Rendezvous mit einer Burgruine - Claudia Haase - E-Book

Rendezvous mit einer Burgruine E-Book

Claudia Haase

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Beschreibung

Babsi ist enttäuscht. Der geplante Kurzurlaub in Bergfels fällt für sie und ihre Familie aus. Der dortige Weihnachtsmarkt, über den ihre Frau berichten wollte, findet nicht statt. Auch der Basar, an dessen Planung ihre Tochter Hannah beteiligt ist, steht dieses Jahr auf der Kippe. Und als wäre das nicht ärgerlich genug, geraten Hannah und ihre Freundin in Konflikt mit dem Gesetz. Ihr Ausflug in die heimische Burgruine Sturmstein hat ungeahnte Folgen, an denen eine gewisse Gräfin Ida aus Bergfels nicht unbeteiligt ist. Was keine von ihnen ahnt: In dem baufälligen Gemäuer muss sich die Maus Murina vor Gericht verantworten - und das ausgerechnet deshalb, weil sie den Menschen einen Gefallen tun wollte. In dieser Erzählung rund um die Burgruine Sturmstein treffen die Hauptfiguren der bereits veröffentlichten Kurzgeschichten von Claudia Haase aufeinander, der Band kann jedoch auch davon unabhängig gelesen werden.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1 - Vorfreude

Kapitel 2 – Mäusegericht

Kapitel 3 – Andere Pläne

Kapitel 4 – Urlaub ade

Kapitel 5 – Kein Tageslicht

Kapitel 6 – Plan B

Kapitel 7 – Eule oder Gespenster?

Kapitel 8 - Störenfriede

Kapitel 9 – Traum oder Vorahnung?

Kapitel 10 - Erwischt

Kapitel 11 - Eifersucht

Kapitel 12 – Das Urteil

Kapitel 13 - Mosaiksteinchen

Kapitel 14 - Rätselraten

Kapitel 15 – Verdammt großzügig

Danksagung

Kapitel 1 - Vorfreude

Es war klirrend kalt, aber die Sonne strahlte mit ihrer ganzen Kraft vom Himmel und hüllte die alte Ruine der Burg Sturmstein in gleißendes Licht. Vergnügt genoss Babsi den Ausflug mit ihrer Frau Theodora. Nicht oft kam es vor, dass diese sich von ihrer Arbeit loseiste und zu einem Spaziergang überreden ließ. Schon gar nicht im verschneiten Zitadellenpark vor den Toren der Stadt. Ihre Versuche, dem zu entgehen, klangen Babsi noch in den Ohren: »Ich möchte lieber Zuhause entspannen. Mit dem Auto bei diesem Wetter, wirklich?«

Aber irgendwie hatte sie Theodora doch vor die Tür gekriegt. Die Runde durch den Park war eine schöne Einstimmung für die nahende Weihnachtszeit. Vor den Feiertagen würden sie mit ihrer Tochter Hannah den ersten gemeinsamen Kurzurlaub verbringen. Babsi freute sich darauf, die schneereiche Gegend um Bergfels mit ihren beiden Liebsten unsicher zu machen. In den anderthalb Jahren, die Babsi mit Theodora zusammen war, hatte es keine Gelegenheit für eine Reise gegeben. Den nach ihrer Hochzeit vor ein paar Monaten geplanten und heiß ersehnten ersten gemeinsamen Sommerurlaub hatten sie immer wieder verschieben und letztendlich streichen müssen. Es war Theodoras Vorschlag gewesen, nach Bergfels zu fahren und das Schloss und den dortigen Weihnachtsmarkt zu besuchen, über den sie eine Fotostory herausbringen wollte. Wer weiß, ob Hannah in den nächsten Jahren überhaupt noch ohne Gemurre mit uns verreisen wird, dachte Babsi. Bald würde ihre fast 15-jährige Tochter bestimmt lieber mit ihren Freundinnen wegfahren.

