovici-Mühlberger:Remake Yourself

Alle Rechte vorbehalten© 2024 edition a, Wienwww.edition-a.at

Cover: Susanne Kaurek

Satz: Bastian Welzer

Gesetzt in der PremieraGedruckt in Europa

12345—28272625

ISBN: 978-3-99001-790-6

eISBN: 978-3-99001-791-3

MartinaLeibovici-Mühlberger

REMAKEYOURSELF

Du entscheidest, wie dichdeine Vergangenheit prägt

INHALT

Menschen, die unser Leben mitgestalten

Besondere positive Erinnerungen

Positive Erlebnisse der Selbstermächtigung

Was prägt unser Verhalten?

Ich fange mit einem Bekenntnis an: Ich habe mich schon immer brennend für Menschen interessiert. Sie fragen vielleicht, ob dies so besonders ist. Gilt das nicht für jeden anderen auch? Denn als Gemeinschaftswesen, oder wie es schon Aristoteles zu bezeichnen pflegte, als zoon politikon, ist es sozusagen ein Bestandteil unserer DNA, dass uns andere Menschen in ihren Bann ziehen. Das gehört zu unserer Überlebensausrüstung. Wir werden schließlich hochgradig unreif und abhängig geboren und gerade die kontinuierliche soziale Interaktion und erlebte Fürsorge entscheiden, wie wir die Welt sehen, und darüber hinaus vielfach über unser Glück und Unglück. Das zeigten schon die schrecklichen Experimente des Stauferkönigs Friedrich II. im 13. Jahrhundert, der Kinder ohne Fürsorge aufziehen ließ. Sein Ziel war es, die »Ursprache« des Menschen herauszufinden. Zu diesem Zweck verbot er Ammen, den ihnen anvertrauten Kindern vorzusingen oder gar mit ihnen zu sprechen. Sie sollten bloß ihre Brust reichen, verbale Kommunikation war nicht gestattet. Mit einem niederschmetternden Ergebnis, denn alle Kinder starben. Voller Erkenntnis schrieb er dazu: »Sie vermochten nicht zu leben ohne das Händepatschen und das fröhliche Gesichterschneiden und die Koseworte ihrer Ammen.«

Wir brauchen also den anderen Menschen, reagieren auf ihn und lernen mit der Zeit, wie wir uns zu verhalten haben und wie wir unser Verhalten einsetzen können, um unsere Bedürfnisse und Wünsche zu realisieren.

Allerdings bemerkte ich schon früh, dass mein Interesse an Menschen anders war als das meiner gleichaltrigen Spielgefährten. Während deren Aufmerksamkeit darauf ausgerichtet war, zu beobachten, welches Verhalten sie an den Tag legen mussten, um ihre Ziele zu erreichen oder auch Unmut oder gar Strafe abzuwenden, interessierte mich, WARUM die wesentlichen Personen meiner Kindertage sich in einer bestimmten Weise verhielten, und warum gerade in dieser Weise?

Was war wohl dafür verantwortlich, dass das Stück Biskuitroulade, das eine Nachbarin brachte, von meiner Mutter über allen Klee gelobt wurde, während jenes der Nachbarin auf der anderen Gangseite als trocken und krümelig qualifiziert wurde? Sie schmeckten eindeutig beide gleich saftig und die Zitronencreme war in beiden üppig, entsprang das Rezept doch derselben Quelle: der neuesten Rezeptkartensammlung einer Tageszeitung, wie ich beim Gangtratsch meiner Mutter mit den Nachbarinnen aufgeschnappt hatte.

Warum war meine so wunderbar kochende und backende Mutter nur so schrecklich nervös und musste vor Aufregung sogar zweimal auf die Toilette rennen, bevor sie ihre »Kostproben« an die Nachbarinnen verteilte?