Babsi schaute zu Burg Sturmstein hinüber. Sicher konnte sie nicht mit dem imposanten Schloss ihres Urlaubsortes mithalten, doch die dicken, teils eingefallenen Mauern boten trotzdem eine eindrucksvolle Kulisse. Die Eiszapfen, die vor den Maueröffnungen hingen, sahen aus wie Gardinenzipfel und ließen das Gemäuer einladend und gemütlich aussehen. Für einen Moment stellte Babsi sich vor, wie es wäre, innerhalb des Gewölbes an einem reich gedeckten Tisch Platz zu nehmen. Sie träumte von einem von Kerzen hell erleuchteten Saal und melodischer Harfenuntermalung. Seufzend kuschelte sie sich an Theodoras warmen Kaschmirmantel.

»Ein Wunder, dass Burg Sturmstein noch nicht plattgemacht wurde, damit ein Immobilienhai Wohnungen auf dem Grundstück bauen kann«, staunte Babsi. »Die Aussicht von hier über den Park und auf die Stadt ist doch phänomenal. Die könnten Mieten verlangen ...«

»Es ist nur eine Burgruine und keine gut erhaltene Burg. Wahrscheinlich gehört das Grundstück mehreren Personen und die Eigentumsverhältnisse sind unklar«, vermutete Theodora.

»Ob irgendwelche Könige oder Fürsten darin gewohnt haben?« Babsi summte nachdenklich. »Vielleicht gehört sie ja den Nachfahren eines deutschen Kaisers?«

»Das glaube ich nicht, dann wäre dort bestimmt ein Museum oder ein Archiv und das Bauwerk wäre nicht so verkommen.«

»Jammerschade, dass sie so leer dasteht.« Babsi lachte kurz auf und blieb stehen. Theodora schaute sie fragend an.

»Meine Oma hat mir früher erzählt, dass dort der Geist einer Prinzessin wohnt, die jede Nacht Liebesbriefe schreibt und ihr Leid beklagt. Nach ihrem Unfalltod im nahen Fluss ist sie als Geist zur Burg zurückgekehrt. Und während ihrer Schreibpausen macht sie angeblich Jagd auf kleine neugierige Kinder.«

»Wie gruselig. Nicht sehr feinfühlig von deiner Großmutter.«

»Ach, das hat meine Oma ja nur gesagt, damit wir uns nicht zur Ruine schleichen. Wir waren wahnsinnig neugierig, trauten uns aber nicht, dort zu spielen. Wir hatten Angst und glaubten tatsächlich, dass dort der Geist einer Prinzessin oder andere Gestalten wohnen würden. Wenn wir mit unseren Fahrrädern unterwegs waren, haben wir mit gehörigem Abstand angehalten und gerätselt, was hinter den Mauern vor sich geht.« Sie sog den Anblick der Ruine in sich auf. »Dabei liegt sie so friedlich und verlassen da. Hinter diesen Mauern spielten sich gewiss keine Dramen ab. Sonst hätte es die Öffentlichkeit sicher mitbekommen.«

Kapitel 2 – Mäusegericht

»Der Angeklagten Maus Murina wird vorgeworfen, sich in der Vorweihnachtszeit des letzten Jahres in das Büro des Lesbentelefons im Kulturhaus für Mädchen und Frauen begeben und einen Lottoschein entwendet sowie diesen außerhalb des Büros in eine Altpapierkiste befördert zu haben.«

Betreten sah Murina auf den Boden. Sie wünschte, ihre Freundin, die Eule Athena, könnte sich ganz klein machen, um zu ihr in die Untiefen der Burgruine Sturmstein zu gelangen. Sowohl, um ihr beizustehen, als auch, um den ganzen Vorfall in ihrer ruhigen und bedächtigen Art zu erklären. Zumal er beinahe zwölf Monate zurücklag und sie selbst ihn schon fast vergessen hatte. Wieso jetzt erst, gab es nicht so etwas wie Verjährung? Mit Schaudern erinnerte Murina sich daran, wie die Mäusepolizei sie vor zwei Tagen im Garten des Kulturhauses aufgegriffen hatte. Vom Schock wie gelähmt hatte sie nur schemenhaft den Weg zur alten Burgruine wahrgenommen, in deren Kellerräumen sich das Mäusegefängnis und das Gericht befanden.

»Zeugin Sori hat die Angeklagte dabei beobachtet und den Tathergang ausführlich zu Protokoll gegeben. Damit hat die Angeklagte gegen Paragraf 15 Absatz 2 MGB, Mäusegesetzbuch, verstoßen«, verkündete Richterin Arvalis mit strenger Stimme.