Wie konnte es passieren, dass mein so souverän wirkender Vater scheinbar ohne jeden Grund in einen beängstigenden Wutausbruch kippte? Welcher Mechanismus, der sich zudem seiner Kontrolle entzog, lag hier wohl dahinter? Welche Kräfte bestimmten im Hintergrund – oder im Untergrund – das Verhalten und die Reaktionen von Menschen? Schon allein die Feststellung, dass es da einen Hintergrund oder Untergrund des Verhaltens geben musste, eine Kraft, die darüber entschied, WIE eine an und für sich neutral wirkende Situation erlebt wurde, berauschte mich früh. Und die mögliche Entdeckung einer Gesetzmäßigkeit versetzte mich in jene Stimmung, wie sie mich aus den Abenteuerbüchern früherer Expeditionen anwehte.

Ich wusste damals natürlich noch nichts von Freud, dem Unbewussten, Traumata, Prägung, Bindungstheorien oder Ähnlichem. Eigentlich wusste ich damals überhaupt nichts. Und auch nichts von der Existenz einer Wissenschaft von der Seele, der Psychologie oder gar Psychiatrie und Psychotherapie, die gerade erst erfunden wurde und noch in aufregenden Kinderschuhen steckte. Für mich war es ein Land, das ich selbst entdecken musste und das mich mit magischer Anziehung erfüllte.

Allerdings hatte ich im Labor meines Elternhauses reichlich Gelegenheit, die Auswirkungen psychischer Mechanismen zu erleben. Trafen hier doch paradoxerweise ein unverrückbares Bekenntnis zur Geborgenheit für uns Kinder mit über Generationen angehäuften historischen Verwerfungen zusammen. Darüber hinaus lebten meine Eltern ihr Beziehungsideal der romantischen Liebe im Sinne einer fatalistischen Unterwerfung. Sie wollten ständig zueinander und rissen sich doch selbst durch ihre Verschiedenheit in wesentlichen Wesenszügen immer wieder Wunden, ohne voneinander lassen zu können. Sie hätten sich pflichtbewusst als »glücklich« bezeichnet, wenn jemand sie gefragt hätte.

Sehr früh wurde ich zur intimen Vertrauten beider Elternteile. Ich stellte auf Zeichenblättern bunte Gebilde her, einer Landkarte ähnlich, heute würde man sie als mind maps bezeichnen. Auf diesen malte ich die Beziehungen aller Protagonisten der Familie und der erweiterten Familie zueinander und die damit verbundenen Schwierigkeiten und Missverständnisse sowie Allianzen und verdeckten Präferenzen auf. Unterschiedlich dicke Pfeile symbolisierten dabei nach einem Farbcode Konflikthaftigkeit oder Harmonie zwischen den Beteiligten.

Es liegt wohl nahe, dass diese Grundsituation meiner Prägung meine Berufswahl als Ärztin und Psychotherapeutin begünstigt hat. Auch erwies es sich als wesentlich einfacher, anderen Menschen als meinen Eltern oder Verwandten zu helfen.

Die Rolle der Kindheit für unser späteres Leben

Man könnte jetzt ziemlich logisch zu der Erwartung kommen, dass Menschen mit schlimmen Erfahrungen oder einer unglücklichen Kindheit, die eben gravierende Belastungen erlebt haben, auch eine dementsprechende Weltsicht und ein beeinträchtigtes Selbsterleben bis hin zu regelrechten Leidenszuständen entwickeln.

Dies trifft für viele auch zu und führt manche dann in der Folge in eine Psychotherapie, doch erstaunlicherweise finden sich durchaus auch Menschen, die trotz schlimmster Erlebnisse und katastrophaler Umstände während ihres Aufwachsens mit seelischer Gesundheit und Lebensfreude aufwarten können.

Ich kenne einen Mann, dessen zwei ältere Brüder bei einem Autounfall ums Leben kamen, als er ein Kind war, und dessen schwangere Partnerin just an jenem Tag, an dem er ihr den langüberlegten Heiratsantrag machte, von einem LKW überrollt und getötet wurde. So etwas kommt tatsächlich vor und fühlt sich so schlimm an, dass man als Zuhörer den emotionalen Gehsteig einrollen und den inneren Vorgarten hochklappen will, um ja mit dieser Welt keinen Kontakt mehr zu haben.