»Einspruch, Euer Ehren!«, hätte Murina am liebsten laut gerufen. Aber sie musste zugeben, dass es sich so zugetragen hatte. Sie war bei einem ihrer Spaziergänge durchs Büro fast auf dem Lottoschein ausgerutscht. Ordnungsliebend, wie sie nun mal war, hatte sie das Papier zur Altpapierkiste gezerrt und hineingeworfen. Dummerweise hatte sie Sori nicht bemerkt, die sich wie ein Spitzel in dem Loch in der Wand versteckt gehalten haben musste. Sicher gehörten Sori und ihr Familienclan daher auch den Spitzmäusen an – Spitzeln, Spitzmaus. Ausgestattet mit spitzen Nasen zum Herumschnüffeln. Sie war in der Zeit vor ihrer Verhaftung des Öfteren Sori und ihrer Bagage über den Weg gelaufen und diese hatte immer einen üblen Spruch auf Lager. Mehr noch! Sie meinte, dass Murina als Flüchtling vom Land kein Recht auf das Betreten des Kulturhaus-Geländes habe. Dabei gehörte das Ganze doch den Menschen und nicht den Spitzmäusen.

Dank ihrer schlauen Zellengenossin wusste Murina mittlerweile, dass Paragraf 15 Absatz 2 MGB das Anknabbern oder Verrücken von kleinen Gegenständen, die den Menschen gehörten, zwar erlaubte, aber das Verschleppen von Dingen in andere Räume unter Strafe stellte.

Murina hätte am liebsten das Weite gesucht. Nicht, dass sie Angst vor der Richterin Arvalis hätte. Mit ihrer beeindruckenden Erscheinung, dem plumpen Körper, den kleinen Ohren und dem kurzen Schwanz, sah sie aus wie Murinas Großmutter. Die war zwar auch streng gewesen, mindestens so streng wie Richterin Arvalis, hatte aber ein großes Herz gehabt. Sie hoffte, dass das auch für die Juristin galt. Aber Murina hat noch nie einer Gerichtsverhandlung beigewohnt und nun war sie selbst der Grund für diese Versammlung.

Alldieweil saß Sori mit einem selbstgefälligen Lächeln in der ersten Reihe der zuschauenden Mäuseschar, flankiert von zwei Begleiterinnen, die ohne Bedenken schmatzend an einem Stück Regenwurm knabberten. Sie waren hier doch nicht im Mäusekino!

»Nun, Murina, was können Sie zu Ihrer Verteidigung sagen?«, fragte die Richterin.

»Hohes Gericht«, begann Murina stammelnd, »ich wollte nur den Zettel aus dem Weg räumen, denn ich wäre fast darauf ausgerutscht.«

»Also geben Sie den Tathergang zu?«

»Ja, aber ...«, begann sie, doch Sori und ihre Freundinnen brachen in lauten Jubel aus und Murinas Stimme erstarb.

Das Publikum im Gerichtssaal rief wild durcheinander.

»Sehen Sie, sie gibt es zu!«

»Sie gehört eingesperrt!«

»Ganz klar, dass diese Altweltmaus sich strafbar gemacht hat!«

Murina bekam keinen Ton mehr heraus. Dabei war es so wichtig, die Angelegenheit aufzuklären. Am Ende hatten die Besucherinnen des Kulturhauses trotz Murinas Eingreifen keinen Schaden genommen, im Gegenteil!

»Ruhe!« Arvalis klopfte auf den Tisch.

»Ähem«, meldete sich Murinas Pflichtverteidigerin zu Wort. Sie war ihr zwangsweise zugesprochen worden, denn Murina hatte wirklich keine Ersparnisse, um sich eine eigene Anwältin zu leisten.

»Ich bitte im Namen meiner Mandantin um Gnade und möchte hervorheben, dass sie als Flüchtling vom Land kein eigenes Heim oder ein dickes Käsereservoir vorweisen kann. Auch kennt sie sich mit den hiesigen Begebenheiten und Vorschriften nicht aus.«

Murina war begeistert von dem Einsatz der Pflichtverteidigerin – was für ein Profi! – und hob ihre Vorderpfoten zum Klatschen, ließ sie ob der drohenden Seitenblicke der Juristin aber wieder