Eine andere Person, die mir begegnete und durch ihren ungebremsten Lebensmut imponierte, war im Jugoslawienkrieg zufällig nicht in ihrem Dorf, als der damalige Feind mit Flammenwerfern durchmarschierte und niemanden am Leben ließ.

Eine stets zuversichtliche Kollegin, die mit ihrem Wortwitz jede Situation punktgenau zu charakterisieren versteht, hat als jüngstes von vier Kindern nur schlagende alkoholkranke Eltern und eine drogenabhängige Schwester erlebt. Die Schwester ist schon lange tot und beide Brüder sind auf der Karriereleiter der Straffälligkeit von der Jugendkriminalität bis zum Schwerstverbrecherdasein aufgestiegen und nur in ihrer einschlägigen Verwahrung zu besichtigen.

Alle diese Menschen haben es, entgegen ihren schrecklichen Erfahrungen, geschafft, eine positive Perspektive auf die Welt und ihr Leben zu kreieren.

Ist uns das Glück in die Wiege gelegt? Oder ist es Zufall? Oder vielleicht die vielgepriesene Resilienz?

Da ist sie wieder, meine Ursprungsfrage, die mich seit Kindertagen treibt. Was liegt dahinter? Wie funktioniert das? Wie gelingt es Menschen, die tatsächlich gravierende Belastungen erlitten haben, ein so positives, glückliches Leben zu führen?

Mit dieser Frage setze ich mich nun seit vielen Jahren auseinander. Ihre Beantwortung fasziniert mich, denn die Kraft zur guten Lebensgestaltung liegt in uns selbst begründet.

Wie es uns gelingt, Krisen zu überwinden

Unwillkürlich fällt mir an dieser Stelle Viktor Frankl, der große Wiener Neurologe und Psychiater sowie Begründer der Existenzanalyse ein, der auf Basis seiner eigenen Erfahrungen im Konzentrationslager seine Logotherapie entwickelte. Dabei ist der Lebenssinn, wie immer dieser sich für jeden Menschen definiert, der wichtigste Motivationsfaktor im Leben. Wem der Lebenssinn in substanzieller Weise abhandenkommt, der vegetiert unwillkürlich seinem Ende zu. Darin sind wir uns heute alle einig. Wer keinen Sinn sieht, verliert den Glauben an sein Leben. Der reflexive Mensch, der seinen Kopf aus dem Schlamm eines unbewussten vegetativen Seins gehoben hat, ist ein sinngetriebenes Wesen. Doch mit dieser Feststellung sind wir nicht am Ende der Geschichte angelangt. Genaugenommen beginnt sie dort erst. Denn wie gelingt die rechte Entwicklung von Menschen, die vom Leben schon von Anbeginn geprügelt wurden, oder, wenn wir etwa mit eiskaltem Schaudern an Frankls Zeit im KZ denken, die Aufrechterhaltung dieses Lebenssinns?

Die Beantwortung dieser Frage ist der zentrale Punkt dieses Buches und auch eines gelingenden Lebens. Zu ihrer Beantwortung habe ich zahlreiche sehr persönliche Gespräche geführt, viele auch weitab vom therapeutischen Kontext.

Meine Frage war dabei nicht: »Was gibt dir Sinn im Leben, lässt dich dein Leben als ein kostbares Geschenk begreifen und motiviert dich zum Leben?« Sondern meine Frage an meine Gesprächspartner war ganz anderer Natur: »Lass einmal beiseite, WAS du als den sinnspendenden Inhalt deines Lebens gefühlt hast, sondern lass uns auf einen anderen Teil fokussieren. In deiner Biographie gab es ein existenzielles Krisenereignis. WIE ist es dir gelungen, dieses zu verarbeiten? WODURCH konntest du dich wieder so ausrichten, dass du heute ein zufriedenes Leben führen kannst?«